Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 564/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 434/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zeitungswerber in einer Drückerkolonne sind regelmäßig abhängig Beschäftigte.
2. Der Erlass eines Summenbescheides ist keine Ermessensentscheidung.
3. Die Zulässigkeit des Erlasses eines Summenbescheides ist im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar.
2. Der Erlass eines Summenbescheides ist keine Ermessensentscheidung.
3. Die Zulässigkeit des Erlasses eines Summenbescheides ist im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 08.05.2015 teilweise aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 insoweit zurückgewiesen, als diese einen Nachforderungsbetrag in Höhe von 267.039,22 EUR, davon Säumniszuschläge in Höhe von 174.131,00 EUR, für den Zeitraum vom 01.12.1992 bis einschließlich 31.12.1996 betreffen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 4/5, der Kläger 1/5. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte 1/10 und der Kläger 9/10.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 283.163,93 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist im Berufungsverfahren ein Nachforderungsbetrag von 283.163,93 EUR, davon Säumniszuschläge in Höhe von 184.639,00 EUR, für den Zeitraum vom 01.12.1992 bis 31.12.1996.
Der Kläger war zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraumes als selbständiger Handelsvertreter gemäß § 84 Handelsgesetzbuch (HGB) im Zeitschriftengewerbe und in der Vermittlung von Telekommunikations- und Stromverträgen für die Firma V. & Co. GmbH (künftig: V) tätig. Die Vermittlung von Abonnements und Verträgen erfolgte durch Haustürwerbung, für die der Kläger - aus seiner Sicht selbständige - Mitarbeiter als "Drückerkolonnen" (so der rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Aktenzeichen xxx) einsetzte.
Nachdem gegen den Kläger unter Einbeziehung eines Urteils des Landgerichts D-Stadt vom 10.03.2003, Aktenzeichen xxx, wegen seiner Tätigkeit als Chef einer "Drückerkolonne" (vergleiche rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Aktenzeichen xxx) in der Zeit von 1992 bis 1996 mit Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Aktenzeichen xxx, eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Monaten auf Bewährung verhängt worden war, führte der Kläger seine Tätigkeit in der Folgezeit fort.
Auf Grund von Ermittlungen des Hauptzollamts C-Stadt - bei denen Unterlagen des Klägers über die Werber für die Zeit ab 1997 beschlagnahmt wurden (insgesamt 17 Ordner) - wurde der Kläger vom Landgericht C-Stadt mit Urteil vom 16.02.2011, Aktenzeichen xxx unter Einbezug der früheren Strafen gemäß §§ 266a Abs. 1 Abs. 2 Nr. 2, 53 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren erneut wegen seiner Tätigkeit als Chef einer "Drückerkolonne" (vergleiche rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Aktenzeichen xxx) verurteilt. Nach seiner Haftentlassung ist der Kläger inzwischen wieder als selbständiger Handelsvertreter gemäß § 84 HGB tätig.
Aufgrund der den strafrechtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Ermittlungen leitete die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 07.06.2011, mit dem der Kläger eingehend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet wurde, ein Betriebsprüfungsverfahren ein. Der Kläger äußerte sich zum Anhörungsschreiben nicht.
Mit Bescheid vom 10.08.2011 forderte die Beklagte vom Kläger auf Grund ihrer Betriebsprüfung für die Zeit vom 01.12.1992 bis 31.05.2009 eine Nachzahlung in Höhe von 1.528.044,61 EUR, davon 771.664,50 EUR Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV.
Bei den vom Kläger eingesetzten Werbern habe es sich um Scheinselbständige gehandelt, was auch das Landgericht C-Stadt in seinem Urteil vom 16.02.2011, Az.: xxx, ausgeführt habe. Dies ergebe das Gesamtbild der Verhältnisse, bei dem die relevanten Merkmale gegeneinander abgewogen werden müssten. Die Werber seien in den Betrieb des Klägers eingegliedert und hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit an Weisungen des Klägers gebunden gewesen. Die Werber hätten bestimmte Arbeitszeiten einhalten müssen und seien persönlich vom Kläger abhängig gewesen. Freie Tage und Urlaub hätten mit dem Kläger abgesprochen werden müssen.
Die Werber seien mit einer von der Firma V bezahlten Zugfahrtkarte zu Orten gefahren, an denen sie sich nicht auskannten. Da die Werber in der Regel auch ohne Führerschein und völlig mittellos gewesen seien, seien sie gezwungen gewesen, in den vom Kläger angemieteten Häusern bzw. Ferienwohnungen vor Ort zu übernachten und sich dort verpflegen zu lassen. Dort habe der Kläger bzw. seine Teamleiter die Zimmerbelegung zum Teil bestimmt, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit vorgegeben und über den jeweiligen Einsatzort am Tag entschieden.
An die Werber seien in der Regel nur geringfügige Beträge in bar ausgezahlt worden. Von den den Werbern zustehenden wöchentlichen Provisionsansprüchen seien wöchentlich 180 EUR für Verpflegung und Unterkunft einbehalten und ein bestimmter Prozentsatz der Provisionsansprüche auf ein sog. Stornokonto einbezahlt worden für den Fall, dass abgeschlossene Verträge storniert würden und der vereinbarte Provisionsanspruch entsprechend niedriger ausfiel. Den Werbern hätten daher die Mittel und Möglichkeiten gefehlt, am Wochenende nach Hause zu fahren. Der Kläger bzw. dessen Teamleiter hätten auch über die Freizeit der Werber bestimmt. So hätten beispielsweise Werber, die im Team T. in M-Stadt stationiert gewesen seien, sonntags zusammen mit dem Teamleiter E. nach A-Stadt zum Kläger zu Besuch fahren müssen.
Da die Arbeitszeit von Montag bis Samstag ganztägig gedauert habe, hätten die Werber auch keine Möglichkeit gehabt, einer weiteren Beschäftigung nachzugehen. Die Werber hätten keinerlei Eigeninitiative entwickeln müssen und hätten für den Vertragsabschluss an der Haustüre Formulare erhalten. In verpflichtenden Schulungen seien den Werbern Werbesprüche beigebracht worden, die diese an der Haustüre auswendig aufgesagt hätten.
Die Werber hätten keinerlei unternehmerisches Risiko getragen und auch kein Kapital einsetzen müssen. Sie verfügten überwiegend über keine Steuernummer, führten keine Umsatzsteuer ab und hätten auch keine eigene Buchführung gehabt. Sämtliche Arbeitsmittel seien den Werbern vom Kläger zur Verfügung gestellt worden.
Falls zu wenige Abonnements verkauft wurden, hätten der Kläger bzw. die Teamleiter Überstunden und Schulungen anberaumt.
Zwar hätten die Werber bei den Hausgesprächen selbst entscheiden können, welches Produkt sie anbieten wollten. Die Produktpalette sei jedoch auf die Angebote der Firma V, nämlich die von dieser Firma vertretenen Zeitschriftenabonnements, Telekommunikations- und Stromverträge, beschränkt gewesen.
Das Angebot der Übernachtungsmöglichkeit, der Verpflegung und von Fahrgemeinschaften für die Werber sei zwar freiwillig gewesen. Faktisch seien die Werber jedoch zwingend auf diese betriebliche Organisation angewiesen gewesen. Die Werber verfügten oftmals über keinerlei Vorbildung, hätten kein Fahrzeug und keinen Führerschein gehabt und seien mittellos gewesen, da sie aus der Arbeitslosigkeit heraus sich auf Zeitungsannoncen des Klägers bewarben. Sie hätten keinerlei Möglichkeiten gehabt, in dem für sie jeweils fremden Einsatzgebiet ihre Unkosten anfangs selbst zu bestreiten.
Soweit die Werber im jeweiligen Einsatzgebiet frei hätten entscheiden können, in welche Straße sie gingen und bei welcher Haustür sie klingelten, ändere dies nichts daran, dass das Einsatzgebiet vom Kläger bzw. den Teamleitern vorgegeben worden sei. Dabei hätten der Kläger bzw. die Teamleiter darüber entschieden, wo die einzelnen Werber abgesetzt wurden, nachdem am Morgen gemeinsam losgefahren worden war.
Auch ergebe sich kein unternehmerisches Risiko daraus, dass die Werber wöchentlich die Kosten für Unterkunft und Verpflegung hereinwirtschaften mussten. Bei diesen Kosten handle es sich um Ausgaben der allgemeinen Lebensführung, die auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bzw. auch bei Arbeitslosigkeit anfielen.
Zwar sei der wirtschaftliche Erfolg der Werber maßgeblich vom Gelingen des Verkaufsgesprächs abhängig gewesen. Hierbei hätten die Werber jedoch keine erhebliche Eigeninitiative entwickeln müssen, da die Tätigkeit keine besondere Qualifikation vorausgesetzt habe und den Werbern in Schulungen die Werbesprüche beigebracht worden seien. Unerheblich sei insoweit, ob die Werber die gelernten Sprüche abwandeln oder verändern dürften.
Im Wesentlichen hätten sich die Werber an die Vorgaben des Klägers halten müssen, die auch in den Verpflichtungserklärungen zum Teil schriftlich festgehalten wurden.
Auch eine erfolgsabhängige Bezahlung mittels Provisionen spreche nicht zwingend für Selbständigkeit. Eine solche sei auch einem Arbeitsverhältnis nicht fremd, beispielsweise bei Produktionsarbeitern im Akkord.
Insbesondere habe es Zielvorgaben bezüglich der täglich zu erbringenden Abonnements gegeben.
Bei einer derartigen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses sei es auch nicht maßgebend, dass die Werber keine festen Bezüge oder Anspruch auf Urlaub, Sozialleistungen oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehabt hätten.
Auch die formelle Bezeichnung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Kläger und den Werbern als selbständiger Handelsvertretervertrag ändere nichts an der Einschätzung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Maßgebend sei die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
Der Kläger sei Arbeitgeber sämtlicher eingesetzter Werber gewesen. Soweit Frau S. I. K. (künftig: K) - die damalige Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau des Klägers - auch in Vertragsunterlagen in Erscheinung trete, handle es sich bei ihr lediglich um eine "Strohfrau". Die Beweisaufnahme des Landgerichts C-Stadt im Strafverfahren habe ergeben, dass Frau K dem Kläger lediglich bei der Unterbringung und Verpflegung der Werber geholfen habe. Für die Vertragsunterlagen habe sie nur ihren Namen zur Verfügung gestellt. Alle im Strafverfahren vernommenen Werber hätten angegeben, dass der Kläger der Chef gewesen sei, der die Anweisungen erteilt habe. Frau K sei - soweit sie den Werbern überhaupt bekannt gewesen sei - lediglich für den Haushalt und die Essenszubereitung in den Gemeinschaftsunterkünften zuständig gewesen. Entscheidungen habe Frau K nicht getroffen. Im Ergebnis seien vom Kläger daher die Beiträge an die AOK und DAK sowohl für die vom Kläger im eigenen Namen abgeschlossenen Verträge als auch die im Namen von K abgeschlossenen Verträge zu entrichten gewesen und zwar auf der Grundlage von den zuständigen Straf- und Finanzbehörden ermittelten geleisteten Zahlungen an die Werber.
