L 6 SB 2340/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 318/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2340/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft.

Der 1952 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei 1980 und 1983 geborene Söhne. Er besitzt den Führerschein Klasse 3 und fährt einen Personenkraftwagen. Er absolvierte eine Lehre als Werkzeugmacher. Danach erlangte er die Fachhochschulreife und bildete sich zum Maschinenbautechniker weiter. Später war er mehrere Jahre als REFA-Techniker beschäftigt. Ab 2012 befand er sich in Altersteilzeit, wobei er bis 2013 arbeitete und danach freigestellt war. Seit Juni 2014 bezieht er eine Rente wegen Alters mit einem Abzug von 10,8 %.

Bei ihm war zuletzt mit Bescheid vom 9. November 2010 der GdB mit 30 seit 20. August 2010 festgestellt worden. Dieser Anerkennung lag die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. F. von Oktober 2010 zugrunde, wonach degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein verheilter Wirbelbruch und ein Bandscheibenschaden sowie Herzrhythmusstörungen und vegetative Symptome jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet wurden.

Am 21. Februar 2014 beantragte der Kläger beim Landratsamt E. die Neufeststellung des GdB. Nach Auswertung beigezogener medizinischer Befundunterlagen lehnte diese Verwaltungsbehörde den Antrag mit Bescheid vom 16. April 2014 ab. Trotz eines hinzugekommenen Schlafapnoe-Syndroms, welches nach der versorgungsärztlichen Einschätzung von Dr. Sp. von März 2014 ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei, erhöhe sich der Gesamt-GdB von 30 nicht. Der Widerspruch wurde durch das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2015 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 29. Januar 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, welches schriftliche sachverständige Zeugenaussagen bei Dr. O.-B., Fachärztin für Orthopädie, den Internisten Dr. K.-A. und Dr. N. sowie bei Dr. F., Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohren (HNO)-Heilkunde, beigezogen hat, welche im März 2015 und im Folgemonat vorgelegt worden sind.

Dr. O.-B. hat ausgeführt, der Kläger leide mittlerweile an einem mittel- bis schwergradigen degenerativen Halswirbelsäulensyndrom mit Neuroforamenstenose auf Höhe C6/7 links und rezidivierendem Wurzelreizsyndrom, einem mittel- bis schwergradigen Lendenwirbelsäulensyndrom sowie einem leichten Karpaltunnelsyndrom links. Hinsichtlich der degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule sei eine Verschlechterung eingetreten. Durch die fortgeschrittenen Spondylarthrosen sei es zu Neuroforaminenstenosen gekommen, welche rezidivierend ein Wurzelreizsyndrom mit entsprechender Symptomatik auslösen könnten. Neu aufgetreten sei ein Karpaltunnelsyndrom links. Auf ihrem Fachgebiet schätze sie den GdB mit 30 ein.

Dr. K.-A. hat mitgeteilt, er habe den Kläger bis Anfang Februar 2014 betreut. Seit 2009 seien Rhythmusstörungen mit einem anfallsweise auftretenden Vorhofflimmern, also leichtgradig, bekannt. Den GdB schätze er insoweit auf 20.

Dr. N. hat kundgetan, der Kläger leide an Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck. Seit einer operativ durchgeführten Pulmonalvenenaplation im Jahre 2011 hätten sich die Beschwerden gebessert. Er gehe insoweit von einem Einzel-GdB von 20 aus. Die Miktionsstörungen bei anzunehmender Prostatavergrößerung erreichten einen Einzel-GdB von 10. Das Schlafapnoe-Syndrom mit der Notwendigkeit zur kontinuierlichen nächtlichen nasalen Überdruckbeatmung sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Die funktionellen Dickdarmstörungen beziehungsweise der Colon irritabile erscheine mit einem Einzel-GdB von 10 wegen der mäßiggradigen Symptomatik ebenfalls korrekt beurteilt.

Dr. F. ist davon ausgegangen, dass der Kläger an einem leichten obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom leide. In Anbetracht der kardiologischen Begleiterkrankungen sei er in der Klinik Sch. in G. einer Überdruckbeatmung mittels nCPAP-Therapie zugeführt worden. Die ambulante Schlafpolygraphie unter nächtlicher Überdruckbeatmung habe eine sehr gute Therapiedruckeinstellung gezeigt. Der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) habe von sieben je Stunde auf null gesenkt werden können. Der Einzel-GdB betrage insoweit 20.

