S 17 SO 45/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 17 SO 45/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für Bestattungskosten ergibt sich für frühere Leistungsbezieher nach dem Sozialgesetzbuch II nicht aus einer analogen Anwendung nach § 98 Abs. 3 1. Alt. SGB XII.

2. § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit von Sozialhilfeträgern gegenüber § 98 Abs. 3 SGB XII nachrangig anwendbar.

3. § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist für den Fall, dass sowohl der Sterbeort als auch der Ort des Begräbnisses im Ausland liegt, teleologisch zu reduzieren. Eine örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers besteht nach den Gedanken der § 98 Abs. 3 SGB XII und § 24 Abs. 1 SGB XII im Anwendungsbereich des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nur, soweit diese Zuständigkeit an die Person des Verstorbenen anknüpft und es sich dabei nicht um einen reinen Auslandssachverhalt handelt.
Die Klage wird abgewiesen

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für die Bestattung des Ehemanns der Klägerin in Kabul.

Der im Jahre 1959 in Kabul geborene Ehemann der Klägerin verstarb 2014 in Kabul / Afghanistan und wurde dort auch bestattet. Die Kosten für die Behandlung des Ehemanns der Klägerin im lokalen Krankenhaus und der sich anschließende Bestattung beliefen sich ungefähr auf 10.000,-EUR. Die Klägerin konnte diese Kosten mit ihrem monatlichen Gehalt von 500,-EUR nicht selbst aufbringen. Sie nahm bei ihrer Tante ein Darlehen i. H. v. 10.000,-EUR auf. Der Ehemann der Klägerin bezog zu seinen Lebzeiten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Er hatte mit der Klägerin drei Kinder.

Die Klägerin beantragte am 01.09.2014 bei dem Beklagten die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII.

Die Krankenkasse des Klägers lehnte mit Schreiben vom 11.09.2014 die Übernahme der Kosten der Krankenbehandlung i. H. v. 6.387,10 EUR ab.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.09.2014 ab. Da in diesem Bescheid ein falscher Name verwendet wurde, lehnte sie den Antrag erneut mit Bescheid vom 06.10.2014 ab. Ihre örtliche Zuständigkeit sei nicht gegeben. Nach § 74 SGB XII sei der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe gewährte. In anderen Fällen sei der Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen Bereich der Sterbeort liege. Da der Ehemann der Klägerin in Kabul / Afghanistan verstorben sei, läge der Sterbeort außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und auch außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des SGB XII.

Zwischenzeitlich wandte sich eine Tochter der Klägerin bereits am 17.09.2014 an das Regierungspräsidium Darmstadt und äußerte ihr Unverständnis über die Entscheidung des Beklagten. Sie verstehe nicht, warum die Kosten für das Begräbnis nicht übernommen werden können, da ihr Vater in Deutschland gemeldet sei, deutscher Staatsbürger sei und sich nur als Tourist in Kabul als seinem Geburtsort aufgehalten habe.

Die Klägerin legte gegen den Ablehnungsbescheid mit Schreiben ihrer früheren Bevollmächtigten vom 06.11.2014, eingegangen am 07.11.2014, Widerspruch ein. Der Bescheid sei rechtswidrig, da die Übernahme von Bestattungskosten im Ausland nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt sei. Es gäbe eine Zuständigkeitslücke, die geschlossen werden müsse. In den Fällen, in denen der Sterbeort nicht in Deutschland liege, sei der Träger der Sozialhilfe am tatsächlichen Aufenthaltsort des Bestattungspflichtigen örtlich zuständig. Die Regelungslücke führe nicht zur Unanwendbarkeit des Sozialgesetzbuches XII. Auch § 24 SGB XII könne nicht zur Aufrechterhaltung der Begründung des Ablehnungsbescheides herangezogen werden. Vielmehr sei der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthalt des Verstorbenen liegen würde.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2015 zurück. Ergänzend zum bisherigen Vortrag führte der Beklagte aus, dass die von der Klägerin aufgeführte Regelungslücke lediglich dann bestehe, sofern die Bestattung in Deutschland vorgenommen werde. Eine solche Regelungslücke bestehe jedoch nicht, da die Bestattung im Ausland vorgenommen wurde.

