L 20 SO 418/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SO 216/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 418/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Anforderungen an ein „schlüssiges Konzept“ zur Bemessung der angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung bei einem Kreis im ländlichen Raum mit inhomogener Bevölkerungs-, Besiedlungs- und Infrastrukturstruktur (Zulässigkeit einer sog. Clusteranalyse mit Bildung unterschiedlicher Wohnungsmarkttypen und Angemessenheitsgrenzen im Kreisgebiet bei gleichzeitiger Möglichkeit, ohne Bedarfsdeckungsnachteile im gesamten Kreisgebiet Wohnung zu nehmen).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30.09.2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt für April bis Juni monatlich um 19,50 EUR höhere Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für Kosten der Unterkunft.

Der 1949 geborenen, verheirateten Klägerin wurde vom Versorgungsamt wegen angeborener Skoliose und hinzugetretener Folgebeschwerden ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 ohne Merkzeichen zuerkannt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) gewährte ihr (rückwirkend) seit November 2009 eine vorgezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 08.12.2010; laufende Zahlungen ab Februar 2011); in den Monaten April bis Juni 2013 betrug der Zahlbetrag jeweils 485,61 EUR. Über weitere Einkünfte verfügten die Eheleute in dieser Zeit nicht.

Die beklagte Gemeinde T liegt im äußersten Nordwesten des Kreises Minden-Lübbecke. Sie besteht aus 13 Einzeldörfern, hat eine Fläche von 166,13 km² und hatte laut amtlichen Bevölkerungszahlen auf der Basis des Zensus vom 09.05.2011 13.571 Einwohner (www.it.nrw.de/statistik/a/daten/bevoelkerungszahlen zensus/index.html). Örtliche Miet- oder Betriebskostenspiegel werden für T nicht erhoben. Der Kreis Minden-Lübbecke umfasst etwa 1.152 km² und hat etwa 310.000 Einwohner (ca. 270 Einwohner/km²). Das Kreisgebiet unterfällt in elf kreisangehörige Gemeinden und Städte. Größere Städte wie Minden (ca. 80.000 Einwohner), Porta Westfalica (ca. 35.000 Einwohner) und Bad Oeynhausen (ca. 50.000 Einwohner) befinden sich im östlichen Kreisgebiet. In diesen Städten konzentriert sich über die Hälfte der Kreisbevölkerung. Der Westen des Kreises - insbesondere das Gemeindegebiet der Beklagten - ist eher dünn besiedelt. So wohnen auf dem Gebiet der Beklagten etwa 82 Einwohner/km², während in Minden und Bad Oeynhausen mehr als 500 Einwohner/km² leben. Eine Autobahnanbindung (A 30, A 2) besteht in den im Südosten des Kreisgebietes gelegenen Städten Bad Oeynhausen und Porta Westfalica. Bundesstraßen (B 61, B 239, B 482) durchqueren den Kreis vorwiegend in Nord-Süd-Richtung; die einzige Verbindung über eine Bundesstraße in Ost-West-Richtung (B 65) verläuft im Süden des Kreises durch Minden, Hille, Lübbecke und Preußisch Oldendorf. Bahnanschlüsse in Nord-Süd-Richtung sind nur in Rahden, Espelkamp und Lübbecke sowie in Minden vorhanden. Einen einheitlich über das gesamte Kreisgebiet organisierten öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gibt es nicht.

Die Klägerin und ihr Ehemann bewohnten bis Februar 2011 ein Eigenheim in T. Das Anwesen mit einer Gesamtgröße von etwa 3.790 m² bestand aus einem bebauten sowie einem unbebauten Grundstück. Bei Verbraucherinsolvenzverfahren der Eheleute wurde es aus der Insolvenzmasse herausgelöst. Anschließend konnte im Mai 2011 das Hausgrundstück versteigert werden, während das unbebaute Grundstück (1.479 m²) mangels Kaufinteressenten bis heute im Eigentum der Eheleute verblieb. Die Verbraucherinsolvenzverfahren wurden durch Beschlüsse des Amtsgerichts Bielefeld vom 16.02.2012 - 43 IN 00/08 (Klägerin) bzw. 29.06.2012 - 43 IN 00/08 (Ehemann) aufgehoben. Die Eheleute blieben danach noch Eigentümer eines PKW (Citroen, Baujahr 1996).

Seit 2008 bezogen die Eheleute Grundsicherung für Arbeitsuchende beim Jobcenter der Beklagten. 2010 bemühten sie sich wegen des anstehenden Verlustes des Hausgrundstücks um eine Mietwohnung. Am 24.11.2010 beantragte der Ehemann der Klägerin bei der Beklagten die Zusicherung zur Kostenübernahme für eine (nicht näher bezeichnete) neue Unterkunft. Wohnungsgröße und Miethöhe lägen innerhalb der vom Kreis Minden-Lübbecke festgesetzten Grenzen. Die Eheleute hätten die Option, dem Vermieter eine Anmietung bis zum 25.11.2010 zuzusagen. Noch am selben Tag teilte die Beklagte dem Ehemann mit, sie sichere die Kostenübernahme für eine Unterkunft in T zu, sofern Wohnungsgröße und Miethöhe einschließlich der Nebenkosten innerhalb der vom Kreis Minden-Lübbecke veröffentlichten Grenzen lägen.

Am 01.12.2010 schloss der Ehemann der Klägerin für sich und die Klägerin zum 01.03.2011 einen Mietvertrag über eine 60 m² große Wohnung in T. Am 15.02.2011 bezogen die Eheleute die Wohnung und leben dort bis heute. Die monatlichen Kosten (§ 2 Mietvertrag) beliefen sich zunächst auf 350 EUR Grundmiete, 80 EUR Betriebskostenvorauszahlung sowie 120 EUR pauschale Heizkosten. In der Betriebskostenvorauszahlung waren neben Kosten für Müllabfuhr, Versicherungen, Wasser und Abwasser auch Zahlungen für Haushaltsstrom enthalten (§ 2 Abs. 2 Mietvertrag nebst Anlage). Ab Februar 2012 erhöhte sich die Betriebskostenvorauszahlung nach Absprache mit dem Vermieter auf 150 EUR. Aus einer Betriebskostenabrechnung vom 08.04.2013 für den Zeitraum vom 14.02.2012 bis 28.02.2013 ergab sich (vom Vermieter nachträglich korrigiert) eine Nachforderung von 27 EUR. In den Abrechnungsperioden 2011/2012, 2012/2013 und 2013/2014 benötigten die Klägerin und ihr Ehemann 3.226,7 kWh, 3.492,6 kWh bzw. 3.236,4 kWh Haushaltsstrom, wofür Kosten i.H.v. 798,70 EUR, 824,79 EUR bzw. 872,35 EUR entstanden.

Unter dem 06.12.2010 beantragten die Eheleute bei der Beklagten die Zusicherung der Übernahme von Mietkosten i.H.v. 550 EUR (350 EUR Grundmiete, 80 EUR Betriebskostenvorauszahlung, 120 EUR Heizkosten). Der Betrag möge unmittelbar an den Vermieter überwiesen werden. Bei einem Telefonat am Morgen des 09.12.2010 erläuterte ein Mitarbeiter der Beklagten dem Ehemann u.a. die im Kreis Minden-Lübbecke zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenzen für Unterkunftskosten. Am selben Tag sandte die Beklagte dem Ehemann ein Telefax mit folgendem Inhalt: "auf Ihr Schreiben vom 06.12.2010 bezüglich der Kosten der Unterkunft erteile ich ihnen folgende Zusicherung für die lt. Mietvertrag vom 01.12.2010 angemietete Wohnung [ ...]: Ihrer erklärten Abtretung vom 06.12.2010 folgend können an den Vermieter [ ...] ab 01.03.2011 Mietkosten i.H.v. 550,00 EUR mtl. aus Ihrem Leistungsanspruch gezahlt werden. Diese Zusage erfolgt vorbehaltlich Ihres Leistungsanspruches im SGB II."

Angesichts der anstehenden Aufnahme der Rentenzahlungen durch die DRV beantragte die Klägerin am 14.01.2011 bei der Beklagten "alle infragekommenden Leistungen", um ihren Lebensunterhalt und die Kosten der Unterkunft bestreiten zu können. In der Folgezeit bewilligte die Beklagte der Klägerin durch schriftliche Monatsbescheide und tatsächliche Auszahlungen aufstockende Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Da sie von Beginn an weniger als die tatsächlichen (anteiligen) Unterkunftskosten der Klägerin berücksichtigte, kam es zu diversen Widerspruchs- und anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Detmold.

Mit Bescheid vom 27.03.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für April 2013. Sie legte dabei einen Regelbedarf von 345 EUR sowie (hälftige) Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 255,50 EUR (511 EUR: 2 Personen), letztere ausgehend von 311 EUR Grundmiete (350 EUR, gekürzt um 39 EUR wegen Unangemessenheit), 80 EUR Betriebskosten- sowie 120 EUR Heizkostenvorauszahlung zu Grunde. Zusätzlich berücksichtigte sie eine Nachforderung von 8,41 EUR aus der - schon im März 2012 vorgelegten - Neben- und Heizkostenabrechnung für 2011/2012. Vom sich ergebenden (gerundeten) Gesamtbedarf (604,70 EUR) brachte sie die Renteneinkünfte von 485,61 EUR in Abzug. Es verblieb ein Auszahlungsbetrag von 119,09 EUR. In der Berechnungszeile "Kürzung wegen Unangemessenheit" war - wie auch in den vorangegangenen Bescheiden - zur Erläuterung EDV-mäßig die Bemerkung "(Betrag anrechne" eingefügt.

