L 29 AS 544/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 190 AS 20349/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 544/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren zu einem Drittel zu erstatten. Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten als Leistungsträger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) noch einen höheren Mehrbedarf wegen Schwangerschaft sowie einen Mehrbedarf für Alleinerziehende gemäß § 27 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 Abs. 2 und 3 SGB II für den Zeitraum Juni 2012 bis September 2012 und November 2012.

Die 1986 geborene Klägerin ist ledig. Sie ist Mutter von Kindern, die 2006 und 2009 geboren worden sind und für die die Klägerin im streitigen Zeitraum Kindergeld und Unterhaltsvorschuss bezog. Bereits vor dem hier streitigen Zeitraum bezog die Klägerin zudem Leistungen von dem Beklagten. Sie bewohnt eine Vierzimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 88,50 Quadratmetern und einer damaligen monatlichen Bruttogesamtmiete von 618,45 Euro.

Seit dem 17. Oktober 2011 befand sich die Klägerin in einer Berufsausbildung zur Friseurin bei der E H G und erhielt hierfür eine Ausbildungsvergütung. Die Ausbildungsvergütung betrug in den Monaten Juni 2012 bis September 2012 monatlich 265 Euro/brutto. Ab Oktober 2012 wurde der Klägerin eine Ausbildungsvergütung nicht mehr gezahlt.

Für die Berufsausbildung bewilligte ihr die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 18. April 2012 Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis zum 31. Juli 2012 in monatlicher Höhe von 493 Euro. Von August 2012 bis 17. Januar 2013 erhielt die Klägerin monatlich 325 Euro BAB, anschließend 391 Euro monatlich.

Mit Bescheid vom 24. September 2012 bewilligte das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin der Klägerin Wohngeld für den Zeitraum von August 2012 bis Oktober 2012 in Höhe von monatlich 135 Euro. Das Wohngeld wurde nur der Klägerin bewilligt, weitere Haushaltsmitglieder konnten nicht berücksichtigt werden, weil sie nach § 7 WoGG vom Wohngeld ausgeschlossen waren.

Am 20. April 2012 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II, gab hierbei eine bestehende Schwangerschaft mit einem voraussichtlichen Entbindungstermin am 22. November 2012 und einem bestehenden Beschäftigungsverbot nach einem ärztlichen Attest vom 31. März 2012 sowie die Berufsausbildung und die Bewilligung von BAB an.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2012 bewilligte der Beklagte den zwei Kindern der Klägerin vorläufig für die Zeit vom 1. Juni 2012 bis zum 30. November 2012 Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 213,28 Euro für den Monat Juni 2012, 167,35 Euro für den Monat Juli 2012 und 198,28 Euro monatlich für die Monate August 2012 bis November 2012. Ein Anspruch der Klägerin insbesondere auf Mehrbedarf für Alleinerziehung und Schwangerschaft bestehe nicht, da die Klägerin aufgrund der BAB- Förderung gemäß dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei. Mit Bescheid vom 22. Juni 2012 änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 9. Mai 2012 nach einer Mieterhöhung und bewilligte den Kindern der Klägerin für den Monat Juli 2012 189,37 Euro und für die Monate August 2012 bis November 2012 201,30 Euro monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 26. Juli 2012 änderte der Beklagte auch den Bescheid vom 22. Juni 2012 hinsichtlich des Zeitraumes August bis November 2012 und bewilligte den Kindern der Klägerin monatlich 381,30 Euro.

Gegen den Bescheid vom 9. Mai 2012 erhob die Klägerin bereits am 11. Juni 2012 Widerspruch; ihr sei ein Mehrbedarf für Alleinerziehung und Schwangerschaft i.H.v. 190 Euro zu bewilligen. Es sei zwar zutreffend, dass im Falle eines Bezuges von BAB ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II ausgeschlossen sei. Leistungen für zusätzliche Mehrbedarfe im Sinne von § 21 Abs. 2, 3 und 5 SGB II seien gemäß § 27 SGB II jedoch zu gewähren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Aufgrund der Berufsausbildung sei die Klägerin gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen und habe über die Leistungen des § 27 SGB II keinen weiteren Anspruch mehr. Ein Mehrbedarf nach § 21 SGB II könne nur erbracht werden, soweit der Mehrbedarf nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gedeckt sei. Vorliegend seien die gewährte BAB und die Ausbildungsvergütung als Einkommen zu berücksichtigen. Es ergebe sich so ein anrechenbares Einkommen i.H.v. insgesamt monatlich 625 Euro, welches den fiktiven Gesamtbedarf einschließlich eines Mehrbedarfes für Alleinerziehende und für Schwangerschaft i.H.v. 572,22 Euro monatlich decke.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2012, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am 3. Juli 2012, hat die Klägerin am 1. August 2012 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben.

