Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 1817/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 340/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.11.2014 abgeändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 01.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2013 wird lediglich hinsichtlich der erfolgten "Verrechnung" aufgehoben. Insoweit wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rückzahlung überzahlter Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung streitig.
Die am 1957 geborene Klägerin, ausgebildete Krankenschwester, bezog auf Grund Bescheids vom 30.11.2009 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 01.12.2009 bis 31.03.2011. Mit Bescheid vom 03.02.2011 bewilligte die Beklagte diese Rente weiter bis zum 31.03.2013 (Zahlbetrag vom 01.07.2011: 502,06 EUR). In ihrer in Teilzeit ausgeübten Tätigkeit als Krankenschwester war die Klägerin ab 22.12.2010 arbeitsunfähig, weshalb sie von ihrer Krankenkasse, der B., vom 01.02.2012 bis 22.05.2012 ein kalendertägliches Krankengeld von 43,31 EUR bezog (Bl. 354 VA).
Auf ihren im Januar 2012 gestellten Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 22.05.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.01.2012 in Höhe von anfänglich monatlich 1.117,56 EUR brutto (netto 1.004,13 EUR) und ab 01.07.2012 laufend in Höhe von monatlich 1.141,97 EUR brutto (netto 1.026,06 EUR). Für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 errechnete sie einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 6.024,78 EUR, der vorläufig nicht ausgezahlt werde. Gleichzeitig (Anlage 10 des Bescheides) hob die Beklagte den Bescheid über die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hinsichtlich des Zahlungsanspruchs für die Zeit ab 01.01.2012 gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) auf und stellte für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 einen Überzahlungsbetrag in Höhe von 3.012,36 EUR fest, der gemäß § 50 SGB X zu erstatten sei. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Nachfolgend beglich die Beklagte den von der B. im Februar 2012 angemeldeten (Bl. 286 VA) und im Juni 2012 in Höhe von 4.729,13 EUR abgerechneten (vgl. Bl. 354 VA) Erstattungsanspruch.
Mit Bescheid vom 01.08.2012 teilte die Beklagte der Klägerin die Abrechnung der Rentennachzahlung bzw. -überzahlung mit. Von der einbehaltenen Rentennachzahlung in Höhe von 6.024,78 EUR sei durch die Erfüllung des Erstattungsanspruchs der B. in Höhe von 4.729,13 EUR noch ein Nachzahlungsbetrag von 1.295,65 EUR verblieben. Den überzahlten Betrag (3.012,36 EUR) habe sie mit dieser Nachzahlung verrechnet, wodurch die restliche Überzahlung noch 1.716,71 EUR betrage. Dieser Betrag sei zurückzuzahlen. Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin eine Falschberechnung des Erstattungsanspruchs der B. sowie die Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheids geltend, da selbst bei Bejahung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ein atypischer Fall vorliege, der eine Ermessensentscheidung der Beklagten notwendig gemacht hätte. Zudem habe die Beklagte die Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 2 Nr. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) unberücksichtigt gelassen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit dem angefochtenen Bescheid sei unter Berücksichtigung des Erstattungsanspruchs der B. lediglich die Verrechnung der Restnachzahlung mit der Überzahlung erfolgt. Soweit geltend gemacht werde, es liege ein atypischer Fall gemäß § 48 SGB X vor und § 96a SGB VI sei unbeachtet geblieben, gehe dies ins Leere, da dies auf eine Fehlerhaftigkeit des bestandskräftigen Bescheids vom 22.05.2012 ziele, nicht jedoch auf den angefochtenen Bescheid vom 01.08.2012.
Am 05.06.2013 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Voraussetzungen der begehrten Rückforderung lägen nicht vor, und auf die §§ 96a SGB VI und 50 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verwiesen. Ihr stehe ferner das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21.01.2010, L 3 R 135/06, zur Seite.
Mit Urteil vom 21.11.2014 hat das SG den Bescheid vom 01.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2013 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die im Streit stehende Rückforderung von Rentenleistungen richte sich nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, wobei ein atypischer Fall vorliege. Eine deshalb vorzunehmende Ermessensentscheidung habe die Beklagte nicht getroffen, weshalb sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig erweise.
Gegen das der Beklagten am 29.12.2014 zugestellte Urteil hat diese am 28.01.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe den Streitgegenstand verkannt. Gegenstand des Verfahrens sei allein der verlautbarte Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot (Leistungsbescheid), nämlich die Anordnung, die Klägerin habe 1.716,71 EUR als zu erstattender Wert zu Unrecht gezahlter Rente zu zahlen bzw. zu überweisen (Bescheid vom 01.08.2012). Auf diese Rückforderung der Rentenleistungen die Regelungen des § 48 SGB X anzuwenden, sei fehlerhaft. Über die Aufhebung des Zahlungsanspruchs hinsichtlich der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und die Feststellung des Erstattungsanspruchs sei bereits mit Bescheid vom 22.05.2012 bindend entschieden worden. Die Aufrechnung des Nachzahlungsanspruchs der Klägerin mit ihrer Gegenforderung und die Geltendmachung der Überzahlung sei nicht zu beanstanden. Insoweit beruft sich die Beklagte auf Urteile verschiedener Sozialgerichte, nach denen ihr Vorgehen gleichermaßen für rechtmäßig erachtet worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.11.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist jedoch nur teilweise begründet.
Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2013 zu Unrecht in vollem Umfang aufgehoben. Denn dieser ist nur teilweise, in Bezug auf die erklärte Aufrechnung, rechtswidrig und verletzt die Klägerin auch nur in diesem Umfang der Rechtswidrigkeit in ihren Rechten. Insoweit ist die Berufung der Beklagten unbegründet. Im Übrigen ist die Berufung begründet. Der Anspruch der Klägerin auf den errechneten Nachzahlungsbetrag von Rente wegen voller Erwerbsminderung erlosch in Höhe des von der B. für einen Teil dieses Nachzahlungszeitraumes geltend gemachten Erstattungsanspruches. Dies stellte die Beklagte (sinngemäß) zutreffend im angefochtenen Bescheid fest.
Gegenstand des Rechtsstreits ist ausschließlich der Bescheid vom 01.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2013. Mit diesem Bescheid teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe den Erstattungsanspruch der Krankenkasse erfüllt (Restbetrag aus der Rentennachzahlung somit 1.295,65 EUR) und sie verrechne diesen Restbetrag mit der überzahlten Rente (aus der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung), so dass 1.716,71 EUR von der Klägerin zurückzuzahlen seien.
Regelungsgegenstand dieses Bescheides ist somit zum einen die Abrechnung der Rentennachzahlung in Bezug auf den Erstattungsanspruch der B. mit dem der Klägerin mitgeteilten Ergebnis, dass sich die Nachzahlung auf 1.295,65 EUR mindere. In rechtlicher Hinsicht stellte die Beklagte damit die teilweise Erfüllung des Anspruches der Klägerin auf die nachzuzahlende Rente (§ 107 SGB X, s. noch nachfolgend) fest. Soweit die Beklagte in den letzten Schriftsätzen vorträgt, es handle sich insoweit nicht um eine Regelung i.S. des § 31 SGB X, folgt der Senat dem nicht. Insbesondere ergibt sich dies auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten Urteil des BSG vom 25.01.2011 (B 5 R 14/10 R in SozR 4-1300 § 63 Nr. 15). Dort ist zwar ausgeführt, dass der Mitteilung eines bloßen rechnerischen Ergebnisses kein Regelungswert zukomme. Indessen ist die Abrechnung eines Erstattungsanspruche nach den §§ 103 ff. SGB X gerade keine solche bloße rechnerische Operation. Denn vor dieser Rechenoperation muss die Beklagte prüfen und entscheiden (i.S. des den Begriff des Verwaltungsakts definierenden § 31 SGB X: "Verwaltungsakt ist jede ... Entscheidung ..."), ob und in welcher Höhe tatsächlich ein solcher Erstattungsanspruch besteht. Daran ändert auch der von der Beklagten angeführte Umstand nichts, dass dieser Erstattungsanspruch per Gesetz entsteht. Dies trifft im Grunde auf nahezu alle Ansprüche im Sozialversicherungsrecht zu, wobei die jeweilige Umsetzung dann durch den Bescheid des jeweiligen Trägers erfolgt. Im Übrigen räumt die Beklagte eine Prüfungspflicht selbst ein, wenn sie vorträgt, sie müsse auf "offensichtliche Unrichtigkeiten" prüfen. Insoweit hat der Senat über eine reine Anfechtungsklage zu befinden.
Zum anderen ist Regelungsgegenstand des Bescheides vom 01.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2013 die von der Beklagten erklärte "Verrechnung" (richtig: Aufrechnung, § 51 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -). Insoweit befremdet, dass die Beklagte auch diesbezüglich das Vorliegen eines Verwaltungsaktes bestreitet und diesen Vorgang als "Realakt" bezeichnet. Gerade die Beklagte vertrat seit jeher - zeitweise gegen höchstrichterliche Rechtsprechung - die (nach aktuellem Stand, vgl. die einschlägige Kommentarliteratur, zutreffende) Auffassung, dass Aufrechnung bzw. Verrechnung durch Verwaltungsakt erfolge. Soweit die Beklagte in ihrem letzten Schriftsatz geltend gemacht hat, bei der in dem angefochtenen Bescheid erklärten "Verrechnung" ("Den überzahlten Betrag haben wir mit dieser Nachzahlung verrechnet.") handele es sich gerade nicht um eine Aufrechnung im Sinne des § 51 SGB I, ist auch dies nicht nachvollziehbar. Der von der Beklagten in diesem Zusammenhang angesprochene Hinweis im Bescheid vom 01.08.2012, die Vorgehensweise der Verrechnung liege im Interesse der Klägerin, woraus sich ergebe, dass die Klägerin Gegenteiliges vorbringen könne, weshalb dem Bescheid der Charakter einer einseitigen Zwangsmaßnahme nicht entnommen werden könne, ändert nichts daran, dass die Beklagte der Klägerin im Bescheid mitteilte, sie habe "den überzahlten Betrag ... mit dieser Nachzahlung verrechnet" und dann zugleich den Differenzbetrag aus dieser Aufrechnung als noch zu erstattenden Betrag errechnete. Gerade dies - die erfolgte "Verrechnung" - stellte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 23.05.2013 auch ausdrücklich fest (" ... konnte diese mit der festgestellten Überzahlung ... verrechnet werden, so dass von Ihnen nur noch 1.716,71 EUR ... zu erstatten sind"). Im Übrigen setzt eine Aufrechnung nicht voraus, dass ausdrücklich erklärt wird, es werde eine "Aufrechnung" vorgenommen. Ausreichend ist vielmehr, wenn - wie vorliegend - aus dem einseitig erfolgten Handeln des Versicherungsträgers hinreichend deutlich wird, dass einer Geldforderung des Leistungsberechtigten (Rentennachzahlung in Höhe von 1.295,65 EUR) eine Forderung des Versicherungsträgers gegenübersteht (Überzahlung in Höhe von 3.012,36 EUR) und diese, soweit sie sich decken, erlöschen sollen. Auch der Umstand, dass die Vorgehensweise der Beklagten ggf. im Interesse der Versicherten liegen mag, weil sich dadurch der zu erstattende Überzahlungsbetrag vermindert, ändert am Charakter der vorgenommenen Maßnahme, die sich rechtlich als Aufrechnung darstellt, nichts. Im Sinne des Vorbringens der Beklagten würde sich im Übrigen jegliche Aufrechnung des Leistungsträgers - und damit auch die ausdrücklich erklärte - als im Interesse des Versicherten liegende Maßnahme darstellen. Denn eine Aufrechnung führt regelmäßig zu einem zumindest teilweisen Erlöschen einer Verbindlichkeit des Versicherten. Dies macht deutlich, dass das (ohnehin nur mutmaßliche) Interesse des Versicherten nicht maßgebliches Kriterium für die rechtliche Bewertung des in Rede stehenden Regelungsgegenstandes im Bescheid vom 01.08.2012 sein kann. Der Senat entscheidet daher auch insoweit auf eine reine Anfechtungsklage.
