L 1 AS 854/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 552/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 854/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Aus § 41a Abs. 7 SGB 2 kann dann ein Anspruch auf vorläufige Leistungen resultieren, wenn besondere Umstände bestehen, die im Einzelfall geeignet sind, eine Ermessensreduzierung auf Null zu begründen (Abgrenzung zu Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16.02.2017 - L 8 SO 344/16 B ER).
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.02.2017 insoweit teilweise aufgehoben, als darin für den Zeitraum vom 05.02.2017 bis 21.02.2017 eine einstweilige Anordnung erlassen worden ist. Im Übrigen wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.02.2017 abgeändert und anstelle der Beigeladenen der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 22.02.2017 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31.08.2017, vorläufig den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes darum, ob und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage (Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) oder Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII)) der Antragsteller Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat und ob ein Anspruch sich gegen den Antragsgegner oder die Beigeladene richtet. Die Beschwerde der Beigeladenen richtet sich gegen ihre mit Beschluss des Sozialgerichts K. (SG) vom 27.02.2017 im Wege einer einstweiligen Anordnung ausgesprochene Verpflichtung, dem Antragsteller für die Zeit ab dem 05.02.2017 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31.08.2017, vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt, nicht jedoch Leistungen für Unterkunft und Heizung, in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der am in M. (ehemaliges Jugoslawien, heutiges Bosnien-Herzegowina) geborene Antragsteller besitzt die kroatische Staatsangehörigkeit, hat nach seinen Angaben aber nie in Kroatien gelebt, sondern bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland im Juni 2015 nur in Bosnien-Herzegowina, wo heute noch seine Eltern und seine Schwester leben.

Er wohnt in einem angemieteten Zimmer in K. mit Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsbädern, für welches er insgesamt 400 EUR monatliche Miete zahlt, davon 300 EUR Kaltmiete und 100 EUR Nebenkostenpauschale (Mietvertrag vom 01.12.2015, Bl. 13 ff. Verwaltungsakte des Antragsgegners – VA).

Er war vom 01.08.2015 bis 31.01.2016 bei der Firma V. in W., einem Betrieb für Gartengestaltung, beschäftigt, wo er zum 31.01.2016 betriebsbedingt gekündigt wurde. Daran schlossen sich versicherungspflichtige Beschäftigungen bei der Zeitarbeitsfirma P. (vom 02.02.2016 bis 01.07.2016) als Produktionshelfer und zuletzt vom 25.07.2016 bis 04.08.2016 bei der PDA Dienstleistung Agentur GmbH als Anlagenmechaniker (vgl. Arbeitsvertrag vom 22.07.2016, Bl. 97 ff. VA) an. Im Zuge einer Vorsprache am 01.08.2016 gab der Antragsteller laut Vermerk des zuständigen Sachbearbeiters des Antragsgegners (Bl. 81 VA) an, er rechne, da er erkrankt sei, mit einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Auf der Kopie des Kündigungsschreibens vom 01.08.2016 (Bl. 111 VA) ist handschriftlich vermerkt, der Antragsteller sei krank und habe daher die Arbeit nicht weiter ausüben können.

Ausweislich des vom Antragsteller zur SG-Akte gereichten Entlassungsberichts des Städtischen Klinikums K. vom 02.05.2016 (Bl. 16 ff. SG-Akte) wurde bei ihm im Rahmen des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 27.04.2016 bis 05.05.2016 eine Multiple Sklerose (im Folgenden: MS) a.e. vom schubförmigen Typ diagnostiziert. Er befand sich dort in Behandlung wegen einer seit einem halben Jahr bestehenden und in der Symptomatik zunehmenden Gangstörung und immer wieder auftretenden Kopfschmerzen. Bei der Aufnahmeuntersuchung bestand klinisch-neurologisch eine spastische Beinparese rechts. Nach Cortisontherapie wurde er in gebessertem Allgemeinzustand entlassen. Ausweislich des ebenfalls zur SG-Akte gereichten vorläufigen Abschlussberichts des Neurologischen Rehazentrums Q. in Bad W. vom 15.06.2016 konnten dort eine Verbesserung des Gehvermögens und des Allgemeinzustandes sowie eine psychische Stabilisierung erreicht werden. Der Antragsteller habe sich für eine immunmodulatorische Medikation mit Plegridy entschieden. Diese wolle er im Anschluss im ambulanten Rahmen beginnen. Wegen der erforderlichen medikamentösen Neueinstellung werde er zunächst arbeitsunfähig entlassen. Bei guter Verträglichkeit der Medikation bestehe danach volle Arbeitsfähigkeit für die bisherige Tätigkeit.