Die Beklagte unterschied im Betriebsprüfungsbescheid vom 10.08.2011 dann nach unterschiedlichen Zeiträumen und führte für den nunmehr im Berufungsverfahren nur noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.12.1992 bis 31.12.1997 Folgendes aus:
"Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge vom 01.12.1992 bis 31.12.1997
Für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge haben wir die sich aus dem strafrechtlichen und steuerlichen Ermittlungsbericht des Finanzamtes D-Stadt Steuerfahndungsstelle vom 29.07.2002 ergebenden Beträge zu Grunde gelegt"
Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 22.09.1998, 12 RK 36/86, entschieden, dass bei Hinterziehung der Sozialversicherungsbeiträge die Beiträge aus dem gezahlten Arbeitsentgelt zuzüglich der vom Arbeitgeber zu zahlenden Lohnsteuer zu berechnen sei, so dass hier eine Umrechnung vom Barlohn zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt notwendig gewesen sei. Wegen Vorsatzes - wie es das Landgericht C-Stadt in seinem Strafurteil festgestellt habe - verjährten die Beiträge gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erst nach 30 Jahren. Säumniszuschläge würden entsprechend § 24 Abs. 1 SGB IV erhoben.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2012 zurück. Der am 28.08.2011 erhobene Widerspruch sei trotz Aufforderung vom 09.07.2011, Erinnerung vom 13.10.2011 und nach Fristverlängerung mit Schreiben vom 29.11.2011 nicht begründet worden. Das Strafurteil des Landgerichts C-Stadt vom 16.02.2011, Aktenzeichen xxx, sei inzwischen vom Bundesgerichtshof mit Entscheidung vom 11.08.2011, Aktenzeichen xxx, bestätigt worden.
Auf Grund der gegen die Nachforderung erhobenen Klage hob das Sozialgericht Augsburg mit Urteil vom 08.05.2015 den Bescheid vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.04.2012 auf.
Unter Verweis auf u.a. zwei Entscheidungen des LSG Bayern vom 21.10.2013, L 5 R 605/13 B ER und vom 19.02.2013, L 5 R 933/12 B ER, stellte das Sozialgericht fest, dass der Erlass eines Summenbescheides nicht zulässig gewesen sei, da zumindest teilweise eine personenbezogene Zuordnung habe erfolgen können. Diese Zuordnung sei auch dann notwendig, wenn die personenbezogene Feststellung mit erheblichen Schwierigkeiten und verwaltungsmäßigem Mehraufwand verbunden sei. Aus dem Protokoll der Sitzung des Strafgerichts ergebe sich, dass einzelne Werber im Strafverfahren als Zeugen vernommen worden seien, so dass deren Adressen bekannt gewesen seien. Auch hätten teilweise Einzelabrechnungen von Werbern vorgelegen, wie sich aus der Durchsicht der 17 Ordner Ermittlungsakten ergäbe. Damit habe zumindest teilweise eine personenbezogene Zuordnung erfolgen können. Ausreichende eigene Ermittlungen der Beklagten seien nicht ersichtlich. Die betroffenen namentlich bekannten Werber seien von der Beklagten nicht angehört und auch nicht nach § 12 SGB X beteiligt worden. Die Beklagte habe sich nicht alleine auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes und der Finanzbehörden stützen können. Der Erlass eines Summenbescheids käme nur als letztes Mittel in Betracht. Je höher die Summe der Beitragsforderung sei, desto intensiver müsse die Beklagte eine personenbezogene Zuordnung versuchen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass eine erhebliche Summe an Beitragsnachforderungen für eine Vielzahl von Personen streitig sei, so dass insgesamt die Voraussetzungen für einen Summenbescheid nicht vorlägen.
Im Übrigen sei der Summenbescheid auch wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte Ermessen ausgeübt habe. Nicht jeder Aufzeichnungspflichtverletzung müsse mit einem Summenbescheid begegnet werden. Die Ermessensausübung sei gerichtlich voll überprüfbar. Vorliegend sei von einem Ermessensnichtgebrauch auszugehen, was nach § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führe. Die Vorschrift des § 28f SGB IV sei im Bescheid nicht einmal erwähnt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und diese beschränkt auf den Zeitraum vom 01.12.1992 bis 31.12.1996 mit einem Gesamtnachforderungsbetrag von 283.163,93 EUR, davon Säumniszuschläge in Höhe von 184.639,00 EUR unter Vorlage einer Berechnung der Beiträge für diesen Zeitraum. Danach entfielen in diesem Zeitraum von der Gesamtsumme auf die vom Kläger abgeschlossenen Verträge 267.039,22 Euro (Beiträge 92.908,22 Euro und Säumniszuschläge 174.131,00 Euro) und auf die von Frau K abgeschlossenen Verträge 16.124,71 Euro (Beiträge 5.616,71 Euro und Säumniszuschläge 10.508,00 Euro).
Der Erlass eines Summenbescheids nach § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV stünde nicht im Ermessen der Beklagten. Bei Prüfung der Voraussetzungen der Vorschrift für den Erlass eines Summenbescheids habe die Behörde lediglich einen Beurteilungsspielraum. Da hier Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Stundenaufzeichnungen geführt hätten, habe nicht einmal eine Schätzung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit erfolgen können, die Grundlage für die Berechnung des Beitragsschadens hätte sein können, sogar wenn das dem einzelnen Werber geschuldete Entgelt bekannt gewesen wäre. Bei einer rein erfolgs- bzw. leistungsbezogenen Vergütung wie hier sei eine Schätzung schon deshalb kaum möglich, weil die Provisionsabrechnung zeitlich versetzt erfolgt sei; denn nur wenn der Vertrag nicht vom Kunden widerrufen worden sei, habe der Werber die volle Provision erhalten.
Angesichts der vom Sozialgericht aufgestellten hohen Hürden für den Erlass eines Summenbescheids werde die Berufung jedoch auf den Zeitraum von 01.12.1992 bis 31.12.1996 beschränkt. Für diesen Zeitraum hätten von Anfang an keine Aufzeichnungen und Abrechnungen des Klägers vorgelegen, so dass auch kein Arbeitnehmer namentlich bekannt gewesen sei.
Die Nachforderungen für diesen Zeitraum gründeten sich demgemäß allein auf die Schätzungen im strafrechtlichen und steuerrechtlichen Ermittlungsbericht des Finanzamts D-Stadt für diesen Zeitraum und dem hierzu ergangen Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Aktenzeichen xxx, der seit 29.07.2004 rechtskräftig sei. Diese Unterlagen, auf denen der Bescheid für den im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum allein beruhe, lägen so noch vor. Erst für den Zeitraum ab 1997 seien Unterlagen beschlagnahmt worden und weitere Beweismittel, etwa aus dem Strafverfahren vor dem Landgericht C-Stadt, das mit dem Urteil vom 16.02.2011, Aktenzeichen xxx geendet habe, vorhanden. Nur für spätere Zeiträume ab dem Jahr 1997 seien Werber namentlich bekannt gewesen und dementsprechend als Zeugen vernommen worden.
Für den im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum seien weitere Ermittlungen der Beklagten objektiv unmöglich gewesen, da der Kläger seine Aufzeichnungspflichten verletzt und weder im Strafverfahren noch im Beitragsverfahren weitere Beweismittel oder Angaben vorgetragen habe, auf Grund deren eine eigenständige Befragung von einzelnen Arbeitnehmern hätte nachgeholt werden können.
Der Kläger sei Arbeitgeber auch für die Werber gewesen, die unter der Gebietsnummer von Frau K geführt worden seien. Frau K sei nur wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden (Urteil des Landgerichts C-Stadt vom 29.11.2011, Az.: xxx). Aus dem Urteil ergebe sich, dass allein der Kläger Arbeitgeber gewesen sei. Frau K sei auch erst ab dem Jahr 2003 als Strohfrau in Erscheinung getreten.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 08. Mai 2015 teilweise aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 insoweit zurückzuweisen, als diese den Nachforderungsbetrag von 283.163,93 EUR, davon Säumniszuschläge in Höhe von 184.639,00 EUR, für den Zeitraum vom 01.12.1992 bis 31.12.1996 betrifft.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg sei in vollem Umfang zutreffend. Der Kläger sei bei der Firma V in einer mittleren Hierarchiestufe als freier Handelsvertreter tätig gewesen. Die Werber hätten für den Kläger vor Ort als selbständige Handelsvertreter auf niederer Leitungsebene gearbeitet. Hierbei sei der Kläger für die Unterstützung und Leitung dieser nachgeordneten Außendienstmitarbeiter zuständig gewesen.
Als Entgelt für die Betreuung der untergeordneten Struktur habe der Kläger als leitender Handelsvertreter eine individuell bemessene Provision für jeden durch diese Struktur auf niederer Ebene geworbenen Vertrag erhalten, die als "Superprovision" bezeichnet worden sei.
Die Handelsvertretung des Klägers sei bei V unter den Organisationsnummern 250 und 155 (Zeitschriften), 136 (Telefonverträge) sowie 103 (Stromverträge) geführt worden. Die Handelsvertretung der früheren Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau des Klägers Frau K sei unter der Organisationsnummer 296 erfolgt. Den Betriebsnummern des Klägers sei die DAK Gesundheit zugeordnet gewesen, der Betriebsnummer von Frau K die AOK.
Das Strafgericht C-Stadt habe mit Urteil vom 16.02.2011, xxx den Kläger und mit späterem Strafurteil auch Frau K wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten gemäß § 266a StGB schuldig gesprochen und den Kläger zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und Frau K zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Kläger und Frau K gemeinschaftlich gehandelt hätten. Wer als Arbeitgeber Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge gewesen sei, habe sich aus dem Strafurteil jedoch nicht schließen lassen. Zumindest sei der Kläger nicht für die Betriebsnummer von Frau K Arbeitgeber gewesen.
Auf Grund des Abrechnungssystems habe der Kläger ein Doppel seiner monatlichen Rechnungen an V sowie auch Originale der Rechnungen seiner Handelsvertreter, mit denen sie gegenüber dem Kläger abgerechnet hätten, aufbewahrt. Dieses zentrale Abrechnungssystem sei durch die Aktenführung nachvollziehbar gewesen und hätte dazu führen müssen, dass die Beklagte Beiträge jedem einzelnen Werber hätte zuordnen müssen. In den fünf Jahren seiner Tätigkeit zwischen 1992 und 1996 habe der Kläger rund 60 Monatsrechnungen an V gerichtet. Wenn insgesamt 887 Provisionsabrechnungen vorlägen, würde dies bedeuten, dass zu jeder Monatsabrechnung des Klägers als Vertriebspartner rund 12 korrespondierende Einzelrechnungen seiner Untervertriebspartner erstellt und zu den Akten genommen worden seien. Dies sei aus den beschlagnahmten Akten ersichtlich gewesen.
Inzwischen habe das Finanzamt L-Stadt die Akten nach Ablauf von zehn Jahren nach Erledigung der Sache jedoch vernichtet. Dies sei dem BayLSG am 08.09.2015 mitgeteilt worden. Von ursprünglich beim Kläger als Beweismittel beschlagnahmten 17 Ordnern an Unterlagen seien nur noch 6 Ordner Verwaltungsakten bei der Beklagten, also nur Auszüge, vorhanden. Der streitgegenständliche Bescheid beruhe auf diesen Akten und nicht auf eigenständigen Ermittlungen der Beklagten im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens. Von einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht durch den Kläger, wie es § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV für die Zulässigkeit des Erlasses eines Summenbescheids voraussetze, könne nicht die Rede sein, da sich aus den vernichteten Akten ergeben hätte, dass Aufzeichnungen vorhanden gewesen seien. Dem Sozialgericht hätten bei seiner Entscheidung die 17 Ordner Ermittlungsakten sowie die nunmehr verbliebenen 6 Verwaltungsakten vorgelegen. Dem Kläger sei es nunmehr wegen der Aktenvernichtung unmöglich, nachzuweisen, dass eine personenbezogene Ermittlung in den Jahren 1992 bis 1996 möglich gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei damit der Kernbereich des Rechts auf faires Verfahren verletzt mit der Folge, dass die Beklagte aus der ihr zuzurechnenden Aktenvernichtung keine Verfahrensnachteile für den Kläger ziehen dürfe.