Von Dr. F. ist der Entlassungsbericht von Prof. Dr. K., Chefarzt der Abteilung für Pneumologie und Pneumologische Onkologie der Klinik Sch. in G., über den stationären Aufenthalt des Klägers am 24. und 25. Mai 2014 vorgelegt worden, wonach ein leichtgradiges obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit Erstdiagnose im Januar 2014 diagnostiziert worden sei. Es sei eine CPAP-Therapie empfohlen worden. Eingesetzt worden sei die Nasenmaske "Eson L". Als weitere Diagnosen seien ein paroxysmales Vorhofflimmern und eine magnetgesteuerte Reaplation im März 2010 sowie ein Zwerchfellhochstand links erhoben worden.

Das SG hat zudem Dr. Z., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach der ambulanten klinischen und radiologischen Untersuchung des Klägers am 14. Oktober 2015 hat er ausgeführt, er gehe ab Ende Februar 2014 für die Wirbelsäule von einem Einzel-GdB von 30 aus. Dieser begründe sich durch das beschriebene Ausmaß der Bewegungseinschränkung an der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie aufgrund der Wirbelsäulenverformung mit entsprechender Fehlstatik im Bereich der Brustwirbelsäule. Da jedoch keine radikulären neurologischen Defizite festzustellen gewesen seien, sei ein höherer GdB nicht begründbar. Die endgradige Bewegungseinschränkung an den Schultergelenken sei durch die Wirbelsäulenfehlstatik im Sinne einer Hypokyphose begründet und bedinge für sich alleine keinen GdB. Da entsprechende Schmerzzustände in den GdB-Werten miteinbezogen seien, sei ein eigenständiger für das Schmerzsyndrom durch die erhobenen Befunde und nach der Anamnese nicht gerechtfertigt. Als Schmerzmedikation werde nur Novaminsulfon in Tropfenform (Metamizol) nach Bedarf eingenommen. Eine regelmäßige feste analgetische Medikation, etwa durch ein Opiat oder ein vergleichbares Präparat, sei nicht erfolgt. Es habe auch keine schmerztherapeutische Mitbehandlung stattgefunden. Im Rahmen der Anamnese habe der Kläger angeführt, früher die Gartentätigkeit verrichtet zu haben; jetzt habe er danach verbleibende Beschwerden. Er habe über häufige bifrontale Kopfschmerzen sowie Krämpfe in der Oberschenkelmuskulatur und in der Wade berichtet. Nachts habe er eine Taubheit an den Händen und Füßen beidseits, vorwiegend an der linken Hand und am linken Fuß, verspürt. Das Analgetikum Zaldiar habe er nicht vertragen. Derzeit nehme er wegen der Schmerzen bei Bedarf Novaminsulfon in Tropfen, 20 bis 50, bis zu zwei- oder dreimal täglich. Der Kläger habe über stattgehabte Venenentzündungen links 2015 berichtet. Im März dieses Jahres sei ein Gehörsturz aufgetreten, weswegen er Infusionen erhalten habe. Die Therapie sei noch nicht abgeschlossen. Die regelmäßige Medikation habe aus Beloc zok, 95 g (1/2-0-1/2), Pantozol, 20 mg (1-0-0) und Magnetrans, 150 mg (1-0-0) bestanden. Der Kläger sei im Allgemeinzustand etwas vorgealtert gewesen. Die Haut und Schleimhäute seien als regelrecht durchblutet erkannt worden. Es hätten weder eine Zyanose noch eine Dyspnoe vorgelegen. Ein unauffälliger Auskultationsbefund von Herz und Lunge sei gegeben gewesen. Der Blutdruck sei mit 130/65 mmHg gemessen worden. Der Visus sei mit einer Gleitsichtbrille korrigiert worden. Die Verständigung habe in üblicher Zimmerlautstärke vorgenommen werden können. Es habe kein Hinweis für gravierende Seh- oder Hörstörungen vorgelegen. An der linken Unterlippe habe sich ein kleines bläuliches livides Hämangiom mit einem Durchmesser von 5 mm gezeigt. Der Kläger habe angegeben, dieses bestehe seit fünf oder sechs Jahren. Hilfsmittel habe er nicht benötigt. Die Strümpfe und die Schuhe seien im Sitzen in vorgeneigter Haltung der Wirbelsäule und bei Beugung in den Hüftgelenken angezogen worden. Während der Anamneseerhebung und Untersuchung habe die Sitzposition auf einem handelsüblichen Stuhl und der tief eingestellten Untersuchungsliege ohne erkennbare Probleme eingehalten werden können. Bei der Vorneigung habe der Kläger einen Finger-Boden-Abstand von 33 cm eingenommen. Die Zeichen nach Ott und Schober seien mit 30/31 cm und 10/14 cm gemessen worden. Das Wiederaufrichten aus der vorgeneigten Haltung sei durch Abstützen mit beiden Händen an den Oberschenkeln erfolgt. Im Stehen habe die Seitneigung nach rechts und links jeweils 20° betragen. Die Seitdrehung im Sitzen habe für die Lenden- und Brustwirbelsäule gemeinsam nach rechts 40° und nach links 45° eingenommen. Bei allen Funktionsprüfungen seien endgradige Beschwerden angegeben worden. Es sei kein wesentlicher Klopf- oder Druckschmerz über den Dornfortsätzen der Wirbelsäule erhoben worden. Ein axialer Stauchungsschmerz habe nicht vorgelegen. Der Kinn-Jugulum-Abstand habe 0/16 cm betragen. Im Sitzen habe die Seitneigung der Halswirbelsäule nach rechts 25° und nach links 20° betragen. Die Seitdrehung habe im Sitzen nach rechts bis 60° und nach links bis 50° vorgenommen werden können. Eine radikuläre Reizsymptomatik habe sich nicht provozieren lassen. Die untere Nackenmuskulatur sei etwas verhärtet gewesen. Der Hinterhauptwandabstand habe 9 cm betragen. Bei der Inspektion sei eine mäßiggradige Minderung der Oberschenkelmuskulatur rechts im Vergleich zu links aufgefallen. Die Werte nach der Neutral-0-Methode für die Hebung und Senkung des oberen Sprunggelenkes hätten 10-0-60° rechts und 10-0-50° links betragen. Die Umfangmaße der unteren Extremität seien 20 cm oberhalb des inneren Kniegelenkspaltes mit 47 cm rechts und 49 cm links sowie 10 cm oberhalb des inneren Kniegelenksspaltes mit 41 cm rechts und 42,5 cm links gemessen worden.