Außerdem hat die Klägerin einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht Berlin beantragt, welchen das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 26. Oktober 2012 (S 55 AS 20349/12 ER) abgelehnt hat, da kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sei. Die Klägerin habe einen Gesamtbedarf von 778,37 Euro bei Einnahmen in Höhe von monatlich 775 Euro, sodass eine eklatante Bedarfsunterdeckung nicht festgestellt werden könne.

Gegen den Änderungsbescheid vom 26. Juli 2012 hat die Klägerin am 8. August 2012 Widerspruch erhoben, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2012 als unzulässig verwarf, weil dieser Änderungsbescheid Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens sei.

Während des Klageverfahrens kam am 27. November 2012 das dritte Kind der Klägerin (Sohn F N) zur Welt und die Klägerin beantragte für ihn ab Dezember 2012 Unterhaltsvorschussleistungen bei dem Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin in Höhe von monatlich 133 Euro. Mit Bescheid vom 14. November 2012 wurde der Klägerin außerdem noch Mutterschaftsgeld i.H.v. 370,86 Euro bewilligt, welches am 19. November 2011 ihrem Konto gutgeschrieben wurde. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 teilte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin mit, dass die BAB-Zahlungen ab dem 18. Januar 2013 wegen des Beginns der Elternzeit eingestellt würden.

Außerdem hat der Beklagte während des Klageverfahrens mit Bescheid vom 28. Januar 2013 für den Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 30. September 2012 Leistungen für Auszubildende in Höhe eines monatlichen Mehrbedarfes i.H.v. 63,58 Euro für werdende Mütter und i.H.v. 11,64 Euro für Alleinerziehende bewilligt. Mit Bescheid vom 29. Januar 2013 hat der Beklagte für den Monat Oktober 2012 ebenfalls Leistungen für Auszubildende bewilligt und zwar in Höhe eines Mehrbedarfes für werdende Mütter von monatlich 63,58 Euro und eines Mehrbedarfes für Alleinerziehende von 134,64 Euro. Mit Bescheid vom 8. Februar 2013 hat der Beklagte für den Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 30. September 2012 Mehrbedarfe für werdende Mütter i.H.v. 63,58 Euro monatlich und für Alleinerziehende von monatlich 51,64 Euro bewilligt.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünde über die bereits erfolgten Bewilligungen ein weiterer Mehrbedarf wegen Schwangerschaft und für Alleinerziehende zu und dieser sei von dem Beklagten falsch berechnet. Die BAB dürfe nicht in voller Höhe (493 Euro) berücksichtigt werden, sondern nur i.H.v. 401,70 Euro. Außerdem sei der ermittelte Bedarf i.H.v. 572,22 Euro monatlich zu gering, tatsächlich bestehe ein Bedarf i.H.v. 776,86 Euro monatlich. Ausgehend von einem solchen Bedarf ergebe sich ein ungedeckter Bedarf i.H.v. 243,16 Euro monatlich und damit ein Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende und wegen Schwangerschaft in Höhe von monatlich 198,22 Euro.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Änderung des Bewilligungsbescheides vom 9. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. Juli 2012 in der Fassung des Bescheides vom 28. Januar 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8. Februar 2013 zu verpflichten, ihr Mehrbedarf wegen Schwangerschaft und Alleinerziehung i.H.v. 151,86 Euro monatlich für Juni und Juli 2012, i.H.v. 198,22 Euro monatlich für August und September 2012 und i.H.v. 112,51 Euro für November 2012 zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage nach Erlass der Änderungsbescheide abzuweisen.

Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass für die Monate August 2012 bis Oktober 2012 Mehrbedarfe mittlerweile bewilligt worden seien. Für die Monate Juni 2012 und Juli 2012 sowie November 2012 ergebe sich aufgrund des anzurechnenden Einkommens kein Anspruch auf Mehrbedarf für die Klägerin. Einschließlich der Kosten der Unterkunft und Heizung bestehe bei ihr von August bis September 2012 ein Gesamtbedarf von 778,37 Euro, dem anrechenbares Einkommen in Form der BAB (anrechenbar monatlich 325 Euro) und Erwerbseinkommen (anrechenbar 132 Euro) gegenüber stünden; es bestehe daher ein verbleibender Bedarf von 115,22 Euro.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 30. Januar 2014 den Beklagten unter Änderung der angegriffenen Bescheide verpflichtet, der Klägerin Mehrbedarf wegen Schwangerschaft und Alleinerziehung i.H.v. 151,86 Euro monatlich für Juni und Juli 2012, i.H.v. 198,22 Euro für August und September 2012 und i.H.v. 106,15 Euro für November 2012 zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Anspruch ergebe sich aufgrund einer von § 19 Abs. 3 SGB II abweichenden Reihenfolge der Einkommensberücksichtigung zur Bedarfsdeckung. Das Gesetz enthalte keine ausdrückliche Vorgabe zur Einsatzreihenfolge des zu berücksichtigenden Einkommens. Hieran ändere auch der Verweis auf die entsprechende Anwendung des § 19 Abs. 3 SGB II in § 27 Abs. 3 S. 1 SGB II nichts. Es ergebe sich daher eine von § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II abweichenden Reihenfolge der Einkommensberücksichtigung.

Vorliegend ergebe sich danach für Juni 2012 ein Bedarf der Klägerin aus Regelbedarf und Aufwendungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. 578,64 Euro. Auf diesen Bedarf sei die Ausbildungsvergütung von 265 Euro nach Abzug der Freibeträge in Höhe von 132 Euro anrechenbar. Bei der Ausbildungsvergütung sei der Erwerbstätigen Freibetrag abzusetzen gewesen, obwohl die Klägerin tatsächlich nicht gearbeitet habe, denn es käme allein auf die formelle Betrachtungsweise an, ob es sich um Erwerbseinkommen handele und nicht etwa um Lohnersatzleistungen. Die BAB sei in voller Höhe von 493 Euro zu berücksichtigen gewesen. Das insgesamt anrechenbare Einkommen habe damit bei 625 Euro und somit 46,36 Euro über dem Bedarf von 578,64 Euro gelegen. Daraus folge ein Anspruch auf Mehrbedarf wegen Schwangerschaft und Alleinerziehung i.H.v. 151,86 Euro, den die Klägerin mit dem überschießenden Einkommen von 46,36 Euro nicht habe decken können. Für Juli 2012 habe der Mehrbedarf bei 153,37 Euro gelegen, so dass die beantragten 151,86 Euro zu bewilligen gewesen seien. Im August 2012 und September 2012 habe der Mehrbedarf 198,22 Euro betragen und in diesen Monaten habe aufgrund der reduzierten BAB kein überschießendes Einkommen zur Verfügung gestanden, so dass der Mehrbedarf i.H.v. 198,22 Euro zu bewilligen sei. Für November 2012 habe der Gesamtbedarf, wie im August und September 2012, bei 580,15 Euro gelegen. Hierauf sei die BAB mit 325 Euro, sowie anrechenbares Mutterschaftsgeld i.H.v. 340,86 Euro anzurechnen, so dass das überschießende Einkommen 85,71 Euro betragen habe. Bei einem aufgrund der Geburt des Sohnes am 27. November 2012 reduzierten Mehrbedarfes von 191,86 Euro ergebe sich so ein ungedeckter Mehrbedarf i.H.v. 106,15 Euro. Die Berufung wäre nach § 144 SGG zuzulassen.

Gegen dieses dem Beklagten am 7. Februar 2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28. Februar 2014 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Das Gericht sei in unzulässiger Weise von der Reihenfolge der Einkommensanrechnung zur Bedarfsdeckung nach § 19 Abs. 3 SGB II abgewichen. Es meine fehlerhaft, dass das Gesetz keine ausdrückliche Vorgabe zu Einsatzreihenfolge enthalte. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der Zuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II durch Gegenüberstellung des fiktiven SGB-Bedarfes inklusive aller Mehrbedarfe gegenüber den zur Verfügung stehenden bereinigten Einkommen zu ermitteln. Danach sei zunächst das Einkommen zur Deckung der Regelleistungen heranzuziehen und dann, sollte ein Einkommensrest verbleiben, zur Deckung der Kosten für Unterkunft und Heizung (BSG, Urteil vom 22. März 2010, B 4 AS 69/09 R). Wenn und soweit ein ungedeckter Bedarf bei den Kosten der Unterkunft und Heizung verbleibe, würde dieser Betrag als Zuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II gewährt. Die Prüfung des Bedarfes nach § 27 Abs. 3 SGB II erfolge somit unabhängig von der Bedarfsprüfung eines Mehrbedarfes.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Leistungsakten des Beklagten (), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2014 (§ 143 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) und damit allein der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Mehrbedarfe nach § 21 SGB II. Nur über einen solchen Anspruch hat der Beklagte in seinen streitgegenständlichen Bescheiden entschieden und nur diese Entscheidung hat die Klägerin im anhängigen Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin zur Überprüfung gestellt (vgl. auch BSG, Urteil vom 16.Juni 2015, B 4 AS 37/14 R, m.w.N., zitiert nach juris). Entsprechend enthält das angegriffene Urteil auch nur hierzu eine Entscheidung. Demgegenüber ist im hiesigen Verfahren nicht ein Anspruch auf Regelleistungen im Sinne von § 20 SGB II sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II im Streit, von denen die Klägerin ohnehin nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen wäre.