Es bedarf keiner abschließenden Erörterung (s. hierzu bereits das Urteil des Senats vom 14.07.2016, L 10 R 2514/15, in juris), ob der von der Beklagten als Ergebnis der beschriebenen Regelungsgegenstände als zu erstatten mitgeteilte Betrag (1.716,71 EUR) als weiterer Regelungsgegenstand anzusehen ist. Soweit die Beklagte insoweit ein "Zahlungsgebot" in den Vordergrund rückt, ist die insoweit im Bescheid gezogene Schlussfolgerung tatsächlich das Ergebnis einer reinen Rechenoperation, auf der Grundlage der oben dargestellten beiden Regelungen (Erfüllung wegen Erstattungsanspruch, im Übrigen Aufrechnung). Dies würde nach der von der Beklagten selbst angeführten Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) die Annahme eines Verfügungssatzes ausschließen. In Bezug auf den Begriff "Zahlungsgebot" beruft sich die Beklagte im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls zu Unrecht auf § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Danach ist "die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen". Diese Regelung steht im wörtlichen und systematischen Zusammenhang mit § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB X, die - wie die Vorschrift insgesamt, s. deren Überschrift - die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen regelt. Einen Bezug zu Erstattungsansprüchen Dritter und Aufrechnungen weist die Vorschrift nicht auf. Vielmehr erfolgte eine solche Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X - entgegen der Auffassung der Beklagten - bereits mit dem - bestandskräftig gewordenen - Bescheid vom 22.05.2012 (" ... ergibt sich eine Überzahlung von 3.012,36 EUR. Der überzahlte Betrag ist zu erstatten ..."). Mit dieser Formulierung setzte die Beklagte die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstattende Leistung entsprechend der Regelung des § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X fest. Soweit die Beklagte hierzu ausführt, der Bescheid vom 22.05.2012 enthalte keine Ausführungen dazu, "welcher Betrag bis wann auf welches Konto zu überweisen ist", trifft dies zwar zu. Doch sind derartige Formalitäten nicht Regelungsgegenstand (Verfügungssatz) einer Festsetzung nach § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Soweit die Beklagte solche Formalitäten für den Begriff eines "Zahlungsgebotes" für erforderlich erachtet, hat dies mit dem Begriff des Verwaltungsaktes i.S. § 31 SGB X (" ... Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme ...") nichts zu tun. Diese Frage - Verwaltungsakt oder nicht - kann deshalb offen bleiben, weil die Klägerin insoweit keine Anfechtungsklage erheben kann. Denn mit Kassation der erklärten Aufrechnung - aus Sicht der Klägerin weil mangels Forderung der Beklagten bereits keine Aufrechnungslage bestehe - würde das ausgesprochene "Zahlungsgebot" nicht zu Ungunsten der Kläger rechtswidrig. Vielmehr würde mit Wegfall der Aufrechnung die mit Bescheid vom 22.05.2012 bestandskräftig festgesetzte (s.o.) Erstattungsforderung in vollem Umfang wieder "aufleben", also in Höhe von 3.012,36 EUR. Das aus Sicht der Beklagten ausgesprochene Zahlungsgebot ist niedriger und für die Klägerin daher günstiger.
Keiner Klärung bedarf es im vorliegenden Fall, ob der errechnete Nachzahlungsbetrag ebenfalls i.S. eines Verwaltungsaktes festgestellt wurde (und wenn ja, in welchem der beiden ergangenen Bescheide). Denn Fehler in der Berechnung dieses Nachzahlungsbetrages sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dieser Betrag steht daher als Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 fest.
Der Senat entscheidet daher inhaltlich zum einen über die Frage, inwieweit der Anspruch der Klägerin auf eine Nachzahlung von Rente wegen voller Erwerbsminderung durch eine Erstattungsforderung erloschen ist und zum anderen, inwieweit der Restbetrag der Forderung durch Aufrechnung erloschen ist.