Einen ersten Antrag auf SGB II-Leistungen vom 21.01.2016 nahm der Antragsteller am 18.02.2016 zurück (Bl. 47 VA). Auf seinen erneuten Antrag vom 19.07.2016 bewilligte der Antragsgegner ihm mit Bescheid vom 12.08.2016 Bl. 121 VA) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von monatlich 682,29 EUR als vorläufige Leistungen für die Monate Juli und August 2016. Mit weiterem Bescheid vom 12.08.2016 bewilligte er dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01.09.2016 bis zum 04.02.2017 SGB II-Leistungen in Höhe von monatlich insgesamt 813,29 EUR (404 EUR Regelbedarf, 400 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung, 9,29 EUR Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung). Auf den Zeitraum vom 01.02.2017 bis 04.02.2017 entfielen anteilige Leistungen i.H.v. 108,44 EUR.

Im Weiterbewilligungsantrag vom 17.01.2017 gab der Antragsteller an, er erziele weiterhin kein Einkommen. Den Weiterbewilligungsantrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 18.01.2017 (Bl. 141 VA) ab. Er habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil sich sein Aufenthaltsrecht in Deutschland allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Hiergegen erhob er mit Schreiben vom 09.02.2017 (Eingang bei dem Antragsgegner am 15.02.2017) Widerspruch.

Zur Begründung des am 22.02.2017 beim SG erhobenen Eilrechtsschutzantrages hat der Antragsteller ausgeführt, dass während der Rehabilitationsmaßnahme festgelegt worden sei, dass die Behandlung seiner MS-Erkrankung mit einer Injektionstherapie fortgesetzt werde. Er müsse sich pegyliertes Interferon beta-1a selbst alle 14 Tage reihum rechts in den Bauchbereich, danach in das rechte und linke Bein spritzen. Die Spritzen nähmen ihn so mit, dass er danach drei Tage lang völlig inaktiv sei und sich ausschließlich in der Wohnung aufhalten müsse. Er wolle in Deutschland bleiben und hoffe, dass er wieder arbeitsfähig werde, zumindest, um einen Minijob ausüben zu können. In Bosnien-Herzegowina habe er ebenfalls gearbeitet und sei dort krankenversichert gewesen. Diese Versicherung bestehe nicht mehr, so dass die medizinische Versorgung bereits aus diesem Grunde in der Heimat nicht gewährleistet sei.