Daraufhin hat der Beklagte, unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 19. Januar 2016, mit Schriftsatz vom 28. Januar 2016 ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, dass der GdB 40 ab 21. Februar 2014 beträgt. Dieses hat der Kläger nicht angenommen, woraufhin das SG am 12. Mai 2016 mündliche Verhandlung anberaumt hat. Im Anschluss daran hat es den Beklagten, unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung, sinngemäß verpflichtet, den Bescheid vom 9. November 2010 abzuändern und den GdB beim Kläger mit 40 seit 21. Februar 2014 festzustellen. Ihm ist weiter auferlegt worden, diesem ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Das SG hat sich im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. Z. und die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. gestützt.

Gegen die seinen Prozessbevollmächtigten am 30. Mai 2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 24. Juni 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die versorgungsärztlich angenommenen Einzel-GdB-Werte von 30 und zweimal 20 stützten bereits einen Gesamt-GdB von 50. Ohnehin erreichten die Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule bereits einen Einzel-GdB von 40. Hinsichtlich der kardiologischen Beschwerden sei nicht davon auszugehen, dass diese den Einzel-GdB von 20 nicht ausfüllten. Bislang nicht berücksichtigt worden sei, dass er im März 2015 einen Hörsturz erlitten habe.

Der Berichterstatter hat von Dr. F. Ton- und Sprachaudiogramme beigezogen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Mai 2016 teilweise aufzuheben und den Bescheid vom 16. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2015 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihm unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 9. November 2010 den Grad der Behinderung mit 50 ab 21. Februar 2014 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, die im Berufungsverfahren beigezogenen Ton- und Sprachaudiogramme belegten keine für den GdB relevante Schwerhörigkeit. Das aktuellste Tonaudiogramm von Mitte Oktober 2016 ergebe nach Auswertung einen GdB von 0. Das Sprachaudiogramm von Ende November 2015 sei nicht vollständig ausgefüllt und daher nicht auswertbar, da die Wortverständnisquoten bei 60 dB und 100 dB nicht eingetragen seien. Die sonstigen behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen stützten einen Gesamt-GdB von 40, erreichten aber keinen höheren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zulässige Klage im Ergebnis zu Recht teilweise abgewiesen. Der Kläger hat bis aktuell keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, zu dessen Feststellung ab 21. Februar 2014 der Beklagte durch das SG verpflichtet worden ist.