Die so verstandene Berufung des Beklagten ist zulässig. Es kann dahinstehen, ob sie aufgrund einer durch das Sozialgericht Berlin erfolgten Zulassung statthaft ist. Denn zum einen ist eine Zulassung im Tenor nicht einmal erwähnt und ob in den Entscheidungsgründen eine solche ausdrückliche Zulassung ausgesprochen werden sollte (vergleiche hierzu Leitherer, a.a.O.; § 144 Rn. 39 m.w.N.), erscheint im Hinblick auf die gewählte Formulierung zumindest als sehr zweifelhaft. In den Entscheidungsgründen ist nämlich lediglich ausgeführt worden, dass die Berufung "zuzulassen war", weil "die Frage, wie die Einkommensberechnung im Zusammenhang mit § 27 Abs. 2 SGB II zu erfolgen hat" ungeklärt sei. Dies mag nach dem Wortlaut als Begründung anzusehen sein, weshalb eine Berufung gegebenenfalls zuzulassen wäre; den ausdrücklichen und zweifelsfreien Ausspruch einer solchen Zulassung ersetzt eine solche Begründung allerdings grundsätzlich nicht. Zum anderen bedurfte die Berufung aber auch tatsächlich nicht der Zulassung, weil das Sozialgericht den Beklagten verurteilt hat, insgesamt an die Klägerin 806,31 EUR (=151,86 EUR + 151,86 EUR + 198,22 EUR + 198,22 EUR + 106,15 EUR) zu gewähren und damit mehr als die mindestens erforderlichen 750 Euro nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Eine Anrechnung der bereits von dem Beklagten für August 2012 und September 2012 gewährten Mehrbedarfe (von jeweils 115,22 Euro/monatlich) erfolgte im Urteil erkennbar nicht, so dass die Beschwer für den Beklagten bei der vollen ausgeurteilten Summe zu sehen ist.

Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht Berlin hat mit dem angegriffenen Urteil den Beklagten zu Unrecht unter Änderung seiner Bescheide zur Erbringung höherer Mehrbedarfe für werdende Mütter und Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 2 und 3 SGB II verurteilt.

Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der hier anzuwendenden seit dem 1. April 2011 geltenden Fassung des Gesetzes (BGBl. I S. 2854) Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige).

Nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I 2011, S. 2854-2926) haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Gemäß § 27 Abs. 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I 2011, S. 2854-2926), gültig vom 1. April 2012 bis zum 31. Juli 2016, werden Leistungen in Höhe der Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 2, 3, 5 und 6 und in Höhe der Leistungen nach § 24 Abs. 3 Nr. 2 erbracht, soweit die Mehrbedarfe nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gedeckt sind.

Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt (§ 21 Abs. 2 SGB II).

Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammen leben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist nach § 21 Abs. 3 SGB II ein Mehrbedarf anzuerkennen

1. in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Abs. 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder 2. in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Abs. 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nr. 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Abs. 2 maßgebenden Regelbedarfs.

Nach diesen Regelungen hat die Klägerin über die bereits von dem Beklagten für die Monate August 2012 bis einschließlich Oktober 2012 bewilligten (Mehrbedarfs-) Leistungen hinausgehend keinen weiteren Anspruch.

Hier ist zunächst bereits zweifelhaft, ob nach der erneuten Schwangerschaft und späteren Geburt des dritten Kindes im Hinblick auf den späteren Vater überhaupt die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf für einen Alleinerziehenden im Sinne von § 21 Abs. 3 SGB II vorgelegen haben. Denn es besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich der neue Partner und Vater des dritten Kindes an der Pflege und Erziehung der beiden ersten Kinder beteiligt hat. Hierzu sind keinerlei Feststellungen erfolgt.

Selbst wenn allerdings von einer alleinigen Pflege und Erziehung der Kinder durch die Klägerin ausgegangen würde, besteht ein weiterer Anspruch nach § 27 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 und 3 SGB II nicht, weil die Mehrbedarfe insoweit durch zu berücksichtigendes Einkommen insoweit gedeckt sind.

Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts in der angegriffenen Entscheidung und auch einer weiteren Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2015 (S 205 AS 8970/14, zitiert nach juris, mit weiteren Nachweisen) existiert nach Ansicht des Senates mit der Regelung des § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II sehr wohl eine gesetzliche Vorgabe zur Einkommensberücksichtigung, die auch im Rahmen der Anwendung des § 27 Abs. 2 SGB II zumindest entsprechend zu berücksichtigen ist.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts Berlin kann schon aus dem Wortlaut der Regelung des § 27 Abs. 2 SGB II nicht entnommen werden, dass vorhandenes Einkommen und Vermögen auf Mehrbedarfe gegebenenfalls erst nachrangig anzurechnen ist. Denn nach dem Wortlaut der Regelung des § 27 Abs. 2 SGB II besteht ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 2, 3, 5 und 6 SGB II nur, "soweit die Mehrbedarfe nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gedeckt sind". Ein Anspruch auf einen Mehrbedarf steht also unter einem entsprechenden Vorbehalt der Bedürftigkeit. Ist Einkommen oder Vermögen vorhanden, ist dies nach dem Wortlaut der Regelung grundsätzlich vorrangig zu Befriedigung des Mehrbedarfes einzusetzen, ohne dass ein Nachrangverhältnis zu anderen Leistungen normiert wäre. Allein nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 SGB II wäre mithin sogar jegliches berücksichtigungsfähiges Einkommen unmittelbar auf die Mehrbedarfe anzurechnen.

Würde allerdings entsprechend dem Wortlaut tatsächlich jegliches Einkommen unmittelbar zur Befriedigung des Mehrbedarfes herangezogen, so würde dies regelmäßig dazu führen, dass der Anwendungsbereich kaum bzw. nicht eröffnet wäre und Mehrbedarfe regelmäßig nicht zu leisten wären. Denn regelmäßig erhalten Auszubildende im Sinne von § 27 SGB II Leistungen und Entgelte, die zu berücksichtigen sind und die angesichts der Höhe möglicher Mehrbedarfe im Sinne von § 27 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 und 3 SGB II zur Deckung dieser Mehrbedarfe ausreichen würden.

Nach Ansicht des Senats ergibt sich daher sowohl aus der Systematik des Gesetzes als auch dem Zweck der Regelungen eine Anwendbarkeit der Vorrangregelung aus § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II.

Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II "deckt zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen zunächst die Bedarfe nach §§ 20, 21 und 23, darüber hinaus die Bedarfe nach § 22".

Der Wortlaut dieser gesetzlichen Regelung gibt also eine entsprechende Reihenfolge dahingehend vor, dass zunächst der Regelbedarf (§ 20), dann die Mehrbedarfe (§ 21) und schließlich die besonderen Bedarfe beim Sozialgeld (§ 23) zu bedienen sind; erst danach sind die Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen (§ 22). Entsprechend hat das Bundessozialgericht auch bereits mit Urteil vom 17. Juli 2014 (B 14 AS 25/13 R, mit weiteren Nachweisen, zitiert nach juris) entschieden, dass ein Gehaltszufluss als Einkommen zunächst zur Deckung des Regelbedarfes zu nutzen ist und, soweit er diesen Regelbedarf nur teilweise deckt, eine Berücksichtigung nur dort zu erfolgen hat.

Auch die Systematik der Regelungen spricht für eine Anwendung der Reihenfolge aus § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II bei Leistungen nach § 27 SGB II i.V.m. § 21 SGB II.

Die Regelung des § 19 SGB II findet sich im Zweiten Abschnitt (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts) des Dritten Kapitels (Leistungen) des SGB II. Sie bildet als alleinige Regelung den Unterabschnitt 1 (Leistungsanspruch) und betrifft schon nach ihrer Überschrift das "Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Leistungen für Bildung und Teilhabe". Die Regelungen zum Arbeitslosengeld II und Sozialgeld finden sich im Zweiten Unterabschnitt in den §§ 20-23 SGB II. Hier sind in dem § 21 SGB II auch die Mehrbedarfe geregelt. Die Leistungen für Bildung und Teilhabe finden sich im Vierten Unterabschnitt in den §§ 28 und 29 SGB II und im Dritten Unterabschnitt finden sich in den §§ 24-27 abweichende Leistungen und weitere Leistungen. Der § 19 SGB II ist damit systematisch im Ersten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts sämtlichen Regelungen zur Leistungserbringung für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorangestellt und trifft insofern spezialgesetzliche Regelungen insbesondere zur Einkommensanrechnung bei Mehrbedarfen nach § 21 SGB II, auf die § 27 SGB II Bezug nimmt.