Die Klägerin erhob mit Schriftsatz ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 20.03.2015 Klage.

Die Darlehensgeberin forderte zwischenzeitlich das gewährte Darlehen zurück.

Die Klägerin behauptet, dass das Darlehen für die Bestattungs- und Krankenbehandlungskosten i. H. v. 10.000,-EUR gewährt worden sei. Es seien die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen. Erforderlich seien die Kosten für ein Begräbnis ortsüblicher einfacher, aber würdiger Art. Die Klägerin behauptet, dass die angefallenen Kosten den in Kabul üblichen Bestattungskosten entsprechen würden und es sich um eine einfache und würdige Bestattung gehandelt habe. Ihr sei zudem von dem Deutschen Konsulat geraten worden, als ausländische Staatsangehörige nicht aufzufallen und die ihren verstorbenen Ehemann mittels einer einfachen Beerdigung zu bestatten.

Auf Grund des Bezugs von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II sei es der Klägerin wirtschaftlich nicht zumutbar, die Beerdigungskosten finanziell zu übernehmen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit eine Regelungslücke vorliege. Die Beklagte sei zudem nach § 43 SGB I verpflichtet gewesen, einen Leistungsbescheid anstelle eines Ablehnungsbescheides zu erlassen und den nach ihrer Ansicht zuständigen Leistungsträger in Anspruch zu nehmen.

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 die Bestattungskosten für Herrn C. A. i. H. v. 3.907,73 EUR zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und wiederholt ihr diesbezügliches Vorbringen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Ablehnungsbescheid vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Der Beklagte hat zutreffend entschieden, dass er örtlich nicht zuständig ist.

Eine örtliche Zuständigkeit ergibt sich einerseits nicht unmittelbar aus § 98 Abs. 3 SGB XII (dazu unter 1.). Sie ergibt sich zudem auch nicht wegen einer analogen Anwendung von § 98 Abs. 3 SGB XII (dazu unter 2.). § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist entgegen der vom Gericht in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsansicht anwendbar, jedoch ist der Anwendungsbereich dieser Norm bei Bestattungskosten teleologisch zu reduzieren (dazu unter 3.).

1. Der Beklagte ist nach § 98 Abs. 3 SGB XII nicht unmittelbar örtlich zuständig. Nach § 98 Abs. 3 SGB XII ist in den Fällen des § 74 SGB XII der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Beklagte dem verstorbenen Ehemann der Klägerin keine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII gewährt hat. Weiterhin ist unstreitig, dass der Sterbeort des Ehemanns nicht in Deutschland liegt und somit auch keine Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers begründet werden kann.

2. Eine örtliche Zuständigkeit des Beklagten wird auch nicht über eine analoge Anwendung des § 98 Abs. 3 SGB XII begründet. In der Literatur ist umstritten, ob § 98 Abs. 3 1. Alt. SGB XII auf die Fallgestaltung analog anzuwenden ist, dass der Verstorbenen vor seinem Tod Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II bezogen hat. Insofern wird vertreten, dass es sich bei der nicht erfolgten Einbeziehung von Leistungsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch II in den Anwendungsbereich des § 98 Abs. 3 SGB XII um ein Versehen des Gesetzgebers handeln dürfte (so Grube/Wahrendorf, Sozialhilfe, Kommentar, 5. Auflage 2014, § 74 Rn. 48). Dies ist jedoch auszuschließen, da die Bestimmungen nach dem Sozialgesetzbuch II durch das "Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" vom 24.12.2003 eingeführt wurden und die Einordnung des vormaligen Bundessozialhilfegesetzes in das Sozialgesetzbuch durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilfegesetzes vom 27.12.2003 im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stand. Dabei ist der vorherige § 97 BHSG auch nicht unverändert in das Sozialgesetzbuch XII übernommen worden, sondern im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vielmehr § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII a. F. als neue Regelung eingeführt worden. Der Gesetzgeber hat auch in der Folge dreimal die Vorschrift des § 98 SGB XII verändert, zuletzt mit Wirkung zum 01.01.2013 ohne den Anwendungsbereich auf verstorbene Leistungsbezieher nach dem Sozialgesetzbuch II auszuweiten. Dies spricht dagegen, dass es sich bei der Nichteinbeziehung von verstorbenen Leistungsbeziehern nach dem Sozialgesetzbuch II um ein gesetzgeberisches Versehen handelt, sodass eine analoge Anwendung ausscheidet.