Der Antragsgegner ist dem Antrag mit der Begründung entgegen getreten, dass nach weniger als einem Jahr Beschäftigung nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügigG/EU das Recht auf Freizügigkeit nur während der Dauer von sechs Monaten unberührt bleibe. Zwar sei anzunehmen, dass der Antragsteller seine Arbeitsstellen bei den verschiedenen Firmen stets unfreiwillig verloren habe, er sei jedoch nicht länger als ein Jahr beschäftigt und sei ab dem 04.02.2017 länger als sechs Monate arbeitslos. Damit beruhe sein Aufenthaltsrecht lediglich auf der Arbeitssuche in Deutschland nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügigG/EU. Nach dem Vortrag des Antragstellers dränge sich sogar der Verdacht auf, dass er sich nicht einmal zum Zweck der Arbeitssuche, sondern nur noch zum Zweck einer weiterhin kostenfreien Krankenbehandlung in Deutschland aufhalte. Er zweifle selbst an, ob er jemals wieder eine Beschäftigung aufnehmen könne. Insofern dürfte schon seine Erwerbsfähigkeit infrage zu stellen sein. Ein Daueraufenthaltsrecht genieße der Antragsteller nicht, da es sich noch nicht mindestens seit fünf Jahren rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe. Auch durch das Europäische Fürsorgeabkommen werde er als kroatischer Staatsbürger nicht begünstigt. Das SG hat am 23.02.2017 die Beiladung der Stadt K. bewirkt. Sie hat ausgeführt, dass falls der Antragsteller seit Ablauf des 04.02.2017 keinen Arbeitnehmerstatus mehr habe und sich sein Aufenthaltsrecht seither allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, ab diesem Zeitpunkt ein Leistungsausschluss gegenüber dem Antragsgegner nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b SGB II bestehe. Der dann gegenüber der Beigeladenen bestehende Leistungsanspruch sei allerdings erheblichen Einschränkungen unterworfen und auf eingeschränkte Hilfen für die Dauer von einem Monat beschränkt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (§ 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII). In Betracht kämen dann nur Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper-und Gesundheitspflege i.H.v. 177,00 EUR sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung entsprechend dem bisherigen diesbezüglichen Leistungsumfang. Soweit tatsächlich Überbrückungsleistungen zu erbringen sein sollten, sei die Beigeladene bereit, den für die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenkasse anfallenden Beitrag als Bedarf zu berücksichtigen. Eine Überbrückungsleistung für ärztliche Behandlungen oder zur Versorgung mit Arzneimitteln nach § 23 Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 SGB XII sei dann nicht erforderlich. Diese Überbrückungsleistungen seien auf einen Zeitraum von einem Monat beschränkt. Zwar sehe § 23 Abs. 3 Satz 6 HS 2 SGB XII vor, dass Überbrückungsleistungen auch darüber hinaus erbracht werden könnten, allerdings nur zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage. Das Krankheitsbild des Antragstellers lasse aber eine solche zeitliche Befristung der Bedarfslage nicht erkennen. Es müsse daher bei der Begrenzung auf einen Monat für die Überbrückungsleistungen verbleiben. Es sei Sache des Antragstellers, innerhalb dieses Monats seine Rückreise nach Kroatien oder Bosnien-Herzegowina zu organisieren. Neben Überbrückungsleistungen würden, wenn der Antragsteller dies wünsche, die angemessenen Kosten der Rückreise als Darlehen übernommen (§ 23 Abs. 3 Buchst. a SGB XII).

Mit Beschluss vom 27.02.2017 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner abgelehnt, zugleich aber die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 05.02.2017 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31.08.2017, vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu gewähren. In den Gründen hat es ausgeführt, der Antragsteller sei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sowohl als Arbeitssuchender als auch, wenn er keine Arbeit suche, als wirtschaftlich Inaktiver von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dies ergebe sich aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für arbeitssuchende Unionsbürger erst recht auf diejenigen Unionsbürger anwende, die sich ohne materielles Aufenthaltsrecht als wirtschaftlich Inaktive in Deutschland aufhielten. Ein auf § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) gestützter Leistungsanspruch gegen den Antragsgegner als zuerst angegangenen Leistungsträger scheide hier mangels negativem Kompetenzkonflikt ebenfalls aus. Allerdings bestehe ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt in Form des Regelbedarfs nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gegen die Beigeladene. Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des BSG stehe ihm nach summarischer Prüfung ein Leistungsanspruch zu, insbesondere halte sich der Antragsteller mehr als sechs Monate in Deutschland auf. Der Rechtsprechung des BSG folgend sei der Antragsteller nicht nach § 21 Satz 1 SGB XII von der Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, denn der Antragsteller sei, weil er dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II unterfalle, nicht dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II, weshalb er dem System des SGB XII zuzuweisen sei. Seine Erwerbsfähigkeit stehe dem nicht entgegen. Zwar finde sich in § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII ein Leistungsausschluss, welcher in den Voraussetzungen identisch sei mit § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, so dass er auch im Fall des Antragstellers eingreife. Dieser könne sich als kroatischer Staatsangehöriger auch nicht auf das Europäische Fürsorgeabkommen berufen könne, da Kroatien kein Unterzeichnerstaat des Abkommens sei. Allerdings schließe § 23 Abs. 3 SGB XII nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII aus, auf welche ein Rechtsanspruch bestehe, nicht aber Leistungen der Sozialhilfe nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII als Ermessensleistungen. Dies folge beim tatsächlichen Aufenthalt eines Ausländers in Deutschland, gegen den ausländerbehördliche Maßnahmen nicht ergriffen würden, sondern dessen Aufenthalt faktisch geduldet werde, auch aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG. Dabei sei das Ermessen der Beigeladenen im Hinblick auf die Dauer des Aufenthalts des Antragstellers in der Bundesrepublik von mehr als sechs Monaten auf Null reduziert. Ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland gehe das Bundessozialgericht angesichts eines ausländerrechtlichen Vollzugsdefizits typisierend von einem verfestigten Aufenthaltsrecht aus. Hinsichtlich der ebenfalls beantragten Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung fehle es an einem Anordnungsgrund. Weder sei eine Kündigung des Mietverhältnisses noch eine Kündigungsandrohung glaubhaft gemacht worden. Ein Rückstand von einer Monatsmiete reiche nicht aus.