Die Festsetzung der (nach Ansicht der Beklagten) angemessenen Unterkunftskosten erfolgte dabei - wie schon zuvor - aufgrund eines "Endberichts" der von der Fa. B erstellten "Regionalisierung des Kreises Minden-Lübbecke zur Ermittlung der KdU-Kosten" vom 11.10.2011 sowie einer späteren "Indexfortschreibung". Der Endbericht bzw. die Indexfortschreibung wiesen Richtwerte für Bruttokaltmieten im Kreis Minden-Lübbecke gestaffelt nach sog. Wohnungsmarkttypen und Wohnungsgrößen aus. Dabei war jede Stadt bzw. Gemeinde im Kreis Minden-Lübbecke einem von drei Wohnungsmarkttypen zugeordnet. Der Staffelung in einzelne Wohnungsmarktypen lag die statistische Methode der Ähnlichkeits- oder "Clusteranalyse" zu Grunde. Das Gemeindegebiet der Beklagten war dabei (ebenso wie die - nicht an T angrenzenden - Orte Hille in der Mitte, Petershagen im Nordosten und Porta Westfalica im Südosten des Kreises) dem Wohnungsmarkttyp 3 zugeordnet (Wohnungsmarktyp 2: Rahden, Espelkamp, Preußisch Oldendorf, Hüllhorst; Wohnungsmarkttyp 3: Lübbecke, Minden, Bad Oeynhausen). Für diesen Wohnungsmarktyp 3 ergab sich aus der Indexfortschreibung für die Jahre 2012 und 2013 (ausgehend von einer Nettokaltmiete von 4,49 EUR/m² und kalten Betriebskosten von 1,53 EUR/m²) für Wohnungen mit einer Grundfläche von 50 bis 65 m² ein Richtwert für die Bruttokaltmiete von 391(,36) EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Endbericht bzw. die Indexfortschreibung (Anlage zu Blatt 97 der Gerichtsakten) Bezug genommen.

Gegen den Bescheid vom 27.03.2013 legte der Ehemann für die Klägerin Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf frühere Widersprüche.

Mit Bescheid vom 29.04.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin für Mai 2013 Leistungen i.H.v. 114,89 EUR. Die Leistungsberechnung entsprach mit Ausnahme des Betrages von 8,41 EUR derjenigen im Bescheid vom 27.03.2013.

Auch dagegen legte der Ehemann für die Klägerin Widerspruch ein. Die Kürzung der Unterkunftskosten um 39 EUR sei nicht rechtmäßig. Das Sozialgericht Detmold habe in einer Sitzung vom 21.02.2013 (S 21 AS 967/12, S 21 AS 117/10 u.a.) festgestellt, dass der Mietpreis für die angemietete Wohnung angemessen sei. Im Übrigen sei nicht verständlich, was der Bescheid mit der Formulierung "(Betrag anrechne" meine; es sei nicht erkennbar, ob hier ein Buchstabe, ein Satz oder gar mehrere Sätze fehlten. Ein Bescheid müsse jedoch verständlich und nachvollziehbar sein.

Für Juni 2013 zahlte die Beklagte bescheidlos 114,89 EUR an die Klägerin (Eingang auf dem Girokonto am 31.05.2013). Für Juli 2013 bewilligte sie Leistungen in gleicher Höhe mit Bescheid vom 27.06.2013.

Mit zwei Widerspruchsbescheiden (bereits) vom 25.06.2013 wies der Kreis Minden-Lübbecke jeweils nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter die Widersprüche gegen die Bescheide vom 27.03.2013 bzw. 29.04.2013 zurück. Da die Eheleute die Wohnung ohne Zustimmung der Beklagten bezogen hätten, seien Unterkunftskosten - wie schon seit dem Einzug - nur in angemessener Höhe zu berücksichtigen. Ab dem 01.01.2013 betrage der Mietrichtwert für einen Zweipersonenhaushalt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten (ohne Heizkosten) 391 EUR. Die Formulierung "Betrag anrechne" sei im Zusammenhang mit dem davorstehenden Text "Kürzung wegen Unangemessenheit" unschwer zu verstehen; sie bedeute, dass der Betrag, um den die tatsächlichen Unterkunftskosten den geltenden Mietrichtwert überstiegen (zurzeit 39 EUR), unberücksichtigt bleibe. Unter der Überschrift "Berechnung der Unterkunftskosten" sei die Ermittlung der anerkannten Unterkunftskosten im Einzelnen erläutert. Die Klägerin habe dies ersichtlich auch erkannt, da sich ihr Widerspruch erneut ebenfalls gegen diesen Teil des Bescheides richte. Die Berechnung sei insgesamt verständlich und die Leistungsbewilligung nachvollziehbar. Beim von der Klägerin in Bezug genommenen Sitzungstermin am 21.02.2013 des Sozialgerichts Detmold sei es allein um Leistungen für Umzugskosten gegangen.

Gegen beide Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 11.07.2013 jeweils Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben. Das Sozialgericht hat beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Beschluss vom 05.06.2014).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 und des Bescheides vom 29.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Anforderungen zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für Unterkunftskosten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. schlüssigen Konzept für gewahrt gehalten. Aus der Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts Detmold vom 21.02.2013 ergebe sich nichts Gegenteiliges.

Mit Urteil vom 30.09.2014 hat das Sozialgericht die Klage(n) abgewiesen. Die Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand der von der Fa. B angewandten Methode der Clusteranalyse sei nicht zu beanstanden; sie erfülle die Kriterien des Bundessozialgerichts für ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft im SGB XII und im SGB II. Angesichts der auch im Übrigen zutreffenden Leistungsberechnung der Beklagten ergebe sich für die Klägerin kein höherer Leistungsanspruch. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Dagegen hat die Klägerin am 22.10.2014 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt. Sie hält die Ausarbeitung der Fa. B nicht für ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die Anzahl der untersuchten Elemente, insbesondere im Wohnungsmarkttyp 3, ergebe keine aussagekräftigen Werte. Es seien 143 Elemente des Wohnungsmarkttyps 3 (Wohnungsgröße 45 - 60 m²) in die Untersuchung eingeflossen (Tabelle 10, Seite 14 Endbericht). Bei elf kreisangehörigen Gemeinden mit vielen Ortsteilen und zum Teil sehr unterschiedlichem Wohnungsmarkt könnten pro Gemeinde bzw. Dorf allenfalls sehr wenige Wohnungen berücksichtigt worden sein; im Mittel ergäben sich weniger als drei Wohnungen pro Dorf, wobei Extremwerte noch gekappt worden sein sollten. Die gezogenen Schlüsse seien auf solcher Datengrundlage statistisch nicht seriös. Dem Endbericht selbst sei verschiedentlich zu entnehmen, dass geprüft werden müsse, ob ein entsprechendes Angebot auf dem regionalen Wohnungsmarkt überhaupt zur Verfügung stehe. Wenn die einzige ihr - der Klägerin - bekannte gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (B GmbH) ihr von Ende 2010 bis Ende 2014 keinerlei Vorschlag habe unterbreiten können, zeige dies, dass im Großraum T ein entsprechender Wohnungsmarkt nicht vorhanden sei. Andere Wohnungsgesellschaften hätten wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute gleich abgewunken. Die im Endbericht (Seite 18 Punkt 5) benannten Quellen für Wohnungsangebote seien von ihr - der Klägerin - ebenfalls herangezogen worden. Häufig habe es sich jedoch nicht um echte Angebote gehandelt. Zum Teil seien Angebote seit längerer Zeit nicht mehr verfügbar gewesen, oder potentielle Vermieter hätten vor einer Vergabe an "Hartz-IV-Empfänger" zurückgeschreckt. Auch die Angabe (Seite 19 Punkt 5.1), es habe ein Angebot von über 1.065 Wohnungen bestanden, sei zweifelhaft. Zudem sei nicht nachzuvollziehen, wie aus der Zahl der Angebote auf eine zahlenmäßige Bedarfsdeckung geschlossen werden könne. Es sei nicht einmal ersichtlich, ob identische, von mehreren Anbietern angebotene Wohnungen herausgerechnet worden seien. Ein weiterer methodischer Fehler sei es, wenn der Endbericht (Seite 18 Punkt 4.2) lediglich die Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten sowie Heiz- und Warmwasserkosten berechne. Bei realistischer Betrachtung hätte man wissen müssen, dass angesichts steigender Energie- und Nebenkosten die Mieten häufig durch Angabe zu niedriger Nebenkosten schöngerechnet würden. Die Autoren des Berichts hätten dieses Problem zwar erkannt, in der Auflistung der Faktoren für die kalten Betriebskosten jedoch diese Angabe zu niedriger Werte sowie die allgemeine Preissteigerung ungenannt gelassen. Dass durch die Ausarbeitung der Fa. B die Erstellung eines grundsicherungsrelevanten "Mietspiegels" letztlich gar nicht beabsichtigt gewesen sei, ergebe sich aus dem formulierten Ziel, einen durch das Konzept hervorgerufenen Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu vermeiden (Seite 15). Im Übrigen seien die angefochtenen Bescheide nicht hinreichend bestimmt (§ 33 SGB X), da sie inhaltlich unvollständig und grammatisch unkorrekt formuliert seien. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 09.12.2010 ergebe sich ohnehin die eindeutige Zusage, Miete, Heizkosten und Betriebskosten i.H.v. zusammen 550 EUR pro Monat zu übernehmen. Ihr - der Klägerin - sei bewusst, dass Kosten für Haushaltsstrom nicht als Kosten der Unterkunft von der Beklagten zu tragen seien.