3. Eine Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich auch nicht unter Anwendung des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach ist derjenige Sozialhilfeträger örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der oder die Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält.

Die Klägerin ist jedenfalls auch Inhaberin des Anspruches nach § 74 SGB XII und damit Leistungsberechtigte nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (dazu unter a)). Bei § 98 Abs. 3 SGB XII handelt es sich zudem auch nicht um eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit (dazu unter b)). Die vom Gericht in der mündlichen Verhandlung geäußerte Rechtsansicht, dass § 98 Abs. 3 SGB XII die Anwendung von § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf Grund des Rechtssatzes "lex specialis derogat legi generali" ausschließt, dürfte nicht zutreffend sein (dazu unter c)). Es dürfte sich insofern tatsächlich um ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen den beiden Vorschriften handeln; dies schließt jedoch ebenfalls nicht die Anwendung von § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII aus (dazu unter d)). Das in der mündlichen Verhandlung gefundene Ergebnis lässt sich jedoch auf Grund einer teleologischen Reduktion des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bei der Geltendmachung von Bestattungskosten begründen (dazu unter e)).

a) In der Literatur wird vertreten, dass als Leistungsberechtigte für den Anspruch nach § 74 SGB XII die Bestattungspflichtige ist, die nach § 74 SGB XII erstattungsberechtigt ist (vgl. Söhngen in jurisPK-SGB XII, § 98 Rn. 46).

Inhaberin des Anspruches nach § 74 SGB XII ist diejenige, die zur Tragung der Kosten der Bestattung verpflichtet ist. Da sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann deutsche Staatsangehörige waren, findet deutsches Erbrecht Anwendung. Nach §§ 1922, 1968 BGB ist dabei der Erbe zur Kostentragung der Bestattungskosten verpflichtet. Die Erbenstellung richtet sich dabei im Fall der Klägerin nach den gesetzlichen Regelungen, da weitergehender Vortrag zu der Frage, ob ein Testament des Ehemanns der Klägerin, ein gemeinschaftliches Testament oder ein Erbvertrag bestand, fehlt. Nach den gesetzlichen Vorschriften ist die überlebende Ehegattin als Erbin zu einem Viertel nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Erbschaft berufen, sodass die Klägerin jedenfalls auch Bestattungspflichtige nach § 74 SGB XII ist

b) Das Verhältnis zwischen § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und § 98 Abs. 3 SGB XII könnte in der Hinsicht aufgefasst werden, dass § 98 Abs. 3 SGB XII eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit enthält. Eine solche ausschließliche örtliche Zuständigkeit wird seitens des Gesetzgebers jedoch regelmäßig ausdrücklich so angeordnet (vgl. insofern beispielhaft §§ 24, 29a ZPO), dass dies bereits leicht am Wortlaut der jeweiligen Norm erkennbar ist. Eine solche Anordnung hat der Gesetzgeber für § 98 Abs. 3 SGB XII nicht getroffen. Da § 98 Abs. 3 SGB XII unverändert von § 97 Abs. 3 BSHG übernommen wurde und zwischenzeitlich § 98 SGB XII mehrfach verändert wurde, ist davon auszugehen, dass eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit durch § 98 Abs. 3 SGB XII nicht begründet werden sollte.

c) Das Verhältnis von § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und § 98 Abs. 3 SGB XII stellt sich nicht als das Verhältnis von allgemeiner und spezieller Norm dar. Spezialität einer Norm liegt vor, wenn eine Norm alle Merkmale einer anderen enthält und darüber hinaus mindestens ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal enthält (Reimer, Juristische Methodenlehre, 1. Auflage 2016, Rn. 201). § 98 Abs. 3 SGB XII enthält jedoch nicht die Tatbestandsmerkmale des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII setzt insofern tatbestandlich voraus, dass sich der jeweilige Leistungsberechtigte sich im Zuständigkeitsbereich des Sozialhilfeträgers aufhält. Die Voraussetzung "tatsächlicher Aufenthalt" ist jedoch keine zwingende Voraussetzung von § 98 Abs. 3 SGB XII, da bei einem Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch XII sich die örtliche Zuständigkeit des jeweiligen Sozialhilfeträgers nicht zwingend nach dem tatsächlichen Aufenthaltsort der leistungsberechtigten Person begründet. Ein Leistungsbezug kann auch bei dem nach § 98 Abs. 2 SGB XII oder § 98 Abs. 5 SGB XII örtlich zuständigen Sozialhilfeträger erfolgen, sodass insofern auch der vorherige gewöhnliche Aufenthalt den Ausschlag geben kann.