Gegenstand der Klage ist ein Anspruch auf Neufeststellung des GdB mit 50 ab 21. Februar 2014 aufgrund einer geltend gemachten Verschlimmerung desjenigen Gesundheitszustandes, der dem bestandskräftigen Bescheid vom 9. November 2010 zugrunde lag. Diesem Begehren steht der Bescheid vom 16. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2015 entgegen, da ihn das SG nicht umfassend aufgehoben hat. Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), vorliegend dem 1. Juni 2017.

Verfahrensrechtliche Grundlage für den Klageanspruch ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des (teilweise) aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).

Bei dem Bescheid vom 9. November 2010 über die Feststellung des GdB mit 30 seit 20. August 2010 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, ist indes eine wesentliche Änderung nur insoweit eingetreten, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers mit einem Gesamt-GdB von 40 zu bewerten sind.

Der Anspruch des Klägers richtet sich materiell-rechtlich nach § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der aktuellen Fassung durch Art. 2 Ziff. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 70 Abs. 2 SGB IX). Von dieser Ermächtigung hat das BMAS Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers bis aktuell keinen höheren GdB als 40 begründen.

Die bei ihm wegen der Gesundheitsstörungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen vorliegenden Funktionsbehinderungen bedingen in Bezug auf das Funktionssystem "Rumpf" einen Teil-GdB von 20, hinsichtlich "Arme" und "Beine" ist jeweils kein höherer Teil-GdB als 10 erreicht.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten "Postdiskotomiesyndrom") primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte "Wirbelsäulensyndrome" (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Beim Kläger liegen ob der von dem Sachverständigen Dr. Z. ermittelten jeweils hälftigen Bewegungseinschränkung bei den Seitneigungen der Hals- sowie der Brust- und Lendenwirbelsäule (vgl. hierzu Buckup, Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln, 5. Aufl. 2012), demgegenüber nur jeweils endgradigen Limitierung bei den Seitdrehungen, noch keine mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, welche erst einen GdB von 30 stützen. Damit in Einklang steht der klinische Befund. Die untere Nackenmuskulatur war lediglich etwas verhärtet. Der Hinterhauptwandabstand betrug 9 cm und der Kinn-Jugulum-Abstand 0/16 cm, lagen also im Normbereich. Die Strümpfe und die Schuhe konnten im Sitzen in vorgeneigter Haltung der Wirbelsäule und bei Beugung in den Hüftgelenken angezogen werden. Während der Anamneseerhebung und Untersuchung wurde die Sitzposition auf einem handelsüblichen Stuhl und der tief eingestellten Untersuchungsliege ohne erkennbare Probleme eingehalten. Einzig das Wiederaufrichten aus der vorgeneigten Haltung erfolgte durch Abstützen mit beiden Händen auf den Oberschenkeln. Bei der Vorneigung nahm der Kläger einen Finger-Boden-Abstand von 33 cm ein. Die Zeichen nach Ott und Schober waren mit 30/31 cm und 10/14 cm gemessen worden, woraus eine noch hinreichende Entfaltbarkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule abzuleiten ist. Es wurde kein wesentlicher Klopf- oder Druckschmerz über den Dornfortsätzen der Wirbelsäule erhoben. Ein axialer Stauchungsschmerz lag nicht vor. Eine radikuläre Reizsymptomatik ließ sich zudem nicht provozieren. Die sachverständige Zeugin Dr. O.-B. hielt eine Wurzelreizsymptomatik lediglich für möglich, ohne dass sie eine solche objektivieren konnte. Selbst bei Berücksichtigung leichtgradiger Funktionsstörungen im Bereich der Brustwirbelsäule ob der Fehlstatik und der endgradigen Bewegungseinschränkung an den Schultergelenken durch die Hypokyphose lässt sich kein höherer GdB begründen. Die jeweilige medizinische Einschätzung von Dr. Z. und Dr. G. konnte der Senat daher nicht nachvollziehen.