Dementsprechend macht die Beklagte mit ihrer Berufung zutreffend geltend, dass das SG weder zu entscheiden hatte, ob die Aufhebung der bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hinsichtlich des Zahlungsanspruchs ab 01.01.2012 rechtmäßig war, noch darüber, ob sie zu Recht eine zu erstattende Überzahlung in Höhe von 3.012,36 EUR feststellte. Hierüber entschied die Beklagte bereits mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 22.05.2012. Da die Klägerin gegen den Bescheid vom 22.05.2012 keinen Widerspruch einlegte, ist dieser Bescheid bestandkräftig und bindend für die Beteiligten und den Senat (§ 77 SGG). Damit steht zwischen den Beteiligten fest, dass die Klägerin die ihr im Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2012 gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 3.012,36 EUR zu erstatten hat. Infolgedessen sind vorliegend insbesondere nicht die Voraussetzungen der Bewilligung der vollen Erwerbsminderungsrente, der Aufhebung der teilweisen Erwerbsminderungsrente (§ 48 SGB X) und der Feststellung des Erstattungsbetrags (§ 50 Abs. 1 SGB X) zu prüfen. Dies hat das SG bei seiner Entscheidung verkannt. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Voraussetzungen des § 48 SGB X nicht vorlägen, weil die Beklagte Ermessen nicht ausgeübt habe, obwohl dies bei der vorliegenden (atypischen) Fallgestaltung notwendig gewesen wäre. Das SG hat damit im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 01.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2013 eine Überprüfung des - wie dargelegt bestandskräftigen - Bescheides vom 22.05.2012 vorgenommen und hieraus auf eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 01.08.2012 geschlossen. Tatsächlich steht die Rechtmäßigkeit der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung, der Aufhebung der bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und der Festsetzung des daraus resultierenden Erstattungsbetrags auf Grund des bindenden Bescheides vom 22.05.2012 im dort festgestellten Umfang fest.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte in ihrer seinerzeitigen Entscheidung den Anforderungen des BSG in der von ihr zitierten Entscheidung vom 07.09.2010 (B 5 KN 4/08 R in SozR 4-2600 § 89 Nr. 2) Rechnung trug. Zwar betraf der vom BSG entschiedene Fall Erstattungsansprüche zweier Leistungsträger untereinander. Gleichwohl sind die dortigen Ausführungen ohne Einschränkung auf das Verhältnis zwischen Leistungsempfänger und Leistungsträger übertragbar. Wie sich aus der Entscheidung des BSG ergibt, kann eine Begrenzung der Erstattungsforderung auf die Überzahlung der teilweisen Erwerbsminderungsrente auch nicht der Vorschrift des § 89 SGB VI entnommen werden (BSG, a.a.O., Rdnr. 26). Wie das BSG weiter betont, gibt es ein einziges Recht auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht (BSG, a.a.O., Rdnr. 30). Als selbständige, unabhängig voneinander bestehende Ansprüche begründen die hier in Rede stehenden Renten wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung jeweils selbständige Leistungsverhältnisse mit der Folge, dass bei einer Leistungsstörung - z.B. auf Grund eines späteren Wegfalls des Rechtsgrunds der Leistung - dasjenige Leistungsverhältnis rückabzuwickeln ist, in dem die Störung entstanden ist (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 31).
In vorliegenden Rechtsstreit ist Prüfungsgegenstand mithin zunächst, ob die Beklagte zutreffend entschied, dass die mit Rentenbescheid vom 22.05.2013 festgestellte Rentennachzahlung und damit die entsprechende Forderung der Klägerin durch einen Erstattungsanspruch der B. bis auf einen Restbetrag in Höhe von 1.295,65 EUR erlosch.
Dies bejaht der Senat.
Nach § 107 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten (hier der Klägerin) gegen den zur Erstattung verpflichteten Leistungsträger (hier die Beklagte) als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. So liegt der Fall hier. Nach § 103 Abs. 1 SGB X ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger (hier die Beklagte als für die Gewährung der Renten zuständiger Leistungsträger) erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat (hier die B. ) und der Anspruch hierauf nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der Anspruch auf Krankengeld im Falle des Bezuges einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgeschlossen ist (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Dementsprechend entfiel mit Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die Beklagte nachträglich der Anspruch der Klägerin auf das ihr gewährte Krankengeld (kalendertäglich 43,31 EUR, mithin monatlich 1.299,33 EUR), was für die B. einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe der der Klägerin im selben Zeitraum zustehenden Rente wegen voller Erwerbsminderung (monatlich 1.004,13 EUR) begründete. Für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 22.05.2012 betrug dieser Erstattungsanspruch, den die Beklagte erfüllte, insgesamt 4.729,13 EUR (1.004,13 EUR x vier Monate = 4.016,52 EUR zuzüglich 22/31 aus 1.004,13 EUR = 712,61 EUR). In Höhe dieses Betrages galt der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf die ihr bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung als erfüllt. Entsprechend verminderte sich der ausweislich des Bescheids vom 22.05.2012 errechnete und zunächst einbehaltende Nachzahlungsbetrag in Höhe von 6.024,78 EUR um den Betrag, in Höhe dessen durch die Zahlung von Krankengeld Erfüllung eingetreten war, mithin um 4.729,13 EUR auf 1.295,65 EUR. Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.08.2012 daher die Rentennachzahlung unter Berücksichtigung des Erstattungsanspruchs der B. mit dem Ergebnis abrechnete, dass sich die Nachzahlung auf 1.295,65 EUR mindere, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere entbehrt die Auffassung der Klägerin, der Erstattungsanspruch der B. gegen die Beklagte sei falsch berechnet, weil sich dieser auf die Höhe der ihr zunächst gewährten, dann jedoch hinsichtlich des Zahlungsanspruchs aufgehobenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beschränke, jeglicher Grundlage. Auch der von ihr behauptete Verstoß gegen § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V liegt nicht vor. Nach dieser Regelung kann die Krankenkasse, wenn über den Beginn der in Satz 1 genannten Leistungen (hier: Rente wegen voller Erwerbsminderung) hinaus Krankengeld gezahlt worden ist und dieses Krankengeld den Betrag dieser Leistung übersteigt, den überschießenden Betrag vom Versicherten nicht zurückfordern. Dadurch soll der Versicherte von einer Rückforderung des sog. Krankengeldspitzbetrages, d.h. des Betrages, der ihm auf Grund des nachträglich weggefallenen (höheren) Krankengeldanspruchs im Vergleich zu der ihm tatsächlich zustehenden niedrigeren Leistung zu viel gewährt wurde, verschont werden. Im Rahmen der erfolgten Abrechnung der Rentennachzahlung profitierte auch die Klägerin von dieser Regelung. Denn die B. machte einen Erstattungsanspruch lediglich in Höhe der von der Beklagten zu gewährenden Rente wegen voller Erwerbsminderung geltend und die Beklagte erfüllte nur den insoweit geltend gemachten Anspruch. Damit verblieb der Klägerin der sog. Krankengeldspitzbetrag, nämlich die Differenz zwischen dem ihr im Zeitraum vom 01.01.2012 bis 22.05.2012 tatsächlich gewährten Krankengeld von kalendertäglich 43,31 EUR (bei 30 Kalendertagen monatlich 1.299,33 EUR) und der ihr monatlich lediglich zustehenden Erwerbsminderungsrente von 1.004,13 EUR. Die Klägerin wurde damit ebenso behandelt wie ein Versicherter, der ursprünglich keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezog und nicht - wie sie meint - schlechter. Denn auch der Klägerin verblieb der ihr an sich nicht zustehende Krankengeldspitzbetrag. Soweit die Klägerin im Übrigen geltend gemacht hat, die Beklagte habe die Hinzuverdienstgrenze einer vollen Erwerbsminderungsrente nach § 96a SGB VI nicht beachtet, erschließt sich der Hintergrund dieses Einwandes nicht, nachdem die Beklagte auf den Anspruch der Klägerin auf volle Erwerbsminderungsrente zu keinem Zeitpunkt einen Hinzuverdienst anrechnete. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, weshalb das von der Klägerin aufgeführte Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (a.a.O.) ihre Rechtsauffassung stützen soll. Ohnehin betrifft dieser Vortrag inhaltlich der Sache nach die - vorliegend nicht zu prüfende, weil bestandskräftig und damit bindend festgestellte - Überzahlung und damit die Erstattungsforderung gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Die mit Bescheid vom 01.08.2012 erfolgte Abrechnung der Rentennachzahlung mit dem Ergebnis, dass sich die Nachzahlung auf 1.295,65 EUR verminderte, ist insgesamt damit rechtlich nicht zu beanstanden.
Soweit die Beklagte den verbleibenden Restbetrag der Nachzahlung in Höhe von 1.295,65 EUR sodann jedoch mit dem festgestellten Überzahlungsbetrag in Höhe von 3.012,36 EUR aufrechnete und im Ergebnis der Rechenoperation zu einer von der Klägerin noch zu zahlenden Erstattungsforderung in Höhe von 1.716,71 EUR gelangte, erweist sich die Entscheidung der Beklagten jedoch als rechtswidrig.
Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird (§ 51 Abs. 2 SGB I).
Bei dem vorliegend in Rede stehenden Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.295,65 EUR handelt es sich um einen Anspruch auf laufende Geldleistungen in diesem Sinne. Denn auch wenn laufende Leistungen für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, wie vorliegend die Rente wegen voller Erwerbsminderung, auf einmal nachgezahlt werden, bleibt ihr Charakter als laufende Leistung erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R in SozR 4-2500 § 13 Nr. 25). Diesem Anspruch der Klägerin stand als gleichartiger und fälliger Anspruch der Erstattungsanspruch der Beklagten gegenüber, so dass eine Aufrechnungslage bestand, die eine Aufrechnung durch Verwaltungsakt grundsätzlich zuließ.
Allerdings rechtfertigt das Vorliegen einer solchen Aufrechnungslage allein nicht die Erklärung der Aufrechnung. Abgesehen davon, dass die genannte Regelung eine Aufrechnung gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen nur bis zu deren Hälfte zulässt, erweist sich die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung vor allem deshalb und in vollem Umfang als rechtswidrig, weil die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausübte.
Nach § 51 Abs. 2 SGB I ("kann") steht die Aufrechnung im pflichtgemäßen Ermessen des sie erklärenden Leistungsträgers (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2012, B 13 R 85/09 R in SozR 4-1200 § 52 Nr. 5). Damit steht dem die Verrechnung regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des ob und des Umfangs einer Aufrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalles und insbesondere die Interessen des Berechtigten und dessen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie den Zweck der Sozialleistung zu berücksichtigen (KassKomm/Siefert § 51 SGB I Rdnr. 16 mit Hinweis auf BT-Drucks. 7/868 S. 32). Dabei ist das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Hiermit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I).
Gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ist ein Verwaltungsakt (auch) rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wird. Hieraus folgt, dass das Gericht die Entscheidung der Behörde nur im Rahmen einer Rechtskontrolle auf so genannte Ermessensfehler hin überprüfen kann. Nicht zu prüfen hat das Gericht dagegen, ob eine andere Entscheidung der Behörde auch rechtmäßig oder gar zweckmäßiger gewesen wäre. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich daher auf die Prüfung von Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (BSG, a.a.O.), also darauf, ob die Behörde ihr Ermessen überhaupt ausübte, insbesondere erkannte, dass sie Ermessen ausüben musste, ob die Behörde sich im Rahmen der Ermächtigung hielt, insbesondere die dort vorgesehene Rechtsfolge setzte, ob die Behörde ihren Ermessensspielraum ausnutzte, insbesondere ihr Ermessen nicht zu eng einschätzte und ob die Behörde von ihrem Ermessen regelgerecht Gebrauch machte, insbesondere einen zutreffenden Sachverhalt zu Grunde legte, keine sachfremden Erwägungen anstellte und alle maßgebenden Gesichtspunkt einstellte und fehlerfrei gewichtete.
Mit diesen Anforderungen an das Ermessen und seine gerichtliche Kontrolle korrespondiert § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X, wonach die Begründung eines schriftlichen Verwaltungsaktes, der eine Ermessensentscheidung zum Inhalt hat, "auch" die Gesichtspunkte erkennen lassen muss, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausging. Andernfalls wäre es dem Gericht nicht möglich, die in § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG verlangte Überprüfung vorzunehmen. Ein ohne die gebotene Begründung ergangener schriftlicher Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt den Betroffenen in seinem Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung (BSG, Urteil vom 18.04.2000, B 2 U 19/99 R in SozR 3-2700 § 76 Nr. 2). Dies gilt auch dann, wenn die Verwaltung von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch machte (BSG, a.a.O.). Die Begründung einer solchen Entscheidung muss deshalb zunächst deutlich machen, dass die Beklagte überhaupt eine Ermessensentscheidung traf (BSG, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Wie bei einer gebundenen Entscheidung (siehe § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X) müssen Ermessensentscheidungen die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe anführen, darüber hinaus ("auch") müssen sie die Gründe für die darauf beruhende und somit erst daran anschließende Ausübung des Ermessens erkennen lassen. Formelhafte Wendungen, etwa dass "keine Besonderheiten gegeben" seien oder "hinsichtlich der Umstände nichts Besonderes ersichtlich" bzw. "nach pflichtgemäßem Ermessen geprüft worden" sei, reichen für die vorgeschriebene Begründung von Ermessensentscheidungen häufig, jedenfalls wenn mehrere Handlungsalternativen in Betracht kommen, nicht aus, weil bei derartigen "Leerformeln" nicht nachgeprüft werden kann, ob die Verwaltung von ihrem Ermessen überhaupt und ggf. in einer dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch machte. Erforderlich ist vielmehr eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattfand und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zukamen, damit dem Betroffenen bzw. dem Gericht die Prüfung ermöglicht wird, ob die Ermessensausübung den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Entgegen diesen Anforderungen übte die Beklagte weder im Bescheid vom 01.08.2012 noch im Widerspruchsbescheid vom 23.05.2013 Ermessen aus. Vielmehr unterstellte sie lediglich, dass die Klägerin mit ihrer Vorgehensweise einverstanden sei. Darüber hinaus sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das der Beklagten eingeräumte Ermessen im Umfang der rechtlich zulässigen Aufrechnungsmöglichkeit auf null reduziert sein könnte und sich jede andere Entscheidung als ermessensfehlerhaft erweisen würde.
Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, auch mehrere Sozialgerichte hätten ausweislich der im Einzelnen bezeichneten Urteile keine Bedenken gegen die von ihr praktizierte Vorgehensweise, die volle Rentennachzahlung zum Ausgleich des Erstattungsanspruchs zu verwenden, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Denn aus dem Umstand, dass die genannten Sozialgerichte die Regelung des § 51 Abs. 2 SGB I unbeachtet gelassen haben, lässt sich die Rechtmäßigkeit der Aufrechnungsverfügung nicht herleiten.
Die angefochtene Entscheidung des SG erweist sich im Ergebnis daher insoweit als zutreffend, als die Aufrechnungsverfügung der Beklagten keinen Bestand haben kann und deshalb vom SG zu Recht aufgehoben worden ist. Insoweit erweist sich die Berufung der Beklagten als unbegründet. Im Übrigen, soweit das SG die angefochtenen Bescheide in vollem Umfang und damit auch in Bezug auf die Abrechnung der Rentennachzahlung aufgehoben hat, ist die Berufung der Beklagten dagegen begründet. Das Urteil ist insoweit aufzugeben und die Klage abzuweisen. Aus Gründen der Klarheit hat der Senat den Tenor entsprechend neu gefasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Der Bescheid der Beklagten vom 01.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2013 wird lediglich hinsichtlich der erfolgten "Verrechnung" aufgehoben. Insoweit wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rückzahlung überzahlter Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung streitig.