Darüber hinaus spiegelt sich in der Regelung des § 19 SGB II auch die systematische Trennung von einerseits dem Regelbedarf und Mehrbedarfen und andererseits Bedarfen für Unterkunft und Heizung wieder, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch zu trennbaren Streitgegenständen (vergleiche unter anderem Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Juni 2015, B 4 AS 37/14 R, mit weiteren Nachweisen, zitiert nach juris) und finanziell zu unterschiedlichen Trägern (vergleiche § 46 Abs. 5 SGB II) führen.

Diesem System folgt zudem der Aufbau der Regelung des § 27 SGB II selbst.

Er folgt im Wesentlichen dem Aufbau des zweiten Abschnittes für den Leistungsanspruch überhaupt. Im Ersten Absatz des § 27 SGB II wird nochmals klargestellt, dass Auszubildende im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II kein Arbeitslosengeld II, insbesondere also keinen Regelbedarf im Sinne von § 20 SGB II, erhalten. Im § 27 Abs. 2 SGB II findet sich dann eine Sonderregelung zu den Mehrbedarfen nach § 21 SGB II. Darauf folgt im Abs. 3 a.F. des § 27 SGB II eine Regelung zum Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II. In diesem Abs. 3 findet sich dann auch ein ausdrücklicher Hinweis auf die Reihenfolge nach § 19 Abs. 3 SGB II. Denn nur wenn unter Beachtung "der entsprechenden Anwendung des § 19 Abs. 3" ein Bedarf für Aufwendungen von Unterkunft und Heizung ungedeckt ist, besteht ein Anspruch auf einen entsprechenden Zuschuss.

Soweit aus der Formulierung im § 27 Abs. 3 SGB II in der hier im Jahre 2012 anzuwenden und bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung (a.F.) vereinzelt der Umkehrschluss gezogen wird, nur hier sei § 19 Abs. 3 SGB II entsprechend anwendbar, vermag dies nicht zu überzeugen. Einer "entsprechenden" Anwendung bedurfte es deshalb, weil die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II zum Arbeitslosengeld II gehören und Auszubildende von solchen Leistungen nach § 7 Abs. 5 SGB II ja gerade ausgeschlossen sind. "Entsprechend" erhalten sie also auch nicht "Bedarfe für Unterkunft und Heizung" im Sinne von § 22 SGB II, sondern nach § 27 Abs. 3 SGB II a.F. nur einen "Zuschuss", welcher nicht als Arbeitslosengeld II gilt (§ 27 Abs. 1 S. 2 SGB II). Folgerichtig wurde im § 27 Abs. 3 SGB II a.F. die entsprechende Anwendung des § 19 Abs. 3 SGB II vorgeschrieben, weil dieser nach seinem Wortlaut nur den Regelbedarf im Sinne von § 20 ff. SGB II betrifft.

Dieselbe Situation findet sich allerdings auch bei den Mehrbedarfen nach § 21 SGB II. Auch diese stellen Arbeitslosengeld II dar, von denen Auszubildende aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen sind und daher nur entsprechend über § 27 Abs. 2 SGB II SGB II Leistungen erhalten, die ebenfalls nicht als Arbeitslosengeld II gelten. Ist jedoch zur Ermittlung des Zuschusses zu den Aufwendungen der Unterkunft und Heizung nach der klaren gesetzlichen Regelung im § 27 Abs. 3 SGB II a.F. der § 19 Abs. 3 SGB II entsprechend anwendbar, so erschließt sich nicht, weshalb eine solche Anwendung bei derselben Problematik im Rahmen des § 27 Abs. 2 SGB II unterbleiben sollte.

Die Systematik innerhalb der Regelung des § 27 SGB II spricht mithin weiterhin für eine Anwendung der grundsätzlichen Regelung aus § 19 Abs. 3 SGB II.

Schließlich spricht ebenfalls der Zweck des § 27 Abs. 2 SGB II für die Anwendung des § 19 Abs. 3 SGB II.

Ausweislich des Gesetzesentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 26. Oktober 2010 (Bundestagsdrucksache 17/3404, Seite 103, zu Abs. 1 und 2) erfolgte die Regelung zu den Mehrbedarfen im § 27 Abs. 2 SGB II im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgericht zu § 7 Abs. 5 SGB II und dem Bundesverwaltungsgericht zum früheren § 26 Bundessozialhilfegesetz, wonach der Leistungsausschluss für Auszubildende nur für so genannte ausbildungsgeprägte Bedarfe bestand, also insbesondere die Regelbedarfe für den Lebensunterhalt sowie die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Daher sollte nunmehr ein Anspruch für Auszubildende auf Mehrbedarf zum Lebensunterhalt erstmalig gesetzlich geregelt werden. Allerdings sollen nach diesem Gesetzesentwurf "Auszubildende nicht besser oder schlechter als Personen gestellt werden, die grundsätzlich einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben".