Gegen diesen ihr am 23.02.2017 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Beschluss hat die Beigeladene beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt. Das SG habe dem Antragsteller rückwirkend ab dem 05.02.2017 einstweiligen Rechtsschutz gewährt, obwohl dessen Antrag beim SG vom 22.02.2017 datiere. Dies sei nicht statthaft. Außerdem entstehe der Eindruck, dass das SG von der bis zum 31.12.2016 geltenden Rechtslage ausgegangen sei. § 23 Abs. 3 SGB XII sei jedoch zum 01.01.2017 neu gefasst worden. Es handele sich um eine legislative Reaktion auf die im angefochtenen Beschluss zitierte Rechtsprechung des BSG. Auf Basis der seit dem 01.01.2017 geltenden Gesetzeslage komme eine Leistungspflicht der Beigeladenen nur für einen Übergangszeitraum von einem Monat in Betracht.

Die Beigeladene beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts K. vom 27.02.2017 aufzuheben.

Der Antragsteller und der Antragsgegner haben im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt. Der Antragsteller hat darauf verwiesen, dass es sich bei den beiden Beschwerdegründen der Beigeladenen ausschließlich um Rechtsfragen handele. Eine eigene Stellungnahme sei nicht erforderlich. Der Antragsgegner hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend, soweit er nicht zur Zahlung von Leistungen nach dem SGB II verpflichtet worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beigeladenen ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde der Beigeladenen ist auch begründet. Ein Anspruch des Antragstellers, ihm im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, besteht nicht vor dem 22.02.2017. Zwar steht die Ausgestaltung der einstweiligen Anordnung, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO). Nach dem hier eingreifenden Grundsatz "ne ultra petita" (vgl. § 123 SGG bzw. § 308 ZPO) darf ein Gericht aber nicht mehr zusprechen als beantragt ist (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 123 Rn. 4). Hier hat der anwaltlich vertretene Antragsteller erst am 22.02.2017 beim SG Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und in seiner Antragsschrift vom 22.02.2017 ausdrücklich beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller "ab sofort bis zur Entscheidung in der Hauptsache" den Regelbedarf und den Bedarf für Unterkunft und Heizung zu gewähren. Auch aus dem weiteren Vortrag des Antragstellers lässt sich nicht entnehmen, dass er die rückwirkende Gewährung von Leistungen ab dem 05.02.2017 begehrt hat, was nur ausnahmsweise zulässig ist und der Glaubhaftmachung eines Nachholbedarfs bedarf (Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.03.2007 – L 7 AS 1214/07 ER-B –, Rn. 5, juris). Der Ausspruch einer einstweiligen Anordnung im Zeitraum vom 05.02.2017 bis zum 21.02.2017 war hiernach aufzuheben.

Der vom SG für den Zeitraum vom 22.02.2017 bis 31.08.2017 im Ergebnis zutreffend angenommene Anspruch des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, richtet sich nicht, wie das SG gemeint hat, gegen die Beigeladene, sondern gegen den Antragsgegner. Auch insoweit ist die Beschwerde der Beigeladenen begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragssteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage 2014, § 86b RdNr. 28). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG, 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg v. 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und v. 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).