In der mündlichen Verhandlung am 24.04.2017 hat die durch ihren Ehemann vertretene Klägerin ihr Begehren auf die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen für Unterkunftskosten in den Monaten April bis Juni 2013 i.H.v. jeweils 39 EUR (anteilig für die Klägerin: 19,50 EUR) präzisiert. Die Beklagte hat sich durch Teilvergleich verpflichtet, der Klägerin den aus der geänderten Nebenkostenabrechnung des Vermieters vom 08.04.2013 auf sie entfallenden Anteil der Nachforderung von 13,50 EUR nachzuzahlen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30.09.2014 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 27.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 sowie des Bescheides vom 29.04.2013 sowie der Bewilligung durch tatsächliche Zahlung für Juni 2013 in Gestalt des weiteren Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 zu verurteilen, ihr für die Monate April bis Juni 2013 weitere Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für Kosten der Unterkunft i.H.v. monatlich 19,50 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihren Entscheidungen fest und verweist zur Begründung auf die bereits früher anhängig gewordenen Berufungsverfahren des Ehemannes der Klägerin beim 6. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (L 6 AS 1256/14 u.a.). Das Sozialgericht Detmold habe im Übrigen auch in anderen Fällen (z.T. bereits rechtskräftig) entschieden, dass das vom Kreis Minden-Lübbecke zu Grunde gelegte Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein schlüssiges sei (Urteile vom 28.11.2013 - S 23 AS 1295/11 und vom 12.06.2014 - S 18 AS 2267/12). Anderslautende Entscheidungen seien hingegen nicht bekannt. Der 12. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 27.01.2016 - L 12 AS 1180/12) habe eine vergleichbare Ausarbeitung der Fa. B (für den Bereich der StädteRegion Aachen) als schlüssiges Konzept angesehen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch die Vernehmung des Mitinhabers und Mitgliedes der Geschäftsführung der Fa. B, N L. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge der Beklagten, Widerspruchsvorgänge des Kreises Minden-Lübbecke, Prozessakten des Amtsgerichts Bielefeld 43 IN 00/08 und 43 IN 00/08), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

A) Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I. Gegenstand eines der beiden durch das Sozialgericht nach § 113 SGG verbundenen Verfahren sind die Bewilligungsbescheide vom 27.03.2013 und 29.04.2013 (betreffend April bzw. Mai 2013) sowie die Leistungsbewilligung für Juni 2013 durch faktische Auszahlung am 31.05.2013, sämtlich in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 (§ 95 SGG). Denn diese drei Leistungsbewilligungen erfolgten - anders als der Bescheid vom 27.06.2013 (für Juli 2013) - vor Erlass des Widerspruchsbescheids vom 25.06.2013; dabei wurden die Bewilligungen für Mai und Juni 2013 analog § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens betreffend den Bescheid (für April) vom 27.03.2013 (vgl. dazu BSG, Urteile vom 14.04.2011 - B 8 SO 12/09 R Rn. 11, vom 14.06.2008 - B 8 AY 11/07 R Rn. 10 und vom 09.12.2016 - B 8 SO 14/15 R Rn. 11).

Daran ändert es nichts, dass die Klägerin nicht nur gegen den Bescheid vom 27.03.2013, sondern auch gegen den Bescheid vom 29.04.2013 Widerspruch eingelegt hat, und dass beide Widersprüche durch die Widerspruchsbehörde gesondert beschieden wurden. Denn die Rechtsfolge des § 86 SGG tritt kraft Gesetzes ein. Sie unterliegt damit nicht der Disposition der Beteiligten; diese können nicht etwa durch Einleitung weiterer Widerspruchsverfahren verhindern, dass spätere Entscheidungen (allein) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens betreffend den ersten Bescheid werden, solange noch kein Widerspruchsbescheid ergangen ist.

Zeitlich ist mithin der gesamte streitige Leistungszeitraum von April bis Juni 2013 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, welches durch Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.03.2013 eingeleitet worden ist, geworden. Zugleich ist deshalb dieser Leistungszeitraum Gegenstand des (einen) entsprechenden Klageverfahrens.

II. Die Klage ist für diesen Leistungszeitraum als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 SGG; vgl. auch BSG, Urteile vom 23.03.2010 - B 8 SO 24/08 R Rn. 9 und vom 23.03.2010 - B 8 SO 17/09 R Rn. 10) statthaft und auch im Übrigen zulässig (zur weiteren Klage später zu IV.). Die Klägerin hat sie zulässigerweise beschränkt auf die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 18/10 R Rn. 12 m.w.N.).

Die beklagte Gemeinde T ist die richtige Klagegegnerin (§ 70 Nr. 1 SGG - vgl. Straßfeld, SGb 2010, 520 ff. (522)). Die Befugnis der Widerspruchsbehörde (Kreis Minden-Lübbecke) zur Vertretung der Beklagten im Klage- und Berufungsverfahren folgt aus § 3 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 4 der Satzung zur Durchführung der Sozialhilfe nach dem SGB XII im Kreis Minden-Lübbecke vom 30.12.2002.

III. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide vom 27.03.2013 und 29.04.2013 sowie die Leistungsbewilligung durch Zahlung vom 31.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 sind sowohl formell als auch materiell rechtmäßig und die Klägerin daher nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).

1. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind formell rechtmäßig ergangen.

a) Die Beklagte war die für die Ausgangsentscheidungen zuständige Behörde.

Sachliche zuständig war der örtliche Träger der Sozialhilfe (§ 97 Abs. 1 SGB XII); denn eine landesrechtliche Zuweisung zum überörtlichen Träger (§ 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII) bestand nicht. Örtliche Sozialhilfeträger sind nach § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW zwar die Kreise und kreisfreien Städte. Der Kreis Minden-Lübbecke hat seine kreisangehörigen Gemeinden jedoch zur Ausführung der "Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII" (mit Ausnahme der Gewährung des notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen) herangezogen (§ 99 Abs. 1 SGB XII; § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1b der Satzung zur Durchführung der Sozialhilfe nach dem SGB XII im Kreis Minden-Lübbecke vom 30.12.2002).

Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII; die Klägerin wohnte in ihrem Gemeindegebiet.

Die Zuständigkeit des Kreises Minden-Lübbecke zur Entscheidung über den Widerspruch folgt aus § 99 Abs. 1 a.E. SGB XII.

b) Vor Erlass des Widerspruchsbescheides sind sozial erfahrene Dritte beteiligt worden (vgl. § 116 Abs. 2 SGB XII).

c) Die angefochtenen Bescheide sind hinreichend bestimmt und ausreichend begründet.

Für die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes (§ 33 Abs. 1 SGB X) genügt, dass sich die getroffene Regelung - also der Verfügungssatz - und ihr Adressat eindeutig erkennen lassen (vgl. Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 33 Rn. 6 ff.). Sämtliche Entscheidungen der Beklagten waren insoweit an die Klägerin gerichtet und wiesen (auch zu den Kosten der Unterkunft und Heizung) einen konkreten Leistungsbetrag aus. Der Einwand der Klägerin, der Bescheid vom 27.03.2013 sei zu unbestimmt, weil er wegen des im Berechnungsteil nicht vollständig ausgeschrieben Wortes "anrechnen" interpretationsbedürftig sei, ist schon deshalb unerheblich, weil der Berechnungsteil zur Begründung des Verwaltungsaktes zählt und die Begründung nur von Bedeutung ist, wenn der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes der Auslegung bedarf (vgl. Engelmann, a.a.O. Rn. 6). Der Leistungsbetrag wurde jedoch eindeutig verfügt.

In der unvollständigen Ausschreibung des Wortes "(anrechne[n]" liegt zudem kein Begründungsmangel. Nach § 35 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGB X sind gebundene Verwaltungsakte mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, mitgeteilt werden. Schon in den (schriftlichen) Ausgangsbescheiden hat die Beklagte jedoch die einzelnen Berechnungsposten bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung genannt; im Widerspruchsbescheid wurden sie zudem nochmals erläutert. Dabei konnte nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. dazu Engelmann, a.a.O. § 35 Rn. 5a) die Erläuterung durchaus kurz ausfallen; denn die Beteiligten stritten bereits seit Jahren zu dieser Frage, und der Klägerin waren deshalb sämtliche Aspekte hierzu bewusst.

Ohnehin war es der Klägerin bei verständiger Betrachtung trotz Fehlens des letzen Buchstabens möglich, den Bescheidinhalt vollständig und zweifelsfrei zu verstehen; denn es war schlichtweg offensichtlich, dass der Buchstabe "n" im Wort "anrechnen" (sowie eine fehlende Abschlussklammer) nur aus EDV-technischer Notwendigkeit weggefallen war, und dass keine weiteren Textpassagen fehlten, die inhaltliche Bedeutung hätten haben können. Dementsprechend hat der bevollmächtigte Ehemann der Klägerin den Einwand mangelnder inhaltlicher Bestimmtheit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch ausdrücklich fallen gelassen.

2. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind auch materiell rechtmäßig. Der Klägerin stehen für die Monate April bis Juni 2013 keine höheren Leistungen zur Deckung ihrer (anteiligen) Unterkunfts- und Heizkosten zu als (119,09 EUR + 13,50 EUR =) 132,59 EUR für April bzw. jeweils 114,89 EUR für Mai und Juni.

a) Ein Anspruch auf höhere Leistungen ergibt sich nicht etwa bereits deshalb, weil die Beklagte dies in den Schreiben an den Ehemann der Klägerin vom 24.11. bzw. 09.12.2010 im Sinne von § 34 SGB X bzw. § 35 Abs. 2 S. 4 SGB XII zugesichert hätte. Nach objektivem Empfängerhorizont (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2014 - B 8 SO 8/13 R Rn. 10) geht aus den genannten Schreiben keinerlei rechtlicher Verpflichtungswille der Beklagten hervor, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. § 34 Abs. 1 S. 1 SGB X).

Das Schreiben vom 24.11.2010 bezieht sich schon nicht auf einen hinreichend konkreten Sachverhalt. Denn zu diesem Zeitpunkt hatten die Eheleute der Beklagten noch gar keine konkreten mietvertraglichen Konditionen für die anzumietende Wohnung mitgeteilt; die Rede war lediglich davon, dass sich die Kosten innerhalb der Angemessenheitsgrenzen bewegen werden. Dementsprechend ist auch das Schreiben vom 24.11.2010 der Beklagten nur allgemein gehalten; Anhaltspunkte für eine Bereitschaft, Unterkunfts- oder Heizkosten oberhalb der vom Kreis Minden-Lübbecke anerkannten Angemessenheitsgrenzen zu übernehmen, ergeben sich daraus nicht.

Nichts anderes gilt letztlich für das Schreiben vom 09.12.2010. Zwar waren der Beklagten inzwischen (durch das Schreiben der Klägerin vom 06.12.2010) die Einzelheiten des (mittlerweile geschlossenen) Mietvertrages bekannt. Ihre Ankündigung, nunmehr 550 EUR monatlich direkt an den Vermieter zu überweisen, bezog sich jedoch ersichtlich nicht auf die Höhe der als angemessen anzusehenden Kosten, sondern einzig auf die von den Eheleuten im Schreiben vom 06.12.2010 geäußerte Bitte, den Mietzins in voller Höhe aus den zustehenden Leistungen unmittelbar an den Vermieter auszuzahlen. Im Übrigen konnten die Eheleute auch deshalb nicht von einer Zusicherung für die tatsächlichen Mietkosten ausgehen, weil der Ehemann der Klägerin noch am 09.12.2010 von einem Mitarbeiter der Beklagten telefonisch über die angewandten Angemessenheitsgrenzen informiert worden war.

Unbeschadet dessen war Adressat beider Schreiben vom 24.11. und 09.12.2010 ohnehin nicht die Klägerin; sie richteten sich vielmehr - im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II - allein an ihren Ehemann. Schon deshalb konnten sie eine Zusicherung gegenüber der Klägerin gar nicht enthalten.

b) Zwar war die Klägerin im streitigen Zeitraum dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (dazu aa). Ein Anspruch auf höhere Leistungen für für Unterkunfts- und Heizkosten bestand gleichwohl nicht (dazu bb).

aa) Als Bezieherin einer vorgezogenen Rente wegen Schwerbehinderung (laufend seit Februar 2011) konnte sie keine - ggf. vorrangigen (§ 21 S. 1 SGB XII) - Leistungen nach dem SGB II erhalten (vgl. § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II). Für einen Grundsicherungsanspruch im Alter nach dem Vierten Kapitel des SGB XII war die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 S. 2 SGB XII (hier: 65 Jahre und drei Monate) noch nicht erreicht. Für einen Anspruch wegen dauerhafter voller Erwerbsminderung im Sinne von § 41 Abs. 2 S. 1 SGB XII fehlten deren Voraussetzungen (§ 41 Abs. 3 SGB XII). Zwar leidet die Klägerin an angeborener Skoliose und damit einhergehenden Folgeerkrankungen, derentwegen ihr ein GdB von 50 zuerkannt ist. Daraus folgte jedoch nicht, dass sie im streitigen Zeitraum nicht in der Lage war, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (vgl. § 43 Abs. 2 S. 3 SGB XII i.V.m. § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI).

Anspruchsausschließende Eigenmittel (§ 19 Abs. 1 SGB XII) waren nicht vorhanden. Abgesehen von der nicht bedarfsdeckenden Altersrente für schwerbehinderte Menschen der Klägerin verfügten die Eheleute im streitigen Zeitraum über kein anzurechnendes Einkommen (§ 82 ff. SGB XII). Auch einsatzpflichtiges Vermögen (§ 90 SGB XII) war nicht vorhanden. Zwar waren (und sind) die Eheleute Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, welches Teil ihres ehemaligen Anwesens war. Dieses Grundstück konnte jedoch weder im Verbraucherinsolvenzverfahren noch nach Herauslösung aus der Insolvenzmasse verwertet werden; mangels Verwertbarkeit am Immobilienmarkt stellt es vielmehr keinen Vermögenswert dar, der die Bedürftigkeit mindert oder ausschließt. Der PKW (Citroen, Bj. 1996) kann schon aufgrund seines Alters den Vermögensschonbetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII und § 1 Nr. 1a und Nr. 3 der hierzu ergangen Verordnung (2.600 EUR zzgl. 614 EUR) nicht überschritten haben. Im Übrigen war der Ehemann der Klägerin nach den Regelungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II) berechtigt, einen solchen PKW vorzuhalten; schon deshalb wäre er auch bei der Klägerin geschütztes Vermögen (§ 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII; vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 8/9b SO 11/06 R Rn. 16).

bb) Die Beklagte hat den Leistungsanspruch der Klägerin zur Deckung der Kosten für Unterkunft und Heizung für April bis Juni 2013 jedenfalls nicht zu deren Nachteil fehlerhaft berechnet.

(1) Entgegen der Ansicht der Klägerin war für laufende Unterkunfts- und Heizungskosten kein höherer Betrag als 511 EUR (311 EUR Grundmiete + 80 EUR Betriebskostenvorauszahlung + 120 EUR Heizkostenvorauszahlung) für den Zweipersonenhaushalt der Eheleute zu berücksichtigen.

Bei Leistungen nach dem Dritten (oder Vierten) Kapitel des SGB XII sind (ebenso wie bei Grundsicherung nach dem SGB II) tatsächliche Aufwendungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nur soweit und solange zu berücksichtigen, wie diese angemessen sind (vgl. § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 und S. 2, Abs. 4 S. 1 SGB XII). Die Angemessenheit der Unterkunftskosten einerseits - dazu (a) - und der Heizkosten andererseits - dazu (b) - sind dabei getrennt voneinander festzustellen (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R Rn. 19).

Wenn die Klägerin insoweit auf eine ihr günstige Rechtsansicht verweist, die das Sozialgericht Detmold in einem Termin vom 21.02.2013 (i.S. S 21 AS 117/10 und 967/12) zur Angemessenheit der Aufwendungen der Eheleute für Unterkunft und Heizung eingenommen habe, ist dies für die Entscheidung des Senats von vornherein ohne Belang, zumal das Sozialgericht eine Entscheidung offenbar nicht getroffen hat.

(a) Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft ist nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts, der sich der für die Sozialhilfe zuständige 8. Senat des Bundessozialgerichts ausdrücklich angeschlossen hat (vgl. BSG, Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 24/08 R Rn. 14), in mehreren Schritten zu beurteilen (vgl. dazu etwa BSG, Urteile vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R Rn. 13 m.w.N. und vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 70/06 R Rn. 17; vgl. auch Nguyen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 35 SGB XII Rn. 69).

Zu unterscheiden sind dabei die abstrakte (aa) und die konkrete (bb) Angemessenheit einer Wohnung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R Rn. 13).

(aa) Zur Beurteilung der abstrakten Angemessenheit ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen (a1). Daneben ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen (b1) und zu prüfen, ob der Leistungsträger bei der Festlegung der abstrakten Angemessenheitsgrenze einen angemessenen einfachen Wohnungsstandard zu Grunde gelegt hat (c1). Schließlich ist festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche bei angemessenem einfachen Wohnungsstandard und angemessener Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist (d1). Hinzuzurechnen sind sodann die kalten Betriebskosten (e1). Der sich aus allem ergebende Wert bildet die Obergrenze für angemessene Kosten der Unterkunft, gleichviel, ob bei den einzelnen Festlegungsschritten die jeweiligen Grenzen eingehalten wurden, oder ob bei Unter- und Überschreitung in den Einzelfaktoren dieser Wert jedenfalls insgesamt nicht überschritten wird (sog. Produkttheorie; vgl. zum Ganzen etwa BSG, Urteile vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R Rn. 17 ff. und vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R Rn. 14; Nguyen, a.a.O. Rn. 71).

(a1) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße richtet sich nach den in § 18 WoFG i.V.m. Nr. 8.2 Buchst. b der Wohnraumnutzungsbestimmungen NRW (WNB) vom 12.12.2009 (MBl. NRW 2010 Nr. 1 vom 14.01.2010, Seite 1 ff.) festgelegten Werten für einen Zweipersonenhaushalt; sie beträgt 65 m². Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 SGG).