Der Summenbescheid sei auch, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt habe, wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig.
Im Übrigen hätte die Beklagte zwei getrennte Beitragsbescheide erlassen müssen. Zum einen gegenüber dem Kläger mit einem Gesamtbetrag von 828.739 EUR und gegenüber Frau K mit einem Gesamtbetrag von 699.304 EUR.
Letztlich läge auch ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV vor. Ausgeschlossen sei es, den Bruttolohn als Quote der Betriebseinnahmen zu schätzen, insbesondere wenn die gezahlten Nettoprovisionen bekannt seien. Auch seinen möglicherweise damals einige Werber nur geringfügig tätig gewesen.
Die weiteren Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht Augsburg den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 für den Zeitraum vom 01.12.1992 bis 31.12.1996 aufgehoben, was die Nachforderung in Höhe von 267.039,22 Euro, davon 174.131,00 Euro an Säumniszuschlägen, anbetrifft. Insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig ergangen mit der Folge, dass die Klage hiergegen abzuweisen ist.
a) Zutreffend hat das SG angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen und auch den Gegenstand des Rechtsstreits in der Berufung bildenden Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 um einen Summenbescheid iS von § 28f Abs. 2 S 1 SGB IV handelt.
Welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, hat das erkennende Gericht mittels Auslegung des Bescheides zu beantworten (BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R Rz 16). Darauf, ob die Rechtsgrundlage des § 28f Abs. 2 S 1 SGB IV im Bescheid genannt wird, kommt es nicht an (vgl. BSG, aaO). Demgemäß war eine Beiladung einzelner Arbeitnehmer auch nicht veranlasst (BSG, aaO).
b) Anders als das Sozialgericht meint, handelt es sich beim Erlass eines Summenbescheids jedoch um keine - dann insoweit gerichtlich nachprüfbare - Ermessensentscheidung.
Rechtsgrundlage des im Anschluss an eine Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 SGB IV.
Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte (verkörpert im sog Prüfbescheid) zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs. 5 SGB X nicht. Die Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragshöhe im Prüfbescheid hat danach grundsätzlich personenbezogen zu erfolgen (vgl. zB BSGE 89, 158, 159 f = SozR 3-2400 § 28f Nr. 3 S 4 ff mwN).
Als Ausnahme von diesem Grundsatz kann der prüfende Träger der Rentenversicherung nach § 28f Abs. 2 S. 1 SGB IV den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen (sog Summenbescheid), wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Dieser Verzicht auf die grundsätzlich erforderliche Personenbezogenheit der Feststellungen ist charakteristisch für den Summenbescheid; erfolgt allein eine Schätzung der Entgelte einzelner Arbeitnehmer (§ 28f Abs. 2 S. 3 und S. 4 SGB IV) bei fortbestehender personenbezogener Feststellung der Beitragshöhe, so liegt kein Summenbescheid iS des § 28f Abs. 2 S. 1 SGB IV vor.
Soweit § 28f Abs. 2 S. 1 SGB IV von "kann" spricht, handelt es sich um kein Ermessens-Kann. Vielmehr bringt dieses "Kann" lediglich ein rechtliches Dürfen zum Ausdruck (sog "Kompetenz-Kann", vgl. etwa BSG, Urteil vom 09.03.2016 - B 14 AS 20/15 R, Rz. 25). Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift, insbesondere im Lichte der Gesetzeshistorie, vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R -, BSGE 89, 158-167, SozR 3-2400 § 28f Nr. 3, SozR 3-2400 § 14 Nr. 22.
§ 28f Abs. 2 SGB IV regelte danach bei Inkrafttreten eine bis zum Zustandekommen dieser Vorschrift seit Jahrzehnten bestehende Zweifelsfrage, vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R.
Die Versicherungs- und Beitragspflicht ist in allen Versicherungszweigen personenbezogen ausgestaltet und hängt zum Teil von Arbeitsentgeltgrenzen ab. Damit entscheiden das Arbeitsentgelt und seine Höhe über das Bestehen von Versicherungsverhältnissen. Die Höhe des Arbeitsentgelts bestimmt in der Regel auch die Höhe der Beiträge. Danach richtet sich teilweise wiederum die Höhe späterer Leistungen, allerdings je nach Versicherungszweig und Art der Leistung in unterschiedlichem Umfang. Insgesamt dienen die Beiträge, die für die Beschäftigten zu entrichten sind, zur Finanzierung von Leistungen aus den einzelnen Versicherungszweigen.
Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn Arbeitgeber ihre Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt haben und deswegen die Versicherungs- und Beitragspflicht von Beschäftigten sowie die Beitragshöhe nicht ohne weiteres festgestellt werden können. Es kam in Betracht, entweder zur Sicherung der sozialen Rechte der Beschäftigten möglichst weitgehend an dem Erfordernis einer personenbezogenen Regelung festzuhalten oder unter deren Vernachlässigung der Sicherung des Beitragsaufkommens der Versicherungsträger den Vorrang einzuräumen.
Das weit gehende Festhalten an personenbezogenen Feststellungen konnte verhindern, dass die Verletzung von Aufzeichnungspflichten durch Arbeitgeber zu einer Beeinträchtigung des sozialen Schutzes ihrer Beschäftigten führte.
Andererseits ermöglichte es diesen Arbeitgebern, sich ihren Beitragspflichten zu entziehen und sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, wenn personenbezogene Feststellungen nicht möglich und eine pauschale Beitragsfestsetzung unzulässig war. Die Zulässigkeit einer solchen pauschalen Festsetzung schloss hingegen die genannten Vorteile bei Arbeitgebern aus, sicherte das Beitragsaufkommen der Versicherungsträger insgesamt und trug so zur Finanzierung ihrer Leistungen bei.
Das BSG hatte früher der personenbezogenen Feststellung einen weitgehenden Vorrang eingeräumt. Etwa mit Urteil vom 17.12.1985 (BSGE 59, 235 = SozR 2200 § 1399 Nr. 16) hatte das BSG in Fortführung früherer Rechtsprechung entschieden, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht sowie die Beitragshöhe auch dann grundsätzlich personenbezogen festzustellen seien, wenn der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht verletzt hatte und die Aufklärung des Sachverhalts dadurch zwar erschwert, aber nicht unmöglich gemacht worden war. Das BSG hatte den Versicherungsträgern lediglich gewisse Beweiserleichterungen im Sinne des Erlasses von Summenbescheiden eingeräumt.
Erstmals mit Wirkung vom 01.01.1989 ist durch Art 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in das SGB IV vom 20.12.1988, BGBl I 2330, mit § 28f Abs. 2 SGB IV eine gesetzliche Regelung zu den Summenbescheiden getroffen worden. Sie galt zunächst für den Erlass solcher Bescheide durch die Krankenkassen als Einzugsstellen, die damals noch die Arbeitgeber prüften. In den Anforderungen an die Zulässigkeit von Summenbescheiden blieb § 28f Abs. 2 jedoch in den genannten Sätzen 1 bis 6 unverändert, als die Vorschrift auf die Pflegeversicherung ausgedehnt wurde (Art 3 Nr. 8 des PflegeVG vom 26.05.1994, BGBl I 1014) und als an Stelle der Krankenkassen (Einzugsstellen) die Träger der Rentenversicherung für die Prüfung der Arbeitgeber zuständig wurden (§ 28f SGB IV idF des Art 1 Nr. 1 Buchst a und § 28p SGB IV idF des Art 1 Nr. 4 des 3. SGBÄndG vom 30.06.1995, BGBl I 890).
Zur Begründung für die erstmalige Zulassung von Summenbescheiden in § 28f Abs. 2 SGB IV ursprünglicher Fassung bezieht sich der Gesetzentwurf zwar auf die bis dahin ergangene Rechtsprechung des BSG (BT-Drucks 11/2221 S 23 zu § 28f). Die Vorschrift enthält aber ungeachtet ihrer Anknüpfung an die frühere Rechtsprechung des BSG eine eigenständige Regelung zur Zulässigkeit von Summenbescheiden. Sie stellt nach Maßgabe ihres Satzes 1 bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Aufzeichnungspflicht durch den Arbeitgeber die Zulässigkeit von Summenbescheiden in den Vordergrund (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R).
Soweit mit einer Vorschrift ein Behördenhandeln lediglich zulässig gemacht und damit ermöglicht werden soll, handelt es sich um ein "Kompetenz-Kann". Eine Ermessensausübung ist nicht erforderlich und wurde auch bei keiner der in der Folge zu § 28f Abs. 2 SGB IV ergangenen Entscheidungen des BSG jemals gefordert. Eine Ermessensüberprüfung - wie sie hier das Sozialgericht vorgenommen hat - ist daher nicht möglich und hat zu unterbleiben. Vielmehr sind lediglich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Summenbescheides zu überprüfen, wie sie das Gesetz vorsieht.
c) Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Summenbescheides sind hier gegeben. Satz 2 des § 28f Abs. 2 SGB IV stand dem Erlass eines Summenbescheides nicht entgegen.
Im Hinblick auf die Zulässigkeit des Erlasses eines Summenbescheids ist zu prüfen, ob -wie es § 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV fordert -, nicht etwa doch ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand personenbezogene Feststellungen hätten getroffen werden können. Anders als die Klägerseite meint, hätten hier - zumindest für den im Berufungsverfahren nur noch streitgegenständlichen Zeitraum - personenbezogene Feststellungen - wenn überhaupt - nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand getroffen werden können. Prüfungsmaßstab ist im Falle einer personenbezogenen Entgeltschätzung vorrangig eine Abwägung zwischen dem im Einzelfall zu erwartenden Verwaltungsaufwand und den Interessen des Versicherten wie auch des Arbeitgebers an einer exakten Feststellung der Entgelte im Hinblick auf spätere Leistungsansprüche bzw. im Hinblick auf die Vermeidung überobligatorischer Beitragslasten. Allein der Umstand, dass bei einem Arbeitgeber Entgelte einer großen Anzahl von Arbeitnehmern zu ermitteln sind, begründet allerdings für sich genommen noch keinen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand.
Hier hat der Kläger seine Aufzeichnungspflichtverletzungen schon dadurch eingeräumt, dass er sich darauf beruft, die Werber hätten als Selbständige gearbeitet, seien daher bei ihrer Zeiteinteilung frei gewesen und folglich deren Zeiten von ihm nicht erfasst worden. Was die Höhe des Entgelts betrifft, hat der Kläger ebenfalls gegen seine Aufzeichnungspflichten verstoßen, weil die Provisionsansprüche der einzelnen Werber nicht klar und nachvollziehbar nach Ablauf der Stornierungsfrist abgerechnet wurden. Im Übrigen hat der Kläger auch nicht dargelegt, die Vorgaben der Beitragsüberwachungsverordnung auch nur ansatzweise eingehalten zu haben. Für den im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum waren Feststellungen, die über den des Strafbefehls des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Az.: xxx, hinausgegangen wären, nach den Ausführungen der Beklagten im Bescheid von 10.08.2011 schon zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr möglich. Eine nach den einzelnen Beschäftigten und ihren jeweiligen individuellen Vorteilen vorgenommene Beitragsberechnung schied aus. Selbst im Falle einer personenbezogenen Beitragsbemessung wäre ein Summenbescheid zulässig gewesen wegen der größeren Zahl der Betroffenen, deren Ermittlung und der Beitragsbemessung nach den jeweiligen Verhältnissen (Jahresarbeitsentgelt, Beitragsbemessungsgrenze, Beitragssatz) mit einem Aufwand verbunden gewesen, den die Beklagte als unverhältnismäßig ansehen durfte. Demgegenüber war kein besonderes Interesse der einzelnen Betroffenen an einer individuellen Feststellung erkennbar, nachdem es sich um eine Vielzahl Betroffener und damit um jeweils verhältnismäßig geringe Beträge, die auf den Einzelnen entfielen, gehandelt hat.