Das SG hat unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabes für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend dargelegt und begründet, warum nach summarischer Prüfung der Antragsteller, der nach seiner Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland im Juni 2015 hier vom 01.08.2015 bis 31.01.2016, vom 02.02.2016 bis 01.07.2016 und zuletzt vom 25.07.2016 bis 04.08.2016 und damit in Summe weniger als ein Jahr gearbeitet hat, dem in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 normierten Leistungsausschluss unterfällt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an, nimmt darauf Bezug und sieht von einer erneuten Wiedergabe ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Zutreffend hat es auch die Rechtsprechung des BSG, welches in ständiger Rechtsprechung zum bis zum 28.12.2016 gültigen § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (Urteile vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, Rn. 36 ff., vom 16.12.2015, B 14 AS 15/14 R, Rn. 36 ff., B 14 AS 18/14 R, Rn. 34 ff. und B 14 AS 33/14 R, Rn. 33 ff. sowie Urteile vom 20.1.2016, B 14 AS 15/15 R, Rn. 25 ff., B 14 AS 35/15 R, Rn. 32 ff., Urteil vom 17.02.2016, B 4 AS 24/14 R, Rn. 17 ff. und Urteil vom 17.03.2016 B 4 AS 32/15 R, Rn. 19, juris) einen Anspruch auf Existenzsicherung durch Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII gegen den zuständigen Sozialhilfeträger angenommen hat, wiedergegeben. Hiernach steht § 21 Satz 1 SGB XII a.F. ("alte" Fassung bis zum 28.12.2016) der Anwendbarkeit des SGB XII durch den Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von der Anwendbarkeit des SGB II ausgeschlossene Hilfebedürftige nicht entgegen. Auch das Eingreifen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII a.F., wonach Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, führt nach dieser Rechtsprechung nicht zum Ausschluss auch von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 47, Rn. 34 ff.). Vielmehr hat das BSG mit der Verfestigung eines tatsächlichen, von der Ausländerbehörde faktisch geduldeten, Aufenthalts nach Ablauf von sechs Monaten eine Ermessensreduzierung auf Null für grundsätzlich im Ermessen stehende Ansprüche auf Sozialhilfe im Einzelfall nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII angenommen.

Das SG hat aber, indem es dieser Rechtsprechung folgend im vorliegenden Fall nach summarischer Prüfung einen Anspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gegen die Beigeladene angenommen hat, unberücksichtigt gelassen, dass der Gesetzgeber als Reaktion auf diese Rechtsprechung mit dem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (AuslPersGrSiuSHRegG, BGBl. I S. 3155) die Leistungsausschlüsse in § 23 Abs. 3 SGB XII in der ab dem 29.12.2016 geltenden Fassung (n.F.) an diejenigen des SGB II angeglichen und zugleich bei Eingreifen eines Leistungsausschlusses einen Rückgriff auf die in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII geregelten Ermessensleistungen im Einzelfall, wie vom BSG unter der bis zum 28.12.2016 geltenden Rechtslage in ständiger Rechtsprechung bei Eingreifen von Ausschlusstatbeständen praktiziert(vgl. z.B. BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R –, BSGE 120, 149-170, SozR 4-4200 § 7 Nr. 43, Rn. 51 f.), durch eine Neufassung des Wortlauts des § 23 Abs. 3 Satz 1 ausgeschlossen und zugleich klargestellt hat, dass nach seiner Vorstellung eine Verfestigung des Aufenthalts nicht bereits nach sechs Monaten, sondern erst nach fünf Jahren anzunehmen ist (BT-Drs. 18/10211, S. 2 und 16, § 23 Abs. 3 S. 7 bis 10 SGB XII).

Zu Lasten des Antragstellers, der sich im hier streitigen Zeitraum von Februar bis Ende August 2017 deutlich länger als 6 Monate, aber, nachdem er erst im Juni 2015 eingereist ist, noch keine fünf Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, greift somit der in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII n.F. normierte Leistungsausschluss ein, wonach keine Leistungen nach § 23 Abs. 1 oder dem Vierten Kapitel des SGB XII Ausländer erhalten, die, wie der Antragsteller, kein Aufenthaltsrecht haben oder bei denen sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Der Antragsteller ist nach eigenem Bekunden derzeit, seit Beendigung seiner letzten bis 04.08.2016 ausgeübten beruflichen Tätigkeit, infolge einer im Mai 2016 erstmals diagnostizierten MS-Erkrankung arbeitsunfähig und hat infolge dessen nach Ablauf der in § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU normierten 6-Monats-Frist sein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU verloren. Er hält sich mithin inzwischen ohne materielles Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland auf, nachdem weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass er aktuell Arbeit sucht. Nachdem die Neufassung des § 23 Abs. 3 SGB XII Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII generell ausschließt, mithin auch Einzelfallleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, ist der zur alten Rechtslage (bis 28.12.2016) ergangenen Rechtsprechung des BSG nunmehr die normative Grundlage entzogen.