Im Ergebnis wird jedoch die Bestimmung des Verhältnisses beider Normen nicht zu der Beantwortung der Frage beitragen, ob sich aus § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII eine örtliche Zuständigkeit der Beklagten ergibt. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen der spezielleren Norm ist insofern auf die verdrängte, aber weiter fortgeltende Norm zurückzugreifen (Schwacke, Juristische Methodik, 5. Auflage 2011, S. 19; Reimer, Juristische Methodenlehre, 1. Auflage 2016, Rn. 201).

d) Lediglich ergänzend und abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die beiden Normen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis stehen dürften. Insofern wird als Ausnahme ein normativer Sonderfall verstanden, der von dem Fall abweicht, den der Normgeber als Normalität ansieht (so Reimer, Juristische Methodenlehre, 1. Auflage 2016, Rn. 334). Bei § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII soll es nach dem Verständnis des Normgebers um die grundsätzliche örtliche Zuständigkeit handeln, die im Anschluss auf Grund der Ausnahmevorschrift des § 98 Abs. 3 SGB XII modifiziert wird. Aber auch soweit die Voraussetzungen einer Ausnahmevorschrift nicht vorliegen, kann insofern regelmäßig auf die Regelnorm zurückgegriffen werden.

Insofern scheitert die Anwendbarkeit von § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII weder an dem Spezialitätsgrundsatz noch an dem Charakter von § 98 Abs. 3 SGB XII als Ausnahmevorschrift.

e) Jedoch ist der Anwendungsbereich von § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bei der Geltendmachung von Bestattungskosten teleologisch zu reduzieren. Eine Norm ist dann teleologisch zu reduzieren, soweit der geregelte Fall den ungeregelten Fall unähnlich ist, aber dennoch von dem Wortlaut der Norm erfasst wird. Dann bleibt die für den geregelten Fall angeordnete Rechtsfolge unter Berücksichtigung von Normzweck und gesetzgeberischen Wertung unangewandt (vgl. Schwacke, Juristische Methodik, 5. Auflage 2011, S. 140). Es handelt sich um eine auf dem Sinn und Zweck der Vorschrift gestützte einengende Auslegung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale (Reimer, Juristische Methodenlehre, 1. Auflage 2016, Rn. 614).

Dabei hat eine Auslegung anhand von historischen, teleologischen und systematischen Erwägungen zu erfolgen. Aus der Gesetzeshistorie ergibt sich dabei, dass bereits die Vorgängervorschrift im Bundessozialhilfegesetz, § 97 Abs. 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in der Fassung vom 24.05.1983, an den Bestattungsort des Verstorbenen anknüpfte und darüber die örtliche Zuständigkeit begründete. Mit der Neuregelung des § 97 Abs. 3 BSHG in der Fassung vom 23.06.1993 knüpfte der Gesetzgeber die örtliche Zuständigkeit entweder an den Sozialhilfeträger, der dem Verstorbenen vor seinem Tod Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährte, oder an den Sozialhilfeträger, in dessen Zuständigkeitsbereich der Sterbeort des Verstorbenen liegt, an. Diese Regelung wurde unverändert in das Sozialgesetzbuch XII übernommen.

Dabei ist aus der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass die Neuregelung im engen Zusammenhang mit der Vereinfachung der Kostenerstattung nach den §§ 103 ff. BSHG stehen soll (BTag-Drucks. 12/4401 S. 84). Gedanken des Gesetzgebers über die Frage, ob § 97 Abs. 3 BSHG a. F. bzw. jetzt § 98 Abs. 3 SGB XII eine abschließende Regelung der Frage der örtlichen Zuständigkeit darstellt, ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen (vgl. BTag-Drucks. 12/4401, aaO).