Die Beklagte konnte nach alledem, insbesondere weil die Entgelte zeit- und personenbezogen nicht erfasst waren, das entsprechende Arbeitsentgelt ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand einem bestimmten Beschäftigten nicht zuordnen. Sie hat deshalb schon im Betriebsprüfungsbescheid vom 10.08.2011 zur Begründung angeführt, dass eine personenbezogene Nachberechnung der Beiträge nur mit einem unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand möglich sei. Hiergegen hat der Kläger im Widerspruchsverfahren nichts eingewandt. Im Widerspruchsbescheid vom 18.04.2012 hat die Beklagte daher auf die fehlende Stellungnahme des Klägers hingewiesen; die Beklagte konnte bei Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu Recht von der Zulässigkeit eines Summenbescheides ausgehen.
Die Beklagte konnte über den Erlass eines Summenbescheides und damit über die Frage, ob eine personenbezogene Beitragserhebung unverhältnismäßig verwaltungsaufwendig war, ohnehin nur bis zum Abschluss des Vorverfahrens entscheiden (BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R -, BSGE 89, 158-167, SozR 3-2400 § 28f Nr. 3, SozR 3-2400 § 14 Nr. 22, Rz. 28)
Bis dahin war der Summenbescheid von der Klägerin nicht beanstandet worden. Die Verhältnismäßigkeit des Summenbescheides kann zwar auch im gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Dies ist zur Wahrung der sozialen Rechte der Beschäftigten selbst dann erforderlich, wenn der Betroffenen den Erlass eines Summenbescheides nicht rügt. Für eine - spätere - Beanstandung durch ein Gericht ist jedoch erforderlich, dass abgestellt wird allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R Rz. 28).
Soweit hier der Kläger mit seinem Vorbringen zur angeblichen Möglichkeit der Benennung einzelner Personen für den im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum erstmals im Prozess und mehrere Jahre nach der Betriebsprüfung und dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens den Summenbescheid zu Fall bringen will, kann er deshalb damit keinen Erfolg haben (vgl BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R Rz. 28). Vielmehr müsste der Kläger, wenn er jetzt noch eine personenbezogene Beitragsbemessung anstrebt, dieses nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens zum Summenbescheid in einem Widerrufsverfahren § 28f SGB IV und damit in einem besonderen Verwaltungsverfahren geltend machen, wobei er nicht nur die Möglichkeit einer personenbezogenen Beitragsfestsetzung aufzeigen, sondern zugleich alle für die individuelle Beitragsfeststellung erforderlichen Angaben mitzuteilen hätte, BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R Rz. 28.
Nachdem die Voraussetzungen für den Erlass eines Summenbescheides, insbesondere auch im Hinblick auf das Unterlassen weiterer Feststellungen durch die Beklagte im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht, zwar voller gerichtlicher Überprüfung unterliegt, dabei jedoch auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen ist (BSGE 89, 158, 162 f = SozR 3-2400 § 28f Nr. 3 S. 8), verletzt die Aktenvernichtung durch das Finanzamt den Kläger - wie von diesem behauptet - auch nicht in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren (vgl. dazu etwa BVerfG Beschluss vom 06.04.1998, 1 BvR 2194/97, BFH Beschluss vom 05.02.2014, X B 138/13, BFH Beschluss vom 13.02.2014, X B 168-170/13).
Nach Abschluss des Vorverfahrens war es dem Kläger, nicht mehr möglich, den Summenbescheid dadurch zu Fall zu bringen, dass er nachträglich im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit personenbezogener Feststellungen nachgewiesen hätte. Ausschlaggebend war allein der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids. Zu diesem Zeitpunkt durfte die Beklagte aufgrund ihrer bis dahin vom Kläger nicht in Frage gestellten Feststellungen von der Zulässigkeit eines Summenbescheides ausgehen.
Zum anderen sind die für das Betriebsprüfungsverfahren relevanten Verwaltungsakten der Beklagten noch vorhanden, insbesondere der strafrechtliche und steuerrechtliche Ermittlungsbericht der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes D-Stadt vom 29.07.2002. Hier kann zumindest anhand der Verwaltungsakten der Beklagten die Rechtmäßigkeit des Bescheides noch insofern beurteilt werden, als die Beklagte sich auf diese Unterlagen gestützt hat (zu abweichenden Fallgestaltungen vgl. BVerfG Beschluss vom 06.04.1998, 1 BvR 2194/97, BFH Beschluss vom 05.02.2014, X B 138/13, BFH Beschluss vom 13.02.2014, X B 168-170/13).
d) Der damit zulässigerweise erlassene Summenbescheid ist zum Teil rechtswidrig. Der Kläger war nicht Arbeitgeber der Werber, die den Vertrag mit Frau K abgeschlossen hatten, so dass die Berufung in Höhe des Betrages zurückzuweisen ist, der auf die für Frau K geführten Verträge entfällt, nämlich 16.124,71 Euro.
aa) Zwar ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Werber abhängig beschäftigt waren. Dies ergibt die zutreffende Gesamtabwägung der Beklagten anhand aller relevanten Merkmale, die sich der Senat vollinhaltlich zu eigen macht. Die Werber waren keine selbständigen Handelsunternehmer auf "niedriger" Stufe, wie der Kläger behauptet, sondern von ihm eingesetzte, in jeder Beziehung abhängige Personen, die sich nur innerhalb der vom Kläger eingeteilten Kolonnen nach dessen Vorgaben bewegen konnten.
bb) Allerdings hat die Beklagte die Arbeitgebereigenschaft des Klägers im Hinblick auf die von seiner jetzigen Ehefrau unter Vertrag genommenen und ihr zugeordneten Werber nicht überzeugend festgestellt mit der Folge, dass der Kläger für diese Werber keine Beiträge nachentrichten muss. Der Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 war insoweit rechtswidrig und ist damit insoweit im Ergebnis zutreffend vom Sozialgericht aufgehoben worden.
Soweit die Beklagte im Hinblick auf die Arbeitgebereigenschaft des Klägers bezüglich der Werber, die bei dessen jetziger Ehefrau unter Vertrag waren und mit dieser abgerechnet wurden, auf das Strafurteil des Landgerichts C-Stadt Bezug nimmt, ist das unzureichend. Hier hätte es eigener Ermittlungen der Beklagten bedurft, um entsprechend dieser Feststellungen in den Strafverfahren eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers auch im Hinblick auf die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zu belegen. Dies ist unterblieben. Ebenso ist die für später nachgewiesene Gebietsaufteilung auch von der Beklagten in der Anlage zur Berufungsbegründungschrift schon für den im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum erkennbar vorhanden.
cc) Was die Berechnung der Nachforderung von Beiträgen bezüglich des Klägers in Höhe von 267.039,22 Euro, anbetrifft, ist diese auf der Grundlage des zulässigen Summenbescheides zutreffend erfolgt und die Berufung der Beklagten insoweit erfolgreich.
Die Beklagte durfte die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes und der Steuerbehörden ihrer Beitragsberechnung zugrunde legen (vgl etwa LSG NRW Beschluss vom 11.08.2016, L 8 R 1096/14 B ER). Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, enthalten die §§ 20, 21 SGB X entsprechende Regelungen für die Beweiserhebung im Verwaltungsverfahren, wonach sich eine Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts der Beweismittel bedienen darf, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält. Dabei ist der Gesichtspunkt der Amtshilfe durch andere Behörden sowie Unterrichtungspflichten der Behörden der Zollverwaltung nach § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SchwarzArbG zu berücksichtigen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Satz 3 SchwarzArbG konnte insoweit die Prüfung der Zollverwaltung mit der Prüfung der Beklagten zusammengeführt werden.
Die Beklagte hat im Bescheid für den streitgegenständlichen Zeitraum die Höhe der insgesamt festgesetzten Nachforderung nach den Feststellungen des Senats zutreffend ausgewiesen. Zutreffend hat die Beklagte die von der Steuerfahndung festgestellten Arbeitslöhne zuzüglich der von der Steuerfahndung ermittelten Steuern als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge berücksichtigt, vgl. BSG Urteil vom 22.09.1988 - 12 RK 36/86. Die Beklagte berechnet dann in den Anlagen zum Bescheid die Beiträge nach Jahren und Gebietsuntergliederungen, wie sie dem Kläger von V vorgegeben waren, mit der Folge, dass im Ergebnis eine Aufteilung der Betragsnachforderungen der jetzigen Ehefrau des Klägers und den Gebietsnummern des Klägers erfolgte. Die jeweiligen Teilbeträge wurden dann zwar nicht weiter getrennt nach Versicherungszweigen einzelnen Arbeitnehmern und den für diese jeweils zuständigen Einzugsstellen zugeordnet (vgl. dazu BSG Urteil vom 16.12.2015 -B 12 R 11/14 R). Dies war jedoch nach Feststellungen der Beklagten bis zum Abschluss des Vorverfahrens - und damit im Prozess nicht mehr angreifbar - auch nicht möglich. Gleiches gilt für die erst im Prozess von Klägerseite behauptete, angebliche geringfügige Beschäftigung einzelner Werber.
Die Höhe der Nachforderung ist nach den Feststellungen des Senats zutreffend berechnet; insoweit wird Bezug genommen auf die Anlage zum Bescheid vom 02.10.2008 und die dort enthaltenen Berechnungen sowie die Anlage zur Berufungsbegründung der Beklagten vom 01.07.2015.
Die Nachforderung ist auch nicht verjährt, § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV; der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Aus den Umständen, unter denen die Werber eingesetzt wurden, musste ihm klar sein, dass diese keine selbständig Tätigen waren.
dd) Die Säumniszuschläge wurden zu Recht nach § 24 SGB IV in der von Beklagten errechneten Höhe erhoben. Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Aus den Umständen, unter denen die Werber eingesetzt wurden, musste ihm klar sein, dass diese keine selbständig Tätigen waren.
Im Ergebnis hat die Berufung Erfolg iHv 267.039,22 Euro im Hinblick auf die Werber, die nicht für die Ehefrau des Klägers, sondern für den Kläger entsprechend den Gebietsnummern tätig waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG und folgt den Erwägungen, dass im die Beklagte im Berufungsverfahren, in dem 283.163,93 Euro streitig waren, mit einem Teilbetrag von 267.039,22 Euro obsiegt hat, also etwa zu neun Zehntel. Bei einer Gesamtnachforderung von ursprünglich 1.528.044,61 Euro und einem Obsiegen des Klägers letztlich iHv 1.261.005,40 Euro führt dies zu einer Kostenquotelung in erster Instanz von etwa vier Fünftel zu Lasten der Beklagten.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren war gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs. 2 S. 1, § 52 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 1 GKG in Höhe des Betrags der im Berufungsverfahren noch streitigen Nachforderung festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 - B 12 R 11/14 R -, BSGE 120, 209-230, SozR 4-2400 § 28p Nr. 6, Rz. 77). Anders als der Kläger meint, ist der Streitwert nicht in Höhe des erstinstanzlichen Streitwertes anzusetzen. Die Berufung wurde von der Beklagten zulässigerweise auf einen Teilbetrag in Höhe von 283.163,93 EUR beschränkt, der damit auch die wirtschaftliche Bedeutung des Berufungsverfahrens widerspiegelt. Darauf, inwieweit rechtliche Überlegungen den gesamten erstinstanzlichen Streitgegenstand betreffen und ggf auch für das Berufungsverfahren relevant sind, kommt es nicht an. Ohnehin hat die Beklagte in ihrem Bescheid nach Zeiträumen getrennt und damit auch abtrennbare Streitgegenstände geschaffen.