(b1) Der maßgebliche örtliche Vergleichsraum dient der Erfassung der (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Leistungsberechtigten. Vergleichsmaßstab sind, ausgehend vom Wohnort des Berechtigten, diejenigen ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung, die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl. BSG, Urteile vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R Rn. 21 und vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R Rn. 22). Ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R Rn. 24), so muss sich der räumliche Vergleichsmaßstab dennoch keineswegs strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" nach jeweiligem Landeskommunalrecht orientieren. Vielmehr kann es - insbesondere im ländlichen Raum - in Betracht kommen, größere Gebiete als Vergleichsgebiet zusammenzufassen, während andererseits - in größeren Städten - in mehrere kleinere, kommunalverfassungsrechtlich unselbständige Vergleichsgebiete zu unterteilen sein kann (zum Ganzen LSG Thüringen, Urteil vom 08.07.2015 - L 4 AS 718/14 Rn. 42; LSG Hessen, Urteil vom 15.02.2013 - L 7 AS 78/12 Rn. 58).

Insofern erscheint die nach dem Endbericht der Fa. B und den Angaben des Zeugen L in der mündlichen Verhandlung erfolgte Zusammenfassung des gesamten Kreises Minden-Lübbecke zu einem Vergleichsraum zwar (nur) auf den ersten Blick fraglich. Denn das Kreisgebiet ist sowohl nach der Bevölkerungsverteilung und damit zugleich nach seiner Bebauungsstruktur als auch infrastrukturell gerade nicht homogen. Die größeren Städte Minden, Porta Westfalica und Bad Oeynhausen liegen sämtlich im mittleren bis unteren östlichen Kreisgebiet. Dort leben mehr als 500 Einwohner pro km², während der Westen des Kreises - insbesondere das Gemeindegebiet der Beklagten im Nordosten - mit weniger als 100 Einwohnern pro km² (T: ca. 82 Einwohner/km²) nur dünn besiedelt ist. Zugleich ist die infrastrukturelle Anbindung sehr unterschiedlich. So verfügen lediglich Bad Oeynhausen und Porta Westfalica im Südosten des Kreises über einen direkten Autobahnanschluss (A 30 bzw. die A 2). Die Bundesstraßen B 61, B 239 und B 482 verlaufen im Kreisgebiet vorwiegend in Nord-Süd-Richtung. Die einzige Bundesstraße in Ost-West-Richtung (B 65) verbindet im Süden des Kreises (allein) Minden, Hille, Lübbecke und Preußisch Oldendorf. Bahnanschlüsse in Nord-Süd-Richtung sind nur in Rahden, Espelkamp, Lübbecke und Minden vorhanden. Einen einheitlich über das Kreisgebiet organisierten ÖPNV gibt es nicht.

Ist also das Kreisgebiet als Ganzes gerade kein homogener Lebens- und Wohnbereich, ist die vom Kreis Minden-Lübbecke (und der Beklagten) vorgenommene Bestimmung des maßgebenden räumlichen Vergleichsraumes anhand der Erarbeitung durch die Fa. B nach Ansicht des Senats dennoch rechtmäßig. Denn sie wird den Besonderheiten und Schwierigkeiten der Bestimmung abstrakter Angemessenheitsgrenzen für Unterkunftskosten speziell im ländlichen Raum gerecht. Wegen der geringen Besiedlung des ländlichen Raumes wäre es kaum möglich, einen ausreichend großen Wohnungsmarkt zu erfassen, wenn etwa nur einzelne Landgemeinden wie die (aus 13 Einzeldörfern bestehende) Beklagte als maßgebender Vergleichsraum festgelegt würden. Deshalb erscheint es den Lebensbedingungen in einem gemischt ländlich und klein- bis mittelstädtischen Kreisgebiet wie im Kreis Minden-Lübbecke entsprechend, zunächst einen räumlich größeren Lebens- und Wohnbereich (Kreisgebiet) zu Grunde zu legen, auch wenn dieser sich nicht insgesamt als homogen darstellt. In einem weiteren Schritt kann dieser Bereich sodann durch eine (als wissenschaftliche Methode anerkannte) sog. Clusteranalyse wieder in verschiedene Vergleichsräume (Cluster) aufgespalten werden; diese können danach gebildet werden, ob sie jeweils eine homogene Wohnungsmarktstruktur und ein homogenes Mietniveau aufweisen. Unbedenklich ist ein solches Vorgehen dann, wenn - entsprechend dem Endbericht der Fa. B und der Handhabung der Beklagten - der Leistungsberechtigte nicht auf eine Wohnungnahme innerhalb des kleineren Clusters verwiesen bleibt (dann wäre letztlich ohnehin nur dieser Cluster der maßgebende, ggf. - wie T, Hille, Petershagen und Porta Westfalica - räumlich zudem zerrissene Vergleichsraum, könnte jedoch kaum einen ausreichenden Wohnungsmarkt sicherstellen), sondern wenn er auch in anderen kreisangehörigen Gemeinden (in einem anderen Cluster) Wohnung nehmen könnte, auch wenn dort höhere Kosten (und damit höhere Leistungen für Unterkunft) anfallen. Auf diese Weise wird der unzureichende Wohnungsmarkt innerhalb des homogenen Einzelclusters auf ein zureichendes Ausmaß erweitert, ohne dass Verwerfungen dadurch entstehen, dass die Obergrenze für Mietaufwendungen auch im preiswerteren ländlichen Gebiet auf das gehobenere Niveau in den kreisangehörigen Städten gesetzt würde, oder dass Leistungsberechtigte in Städten letztlich auf eine Wohnungnahme in Landgemeinden verwiesen wären, weil nur die dortigen, niedrigeren Mieten leistungsbestimmend wären.

Dass jedenfalls vom Gemeindegebiet T die Entfernung zum nächsten Oberzentrum im Kreisgebiet recht groß ist, spricht nicht gegen eine Festlegung des räumlichen Vergleichsgebietes auf den Kreis unter Bildung verschiedener Wohnungsmarkt-Cluster. Denn diese nachteilige Anbindung ist letztlich eine Folge der frei getroffenen Entscheidung (Art. 13 GG) für einen Wohnsitz gerade im dünn besiedelten, großflächig-ländlichen Raum. Schon deshalb war die Beklagte auch nicht etwa verpflichtet, statt einer Heranziehung des Kreisgebietes zur Datenerhebung auf die an T angrenzenden niedersächsischen Gebiete (etwa im Sinne der Bildung einer sog. "Raumschaft"; vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 16.07.2015 - B 4 AS 44/14 R Rn. 17) auszugreifen. Insofern erscheint die Orientierung an formalen (zumeist historisch gewachsenen oder begründeten) kommunalverfassungsrechtlichen Gegebenheiten - und damit hier am Kreis Minden-Lübbecke als zusammenhängendem Verwaltungsgefüge - zulässig.

(c1) Hinsichtlich des Wohnungsstandards dürfen für die Festlegung der Angemessenheitsgrenze nur solche Wohnungen berücksichtigt werden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne einen gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Dabei sind einerseits sog. "Substandardwohnungen", andererseits solche mit überdurchschnittlicher Ausstattung oder Sonderfunktion unberücksichtigt zu lassen (vgl. zu Einzelheiten BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R Rn. 21 m.w.N.).

Diesen Anforderungen trägt die Erhebung der Fa. B hinreichend Rechnung. Dort wurden einerseits nur Wohnungen mit Bad und Sammelheizung einbezogen; andererseits blieben Wohnungen, die üblicherweise zum Luxussegment gezählt werden (mit Sauna, Penthouse- und Maisonette-Wohnungen) unberücksichtigt. Der Senat ist aufgrund der dezidierten Ausführungen im Endbericht sowie den facettenreichen Angaben des Zeugen L davon überzeugt, dass bei den Erhebungen tatsächlich so vorgegangen wurde, wie im Endbericht und vom Zeugen beschrieben. Die hiergegen von der Klägerin geäußerten Zweifel werden nicht auf sachlich nachvollziehbare Gründe gestützt. Der Senat hält daher die Zweifel nicht für stichhaltig. Veranlassung, insoweit weiter zu ermitteln, besteht im Anschluss an die ausführliche Vernehmung des Zeugen L nicht.

(d1) Stehen die abstrakt angemessene Wohnungsgröße, der maßgebliche Vergleichsraum sowie der zu berücksichtigende Wohnstandard fest, ist zu ermitteln, welche Kosten für eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem für den Leistungsberechtigten maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzuwenden ist. Die Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen muss dabei auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (grundlegend BSG, Urteile vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R Rn. 19 ff. und vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R Rn. 13 ff.): (d1.1) Die Datenerhebung muss ausschließlich in dem genau eingegrenzten und über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung); (d1.2) der Gegenstand der Beobachtung muss nachvollziehbar definiert sein (z.B. welche Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit)), es muss nach Wohnungsgröße differenziert werden; (d1.3) es müssen Angaben über den Beobachtungszeitraum gemacht werden; (d1.4) es müssen Festlegungen über die Art und Weise der Datenerhebung erfolgt sein (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel); (d1.5) die Datenerhebung muss valide sein; (d1.6) der Umfang der einbezogenen Daten muss repräsentativ sein; (d1.7) bei der Datenauswertung müssen anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze eingehalten worden sein; (d1.8) das Konzept muss Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze) enthalten.