Genau eine solche Besserstellung würde jedoch eintreten, wenn die Reihenfolge des § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II im Rahmens § 27 Abs. 2 SGB II nicht beachtet würde.

Wie bereits dargestellt, führt die Regelung des § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II bei Personen mit einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II zu einer festen Reihenfolge der Einkommensberücksichtigung. Nach der oben genannten Rechtsprechung des BSG (B 14 AS 45/13 R) wäre daher ein Anspruch auf Mehrbedarfe im Sinne von § 21 SGB II dann schon nicht mehr gegeben, wenn die Einkünfte zur Befriedigung des Regelbedarfes und auch noch des Mehrbedarfes ausreichten. Würde demgegenüber, wie vorliegend durch das Sozialgericht Berlin geschehen, das Einkommen zunächst zur Befriedigung des fiktiven Regelbedarfes und dann der Kosten der Unterkunft und Heizung herangezogen, so würde für Auszubildende durch erzieltes Einkommen ein Mehrbedarf - wenn überhaupt- erst deutlich später befriedigt. Mit anderen Worten hätten sie aufgrund einer erst später erfolgten Einkommensanrechnung eher einen Anspruch auf Mehrbedarfe im Sinne von § 21 SGB II, als die Personen, die grundsätzlich einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben. Damit würde zugleich der Leistungsausschluss und die Wertung aus § 7 Abs. 5 SGB II zumindest relativiert, wenn nicht gar in das Gegenteil verkehrt. Zumindest für Mehrbedarfe nach § 21 SGB II hätten die von Arbeitslosengeld II sogar grundsätzlich ausgeschlossenen Auszubildenden sogar eher einen Anspruch, als die Leistungsberechtigten im Sinne von § 7 SGB II.

Soweit die Ansicht vertreten wird, bei der Einkommensanrechnung müsste zunächst auf den Regelbedarf und dann auf die Kosten der Unterkunft und Heizung abgestellt werden, weil ansonsten ein (höherer) Anspruch auf einen Zuschuss zu den Kosten der Unterkunft und Heizung absehbar wäre, der allein den kommunalen Trägern zur Last fallen würde, obwohl er letztlich nicht "in äußerster Nähe zu den Ausbildungsbeihilfen nach BAföG und dem SGB III" steht, führt dies nicht zu einer anderen Einschätzung. Denn es existiert bei Leistungen nach dem SGB II dieselbe Problematik und führte dort gerade zu der Regelung des § 19 Abs. 3 SGB II. Auch dort reicht vorhandenes Einkommen und Vermögen regelmäßig nicht zur Deckung des Lebensbedarfes und führt daher gerade zu ergänzenden Leistungsansprüchen nach dem SGB II. Und auch dort sind nach der Regelung des § 19 Abs. 3 SGB II gerade die Kommunen von einer Deckungslücke besonders betroffen, weil Einkommen und Vermögen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung erst zuletzt anzurechnen sind. Diese in das SGB II ausdrücklich und bewusst aufgenommene Reihenfolge und damit auch Wertung des Gesetzgebers ist nach Ansicht des erkennenden Senats auch im Rahmen des § 27 SGB II zu respektieren.

Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, dass beispielsweise Leistungen nach dem BAföG gemäß § 56 Abs. 1 BAföG komplett vom Bund zu tragen sind. Denn die Aufnahme der Regelung des § 27 SGB II erfolgte gerade nicht im BAföG oder SGB III, sondern im SGB II. Hätte der Gesetzgeber eine andere Wertung hinsichtlich des Risikos der Kostenlast treffen wollen, so hätte er entsprechende Ansprüche auf Mehrbedarfe in die Regelungen zur Ausbildungsförderung aufnehmen oder eine von § 19 Abs. 3 SGB II abweichende Regelung im Rahmen des § 27 SGB II vornehmen können. Dies ist jedoch gerade nicht geschehen. Im Gegenteil wurde in § 27 Abs. 3 SGB II sogar ausdrücklich die entsprechende Anwendung des § 19 Abs. 3 SGB II festgeschrieben. Auch dies lässt erkennen, dass der Gesetzgeber sich durchaus der Konsequenz der Risikoverteilung zulasten der Kommunen bewusst gewesen ist.