II. Die Beklagte trägt von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 4/5, der Kläger 1/5. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte 1/10 und der Kläger 9/10.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 283.163,93 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist im Berufungsverfahren ein Nachforderungsbetrag von 283.163,93 EUR, davon Säumniszuschläge in Höhe von 184.639,00 EUR, für den Zeitraum vom 01.12.1992 bis 31.12.1996.
Der Kläger war zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraumes als selbständiger Handelsvertreter gemäß § 84 Handelsgesetzbuch (HGB) im Zeitschriftengewerbe und in der Vermittlung von Telekommunikations- und Stromverträgen für die Firma V. & Co. GmbH (künftig: V) tätig. Die Vermittlung von Abonnements und Verträgen erfolgte durch Haustürwerbung, für die der Kläger - aus seiner Sicht selbständige - Mitarbeiter als "Drückerkolonnen" (so der rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Aktenzeichen xxx) einsetzte.
Nachdem gegen den Kläger unter Einbeziehung eines Urteils des Landgerichts D-Stadt vom 10.03.2003, Aktenzeichen xxx, wegen seiner Tätigkeit als Chef einer "Drückerkolonne" (vergleiche rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Aktenzeichen xxx) in der Zeit von 1992 bis 1996 mit Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Aktenzeichen xxx, eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Monaten auf Bewährung verhängt worden war, führte der Kläger seine Tätigkeit in der Folgezeit fort.
Auf Grund von Ermittlungen des Hauptzollamts C-Stadt - bei denen Unterlagen des Klägers über die Werber für die Zeit ab 1997 beschlagnahmt wurden (insgesamt 17 Ordner) - wurde der Kläger vom Landgericht C-Stadt mit Urteil vom 16.02.2011, Aktenzeichen xxx unter Einbezug der früheren Strafen gemäß §§ 266a Abs. 1 Abs. 2 Nr. 2, 53 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren erneut wegen seiner Tätigkeit als Chef einer "Drückerkolonne" (vergleiche rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Aktenzeichen xxx) verurteilt. Nach seiner Haftentlassung ist der Kläger inzwischen wieder als selbständiger Handelsvertreter gemäß § 84 HGB tätig.
Aufgrund der den strafrechtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Ermittlungen leitete die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 07.06.2011, mit dem der Kläger eingehend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet wurde, ein Betriebsprüfungsverfahren ein. Der Kläger äußerte sich zum Anhörungsschreiben nicht.
Mit Bescheid vom 10.08.2011 forderte die Beklagte vom Kläger auf Grund ihrer Betriebsprüfung für die Zeit vom 01.12.1992 bis 31.05.2009 eine Nachzahlung in Höhe von 1.528.044,61 EUR, davon 771.664,50 EUR Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV.
Bei den vom Kläger eingesetzten Werbern habe es sich um Scheinselbständige gehandelt, was auch das Landgericht C-Stadt in seinem Urteil vom 16.02.2011, Az.: xxx, ausgeführt habe. Dies ergebe das Gesamtbild der Verhältnisse, bei dem die relevanten Merkmale gegeneinander abgewogen werden müssten. Die Werber seien in den Betrieb des Klägers eingegliedert und hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit an Weisungen des Klägers gebunden gewesen. Die Werber hätten bestimmte Arbeitszeiten einhalten müssen und seien persönlich vom Kläger abhängig gewesen. Freie Tage und Urlaub hätten mit dem Kläger abgesprochen werden müssen.
Die Werber seien mit einer von der Firma V bezahlten Zugfahrtkarte zu Orten gefahren, an denen sie sich nicht auskannten. Da die Werber in der Regel auch ohne Führerschein und völlig mittellos gewesen seien, seien sie gezwungen gewesen, in den vom Kläger angemieteten Häusern bzw. Ferienwohnungen vor Ort zu übernachten und sich dort verpflegen zu lassen. Dort habe der Kläger bzw. seine Teamleiter die Zimmerbelegung zum Teil bestimmt, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit vorgegeben und über den jeweiligen Einsatzort am Tag entschieden.
An die Werber seien in der Regel nur geringfügige Beträge in bar ausgezahlt worden. Von den den Werbern zustehenden wöchentlichen Provisionsansprüchen seien wöchentlich 180 EUR für Verpflegung und Unterkunft einbehalten und ein bestimmter Prozentsatz der Provisionsansprüche auf ein sog. Stornokonto einbezahlt worden für den Fall, dass abgeschlossene Verträge storniert würden und der vereinbarte Provisionsanspruch entsprechend niedriger ausfiel. Den Werbern hätten daher die Mittel und Möglichkeiten gefehlt, am Wochenende nach Hause zu fahren. Der Kläger bzw. dessen Teamleiter hätten auch über die Freizeit der Werber bestimmt. So hätten beispielsweise Werber, die im Team T. in M-Stadt stationiert gewesen seien, sonntags zusammen mit dem Teamleiter E. nach A-Stadt zum Kläger zu Besuch fahren müssen.
Da die Arbeitszeit von Montag bis Samstag ganztägig gedauert habe, hätten die Werber auch keine Möglichkeit gehabt, einer weiteren Beschäftigung nachzugehen. Die Werber hätten keinerlei Eigeninitiative entwickeln müssen und hätten für den Vertragsabschluss an der Haustüre Formulare erhalten. In verpflichtenden Schulungen seien den Werbern Werbesprüche beigebracht worden, die diese an der Haustüre auswendig aufgesagt hätten.
Die Werber hätten keinerlei unternehmerisches Risiko getragen und auch kein Kapital einsetzen müssen. Sie verfügten überwiegend über keine Steuernummer, führten keine Umsatzsteuer ab und hätten auch keine eigene Buchführung gehabt. Sämtliche Arbeitsmittel seien den Werbern vom Kläger zur Verfügung gestellt worden.
Falls zu wenige Abonnements verkauft wurden, hätten der Kläger bzw. die Teamleiter Überstunden und Schulungen anberaumt.
Zwar hätten die Werber bei den Hausgesprächen selbst entscheiden können, welches Produkt sie anbieten wollten. Die Produktpalette sei jedoch auf die Angebote der Firma V, nämlich die von dieser Firma vertretenen Zeitschriftenabonnements, Telekommunikations- und Stromverträge, beschränkt gewesen.
Das Angebot der Übernachtungsmöglichkeit, der Verpflegung und von Fahrgemeinschaften für die Werber sei zwar freiwillig gewesen. Faktisch seien die Werber jedoch zwingend auf diese betriebliche Organisation angewiesen gewesen. Die Werber verfügten oftmals über keinerlei Vorbildung, hätten kein Fahrzeug und keinen Führerschein gehabt und seien mittellos gewesen, da sie aus der Arbeitslosigkeit heraus sich auf Zeitungsannoncen des Klägers bewarben. Sie hätten keinerlei Möglichkeiten gehabt, in dem für sie jeweils fremden Einsatzgebiet ihre Unkosten anfangs selbst zu bestreiten.
Soweit die Werber im jeweiligen Einsatzgebiet frei hätten entscheiden können, in welche Straße sie gingen und bei welcher Haustür sie klingelten, ändere dies nichts daran, dass das Einsatzgebiet vom Kläger bzw. den Teamleitern vorgegeben worden sei. Dabei hätten der Kläger bzw. die Teamleiter darüber entschieden, wo die einzelnen Werber abgesetzt wurden, nachdem am Morgen gemeinsam losgefahren worden war.
Auch ergebe sich kein unternehmerisches Risiko daraus, dass die Werber wöchentlich die Kosten für Unterkunft und Verpflegung hereinwirtschaften mussten. Bei diesen Kosten handle es sich um Ausgaben der allgemeinen Lebensführung, die auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bzw. auch bei Arbeitslosigkeit anfielen.
Zwar sei der wirtschaftliche Erfolg der Werber maßgeblich vom Gelingen des Verkaufsgesprächs abhängig gewesen. Hierbei hätten die Werber jedoch keine erhebliche Eigeninitiative entwickeln müssen, da die Tätigkeit keine besondere Qualifikation vorausgesetzt habe und den Werbern in Schulungen die Werbesprüche beigebracht worden seien. Unerheblich sei insoweit, ob die Werber die gelernten Sprüche abwandeln oder verändern dürften.
Im Wesentlichen hätten sich die Werber an die Vorgaben des Klägers halten müssen, die auch in den Verpflichtungserklärungen zum Teil schriftlich festgehalten wurden.
Auch eine erfolgsabhängige Bezahlung mittels Provisionen spreche nicht zwingend für Selbständigkeit. Eine solche sei auch einem Arbeitsverhältnis nicht fremd, beispielsweise bei Produktionsarbeitern im Akkord.
Insbesondere habe es Zielvorgaben bezüglich der täglich zu erbringenden Abonnements gegeben.
Bei einer derartigen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses sei es auch nicht maßgebend, dass die Werber keine festen Bezüge oder Anspruch auf Urlaub, Sozialleistungen oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehabt hätten.
Auch die formelle Bezeichnung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Kläger und den Werbern als selbständiger Handelsvertretervertrag ändere nichts an der Einschätzung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Maßgebend sei die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
Der Kläger sei Arbeitgeber sämtlicher eingesetzter Werber gewesen. Soweit Frau S. I. K. (künftig: K) - die damalige Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau des Klägers - auch in Vertragsunterlagen in Erscheinung trete, handle es sich bei ihr lediglich um eine "Strohfrau". Die Beweisaufnahme des Landgerichts C-Stadt im Strafverfahren habe ergeben, dass Frau K dem Kläger lediglich bei der Unterbringung und Verpflegung der Werber geholfen habe. Für die Vertragsunterlagen habe sie nur ihren Namen zur Verfügung gestellt. Alle im Strafverfahren vernommenen Werber hätten angegeben, dass der Kläger der Chef gewesen sei, der die Anweisungen erteilt habe. Frau K sei - soweit sie den Werbern überhaupt bekannt gewesen sei - lediglich für den Haushalt und die Essenszubereitung in den Gemeinschaftsunterkünften zuständig gewesen. Entscheidungen habe Frau K nicht getroffen. Im Ergebnis seien vom Kläger daher die Beiträge an die AOK und DAK sowohl für die vom Kläger im eigenen Namen abgeschlossenen Verträge als auch die im Namen von K abgeschlossenen Verträge zu entrichten gewesen und zwar auf der Grundlage von den zuständigen Straf- und Finanzbehörden ermittelten geleisteten Zahlungen an die Werber.
Die Beklagte unterschied im Betriebsprüfungsbescheid vom 10.08.2011 dann nach unterschiedlichen Zeiträumen und führte für den nunmehr im Berufungsverfahren nur noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.12.1992 bis 31.12.1997 Folgendes aus:
"Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge vom 01.12.1992 bis 31.12.1997
Für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge haben wir die sich aus dem strafrechtlichen und steuerlichen Ermittlungsbericht des Finanzamtes D-Stadt Steuerfahndungsstelle vom 29.07.2002 ergebenden Beträge zu Grunde gelegt"
Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 22.09.1998, 12 RK 36/86, entschieden, dass bei Hinterziehung der Sozialversicherungsbeiträge die Beiträge aus dem gezahlten Arbeitsentgelt zuzüglich der vom Arbeitgeber zu zahlenden Lohnsteuer zu berechnen sei, so dass hier eine Umrechnung vom Barlohn zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt notwendig gewesen sei. Wegen Vorsatzes - wie es das Landgericht C-Stadt in seinem Strafurteil festgestellt habe - verjährten die Beiträge gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erst nach 30 Jahren. Säumniszuschläge würden entsprechend § 24 Abs. 1 SGB IV erhoben.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2012 zurück. Der am 28.08.2011 erhobene Widerspruch sei trotz Aufforderung vom 09.07.2011, Erinnerung vom 13.10.2011 und nach Fristverlängerung mit Schreiben vom 29.11.2011 nicht begründet worden. Das Strafurteil des Landgerichts C-Stadt vom 16.02.2011, Aktenzeichen xxx, sei inzwischen vom Bundesgerichtshof mit Entscheidung vom 11.08.2011, Aktenzeichen xxx, bestätigt worden.