Ob, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum § 23 Abs. 3 S. 3 ff. SGB XII dem Antragsteller möglicherweise einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen vermittelt, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, nachdem es der Senat nach summarischer Prüfung im Eilverfahren als glaubhaft gemacht ansieht, dass ein Leistungsanspruch des Antragstellers aus § 41a Abs. 7 S. 1 Nr. 1 SGB II gegenüber dem Antragsgegner besteht (vgl., allerdings mit anderer Begründung, Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16.02.2017 – L 8 SO 344/16 B ER – juris, Rn. 34 ff.). Die Wahrscheinlichkeit für den Antragsteller, unter Berufung auf die genannte Norm in einem Hauptsacheverfahren gegenüber dem Antragsgegner zu obsiegen, ist jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt und nach der hier allein möglichen summarischen Prüfung nicht geringer einzuschätzen als diejenige, zu unterliegen. Auch ein vorläufiger Anspruch gegenüber dem Antragsgegner bewirkt nach § 21 Satz 1 SGB XII einen Leistungsausschluss gegenüber der Beigeladenen. Nach § 41a Abs. 7 S. 1 SGB II kann über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Union ist (Nr. 1) oder eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht (Nr. 2) ist. Das SG Mainz hat dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Vorlagebeschluss vom 18.04.2016 (S 3 AS 149/16) die Frage vorgelegt, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 23, Seite 857), mithin in der bis zum 28.12.2016 geltenden Fassung, mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar ist. Zwar ist die Vorlage zu der alten, nur bis zum 28.12.2016 gültigen, Gesetzesfassung erfolgt, jedoch wurde § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II durch die Neuregelung (AuslPersGrSiuSHRegG) nur geringfügig, durch Einfügung der Buchstaben a) und c), geändert, so dass die Entscheidung des BVerfG mit einiger Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits haben kann. Die zum 29.12.2016 in Kraft getretene Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II schließt, und insoweit schließt sich der Senat der bereits zitierten Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 16.02.2017 – L 8 SO 344/16 B ER – juris, Rn. 39) an, zumindest die entsprechende Anwendbarkeit des § 41 Buchst. a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht aus, zumal der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II die Auffassung des BSG bestätigt hat, dass der Leistungsausschluss auch bei Fehlen eines materiellen Aufenthaltsrechts eingreift.

Allerdings vermittelt § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II keinen unmittelbaren Anspruch auf vorläufige Leistungen, sondern stellt deren Gewährung in das Ermessen des Antragsgegners. Obwohl es sich mit Blick auf die Formulierung in § 41a Abs. 1 SGB II auch bei der Regelung in Absatz 7 nicht um eine reine Ermächtigungsnorm des Leistungsträgers zur Verwaltungsvereinbarung handelt, bedarf es daher für die Annahme eines Anspruchs des Antragstellers auf vorläufige Leistungen einer Verdichtung des Ermessens zu einem Anspruch im Wege der Ermessensreduzierung auf Null (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 38, Rn. 16, zu § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung i.V.m. § 328 Abs. 1 SGB III). Der Senat lässt in diesem Zusammenhang ausdrücklich offen, ob sich die Rechtsprechung des BSG zur Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a.F. auf § 41a Abs. 7 SGB II übertragen lässt (so LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16.02.2017 – L 8 SO 344/16 B ER – juris, Rn. 40). Der Umstand, dass der Gesetzgeber diese Rechtsprechung zum Anlass genommen hat gesetzlich klarzustellen, dass von einem "längeren verfestigten Aufenthalt" nicht bereits nach 6 Monaten, sondern erst nach fünf Jahren auszugehen ist (vgl. § 7 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB II n.F., ebenfalls die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/10211, S. 14), begründet hieran zumindest nach summarischer Prüfung erhebliche Zweifel.

