L 2 AS 1487/16 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 587/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1487/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 22.06.2016 aufgehoben. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin G, L-straße 00, C , bewilligt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu Unrecht abgelehnt.

Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger bezieht seit Februar 2017 erneut Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und hat glaubhaft gemacht, dass er die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen kann. Die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Rechtsstandpunkt des Klägers für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 73a RdNrn.7a f.).

Dies ist hier der Fall. Es spricht viel dafür, dass der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2013, gegen den sich der Kläger mit seiner Klage vom 18.09.2013 wendet, zumindest teilweise rechtswidrig ist. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte den Antrag des Klägers nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), ihm unter Aufhebung der entsprechenden Leistungsbescheide die für den Zeitraum 01.07.2010 bis 31.08.2012 darlehensweise bewilligt Leistungen nunmehr als Zuschuss zu gewähren, abgelehnt. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung ist zweifelhaft.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist und deshalb Sozialleistungen nicht erbracht wurden. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung in Verbindung mit § 44 Abs. 4 SGB X ist eine rückwirkende Leistungserbringung im SGB II allerdings grundsätzlich nur für ein Jahr möglich. Dabei wird der Zeitpunkt vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem Antrag auf Überprüfung gestellt wird. Hieraus folgt, dass eine rückwirkende Leistungserbringung für den Zeitraum 01.07.2010 bis 31.12.2010 nicht mehr möglich ist. Für den ebenfalls streitigen Zeitraum 01.01.2011 bis 31.08.2012 ist sie dem gegenüber möglich, wenn die darlehnsweise Erbringung der Leistungen nach § 24 Abs. 5 SGB II rechtswidrig war und der Kläger Leistungen in der Form eines Zuschusses beanspruchen konnte.

Für einen solchen Anspruch spricht, dass es vor dem Hintergrund des zwischen dem Kläger und seiner Schwester über das ererbte Hausgrundstück in der I-Straße 00 in S geführten Erbschaftsstreits äußerst fraglich ist, dass es sich bei diesem Grundstück um verwertbares Vermögen und um das einzige Vermögen des Klägers gehandelt hat. Grundsätzlich gehört auch der Miteigentumsanteil an einem Grundstück in ungeteilter Erbengemeinschaft zu den Vermögensgegenständen, die in die Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach § 9, 12 SGB II einzubeziehen sind. Voraussetzung ist allerdings, dass dieser Vermögensgegenstand auch verwertbar ist. Dies ist nur der Fall, wenn absehbar ist, dass aus dem Vermögen ein wirtschaftlicher Nutzen gezogen werden kann. Besteht ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis und ist während des sechsmonatigen Bewilligungszeitraums nicht absehbar, dass dieses wegfällt, sind die Leistungen als Zuschuss und nicht als Darlehen zu erbringen (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R, RdNr. 23; Urteil vom 06.12.2007 - B 14/7b AS 46/06, RdNrn. 14f.). Für den Bewilligungszeitraum muss im Vorhinein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind, Hilfebedürftigkeit abzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R, RdNr. 23).

Rechtliche Hindernisse für eine Verwertbarkeit durch Übertragung des Erbteils im Wege des Erbschaftsverkaufs oder auch der Verpfändung des Miterbenanteils bestehen zwar grundsätzlich nicht, dies kann aber nicht gelten, wenn zwischen den Erben - wie hier - ein Streit über den Erbanteil geführt wird und deshalb der Erbschein noch nicht erteilt werden konnte. Eine Verwertungsmöglichkeit durch Verkauf oder Beleihung ist dann in absehbarer Zeit nicht möglich. Dies gilt auch für den Anspruch auf Erbauseinandersetzung, der ohne Klärung der Frage, wer zu welchem Anteil geerbt hat, nicht zeitnah geltend gemacht werden kann.

Die Leistungen für die Monate Januar bis Juni 2011 sind dem Kläger mit Bescheid vom 13.12.2010 bewilligt worden. Die Leistungen für den Zeitraum Juli bis Dezember 2011 wurden ihm mit Bescheid vom 27.06.2011 bewilligt. Der Antrag des Klägers auf Erteilung des Erbscheins datiert aber erst vom 15.02.2011, das diesbezügliche Verfahren ist wegen der zwischen ihm und seiner Schwester streitigen Frage, wer Erbe der verstorbenen Mutter geworden ist, erst im Februar 2012 beendet worden. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt. Mit einer Verwertung des Vermögens konnte daher auch frühestens ab diesem Zeitpunkt begonnen werden. Jedenfalls bei Bewilligung der Leistungen für 2011 konnte die Beklagte daher nicht davon ausgehen, dass während des Bewilligungsabschnitts von sechs Monaten eine Verwertung des Hausgrundstücks möglich war. Es spricht daher viel dafür, dass die darlehensweise Bewilligung der Leistungen für diesen Zeitraum rechtswidrig war. Allein dies rechtfertigt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung war auch nicht mutwillig und die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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