Auf Grund der gegen die Nachforderung erhobenen Klage hob das Sozialgericht Augsburg mit Urteil vom 08.05.2015 den Bescheid vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.04.2012 auf.
Unter Verweis auf u.a. zwei Entscheidungen des LSG Bayern vom 21.10.2013, L 5 R 605/13 B ER und vom 19.02.2013, L 5 R 933/12 B ER, stellte das Sozialgericht fest, dass der Erlass eines Summenbescheides nicht zulässig gewesen sei, da zumindest teilweise eine personenbezogene Zuordnung habe erfolgen können. Diese Zuordnung sei auch dann notwendig, wenn die personenbezogene Feststellung mit erheblichen Schwierigkeiten und verwaltungsmäßigem Mehraufwand verbunden sei. Aus dem Protokoll der Sitzung des Strafgerichts ergebe sich, dass einzelne Werber im Strafverfahren als Zeugen vernommen worden seien, so dass deren Adressen bekannt gewesen seien. Auch hätten teilweise Einzelabrechnungen von Werbern vorgelegen, wie sich aus der Durchsicht der 17 Ordner Ermittlungsakten ergäbe. Damit habe zumindest teilweise eine personenbezogene Zuordnung erfolgen können. Ausreichende eigene Ermittlungen der Beklagten seien nicht ersichtlich. Die betroffenen namentlich bekannten Werber seien von der Beklagten nicht angehört und auch nicht nach § 12 SGB X beteiligt worden. Die Beklagte habe sich nicht alleine auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes und der Finanzbehörden stützen können. Der Erlass eines Summenbescheids käme nur als letztes Mittel in Betracht. Je höher die Summe der Beitragsforderung sei, desto intensiver müsse die Beklagte eine personenbezogene Zuordnung versuchen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass eine erhebliche Summe an Beitragsnachforderungen für eine Vielzahl von Personen streitig sei, so dass insgesamt die Voraussetzungen für einen Summenbescheid nicht vorlägen.
Im Übrigen sei der Summenbescheid auch wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte Ermessen ausgeübt habe. Nicht jeder Aufzeichnungspflichtverletzung müsse mit einem Summenbescheid begegnet werden. Die Ermessensausübung sei gerichtlich voll überprüfbar. Vorliegend sei von einem Ermessensnichtgebrauch auszugehen, was nach § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führe. Die Vorschrift des § 28f SGB IV sei im Bescheid nicht einmal erwähnt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und diese beschränkt auf den Zeitraum vom 01.12.1992 bis 31.12.1996 mit einem Gesamtnachforderungsbetrag von 283.163,93 EUR, davon Säumniszuschläge in Höhe von 184.639,00 EUR unter Vorlage einer Berechnung der Beiträge für diesen Zeitraum. Danach entfielen in diesem Zeitraum von der Gesamtsumme auf die vom Kläger abgeschlossenen Verträge 267.039,22 Euro (Beiträge 92.908,22 Euro und Säumniszuschläge 174.131,00 Euro) und auf die von Frau K abgeschlossenen Verträge 16.124,71 Euro (Beiträge 5.616,71 Euro und Säumniszuschläge 10.508,00 Euro).
Der Erlass eines Summenbescheids nach § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV stünde nicht im Ermessen der Beklagten. Bei Prüfung der Voraussetzungen der Vorschrift für den Erlass eines Summenbescheids habe die Behörde lediglich einen Beurteilungsspielraum. Da hier Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Stundenaufzeichnungen geführt hätten, habe nicht einmal eine Schätzung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit erfolgen können, die Grundlage für die Berechnung des Beitragsschadens hätte sein können, sogar wenn das dem einzelnen Werber geschuldete Entgelt bekannt gewesen wäre. Bei einer rein erfolgs- bzw. leistungsbezogenen Vergütung wie hier sei eine Schätzung schon deshalb kaum möglich, weil die Provisionsabrechnung zeitlich versetzt erfolgt sei; denn nur wenn der Vertrag nicht vom Kunden widerrufen worden sei, habe der Werber die volle Provision erhalten.
Angesichts der vom Sozialgericht aufgestellten hohen Hürden für den Erlass eines Summenbescheids werde die Berufung jedoch auf den Zeitraum von 01.12.1992 bis 31.12.1996 beschränkt. Für diesen Zeitraum hätten von Anfang an keine Aufzeichnungen und Abrechnungen des Klägers vorgelegen, so dass auch kein Arbeitnehmer namentlich bekannt gewesen sei.
Die Nachforderungen für diesen Zeitraum gründeten sich demgemäß allein auf die Schätzungen im strafrechtlichen und steuerrechtlichen Ermittlungsbericht des Finanzamts D-Stadt für diesen Zeitraum und dem hierzu ergangen Strafbefehl des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Aktenzeichen xxx, der seit 29.07.2004 rechtskräftig sei. Diese Unterlagen, auf denen der Bescheid für den im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum allein beruhe, lägen so noch vor. Erst für den Zeitraum ab 1997 seien Unterlagen beschlagnahmt worden und weitere Beweismittel, etwa aus dem Strafverfahren vor dem Landgericht C-Stadt, das mit dem Urteil vom 16.02.2011, Aktenzeichen xxx geendet habe, vorhanden. Nur für spätere Zeiträume ab dem Jahr 1997 seien Werber namentlich bekannt gewesen und dementsprechend als Zeugen vernommen worden.
Für den im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum seien weitere Ermittlungen der Beklagten objektiv unmöglich gewesen, da der Kläger seine Aufzeichnungspflichten verletzt und weder im Strafverfahren noch im Beitragsverfahren weitere Beweismittel oder Angaben vorgetragen habe, auf Grund deren eine eigenständige Befragung von einzelnen Arbeitnehmern hätte nachgeholt werden können.
Der Kläger sei Arbeitgeber auch für die Werber gewesen, die unter der Gebietsnummer von Frau K geführt worden seien. Frau K sei nur wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden (Urteil des Landgerichts C-Stadt vom 29.11.2011, Az.: xxx). Aus dem Urteil ergebe sich, dass allein der Kläger Arbeitgeber gewesen sei. Frau K sei auch erst ab dem Jahr 2003 als Strohfrau in Erscheinung getreten.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 08. Mai 2015 teilweise aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 insoweit zurückzuweisen, als diese den Nachforderungsbetrag von 283.163,93 EUR, davon Säumniszuschläge in Höhe von 184.639,00 EUR, für den Zeitraum vom 01.12.1992 bis 31.12.1996 betrifft.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg sei in vollem Umfang zutreffend. Der Kläger sei bei der Firma V in einer mittleren Hierarchiestufe als freier Handelsvertreter tätig gewesen. Die Werber hätten für den Kläger vor Ort als selbständige Handelsvertreter auf niederer Leitungsebene gearbeitet. Hierbei sei der Kläger für die Unterstützung und Leitung dieser nachgeordneten Außendienstmitarbeiter zuständig gewesen.
Als Entgelt für die Betreuung der untergeordneten Struktur habe der Kläger als leitender Handelsvertreter eine individuell bemessene Provision für jeden durch diese Struktur auf niederer Ebene geworbenen Vertrag erhalten, die als "Superprovision" bezeichnet worden sei.
Die Handelsvertretung des Klägers sei bei V unter den Organisationsnummern 250 und 155 (Zeitschriften), 136 (Telefonverträge) sowie 103 (Stromverträge) geführt worden. Die Handelsvertretung der früheren Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau des Klägers Frau K sei unter der Organisationsnummer 296 erfolgt. Den Betriebsnummern des Klägers sei die DAK Gesundheit zugeordnet gewesen, der Betriebsnummer von Frau K die AOK.
Das Strafgericht C-Stadt habe mit Urteil vom 16.02.2011, xxx den Kläger und mit späterem Strafurteil auch Frau K wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten gemäß § 266a StGB schuldig gesprochen und den Kläger zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und Frau K zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Kläger und Frau K gemeinschaftlich gehandelt hätten. Wer als Arbeitgeber Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge gewesen sei, habe sich aus dem Strafurteil jedoch nicht schließen lassen. Zumindest sei der Kläger nicht für die Betriebsnummer von Frau K Arbeitgeber gewesen.
Auf Grund des Abrechnungssystems habe der Kläger ein Doppel seiner monatlichen Rechnungen an V sowie auch Originale der Rechnungen seiner Handelsvertreter, mit denen sie gegenüber dem Kläger abgerechnet hätten, aufbewahrt. Dieses zentrale Abrechnungssystem sei durch die Aktenführung nachvollziehbar gewesen und hätte dazu führen müssen, dass die Beklagte Beiträge jedem einzelnen Werber hätte zuordnen müssen. In den fünf Jahren seiner Tätigkeit zwischen 1992 und 1996 habe der Kläger rund 60 Monatsrechnungen an V gerichtet. Wenn insgesamt 887 Provisionsabrechnungen vorlägen, würde dies bedeuten, dass zu jeder Monatsabrechnung des Klägers als Vertriebspartner rund 12 korrespondierende Einzelrechnungen seiner Untervertriebspartner erstellt und zu den Akten genommen worden seien. Dies sei aus den beschlagnahmten Akten ersichtlich gewesen.
Inzwischen habe das Finanzamt L-Stadt die Akten nach Ablauf von zehn Jahren nach Erledigung der Sache jedoch vernichtet. Dies sei dem BayLSG am 08.09.2015 mitgeteilt worden. Von ursprünglich beim Kläger als Beweismittel beschlagnahmten 17 Ordnern an Unterlagen seien nur noch 6 Ordner Verwaltungsakten bei der Beklagten, also nur Auszüge, vorhanden. Der streitgegenständliche Bescheid beruhe auf diesen Akten und nicht auf eigenständigen Ermittlungen der Beklagten im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens. Von einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht durch den Kläger, wie es § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV für die Zulässigkeit des Erlasses eines Summenbescheids voraussetze, könne nicht die Rede sein, da sich aus den vernichteten Akten ergeben hätte, dass Aufzeichnungen vorhanden gewesen seien. Dem Sozialgericht hätten bei seiner Entscheidung die 17 Ordner Ermittlungsakten sowie die nunmehr verbliebenen 6 Verwaltungsakten vorgelegen. Dem Kläger sei es nunmehr wegen der Aktenvernichtung unmöglich, nachzuweisen, dass eine personenbezogene Ermittlung in den Jahren 1992 bis 1996 möglich gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei damit der Kernbereich des Rechts auf faires Verfahren verletzt mit der Folge, dass die Beklagte aus der ihr zuzurechnenden Aktenvernichtung keine Verfahrensnachteile für den Kläger ziehen dürfe.
Der Summenbescheid sei auch, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt habe, wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig.
Im Übrigen hätte die Beklagte zwei getrennte Beitragsbescheide erlassen müssen. Zum einen gegenüber dem Kläger mit einem Gesamtbetrag von 828.739 EUR und gegenüber Frau K mit einem Gesamtbetrag von 699.304 EUR.