Danach bleibt abschließend festzuhalten, dass unter Anwendung des § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II auch bei Auszubildenden im Sinne von § 7 Abs. 5 und 27 Abs. 1 SGB II im Rahmen der Ermittlung von Mehrbedarfen nach § 27 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 Abs. 2 und 3 SGB II vorhandenes Einkommen und Vermögen bei der fiktiven Bedarfsberechnung zunächst auf den Regelbedarf (nach § 20), dann auf die Mehrbedarfe (nach § 21) und danach das Sozialgeld (§ 23) anzurechnen ist, erst darüber hinaus auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22).

Für den streitigen Zeitraum ergibt sich damit für die hier geltend gemachten Ansprüche auf Mehrbedarfe aus § 21 SGB II folgende Berechnung:

Als fiktiver monatlicher Bedarf der Klägerin ist für den gesamten Zeitraum bis zum 27. November 2012 ein Regelbedarf (im Sinne von § 20 SGB II) von 374 Euro monatlich zuzüglich eines Mehrbedarfes für Alleinerziehende (im Sinne von § 21 Abs. 3 SGB II) von 134,64 Euro monatlich und für Schwangerschaft (im Sinne von § 21 Abs. 2 SGB II) von 63,58 Euro (beide Mehrbedarfe zusammen: 198,22 Euro monatlich) anzurechnen. Mit der Geburt des Kindes am 27. November 2012 entfiel ein fiktiver Bedarf für Schwangerschaft. Insgesamt ergibt sich danach ein fiktiver Bedarf aus §§ 20 und 21 SGB II in Höhe von insgesamt 572,22 Euro monatlich (=374 Euro + 198,22 Euro) für die Monate Juni 2012 bis einschließlich Oktober 2012. Für den Zeitraum vom 1. bis zum 27. November 2012 ergibt sich für die Schwangerschaft ein fiktiver Bedarf von 57,22 Euro und damit bei ansonsten unveränderten fiktiven Bedarfen (Regelbedarf und Alleinerziehung) ein monatlicher fiktiver Gesamtbedarf von 565,86 Euro.

Unter Berücksichtigung dieser fiktiven Bedarfe ergibt sich für den streitigen Zeitraum von Juni 2012 bis einschließlich November 2012 folgende Berechnung:

fiktiver Bedarf Einkünfte ungedeckter Bedarf Juni 2012 Arbeitsentgelt 132,00 Euro BAB 493,00 Euro insgesamt 572,22 Euro - 625,00 Euro = 0,00 Euro

Juli 2012 Arbeitsentgelt 132,00 Euro BAB 493,00 Euro insgesamt 572,22 Euro - 625,00 Euro = 0,00 Euro August 2012 Arbeitsentgelt 132,00 Euro BAB 325,00 Euro insgesamt 572,22 Euro - 457,00 Euro = 115,22 Euro

September 2012 Arbeitsentgelt 132,00 Euro BAB 325,00 Euro insgesamt 572,22 Euro - 457,00 Euro = 115,22 Euro

Oktober 2012 (ist nicht mehr im Streit, weil ein Mehrbedarf in voller möglicher Höhe von 198,22 Euro bewilligt wurde)

November 2012 Arbeitsentgelt 0,00 Euro Mutterschaftsgeld 340,86 Euro BAB 325,00 Euro insgesamt 565,86 Euro - 665,86 Euro = 0,00 Euro

Entsprechend wurden von dem Beklagten der Klägerin mit Bescheiden vom 8. Februar 2013 für die Monate August und September 2012 jeweils 115,22 Euro und mit Bescheid vom 29. Januar 2013 für den Monat Oktober 2012 der komplette fiktive Mehrbedarf i.H.v.198,22 Euro bewilligt. Ein über diese Bewilligungen hinausgehender Anspruch besteht damit nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass der Beklagte erst im laufenden Klageverfahren mit Bescheiden vom Januar und Februar 2013 die begehrten Mehrbedarfe teilweise bewilligte. Angesichts beantragter Leistungen i.H.v. 198,22 Euro/monatlich für den Zeitraum von sechs Monaten und damit einem Gesamtbetrag von 1.189,32 Euro und erhaltenen Leistungen in Höhe von (115,22 Euro x 2 Monate + 198,22 Euro=) 428,22 Euro ergibt sich eine Erfolgsquote von einem Drittel.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen. Die hier anzuwendende Fassung des § 27 SGB II ist am 1. August 2016 außer Kraft getreten.
Rechtskraft
Aus
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