Außergewöhnliche Schmerzen, die zusätzlich zu berücksichtigen wären (VG, Teil A, Nr. 2 j; stRspr, vgl. Urteil des Senats vom 26. Februar 2015 - L 6 SB 2969/14 -, juris, Rz. 56), sind ebenfalls nicht nachgewiesen. Es ist im Falle des Klägers nicht belegt, dass er auf stärkste Schmerzmittel wie Opiate oder deren Derivate zurückgegriffen hat oder gar eine stationäre Schmerztherapie zum Einsatz gekommen ist. Demgegenüber hat Dr. Z. ausgeführt, dass als Schmerzmedikation nur Novaminsulfon in Tropfenform (Metamizol) nach Bedarf eingenommen wird. Daher sind allenfalls üblicherweise mit den bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen vorhandene Schmerzen vorhanden. Diese sind bereits in den in den GdB-Tabellen niedergelegten Sätzen mit eingeschlossen, selbst wenn es sich um erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände handelt, weshalb sich hierdurch der Teil-GdB von 30 für das Funktionssystem "Rumpf" nicht weiter erhöht.

Der GdB bei Gliedmaßenschäden ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.11 aus dem Vergleich mit dem GdB für entsprechende Gliedverluste. Trotz erhaltener Extremität kann der Zustand gelegentlich ungünstiger sein als der Verlust. Die aufgeführten GdB für Gliedmaßenverluste gehen, soweit nichts anderes erwähnt ist, von günstigen Verhältnissen des Stumpfes und der benachbarten Gelenke aus. Bei ausgesprochen ungünstigen Stumpfverhältnissen, bei nicht nur vorübergehenden Stumpfkrankheiten sowie bei nicht unwesentlicher Funktionsbeeinträchtigung des benachbarten Gelenkes sind diese Sätze im allgemeinen um 10 zu erhöhen, unabhängig davon, ob Körperersatzstücke getragen werden oder nicht. Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel mindern bei Verlust und Funktionsstörungen der Gliedmaßen sowie bei Funktionseinschränkungen des Rumpfes die Auswirkungen der Behinderung, ohne dass dadurch der durch den Schaden allein bedingte GdB eine Änderung erfährt. Bei der Bewertung des GdB von Pseudarthrosen ist zu berücksichtigen, dass straffe günstiger sind als schlaffe. Bei habituellen Luxationen richtet sich die Höhe des GdB außer nach der Funktionsbeeinträchtigung der Gliedmaße auch nach der Häufigkeit der Ausrenkungen.

Danach rechtfertigt das Funktionssystem "Arme" keinen Teil-GdB höher als 10 (VG, Teil B, Nr. 18.13). Der Kläger leidet wegen des von der sachverständigen Zeugin Dr. O.-B. festgestellten leichten Karpaltunnelsyndroms links nur nachts an einer Taubheit der Hände, vorwiegend der linken. Die endgradige Bewegungseinschränkung an den Schultergelenken ist bedingt durch die Wirbelsäulenfehlstatik und bereits beim Funktionssystem "Rumpf" berücksichtigt worden.

Das Funktionssystem "Beine" erreicht ebenfalls keinen höheren Teil-GdB als 10 (VG, Teil B, Nr. 18.14). Bei der Inspektion dieser Extremität durch Dr. Z. fiel nur eine mäßiggradige Minderung der Oberschenkelmuskulatur rechts im Vergleich zu links auf. Die Werte nach der Neutral-0-Methode für die Hebung und Senkung des oberen Sprunggelenkes betrugen 10-0-60° rechts und 10-0-50° links, woraus sich eine nur einseitige endgradige Bewegungseinschränkung ergibt. Die Umfangmaße der unteren Extremität betrugen 20 cm oberhalb des inneren Kniegelenkspaltes 47 cm rechts und 49 cm links sowie 10 cm oberhalb des inneren Kniegelenksspaltes 41 cm rechts und 42,5 cm links, woraus zu erkennen ist, dass die Beine nicht maßgeblich geschont werden müssen. Die Krämpfe in der Oberschenkelmuskulatur und in der Wade sowie die Taubheit beider Füße, vorwiegend links, stützen noch keinen höheren GdB.

Das Funktionssystem "Atmung" bedingt einen Teil-GdB von 20.