Letztlich läge auch ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV vor. Ausgeschlossen sei es, den Bruttolohn als Quote der Betriebseinnahmen zu schätzen, insbesondere wenn die gezahlten Nettoprovisionen bekannt seien. Auch seinen möglicherweise damals einige Werber nur geringfügig tätig gewesen.
Die weiteren Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht Augsburg den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 für den Zeitraum vom 01.12.1992 bis 31.12.1996 aufgehoben, was die Nachforderung in Höhe von 267.039,22 Euro, davon 174.131,00 Euro an Säumniszuschlägen, anbetrifft. Insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig ergangen mit der Folge, dass die Klage hiergegen abzuweisen ist.
a) Zutreffend hat das SG angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen und auch den Gegenstand des Rechtsstreits in der Berufung bildenden Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 um einen Summenbescheid iS von § 28f Abs. 2 S 1 SGB IV handelt.
Welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, hat das erkennende Gericht mittels Auslegung des Bescheides zu beantworten (BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R Rz 16). Darauf, ob die Rechtsgrundlage des § 28f Abs. 2 S 1 SGB IV im Bescheid genannt wird, kommt es nicht an (vgl. BSG, aaO). Demgemäß war eine Beiladung einzelner Arbeitnehmer auch nicht veranlasst (BSG, aaO).
b) Anders als das Sozialgericht meint, handelt es sich beim Erlass eines Summenbescheids jedoch um keine - dann insoweit gerichtlich nachprüfbare - Ermessensentscheidung.
Rechtsgrundlage des im Anschluss an eine Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 SGB IV.
Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte (verkörpert im sog Prüfbescheid) zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs. 5 SGB X nicht. Die Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragshöhe im Prüfbescheid hat danach grundsätzlich personenbezogen zu erfolgen (vgl. zB BSGE 89, 158, 159 f = SozR 3-2400 § 28f Nr. 3 S 4 ff mwN).
Als Ausnahme von diesem Grundsatz kann der prüfende Träger der Rentenversicherung nach § 28f Abs. 2 S. 1 SGB IV den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen (sog Summenbescheid), wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Dieser Verzicht auf die grundsätzlich erforderliche Personenbezogenheit der Feststellungen ist charakteristisch für den Summenbescheid; erfolgt allein eine Schätzung der Entgelte einzelner Arbeitnehmer (§ 28f Abs. 2 S. 3 und S. 4 SGB IV) bei fortbestehender personenbezogener Feststellung der Beitragshöhe, so liegt kein Summenbescheid iS des § 28f Abs. 2 S. 1 SGB IV vor.
Soweit § 28f Abs. 2 S. 1 SGB IV von "kann" spricht, handelt es sich um kein Ermessens-Kann. Vielmehr bringt dieses "Kann" lediglich ein rechtliches Dürfen zum Ausdruck (sog "Kompetenz-Kann", vgl. etwa BSG, Urteil vom 09.03.2016 - B 14 AS 20/15 R, Rz. 25). Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift, insbesondere im Lichte der Gesetzeshistorie, vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R -, BSGE 89, 158-167, SozR 3-2400 § 28f Nr. 3, SozR 3-2400 § 14 Nr. 22.
§ 28f Abs. 2 SGB IV regelte danach bei Inkrafttreten eine bis zum Zustandekommen dieser Vorschrift seit Jahrzehnten bestehende Zweifelsfrage, vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R.
Die Versicherungs- und Beitragspflicht ist in allen Versicherungszweigen personenbezogen ausgestaltet und hängt zum Teil von Arbeitsentgeltgrenzen ab. Damit entscheiden das Arbeitsentgelt und seine Höhe über das Bestehen von Versicherungsverhältnissen. Die Höhe des Arbeitsentgelts bestimmt in der Regel auch die Höhe der Beiträge. Danach richtet sich teilweise wiederum die Höhe späterer Leistungen, allerdings je nach Versicherungszweig und Art der Leistung in unterschiedlichem Umfang. Insgesamt dienen die Beiträge, die für die Beschäftigten zu entrichten sind, zur Finanzierung von Leistungen aus den einzelnen Versicherungszweigen.
Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn Arbeitgeber ihre Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt haben und deswegen die Versicherungs- und Beitragspflicht von Beschäftigten sowie die Beitragshöhe nicht ohne weiteres festgestellt werden können. Es kam in Betracht, entweder zur Sicherung der sozialen Rechte der Beschäftigten möglichst weitgehend an dem Erfordernis einer personenbezogenen Regelung festzuhalten oder unter deren Vernachlässigung der Sicherung des Beitragsaufkommens der Versicherungsträger den Vorrang einzuräumen.
Das weit gehende Festhalten an personenbezogenen Feststellungen konnte verhindern, dass die Verletzung von Aufzeichnungspflichten durch Arbeitgeber zu einer Beeinträchtigung des sozialen Schutzes ihrer Beschäftigten führte.
Andererseits ermöglichte es diesen Arbeitgebern, sich ihren Beitragspflichten zu entziehen und sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, wenn personenbezogene Feststellungen nicht möglich und eine pauschale Beitragsfestsetzung unzulässig war. Die Zulässigkeit einer solchen pauschalen Festsetzung schloss hingegen die genannten Vorteile bei Arbeitgebern aus, sicherte das Beitragsaufkommen der Versicherungsträger insgesamt und trug so zur Finanzierung ihrer Leistungen bei.
Das BSG hatte früher der personenbezogenen Feststellung einen weitgehenden Vorrang eingeräumt. Etwa mit Urteil vom 17.12.1985 (BSGE 59, 235 = SozR 2200 § 1399 Nr. 16) hatte das BSG in Fortführung früherer Rechtsprechung entschieden, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht sowie die Beitragshöhe auch dann grundsätzlich personenbezogen festzustellen seien, wenn der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht verletzt hatte und die Aufklärung des Sachverhalts dadurch zwar erschwert, aber nicht unmöglich gemacht worden war. Das BSG hatte den Versicherungsträgern lediglich gewisse Beweiserleichterungen im Sinne des Erlasses von Summenbescheiden eingeräumt.
Erstmals mit Wirkung vom 01.01.1989 ist durch Art 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in das SGB IV vom 20.12.1988, BGBl I 2330, mit § 28f Abs. 2 SGB IV eine gesetzliche Regelung zu den Summenbescheiden getroffen worden. Sie galt zunächst für den Erlass solcher Bescheide durch die Krankenkassen als Einzugsstellen, die damals noch die Arbeitgeber prüften. In den Anforderungen an die Zulässigkeit von Summenbescheiden blieb § 28f Abs. 2 jedoch in den genannten Sätzen 1 bis 6 unverändert, als die Vorschrift auf die Pflegeversicherung ausgedehnt wurde (Art 3 Nr. 8 des PflegeVG vom 26.05.1994, BGBl I 1014) und als an Stelle der Krankenkassen (Einzugsstellen) die Träger der Rentenversicherung für die Prüfung der Arbeitgeber zuständig wurden (§ 28f SGB IV idF des Art 1 Nr. 1 Buchst a und § 28p SGB IV idF des Art 1 Nr. 4 des 3. SGBÄndG vom 30.06.1995, BGBl I 890).
Zur Begründung für die erstmalige Zulassung von Summenbescheiden in § 28f Abs. 2 SGB IV ursprünglicher Fassung bezieht sich der Gesetzentwurf zwar auf die bis dahin ergangene Rechtsprechung des BSG (BT-Drucks 11/2221 S 23 zu § 28f). Die Vorschrift enthält aber ungeachtet ihrer Anknüpfung an die frühere Rechtsprechung des BSG eine eigenständige Regelung zur Zulässigkeit von Summenbescheiden. Sie stellt nach Maßgabe ihres Satzes 1 bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Aufzeichnungspflicht durch den Arbeitgeber die Zulässigkeit von Summenbescheiden in den Vordergrund (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R).
Soweit mit einer Vorschrift ein Behördenhandeln lediglich zulässig gemacht und damit ermöglicht werden soll, handelt es sich um ein "Kompetenz-Kann". Eine Ermessensausübung ist nicht erforderlich und wurde auch bei keiner der in der Folge zu § 28f Abs. 2 SGB IV ergangenen Entscheidungen des BSG jemals gefordert. Eine Ermessensüberprüfung - wie sie hier das Sozialgericht vorgenommen hat - ist daher nicht möglich und hat zu unterbleiben. Vielmehr sind lediglich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Summenbescheides zu überprüfen, wie sie das Gesetz vorsieht.
c) Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Summenbescheides sind hier gegeben. Satz 2 des § 28f Abs. 2 SGB IV stand dem Erlass eines Summenbescheides nicht entgegen.
Im Hinblick auf die Zulässigkeit des Erlasses eines Summenbescheids ist zu prüfen, ob -wie es § 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV fordert -, nicht etwa doch ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand personenbezogene Feststellungen hätten getroffen werden können. Anders als die Klägerseite meint, hätten hier - zumindest für den im Berufungsverfahren nur noch streitgegenständlichen Zeitraum - personenbezogene Feststellungen - wenn überhaupt - nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand getroffen werden können. Prüfungsmaßstab ist im Falle einer personenbezogenen Entgeltschätzung vorrangig eine Abwägung zwischen dem im Einzelfall zu erwartenden Verwaltungsaufwand und den Interessen des Versicherten wie auch des Arbeitgebers an einer exakten Feststellung der Entgelte im Hinblick auf spätere Leistungsansprüche bzw. im Hinblick auf die Vermeidung überobligatorischer Beitragslasten. Allein der Umstand, dass bei einem Arbeitgeber Entgelte einer großen Anzahl von Arbeitnehmern zu ermitteln sind, begründet allerdings für sich genommen noch keinen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand.
Hier hat der Kläger seine Aufzeichnungspflichtverletzungen schon dadurch eingeräumt, dass er sich darauf beruft, die Werber hätten als Selbständige gearbeitet, seien daher bei ihrer Zeiteinteilung frei gewesen und folglich deren Zeiten von ihm nicht erfasst worden. Was die Höhe des Entgelts betrifft, hat der Kläger ebenfalls gegen seine Aufzeichnungspflichten verstoßen, weil die Provisionsansprüche der einzelnen Werber nicht klar und nachvollziehbar nach Ablauf der Stornierungsfrist abgerechnet wurden. Im Übrigen hat der Kläger auch nicht dargelegt, die Vorgaben der Beitragsüberwachungsverordnung auch nur ansatzweise eingehalten zu haben. Für den im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum waren Feststellungen, die über den des Strafbefehls des Amtsgerichts D-Stadt vom 15.04.2004, Az.: xxx, hinausgegangen wären, nach den Ausführungen der Beklagten im Bescheid von 10.08.2011 schon zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr möglich. Eine nach den einzelnen Beschäftigten und ihren jeweiligen individuellen Vorteilen vorgenommene Beitragsberechnung schied aus. Selbst im Falle einer personenbezogenen Beitragsbemessung wäre ein Summenbescheid zulässig gewesen wegen der größeren Zahl der Betroffenen, deren Ermittlung und der Beitragsbemessung nach den jeweiligen Verhältnissen (Jahresarbeitsentgelt, Beitragsbemessungsgrenze, Beitragssatz) mit einem Aufwand verbunden gewesen, den die Beklagte als unverhältnismäßig ansehen durfte. Demgegenüber war kein besonderes Interesse der einzelnen Betroffenen an einer individuellen Feststellung erkennbar, nachdem es sich um eine Vielzahl Betroffener und damit um jeweils verhältnismäßig geringe Beträge, die auf den Einzelnen entfielen, gehandelt hat.