Diesen Anforderungen genügt das von der Beklagten angewandte Konzept der Fa. B:

(d1.1) Die Datenerhebung erfolgte über den gesamten Kreis Minden-Lübbecke und damit innerhalb eines genau eingegrenzten Vergleichsraumes (Seite 8 ff. des Endberichts).

Gegen die in einem zweiten Schritt erfolgte Unterteilung dieses Vergleichsraumes in drei unterschiedliche Wohnungsmarkt-Cluster bestehen auch insoweit keine Bedenken, als eine Ghettobildung zu vermeiden ist. Angesichts der inhomogenen Besiedlung des Kreises (s.o.) erscheint es insoweit vielmehr gerade geboten, der unterschiedlichen Wohnungsmarktstruktur in einzelnen Kreisgebieten durch eine entsprechende Differenzierung Rechnung zu tragen (so auch zu einem ähnlichen Fall LSG Thüringen, a.a.O. Rn. 61 ff.). Haben die Leistungsberechtigten die Möglichkeit, nicht nur innerhalb eines Clusters, sondern (ohne Nachteile in der Bedarfsdeckung bei den Unterkunftskosten) innerhalb des gesamten Kreisgebietes umzuziehen, wirkt dies einer Ghettobildung gerade entgegen.

(d.1.2) Der Beobachtungsgegenstand war nachvollziehbar definiert.

Der Endbericht macht (insbesondere Seite 9) transparent, dass und warum bestimmte Wohnungen in die Auswertungen einbezogen bzw. nicht einbezogen wurden. Dabei orientiert sich das Konzept z.T. ausdrücklich an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die Herausnahme von Wohnungen des Luxussegments, die explizit als solche vermarktet bzw. erkennbar waren (z.B. mit Sauna, Penthouse- und Maisonette-Wohnungen) wird nachvollziehbar damit erläutert, dass solche Wohnungen üblicherweise zu deutlich höheren Mieten vermarktet werden. Auch die (anders als in qualifizierten Mietspiegeln erfolgte) Berücksichtigung von Wohnungen in Zweifamilienhäusern in ländlichen Bereichen zur Hälfte ist sachgerecht; denn in solchen Gegenden fehlt Geschosswohnungsbau und damit ein entsprechendes Wohnangebot fast ganz; gleichzeitig erscheint es nachvollziehbar, dass ein großer Anteil dieser Wohnungen gerade im ländlichen Bereich auch vom Eigentümer selbst bewohnt wird. Die Nichtberücksichtigung von Einfamilienhäusern, von Wohnungen in Wohn- und Pflegeheimen, von (teil-)gewerblich genutzten Wohnungen mit Gewerbemietvertrag, von mietpreisreduzierten Werkswohnungen sowie von Wohnungen, die für Freundschaftspreise vermietet werden, ist ebenfalls unbedenklich. Denn solche Wohnungen unterliegen kalkulatorischen Besonderheiten, so dass eine Einbeziehung das Risiko der Verfälschung der zu erhebenden Werte mit sich brächte. Dies gilt auch für die Herausnahme möblierter Wohnungen, da dort eine Unterscheidung zwischen Netto-Kaltmiete und Zahlungen für Möblierung nicht möglich ist. Schließlich entspricht die Einbeziehung nicht nur von Angebots-, sondern auch von Bestandsmieten ebenfalls der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R Rn. 24). Auch hier kann der Senat im Übrigen die von der Klägerin geäußerten Zweifel an der tatsächlichen Umsetzung der im Endbericht formulierten Beschränkung des Beobachtungsgegenstandes nicht nachvollziehen.

(d1.3) Der Endbericht liefert (Seite 11) die notwendigen Angaben zum Beobachtungszeitraum. Die Bestandsmieten wurden in der Zeit von Mitte November 2009 bis Mitte März 2010 zum Stichtag 31.12.2009 erhoben. Die Recherche der Angebotsmieten erfolgte von Oktober 2009 bis März 2010 (Seite 18).

(d1.4) Der Endbericht legt im Einzelnen (Seite 9 bis 13) die Art und Weise sowie den Umfang der Erhebung dar. Dass die Erhebung tatsächlich abweichend gehandhabt worden wäre, ist nicht ersichtlich.

(d1.5) Ist der Beobachtungsgegenstand in unbedenklicher Weise definiert, so ist die Datenerhebung auch valide.

Eine Untersuchung ist valide, wenn wirklich das gemessen wurde, was gemessen werden sollte, bzw. wenn die erhobenen Daten auch tatsächlich die Fragen beschreiben, die erforscht werden sollten. Für die Schlüssigkeit der Ermittlung angemessener Unterkunftskosten heißt dies, dass ein breites Spektrum der Mietwohnungen in die Datenerhebung Eingang gefunden haben muss, wobei Wohnraum, der keinen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten gibt, unberücksichtigt zu bleiben hat (zum Ganzen LSG Thüringen, a.a.O. Rn. 70; Piepenstock in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 22 Rn. 99). Die Erhebung der Fa. B im Kreis Minden-Lübbecke hat diese Anforderungen beachtet.

Der Endbericht macht (insbesondere Seite 8 bis 14) deutlich, dass die Erhebung ihrem definierten Gegenstand entsprechend planvoll und sachgerecht durchgeführt wurde. So wurden (s.o.) Wohnung in Einfamilienhäusern, in Wohn- und Pflegeheimen, gewerblich genutzte Wohnungenen, mietpreisreduzierte Werkswohnungen und Wohnungen mit Freundschaftsmieten über sog. Filterfragen ausgeschlossen. Darüber hinaus wurde die Erhebung breit gefächert nicht nur bei größeren Vermietungs- und Verwaltungsgesellschaften, sondern auch bei kleineren Vermietern und einer Vielzahl von Mieterhaushalten durchgeführt, wofür eigens Adressen bei der "Deutschen Post direkt" angekauft wurden. Anschließend wurden diejenigen Adressen identifiziert und ausgeschlossen, für die bereits Informationen über die Vermieterbefragung vorlagen. Aus den verbleibenden etwa 18.000 angekauften Adressen wurden disproportionale Stichproben gezogen und schließlich 7.500 Mieterhaushalte angeschrieben. Im Ergebnis blieben nach Abzug unvollständig ausgefüllter Fragebögen, Auswertung der Filterfragen und Aussonderung unplausibler Werte 8.747 tabellenrelevante (d.h. auf die Wohnflächengrenzen bezogene) Mieten übrig; diese bilden nach den eingangs genannten Kriterien ein hinreichend breites Spektrum des Mietwohnungsmarktes im Kreis Minden-Lübbecke.

Inhaltlich wurden Daten zur Wohnungsgröße, Nettokaltmiete, ferner zu kalten Betriebs- sowie Heiz- und Warmwasserkosten (jeweils Vorauszahlungsbetrag) erhoben. Dies entspricht den nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Festlegung einer abstrakten Angemessenheitsgrenze notwendigen Informationen.

(d.1.6) Gegen die Repräsentativität der Datenerhebung bestehen keine Bedenken.

Sowohl im Endbericht (Seite 9) als auch in der mündlichen Verhandlung (Zeuge L) wurde nachvollziehbar dargelegt, dass im gesamten Kreis Minden-Lübbecke etwa 60.000 Mietwohnungen vorhanden sind.

Von den tabellenrelevanten Mieten (8.747; s.o.) hat die Fa. B zur Eliminierung sog. Ausreißer innerhalb der einzelnen Tabellenfelder (Wohnungsgrößen) in Anwendung des wissenschaftlich gebräuchlichen 95-%-Konfidenzintervalls eine Extremwertkappung vorgenommen (vgl. Anlage 3 des Endberichts). Danach verblieben noch 8.337 Datensätze, die Eingang in die Auswertung gefunden haben. Bei etwa 60.000 Mietwohnungen im Kreisgebiet sind das deutlich mehr als 10% des gesamten Mietmarktes des Kreises; dies ist - bedenkt man, dass selbst für qualifizierte Mietspiegel deutlich kleinere Fallzahlen als ausreichend angesehen werden - eine weit mehr als hinreichend repräsentative Datenmenge. Der Zeuge L hat insoweit bekundet, dass etwa dem qualifizierten Mietspiegel für München ein Datenbestand von lediglich 3.000 Wohnungen zu Grunde liegt. Ausweislich des Endberichts (Seite 13) waren zudem die Fallzahlen für die einzelnen Tabellenfelder noch hinreichend groß, um etwa einem qualifizierten Mietspiegel zu Grunde gelegt zu werden; auch sie sind damit hinreichend repräsentativ.

(d.1.7) Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgte nach den plausiblen Ausführungen im Endbericht sowie den Bekundungen des Zeugen L unter Anwendung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze.