Die am 1957 geborene Klägerin, ausgebildete Krankenschwester, bezog auf Grund Bescheids vom 30.11.2009 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 01.12.2009 bis 31.03.2011. Mit Bescheid vom 03.02.2011 bewilligte die Beklagte diese Rente weiter bis zum 31.03.2013 (Zahlbetrag vom 01.07.2011: 502,06 EUR). In ihrer in Teilzeit ausgeübten Tätigkeit als Krankenschwester war die Klägerin ab 22.12.2010 arbeitsunfähig, weshalb sie von ihrer Krankenkasse, der B., vom 01.02.2012 bis 22.05.2012 ein kalendertägliches Krankengeld von 43,31 EUR bezog (Bl. 354 VA).
Auf ihren im Januar 2012 gestellten Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 22.05.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.01.2012 in Höhe von anfänglich monatlich 1.117,56 EUR brutto (netto 1.004,13 EUR) und ab 01.07.2012 laufend in Höhe von monatlich 1.141,97 EUR brutto (netto 1.026,06 EUR). Für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 errechnete sie einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 6.024,78 EUR, der vorläufig nicht ausgezahlt werde. Gleichzeitig (Anlage 10 des Bescheides) hob die Beklagte den Bescheid über die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hinsichtlich des Zahlungsanspruchs für die Zeit ab 01.01.2012 gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) auf und stellte für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 einen Überzahlungsbetrag in Höhe von 3.012,36 EUR fest, der gemäß § 50 SGB X zu erstatten sei. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Nachfolgend beglich die Beklagte den von der B. im Februar 2012 angemeldeten (Bl. 286 VA) und im Juni 2012 in Höhe von 4.729,13 EUR abgerechneten (vgl. Bl. 354 VA) Erstattungsanspruch.
Mit Bescheid vom 01.08.2012 teilte die Beklagte der Klägerin die Abrechnung der Rentennachzahlung bzw. -überzahlung mit. Von der einbehaltenen Rentennachzahlung in Höhe von 6.024,78 EUR sei durch die Erfüllung des Erstattungsanspruchs der B. in Höhe von 4.729,13 EUR noch ein Nachzahlungsbetrag von 1.295,65 EUR verblieben. Den überzahlten Betrag (3.012,36 EUR) habe sie mit dieser Nachzahlung verrechnet, wodurch die restliche Überzahlung noch 1.716,71 EUR betrage. Dieser Betrag sei zurückzuzahlen. Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin eine Falschberechnung des Erstattungsanspruchs der B. sowie die Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheids geltend, da selbst bei Bejahung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ein atypischer Fall vorliege, der eine Ermessensentscheidung der Beklagten notwendig gemacht hätte. Zudem habe die Beklagte die Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 2 Nr. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) unberücksichtigt gelassen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit dem angefochtenen Bescheid sei unter Berücksichtigung des Erstattungsanspruchs der B. lediglich die Verrechnung der Restnachzahlung mit der Überzahlung erfolgt. Soweit geltend gemacht werde, es liege ein atypischer Fall gemäß § 48 SGB X vor und § 96a SGB VI sei unbeachtet geblieben, gehe dies ins Leere, da dies auf eine Fehlerhaftigkeit des bestandskräftigen Bescheids vom 22.05.2012 ziele, nicht jedoch auf den angefochtenen Bescheid vom 01.08.2012.
Am 05.06.2013 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Voraussetzungen der begehrten Rückforderung lägen nicht vor, und auf die §§ 96a SGB VI und 50 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verwiesen. Ihr stehe ferner das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21.01.2010, L 3 R 135/06, zur Seite.
Mit Urteil vom 21.11.2014 hat das SG den Bescheid vom 01.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2013 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die im Streit stehende Rückforderung von Rentenleistungen richte sich nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, wobei ein atypischer Fall vorliege. Eine deshalb vorzunehmende Ermessensentscheidung habe die Beklagte nicht getroffen, weshalb sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig erweise.
Gegen das der Beklagten am 29.12.2014 zugestellte Urteil hat diese am 28.01.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe den Streitgegenstand verkannt. Gegenstand des Verfahrens sei allein der verlautbarte Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot (Leistungsbescheid), nämlich die Anordnung, die Klägerin habe 1.716,71 EUR als zu erstattender Wert zu Unrecht gezahlter Rente zu zahlen bzw. zu überweisen (Bescheid vom 01.08.2012). Auf diese Rückforderung der Rentenleistungen die Regelungen des § 48 SGB X anzuwenden, sei fehlerhaft. Über die Aufhebung des Zahlungsanspruchs hinsichtlich der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und die Feststellung des Erstattungsanspruchs sei bereits mit Bescheid vom 22.05.2012 bindend entschieden worden. Die Aufrechnung des Nachzahlungsanspruchs der Klägerin mit ihrer Gegenforderung und die Geltendmachung der Überzahlung sei nicht zu beanstanden. Insoweit beruft sich die Beklagte auf Urteile verschiedener Sozialgerichte, nach denen ihr Vorgehen gleichermaßen für rechtmäßig erachtet worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.11.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist jedoch nur teilweise begründet.
Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2013 zu Unrecht in vollem Umfang aufgehoben. Denn dieser ist nur teilweise, in Bezug auf die erklärte Aufrechnung, rechtswidrig und verletzt die Klägerin auch nur in diesem Umfang der Rechtswidrigkeit in ihren Rechten. Insoweit ist die Berufung der Beklagten unbegründet. Im Übrigen ist die Berufung begründet. Der Anspruch der Klägerin auf den errechneten Nachzahlungsbetrag von Rente wegen voller Erwerbsminderung erlosch in Höhe des von der B. für einen Teil dieses Nachzahlungszeitraumes geltend gemachten Erstattungsanspruches. Dies stellte die Beklagte (sinngemäß) zutreffend im angefochtenen Bescheid fest.