Die Beklagte konnte nach alledem, insbesondere weil die Entgelte zeit- und personenbezogen nicht erfasst waren, das entsprechende Arbeitsentgelt ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand einem bestimmten Beschäftigten nicht zuordnen. Sie hat deshalb schon im Betriebsprüfungsbescheid vom 10.08.2011 zur Begründung angeführt, dass eine personenbezogene Nachberechnung der Beiträge nur mit einem unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand möglich sei. Hiergegen hat der Kläger im Widerspruchsverfahren nichts eingewandt. Im Widerspruchsbescheid vom 18.04.2012 hat die Beklagte daher auf die fehlende Stellungnahme des Klägers hingewiesen; die Beklagte konnte bei Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu Recht von der Zulässigkeit eines Summenbescheides ausgehen.
Die Beklagte konnte über den Erlass eines Summenbescheides und damit über die Frage, ob eine personenbezogene Beitragserhebung unverhältnismäßig verwaltungsaufwendig war, ohnehin nur bis zum Abschluss des Vorverfahrens entscheiden (BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R -, BSGE 89, 158-167, SozR 3-2400 § 28f Nr. 3, SozR 3-2400 § 14 Nr. 22, Rz. 28)
Bis dahin war der Summenbescheid von der Klägerin nicht beanstandet worden. Die Verhältnismäßigkeit des Summenbescheides kann zwar auch im gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Dies ist zur Wahrung der sozialen Rechte der Beschäftigten selbst dann erforderlich, wenn der Betroffenen den Erlass eines Summenbescheides nicht rügt. Für eine - spätere - Beanstandung durch ein Gericht ist jedoch erforderlich, dass abgestellt wird allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R Rz. 28).
Soweit hier der Kläger mit seinem Vorbringen zur angeblichen Möglichkeit der Benennung einzelner Personen für den im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum erstmals im Prozess und mehrere Jahre nach der Betriebsprüfung und dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens den Summenbescheid zu Fall bringen will, kann er deshalb damit keinen Erfolg haben (vgl BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R Rz. 28). Vielmehr müsste der Kläger, wenn er jetzt noch eine personenbezogene Beitragsbemessung anstrebt, dieses nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens zum Summenbescheid in einem Widerrufsverfahren § 28f SGB IV und damit in einem besonderen Verwaltungsverfahren geltend machen, wobei er nicht nur die Möglichkeit einer personenbezogenen Beitragsfestsetzung aufzeigen, sondern zugleich alle für die individuelle Beitragsfeststellung erforderlichen Angaben mitzuteilen hätte, BSG, Urteil vom 07.02.2002 - B 12 KR 12/01 R Rz. 28.
Nachdem die Voraussetzungen für den Erlass eines Summenbescheides, insbesondere auch im Hinblick auf das Unterlassen weiterer Feststellungen durch die Beklagte im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht, zwar voller gerichtlicher Überprüfung unterliegt, dabei jedoch auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen ist (BSGE 89, 158, 162 f = SozR 3-2400 § 28f Nr. 3 S. 8), verletzt die Aktenvernichtung durch das Finanzamt den Kläger - wie von diesem behauptet - auch nicht in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren (vgl. dazu etwa BVerfG Beschluss vom 06.04.1998, 1 BvR 2194/97, BFH Beschluss vom 05.02.2014, X B 138/13, BFH Beschluss vom 13.02.2014, X B 168-170/13).
Nach Abschluss des Vorverfahrens war es dem Kläger, nicht mehr möglich, den Summenbescheid dadurch zu Fall zu bringen, dass er nachträglich im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit personenbezogener Feststellungen nachgewiesen hätte. Ausschlaggebend war allein der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids. Zu diesem Zeitpunkt durfte die Beklagte aufgrund ihrer bis dahin vom Kläger nicht in Frage gestellten Feststellungen von der Zulässigkeit eines Summenbescheides ausgehen.
Zum anderen sind die für das Betriebsprüfungsverfahren relevanten Verwaltungsakten der Beklagten noch vorhanden, insbesondere der strafrechtliche und steuerrechtliche Ermittlungsbericht der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes D-Stadt vom 29.07.2002. Hier kann zumindest anhand der Verwaltungsakten der Beklagten die Rechtmäßigkeit des Bescheides noch insofern beurteilt werden, als die Beklagte sich auf diese Unterlagen gestützt hat (zu abweichenden Fallgestaltungen vgl. BVerfG Beschluss vom 06.04.1998, 1 BvR 2194/97, BFH Beschluss vom 05.02.2014, X B 138/13, BFH Beschluss vom 13.02.2014, X B 168-170/13).
d) Der damit zulässigerweise erlassene Summenbescheid ist zum Teil rechtswidrig. Der Kläger war nicht Arbeitgeber der Werber, die den Vertrag mit Frau K abgeschlossen hatten, so dass die Berufung in Höhe des Betrages zurückzuweisen ist, der auf die für Frau K geführten Verträge entfällt, nämlich 16.124,71 Euro.
aa) Zwar ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Werber abhängig beschäftigt waren. Dies ergibt die zutreffende Gesamtabwägung der Beklagten anhand aller relevanten Merkmale, die sich der Senat vollinhaltlich zu eigen macht. Die Werber waren keine selbständigen Handelsunternehmer auf "niedriger" Stufe, wie der Kläger behauptet, sondern von ihm eingesetzte, in jeder Beziehung abhängige Personen, die sich nur innerhalb der vom Kläger eingeteilten Kolonnen nach dessen Vorgaben bewegen konnten.
bb) Allerdings hat die Beklagte die Arbeitgebereigenschaft des Klägers im Hinblick auf die von seiner jetzigen Ehefrau unter Vertrag genommenen und ihr zugeordneten Werber nicht überzeugend festgestellt mit der Folge, dass der Kläger für diese Werber keine Beiträge nachentrichten muss. Der Bescheid der Beklagten vom 10.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 war insoweit rechtswidrig und ist damit insoweit im Ergebnis zutreffend vom Sozialgericht aufgehoben worden.
Soweit die Beklagte im Hinblick auf die Arbeitgebereigenschaft des Klägers bezüglich der Werber, die bei dessen jetziger Ehefrau unter Vertrag waren und mit dieser abgerechnet wurden, auf das Strafurteil des Landgerichts C-Stadt Bezug nimmt, ist das unzureichend. Hier hätte es eigener Ermittlungen der Beklagten bedurft, um entsprechend dieser Feststellungen in den Strafverfahren eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers auch im Hinblick auf die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zu belegen. Dies ist unterblieben. Ebenso ist die für später nachgewiesene Gebietsaufteilung auch von der Beklagten in der Anlage zur Berufungsbegründungschrift schon für den im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Zeitraum erkennbar vorhanden.
cc) Was die Berechnung der Nachforderung von Beiträgen bezüglich des Klägers in Höhe von 267.039,22 Euro, anbetrifft, ist diese auf der Grundlage des zulässigen Summenbescheides zutreffend erfolgt und die Berufung der Beklagten insoweit erfolgreich.
Die Beklagte durfte die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes und der Steuerbehörden ihrer Beitragsberechnung zugrunde legen (vgl etwa LSG NRW Beschluss vom 11.08.2016, L 8 R 1096/14 B ER). Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, enthalten die §§ 20, 21 SGB X entsprechende Regelungen für die Beweiserhebung im Verwaltungsverfahren, wonach sich eine Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts der Beweismittel bedienen darf, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält. Dabei ist der Gesichtspunkt der Amtshilfe durch andere Behörden sowie Unterrichtungspflichten der Behörden der Zollverwaltung nach § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SchwarzArbG zu berücksichtigen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Satz 3 SchwarzArbG konnte insoweit die Prüfung der Zollverwaltung mit der Prüfung der Beklagten zusammengeführt werden.
Die Beklagte hat im Bescheid für den streitgegenständlichen Zeitraum die Höhe der insgesamt festgesetzten Nachforderung nach den Feststellungen des Senats zutreffend ausgewiesen. Zutreffend hat die Beklagte die von der Steuerfahndung festgestellten Arbeitslöhne zuzüglich der von der Steuerfahndung ermittelten Steuern als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge berücksichtigt, vgl. BSG Urteil vom 22.09.1988 - 12 RK 36/86. Die Beklagte berechnet dann in den Anlagen zum Bescheid die Beiträge nach Jahren und Gebietsuntergliederungen, wie sie dem Kläger von V vorgegeben waren, mit der Folge, dass im Ergebnis eine Aufteilung der Betragsnachforderungen der jetzigen Ehefrau des Klägers und den Gebietsnummern des Klägers erfolgte. Die jeweiligen Teilbeträge wurden dann zwar nicht weiter getrennt nach Versicherungszweigen einzelnen Arbeitnehmern und den für diese jeweils zuständigen Einzugsstellen zugeordnet (vgl. dazu BSG Urteil vom 16.12.2015 -B 12 R 11/14 R). Dies war jedoch nach Feststellungen der Beklagten bis zum Abschluss des Vorverfahrens - und damit im Prozess nicht mehr angreifbar - auch nicht möglich. Gleiches gilt für die erst im Prozess von Klägerseite behauptete, angebliche geringfügige Beschäftigung einzelner Werber.
Die Höhe der Nachforderung ist nach den Feststellungen des Senats zutreffend berechnet; insoweit wird Bezug genommen auf die Anlage zum Bescheid vom 02.10.2008 und die dort enthaltenen Berechnungen sowie die Anlage zur Berufungsbegründung der Beklagten vom 01.07.2015.
Die Nachforderung ist auch nicht verjährt, § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV; der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Aus den Umständen, unter denen die Werber eingesetzt wurden, musste ihm klar sein, dass diese keine selbständig Tätigen waren.
dd) Die Säumniszuschläge wurden zu Recht nach § 24 SGB IV in der von Beklagten errechneten Höhe erhoben. Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Aus den Umständen, unter denen die Werber eingesetzt wurden, musste ihm klar sein, dass diese keine selbständig Tätigen waren.
Im Ergebnis hat die Berufung Erfolg iHv 267.039,22 Euro im Hinblick auf die Werber, die nicht für die Ehefrau des Klägers, sondern für den Kläger entsprechend den Gebietsnummern tätig waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG und folgt den Erwägungen, dass im die Beklagte im Berufungsverfahren, in dem 283.163,93 Euro streitig waren, mit einem Teilbetrag von 267.039,22 Euro obsiegt hat, also etwa zu neun Zehntel. Bei einer Gesamtnachforderung von ursprünglich 1.528.044,61 Euro und einem Obsiegen des Klägers letztlich iHv 1.261.005,40 Euro führt dies zu einer Kostenquotelung in erster Instanz von etwa vier Fünftel zu Lasten der Beklagten.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren war gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs. 2 S. 1, § 52 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 1 GKG in Höhe des Betrags der im Berufungsverfahren noch streitigen Nachforderung festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 - B 12 R 11/14 R -, BSGE 120, 209-230, SozR 4-2400 § 28p Nr. 6, Rz. 77). Anders als der Kläger meint, ist der Streitwert nicht in Höhe des erstinstanzlichen Streitwertes anzusetzen. Die Berufung wurde von der Beklagten zulässigerweise auf einen Teilbetrag in Höhe von 283.163,93 EUR beschränkt, der damit auch die wirtschaftliche Bedeutung des Berufungsverfahrens widerspiegelt. Darauf, inwieweit rechtliche Überlegungen den gesamten erstinstanzlichen Streitgegenstand betreffen und ggf auch für das Berufungsverfahren relevant sind, kommt es nicht an. Ohnehin hat die Beklagte in ihrem Bescheid nach Zeiträumen getrennt und damit auch abtrennbare Streitgegenstände geschaffen.
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