Nach den VG, Teil B, Nr. 8.7 hat ein Schlafapnoe-Syndrom, welches im Schlaflabor durch eine Untersuchung nachgewiesen worden ist, ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung einen GdB von 0 bis 10, mit einer solchen Notwendigkeit von 20 sowie, wenn sie nicht durchführbar ist, einen GdB von 50 zur Folge. Folgeerscheinungen oder Komplikationen (z. B. Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, Cor pulmonale) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Wie die sachverständige Zeugin Dr. F. bestätigt hat, ist mittels Schlafpolygraphie in der Klinik Sch. in G. im Mai 2014 ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit Erstdiagnose zu Beginn dieses Jahres festgestellt worden, weswegen die Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung besteht. Folgeerscheinungen oder damit zusammenhängende Komplikationen, etwa der Bluthochdruck, sind indes weder von ihm angeführt noch von Dr. F. benannt oder gar hergeleitet worden, weshalb ein GdB von 20 insoweit angemessen, aber auch ausreichend ist.

Das Funktionssystem "Herz-Kreislauf" erreicht einen Teil-GdB von 20.

Nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 9 ist für die Bemessung des GdB weniger die Art einer Herz- oder Kreislaufkrankheit maßgeblich als die Leistungseinbuße. Bei der Beurteilung des GdB ist zunächst von dem klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen. Seit der operativ durchgeführten Pulmonalvenenaplation im Jahre 2011 besserten sich zwar die Beschwerden wegen der Herzrhythmusstörungen. Das weiterhin anfallsweise auftretende Vorhofflimmern, welches die sachverständigen Zeugen Dr. K.-A. und Dr. N. als leichtgradig eingestuft haben, stützt gleichwohl einen GdB von 20.

Das Funktionssystem "Ohren" erreicht einen Teil-GdB von 15.

Maßgebend für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen ist nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 5 die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Der Beurteilung ist die von der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie empfohlene Tabelle (VG, Teil B, Nr. 5.2.4, Tabelle D) zugrunde zu legen. Nach Durchführung eines Ton- und Sprachaudiogrammes ist der Prozentsatz des Hörverlustes aus entsprechenden Tabellen abzuleiten. Die in der GdB-Tabelle enthaltenen Werte zur Schwerhörigkeit berücksichtigen die Möglichkeit eines Teilausgleiches durch Hörhilfen mit. Sind mit der Hörstörung andere Erscheinungen verbunden, etwa Ohrgeräusche, Gleichgewichts- oder Artikulationsstörungen oder außergewöhnliche Störungen, so kann der GdB höher bewertet werden. Der Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass das von Dr. F. veranlasste Sprachaudiogramm von Ende November 2015 nicht vollständig ausgefüllt und daher nicht auswertbar ist. Denn die Wortverständnisquoten bei 60 dB und 100 dB sind nicht erhoben worden. Allerdings ist aus dem Tonaudiogramm von Mitte Oktober 2016, entgegen seiner Ansicht, eine beidseitige geringgradige Schwerhörigkeit ableitbar. Die Hörverluste hieraus betragen nach der Tabelle B (VG, Teil B, Nr. 5.2.2) 29 % rechts (4 + 10 + 7 + 8) und 26 % links (2 + 5 + 7 + 12). Aufgrund des im März 2015 erlittenen Gehörsturzes, welcher mit Infusionen behandelt wurde, sind keine bleibenden Funktionsbehinderungen umschrieben worden, so dass sich hieraus kein höherer GdB begründen lässt.

Auch sonst sind etwa ob der von Dr. N. beschriebenen Miktionsstörungen bei anzunehmender Prostatavergrößerung (VG, Teil B, Nr. 12.2.2) und der funktionellen Dickdarmstörungen beziehungsweise des Colon irritabile mit mäßiggradiger Symptomatik (VG, Teil B, Nr. 10.2.2), welche er jeweils aus medizinischer Sicht mit einem GdB von 10 als ausreichend bewertet sieht, des Zwerchfellhochstandes links sowie der 2015 stattgehabten Venenentzündungen links keine Gesundheitsstörungen objektiviert worden, derentwegen einem Funktionssystem zuzuordnende Einschränkungen vorliegen, welche überhaupt erst geeignet wären, den Gesamt-GdB zu erhöhen.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (VG, Teil A, Nr. 3 d ee), ist im Falle des Klägers der Gesamt-GdB aus den Teil-GdB von jeweils 20 für die Funktionssysteme "Rumpf", "Atmung" und "Herz-Kreislauf" sowie des Teil-GdB von 15 für das Funktionssystem "Ohren" zu bilden. Dieser beträgt 40; ein solcher von 50 ist jedenfalls noch nicht erreicht, ohne dass es auf die vom Beklagten aufgeworfene Frage ankommt, ob aus Teil-GdB-Werten von 30, 20 und 20 keinesfalls die Schwerbehinderteneigenschaft folgen könne.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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