Das gilt nicht nur hinsichtlich der vorgenommenen Extremwertkappung (s.o.), sondern auch für die Clusteranalyse als solche. Diese ist ein anerkanntes statistisches Verfahren (vgl. Seite 3 f. des Endberichts). Zur Zusammenstellung des der Clusteranalyse zu Grunde gelegten Indikatorenkataloges (Seite 4 f. des Endberichts) hat der Zeuge überzeugend dargelegt, dass dieser sich an nach den örtlichen Gegebenheiten im Kreis Minden-Lübbecke maßgebenden mietpreisbildenden Faktoren orientiert. Ferner hat der Zeuge nachvollziehbar erläutert, dass sich die angesetzten Perzentilgrenzen von 40 bzw. 45% (vgl. Seite 14 f. des Endberichts) für die einzelnen Wohnungsmarkttypen aus einem (für die Verfügbarkeit entsprechender Wohnungen an sich bereits ausreichenden) Wert von 20% ergibt, zuzüglich eines Sicherheitsaufschlages von 20 bzw. 25%.

Im Übrigen erfolgte auch die Anpassung der Resultate aus dem Endbericht vom 11.10.2011 an die zwischenzeitlich vollzogene Anhebung der Wohnflächengrenzen (hier: 65 statt bisher 60 m²) sowie die Fortschreibung der Werte auf das Jahr 2013 mathematisch-statistisch einwandfrei. Der Zeuge L hat zur Anpassung der Wohnflächengrenzen ausgeführt, hierzu hätten noch alle anonymisierten Rohdaten aus der Erhebung vorgelegen; die Auswertung sämtlicher Daten konnte deshalb bei Ansatz der neuen Wohnflächengrenzen in entsprechender Weise erfolgen wie für den ursprünglichen Endbericht. Auch die Indexfortschreibung für das Jahr 2013 folgte anerkannten statistischen Grundsätzen; die Fa. B orientierte sich insofern an der Veränderung des Verbraucherpreisindexes und damit an den Vorgaben, die gesetzlich (§ 558d Abs. 2 S. 2 BGB) für die Aktualisierung qualifizierter Mietspiegel vorgesehen sind. Dass dazu die einschlägigen Teilindizes des Statistischen Landesamtes für die Entwicklung der Miet- bzw. Betriebskosten (als die für Unterkunftskostensteigerungen im Vergleich zum allgemeinen Verbraucherpreisindex spezifischeren Daten) herangezogen wurden, stellt eine noch größere Sachgerechtigkeit der Fortschreibung sicher.

(d1.8) Schließlich begegnet die Auswertung der erhobenen Daten auch hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit der gezogenen Schlüsse keinen Bedenken. Insbesondere wurde begründet, warum die Angemessenheitsgrenze für die verschiedenen Wohnungsmarkttypen bei dem 40- bzw. 45%-Perzentil angesetzt wurde (s.o.).

(e1) Zu der so ermittelten angemessenen Netto-Kaltmiete sind noch die angemessenen monatlichen Aufwendungen für (kalte) Betriebskosten hinzuzurechnen (Brutto-Kaltmiete).

Zwar ist für die Bemessung der angemessenen kalten Betriebskosten vorzugsweise auf örtliche Übersichten oder Umfragen zurückzugreifen (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 Rn. 33 m.w.N.). Solche lokalen Erhebungen liegen für den Zuständigkeitsbereich der Beklagten indes nicht vor. Der durch die Fa. B durchgeführten eigenständigen Erhebung steht insoweit nichts entgegen. Sie konnte dabei wählen, ob die kalten Betriebskosten gesondert oder einheitlich mit der Nettokaltmiete zu erheben waren (vgl. BSG, Urteile vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R Rn. 31 und vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R Rn. 33). Sie hat sich für eine gesonderte Erhebung anhand der Vorauszahlungen (differenziert nach den einschlägigen Wohnflächengrenzen) entschieden und ist, bezogen auf die angemessene Wohnfläche für einen Zweipersonenhaushalt (50 bis 65 m²), zu einem Wert von 1,53 EUR/m² gelangt.

Dagegen bestehen nach Auffassung des Senats keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist es nicht zwingend geboten (wenn auch alternativ denkbar und zulässig), die angemessenen (kalten) Betriebskosten nicht anhand der Vorauszahlungen, sondern nach den konkreten Jahresabrechnungen für die einzelnen Mietverhältnisse zu ermitteln. Unabhängig davon, dass Letzteres nach den plausiblen Angaben des Zeugen L einen enormen Erhebungsaufwand verursachen würde, würde dadurch keine nennenswert höhere Ergebnisgenauigkeit erzielt. Denn Vermieter haben ein nachvollziehbares Interesse daran, die Höhe der Vorauszahlung möglichst kostengenau zu bemessen; dadurch setzen sie sich einerseits keinen Erstattungsansprüchen ihrer Mieter aus, und andererseits vermeiden sie ggf. schwierig einzubringende Nachforderungen gegen die Mieter. Der Zeuge, der über eine dreißigjährige berufliche Erfahrung insbesondere mit der Erstellung von Mietspiegeln verfügt, hat diese Annahme des Senats ausdrücklich bestätigt. Zwar gibt es nach seiner Einschätzung vereinzelt durchaus Vermieter, die durch ungerechtfertigt niedrigen Ansatz der Nebenkostenvorauszahlungen den Gesamtmietzins innerhalb einer bestimmten Marge zu halten versuchen; dies sei jedoch statistisch zu vernachlässigen, wenn der Mittelwertbildung eine ausreichende Zahl von Datensätzen (wie die mehreren Tausend hier) zu Grunde gelegt werden. Die Vorauszahlungen spiegeln ohnehin eher die monatlich laufenden tatsächlichen Kosten wider als anhand von Jahresabrechnungen (mit ggf. nur jährlicher Nachzahlung) ermittelte Beträge. Der von der Fa. B gewählte Ansatz entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Heiz- und Warmwasserkosten; auch dort kommt es nicht auf die tatsächlichen Verbrauchskosten, sondern auf die Höhe der Vorauszahlungen an (BSG, Urteile vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R Rn. 35 und vom 24.02.2011 - B 14 AS 52/09 R Rn. 23).

Die Klägerin ist ohnehin durch die Bemessung der angemessenen kalten Betriebskosten anhand der Vorauszahlungen von vornherein nicht benachteiligt. Denn die von den Eheleuten im streitigen Zeitraum tatsächlich zu leistende Vorauszahlung von 80 EUR monatlich - dazu unten (c) - unterschreitet die nach dem Endbericht bzw. der Indexfortschreibung geltende Angemessenheitsgrenze von 99,45 EUR (1,53 EUR x 65 m²) deutlich. Würde man stattdessen entsprechende Werte aus der SGB II-Statistik für den Kreis Minden-Lübbecke (vgl. http://statistik.arbeitsagentur.de) als maßgebend ansehen (was jedenfalls nach dem Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und nach dem SGB XII empfohlen wird; dort Seite 187 f.), dürfte die Angemessenheitsgrenze für den Kreis Minden-Lübbecke im streitigen Zeitraum sogar unter 80 EUR liegen. Denn die SGB-II-Statistik weist insoweit noch für Januar 2015 einen Betrag von nur 73 EUR aus. Der Zeuge L hat in diesem Zusammenhang bekundet, die Fa. B ziehe mittlerweile die Werte der SGB-II-Statistik zum kontrollweisen Abgleich dafür heran, ob die von ihr erhobenen Werte zu niedrig liegen könnten.

(bb) Der von der Beklagten als abstrakt angemessene Unterkunfts- und Heizkosten zu Grunde gelegte Betrag von monatlich 391 EUR ist zugleich konkret angemessen.

Während der abstrakt angemessene Bedarf ohne Rücksicht auf etwaige Besonderheiten des individuellen Leistungsempfängers ausschließlich anhand abstrakter Kriterien (wohnungsmarktbezogen) ermittelt wird, beurteilt sich die konkrete Angemessenheit nach personenbezogenen Umständen des Einzelfalls (§ 35 Abs. 2 S. 1 SGB XII). So kann etwa aus medizinischen Gründen ein größerer Wohnflächenbedarf bestehen, es können tatsächlich nicht genügend Wohnungen zum Referenzwert am Markt zu Verfügung stehen, oder dem Betroffenen kann mangels hinreichender Aufklärung über die Angemessenheitsgrenzen eine Kostensenkung nicht möglich bzw. zumutbar gewesen sein (vgl. zum Ganzen Nguyen a.a.O. § 35 SGB XII Rn. 93 m.w.N.).

Bei der Klägerin (und ihrem Ehemann) sind medizinische Gründe für einen Wohnflächenbedarf oberhalb von 65 m² (z.B. Rollstuhlpflichtigkeit, Gehbehinderung, etc.), weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar leidet sie an angeborener Skoliose und einhergehenden Folgeerkrankungen; ein höherer Wohnflächenbedarf resultiert daraus jedoch nicht. Dementsprechend haben die Eheleute die nunmehr seit mehr als sechs Jahren bewohnte Wohnung mit einer Wohnfläche von lediglich 60 m² auch selbst gesucht.

Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, im maßgeblichen Vergleichsraum gebe es nicht genügend Wohnungen zu den von der Beklagten als angemessen festgesetzten Kosten. Denn der Referenzwert der Beklagten wurde - ebenso wie bei Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels - in einem wissenschaftlich anerkannten Verfahren ermittelt, welches auch die Häufigkeit tatsächlich vorhandener und angebotener Wohnungen berücksichtigt (s.o.). Ebenso wie bei einem qualifizierten Mietspiegel kann deshalb davon ausgegangen werden, dass abstrakt angemessene Wohnungen in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen (zu qualifizierten Mietspiegeln vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R Rn. 38 m.w.N.). Das gilt insbesondere auch für den hier betroffenen Wohnungsmarkttyp 3. Dort sind bei 50 bis 65 m² großen Wohnungen zwar nur 304 Bestands- und 20 Angebots- bzw. Neuvertragsmieten in die Beurteilung eingeflossen; nach den Angaben des Zeugen L gilt es insoweit jedoch zu beachten, dass sich die Zahl von 304 Bestandswohnungen allein auf die erhobenen Mietverhältnisse bezieht, die aber nur einen Anteil von 12 oder 15% des Wohnungsbestandes in diesem Segment abbildet. Ohnehin wären die Eheleute entsprechend dem von der Beklagten umgesetzten Konzept der Clusteranalyse auch nicht einmal verpflichtet, eine Wohnung ausschließlich in einem (ggf. weiter entfernt im Kreisgebiet gelegenen) Ort zu suchen, der dem Cluster 3 angehört. Ohne Nachteile bei der Bedarfsdeckung möglich (und zumutbar) wäre es ihnen auch, eine Wohnung in einer angrenzenden Gemeinde (Rahden, Espelkamp oder Preußisch Oldendorf) anzumieten, die zu einem Cluster mit höherem Referenzwert zählen.

Die konkrete Angemessenheit des Referenzbetrages von 391 EUR scheitert schließlich auch nicht daran, dass es an einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung der Beklagten gefehlt hätte. Zwar bedarf es grundsätzlich einer ausdrücklichen Benennung der angemessenen Bruttokaltmiete durch den Leistungsträger, damit sich der Betroffene darauf einstellen und ggf. eine angemessene Unterkunft suchen kann. Wenn jedoch - wie hier - die Beteiligten ohnehin (seit Jahren) um die Höhe der Kosten der Unterkunft streiten und eine Absenkung tatsächlich erfolgt ist, ist eine ausdrückliche Senkungsaufforderung entbehrlich (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R Rn. 31 f.). Unbeschadet dessen hat die Beklagte die Klägerin ohnehin wiederholt über die Angemessenheitsgrenze informiert.

(b) Die pauschalen Heizkosten der Eheleute (120 EUR) hat die Beklagte in tatsächlicher Höhe in ihre Leistungsberechnung eingestellt. Eine Beschwer der Klägerin ist insoweit nicht denkbar.

(c) Zusammenfassend belaufen sich die laufenden anteiligen angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten damit für die Monate April bis Juni 2013 jeweils auf 255,50 EUR (= hälftige Summe aus 311 EUR Kosten für Unterkunft, 80 EUR Betriebskostenvorauszahlung und 120 EUR pauschale Heizkosten).

Obwohl die Vorauszahlungen für "Betriebskosten" zwischenzeitlich (ab Februar 2012) erhöht wurden und im streitigen Zeitraum tatsächlich 150 EUR monatlich betrugen, hat die Beklagte zu Recht (weiterhin) davon nur 80 EUR als bedarfsrelevant berücksichtigt. Denn in dem Betrag von 150 EUR war ein wesentlicher Teil als Vorauszahlungen für den Verbrauch von Haushaltsstrom enthalten (§ 2 Abs. 2 des Mietvertrages nebst Anlage). Kosten für Haushaltsstrom gehören jedoch nicht zu den Kosten der Unterkunft, sondern sind aus dem Regelbedarf zu bestreiten (vgl. § 5 Abs. 1 RBEG).

Werden Ausgaben für Regelbedarf und Unterkunft derart miteinander verknüpft, ist es zulässig, diese durch realitätsnahe Schätzung auseinanderzurechnen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 14.05.2012 - L 19 AS 156/12 Rn. 40 f. m.w.N.). Insofern bietet sich eine Orientierung an den Abrechnungen des Vermieters der Eheleute für die Jahre 2011/2012, 2012/2013 und 2013/2014 an. Danach verbrauchten die Eheleute jeweils 3.226,7 kWh (2011/2012), 3.492,6 kWh (2012/2013) bzw. 3.236,4 kWh (2013/2014); die Kosten dafür beliefen sich auf 798,70 EUR, 824,79 EUR bzw. 872,35 EUR (Summe:2.495,84 EUR). Verteilt auf 36 Monate entspricht dies einem Monatsdurchschnitt von 69,33 EUR. Insofern erscheint es gerechtfertigt, den in der Vorauszahlung von 150 EUR enthaltenen Betrag für Haushaltsstrom mit 70 EUR anzusetzen. Als Vorauszahlung für die kalten Betriebskosen verbleibt dementsprechend ein Betrag von monatlich 80 EUR.

(2) Unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von 345 EUR errechnet sich der Leistungsanspruch der Klägerin für den streitigen Zeitraum deshalb wie folgt:

(a) April 2013

Der Bedarf belief sich auf 345 EUR (Regelbedarf) sowie 255,50 EUR anteilige angemessene Unterkunfts- und Heizkosten. Hinzu kam Bedarf für die (anteilige) Nachforderung des Vermieters aus der Nebenkostenabrechnung vom 08.04.2013 i.H.v. 13,50 EUR. Dies ergibt eine Bedarfssumme von 614 EUR.

Der im Bescheid vom 27.03.2013 berücksichtigte Nachforderungsbetrag aus der Nebenkostenabrechnung für die Jahre 2011/2012 i.H.v. 8,41 EUR (anteilig 4,20 EUR) stellte im April 2013 keinen Bedarf der Klägerin dar; denn diese Abrechnung lag den Eheleuten bereits im März 2012 vor, so dass wegen bereits damaliger Fälligkeit der Nachforderung allein dann ein entsprechender Bedarf anzuerkennen gewesen wäre (vgl. Nguyen a.a.O. § 35 Rn. 26).

Belief sich der Gesamtbedarf der Klägerin im April 2013 damit auf 614 EUR, so ist darauf die in diesem Monat zugeflossene Rente von 485,61 EUR anzurechnen. Es verbleibt ein Leistungsbetrag von 128,39 EUR. Tatsächlich gezahlt wurden 119,09 EUR (bewilligt mit Bescheid vom 27.03.2013) sowie der in der mündlichen Verhandlung durch Teilvergleich zuerkannt Betrag von 13,50 EUR, insgesamt also 132,59 EUR. Eine Beschwer der Klägerin besteht insoweit nicht.

(b) Mai und Juni 2013

Der Bedarf belief sich in beiden Monaten jeweils auf 345 EUR (Regelbedarf) sowie 255,50 EUR anteilige angemessene Unterkunfts- und Heizkosten, insgesamt also auf 600,50 EUR. Unter Anrechnung der auch in diesen Monaten zugeflossenen Rente von jeweils 485,61 EUR verbleibt ein Leistungsbetrag von jeweils 114,89 EUR. Diesen Betrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 29.04.2013 für Mai 2013 bewilligt; für Juni 2013 erfolgte die Bewilligung dieses Leistungsbetrages durch Überweisung an die Klägerin am 31.05.2013. Auch hier ist die Klägerin deshalb nicht beschwert.

IV. Sind sowohl der Bescheid vom 27.03.2013 (für April 2013) als auch der Bescheid vom 29.04.2013 (für Mai 2013) und die Leistungsbewilligung durch Auszahlung vom 31.05.2013 (für Juni 2013) Gegenstand des einen Klageverfahrens geworden (s.o. I.), so gibt es kein darüber hinausgehendes Begehren der Klägerin hinsichtlich ihrer Kosten für Unterkunft und Heizung für den streitigen Zeitraum. Die zweite von der Klägerin erhobene Klage ist deshalb wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (§ 202 S. 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 2 GVG; vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 94 Rn. 7).

B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Das Teilobsiegen der Klägerin hinsichtlich der Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung des Vermieters vom 08.04.2013 (der die Beklagte mit dem in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Teilvergleich unmittelbar Rechnung getragen hat, nachdem - erstmals - der Senat auf diese Frage hingewiesen hatte) rechtfertigt es nicht, der Beklagten einen Teil der außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzugeben.

C) Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Angemessenheit von Kosten der Unterkunft und Heizung bezieht sich bisher im Wesentlichen auf den städtischen Raum. Zugleich hat die gerichtliche Praxis gezeigt, dass in der Mehrzahl der Fälle letztlich - mangels Feststellbarkeit eines "schlüssigen Konzepts" - auf die vom Bundessozialgericht bei entsprechendem Erkenntnisausfall gewiesene Möglichkeit, die angemessenen Kosten nach der Tabelle zu § 12 Abs. 1 WoGG zzgl. eines zehnprozentigen Sicherheitsaufschlages zu bemessen (Urteile vom 28.08.2009 - B 14 AS 41/08 R, vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R und vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R), zurückgegriffen wird. Zugleich beschränkt die detaillierte Vorgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die tatrichterliche Würdigung zum Vorhandensein angemessener Wohnungen am Markt deutlich. Der vorliegende Fall zeigt in besonderer Weise, dass die - praktisch häufige - Bemessung ausgehend von § 12 WoGG keineswegs zufriedenstellen kann; denn die Klägerin hätte bei einer solchen Bemessung einen geringeren Anspruch, als die Beklagte ihr zuerkennt (Referenzmiete nach § 12 Abs. 1 WoGG i.d.F. bis 31.12.2015 bei Mietpreisstufe I zzgl. 10% = 387,20 EUR).
Rechtskraft
Aus
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