Dabei war bereits die vorherige Regelung, die an den Ort des Begräbnisses anknüpfte, unvollständig, wie das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21.02.1992 zutreffend feststellte (Hamburgisches OVG, Urteil vom 21.02.1992, Bf IV 44/90, Rn. 24 – 29). Die erstmalige Regelung dieser Rechtsfrage mit der Einfügung des § 97 Abs. 1 Satz 2 BSHG durch das Zweite Änderungsgesetz zum BSHG vom 14.08.1969 (BGBl. I S. 1153) sollte insofern zur Klärung der oftmals streitigen Frage beitragen, welcher Sozialhilfeträger für die Übernahme von Bestattungskosten örtlich zuständig ist (vgl. Hamburgisches OVG, Urteil vom 21.02.1992, Bf IV 44/90, Rn. 27).

In der Literatur wird auch die nun geltende Regelung des § 98 Abs. 3 SGB XII als "wenig geglückt" (Söhngen in jurisPK-SGB XII, § 98 Rn. 44) bzw. "lückenhaft" (Hohm in Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 98 Rn.109) bezeichnet. Sie deckt insofern nicht alle denkbaren Konstellationen ab (vgl. Schlette in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 03/15, § 98 Rn. 84).

Nach Ansicht des Gerichts ergibt sich aus der Gesetzeshistorie jedenfalls eindeutig, dass sich die örtliche Zuständigkeit bei der Geltendmachung von Bestattungskosten jeweils an die Person des Verstorbenen anknüpft und nicht an die Person des Leistungsberechtigten. Dies lässt sich unabhängig von der konkreten Gesetzesbegründung aus der Kontinuität der gesetzgeberischen Regelungstechnik schließen.

Dies entspricht auch dem weiteren Sinn und Zweck der Regelung des § 98 Abs. 3 SGB XII, der gerade dazu beitragen soll, die örtliche Zuständigkeit transparent und klar zu regeln.

Systematisch ist darauf hinzuweisen, dass Sozialhilfe für im Ausland lebende Deutsche nach § 24 SGB XII nur im Ausnahmefall erbracht werden könnten. Dafür müsste regelmäßig nach § 24 Abs. 1 SGB XII der gewöhnliche Aufenthaltsort der danach anspruchsberechtigten Person im Ausland liegen und eine besondere Notlage dieser Person eintreten, die ihm eine Rückkehr nach Deutschland unmöglich macht. Für die Annahme des gewöhnlichen Aufenthalts ist ein Auslandsurlaub nicht ausreichend (Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 24 SGB XII, Rn. 21). Leistungen für die Klägerin kommen nach diesen Erwägungen nicht in Betracht, da ihr verstorbener Ehemann lediglich seinen Urlaub in Afghanistan verbrachte und somit dort nicht seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort begründet hatte.

Aus dieser Norm lässt sich zudem die Schlussfolgerung ziehen, dass eine Hilfegewährung im Ausland nur in eng begrenzten Fallgestaltungen in Betracht kommt und insoweit sie grundsätzlich nur im Zuständigkeitsbereich der deutschen Sozialhilfeträger erfolgen soll.

Insofern ist § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bei der Geltendmachung von Bestattungskosten eingeschränkt dahingehend auszulegen, dass die örtliche Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers nur dann gegeben ist, soweit diese an die Person des Verstorbenen anknüpft und es sich nicht um einen reinen Auslandssachverhalt handelt, es also ein Bezug zum deutschen Inland besteht.

Vor diesem Hintergrund besteht keine örtliche Zuständigkeit des Beklagten, sodass dieser der Klägerin keine Bestattungskosten, auch nicht anteilig, erstatten muss. Da für den Sterbe- und Begräbnisort Kabul aus den obengenannten Gründen keine anderweitige örtliche Zuständigkeit eines inländischen Sozialhilfeträgers bestand, war der Beklagte auch nicht verpflichtet, den Antrag an den nach seiner Ansicht örtlich zuständigen Sozialhilfeträger nach § 43 SGB I weiterzuleiten.

4. Insofern ist die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Rechtskraft
Aus
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