Der Antragsteller hat vorliegend allerdings Umstände im Einzelfall glaubhaft gemacht, die zumindest nach summarischer Prüfung im Eilverfahren geeignet erscheinen, eine Ermessensreduzierung auf Null und somit einen Anspruch auf vorläufige Leistungen aus § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II zu begründen. So wurde während eines rechtmäßigen Aufenthalts zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Mai 2016 beim Antragsteller erstmals eine Multiple Sklerose a.e. vom schubförmigen Typ diagnostiziert. Diese wird, wie er glaubhaft angegeben hat, derzeit ambulant mit pegyliertem Interferon beta-1a behandelt, welches er sich alle zwei Wochen selbst spritzt. Der Senat vermag, da dies im Eilverfahren nicht abschließend zu klären ist, nicht auszuschließen, dass es bei einem medizinisch nicht indizierten Abbruch dieser Therapie aufgrund äußerer Umstände zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes der MS kommt, mithin zu einer Beeinträchtigung von Leib und Leben des Antragstellers (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Antragsteller hat in seiner Antragsschrift glaubhaft erklärt, bei einer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina, wo er bis zuletzt vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland gelebt hat und wo sich seine Familie (Eltern und Schwester) aufhält, nicht mehr krankenversichert zu sein. Außerdem hat er glaubhaft dargelegt, dass seine Eltern Rentner mit einem umgerechneten Gesamteinkommen von pro Person rund 250,00 EUR monatlich sind, weshalb sie nach summarischer Prüfung ebenso wie der mittellose Antragsteller selbst nicht in der Lage wären, eine Fortführung der Therapie ohne eine Absicherung durch eine Krankenversicherung finanziell sicherzustellen. Die abschließende Tatsachenfeststellung diesbezüglich muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Gleiches gilt für die Frage, ob ein kroatischer Staatsbürger, der nach seinem Bekunden nie in Kroatien gelebt hat, grundsicherungsrechtlich darauf verwiesen werden kann, nach Ausbruch einer chronischen Krankheit in das Land einzureisen, dessen Staatsbürgerschaft er hat, um dort existenzsichernde Leistungen einschließlich Krankenfürsorge in Anspruch zu nehmen. Nachdem in § 7 Abs. 2 SGB II eine Härtefallregelung gänzlich fehlt und die in § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII n.F. neu geschaffene Härtefallregelung nach summarischer Prüfung im vorliegenden Fall nicht eingreift, da diese nach dem Wortlaut der Regelung nur zur Deckung zeitlich befristeter Bedarfslagen geschaffen wurde, der Antragsteller aber an einer MS als einer chronischen Erkrankung leidet, deren weiterer Verlauf sich jedenfalls nach summarischer Prüfung schwer voraussagen lässt, greift der Senat im Eilverfahren auf § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II als Anspruchsgrundlage zurück und sieht durch die genannten Umstände eine Ermessenreduzierung auf Null und infolge dessen einen Anspruch auf vorläufige Leistungen als hinreichend glaubhaft gemacht an. Schon zu der bis zum 28.12.2016 bestehenden Rechtslage hatte das BVerfG in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 14.02.2017 – 1 BvR 2507/16 –, juris, Rn. 19) ausgeführt, dass die entscheidungserheblichen Rechtsfragen zu einem Anspruch auf existenzsichernde Leistungen für nicht erwerbstätige, nicht ausreisepflichtige ausländische Staatsangehörige nach Normen des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII) schwierig und ungeklärt sind und dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes schwierige und umstrittene Rechtsfragen der Hauptsache in aller Regel keiner grundsätzlichen Klärung zugeführt werden können. So liegt der Fall auch hier.

Zweifel an der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers hat der Senat, anders als der Antragsgegner, nach summarischer Prüfung nicht, denn sowohl aus der Leistungsbeurteilung des vorläufigen Abschlussberichts des Neurologischen Rehazentrums Quellenhof vom 15.06.2016 als auch den Schilderungen des Antragstellers über Einschränkungen des Allgemeinbefindens in den drei Tagen nach der Gabe der Interferonspritze lassen sich aktuell zwar zeitlich begrenzte Phasen der Arbeitsunfähigkeit ableiten, nicht aber eine dauernde Erwerbsminderung. Auch die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 7 Abs. 1, §§ 8 und 9 SGB II erfüllt der 43jährige, nach seinen glaubhaften Angaben weitgehend mittellose, Antragsteller.

Einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU), den das SG verneint hat, hatte der Senat aufgrund des Umstandes, dass streitgegenständlich hier nur die Beschwerde der Beigeladenen gegen ihre Verurteilung zur vorläufigen Leistungen, beschränkt auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne KdU, ist und der Antragsteller sich nicht seinerseits gegen die Entscheidung des SG im Beschluss vom 27.02.2017 gewandt hat, nicht zu prüfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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