Gegenstand des Rechtsstreits ist ausschließlich der Bescheid vom 01.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2013. Mit diesem Bescheid teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe den Erstattungsanspruch der Krankenkasse erfüllt (Restbetrag aus der Rentennachzahlung somit 1.295,65 EUR) und sie verrechne diesen Restbetrag mit der überzahlten Rente (aus der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung), so dass 1.716,71 EUR von der Klägerin zurückzuzahlen seien.
Regelungsgegenstand dieses Bescheides ist somit zum einen die Abrechnung der Rentennachzahlung in Bezug auf den Erstattungsanspruch der B. mit dem der Klägerin mitgeteilten Ergebnis, dass sich die Nachzahlung auf 1.295,65 EUR mindere. In rechtlicher Hinsicht stellte die Beklagte damit die teilweise Erfüllung des Anspruches der Klägerin auf die nachzuzahlende Rente (§ 107 SGB X, s. noch nachfolgend) fest. Soweit die Beklagte in den letzten Schriftsätzen vorträgt, es handle sich insoweit nicht um eine Regelung i.S. des § 31 SGB X, folgt der Senat dem nicht. Insbesondere ergibt sich dies auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten Urteil des BSG vom 25.01.2011 (B 5 R 14/10 R in SozR 4-1300 § 63 Nr. 15). Dort ist zwar ausgeführt, dass der Mitteilung eines bloßen rechnerischen Ergebnisses kein Regelungswert zukomme. Indessen ist die Abrechnung eines Erstattungsanspruche nach den §§ 103 ff. SGB X gerade keine solche bloße rechnerische Operation. Denn vor dieser Rechenoperation muss die Beklagte prüfen und entscheiden (i.S. des den Begriff des Verwaltungsakts definierenden § 31 SGB X: "Verwaltungsakt ist jede ... Entscheidung ..."), ob und in welcher Höhe tatsächlich ein solcher Erstattungsanspruch besteht. Daran ändert auch der von der Beklagten angeführte Umstand nichts, dass dieser Erstattungsanspruch per Gesetz entsteht. Dies trifft im Grunde auf nahezu alle Ansprüche im Sozialversicherungsrecht zu, wobei die jeweilige Umsetzung dann durch den Bescheid des jeweiligen Trägers erfolgt. Im Übrigen räumt die Beklagte eine Prüfungspflicht selbst ein, wenn sie vorträgt, sie müsse auf "offensichtliche Unrichtigkeiten" prüfen. Insoweit hat der Senat über eine reine Anfechtungsklage zu befinden.
Zum anderen ist Regelungsgegenstand des Bescheides vom 01.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2013 die von der Beklagten erklärte "Verrechnung" (richtig: Aufrechnung, § 51 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -). Insoweit befremdet, dass die Beklagte auch diesbezüglich das Vorliegen eines Verwaltungsaktes bestreitet und diesen Vorgang als "Realakt" bezeichnet. Gerade die Beklagte vertrat seit jeher - zeitweise gegen höchstrichterliche Rechtsprechung - die (nach aktuellem Stand, vgl. die einschlägige Kommentarliteratur, zutreffende) Auffassung, dass Aufrechnung bzw. Verrechnung durch Verwaltungsakt erfolge. Soweit die Beklagte in ihrem letzten Schriftsatz geltend gemacht hat, bei der in dem angefochtenen Bescheid erklärten "Verrechnung" ("Den überzahlten Betrag haben wir mit dieser Nachzahlung verrechnet.") handele es sich gerade nicht um eine Aufrechnung im Sinne des § 51 SGB I, ist auch dies nicht nachvollziehbar. Der von der Beklagten in diesem Zusammenhang angesprochene Hinweis im Bescheid vom 01.08.2012, die Vorgehensweise der Verrechnung liege im Interesse der Klägerin, woraus sich ergebe, dass die Klägerin Gegenteiliges vorbringen könne, weshalb dem Bescheid der Charakter einer einseitigen Zwangsmaßnahme nicht entnommen werden könne, ändert nichts daran, dass die Beklagte der Klägerin im Bescheid mitteilte, sie habe "den überzahlten Betrag ... mit dieser Nachzahlung verrechnet" und dann zugleich den Differenzbetrag aus dieser Aufrechnung als noch zu erstattenden Betrag errechnete. Gerade dies - die erfolgte "Verrechnung" - stellte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 23.05.2013 auch ausdrücklich fest (" ... konnte diese mit der festgestellten Überzahlung ... verrechnet werden, so dass von Ihnen nur noch 1.716,71 EUR ... zu erstatten sind"). Im Übrigen setzt eine Aufrechnung nicht voraus, dass ausdrücklich erklärt wird, es werde eine "Aufrechnung" vorgenommen. Ausreichend ist vielmehr, wenn - wie vorliegend - aus dem einseitig erfolgten Handeln des Versicherungsträgers hinreichend deutlich wird, dass einer Geldforderung des Leistungsberechtigten (Rentennachzahlung in Höhe von 1.295,65 EUR) eine Forderung des Versicherungsträgers gegenübersteht (Überzahlung in Höhe von 3.012,36 EUR) und diese, soweit sie sich decken, erlöschen sollen. Auch der Umstand, dass die Vorgehensweise der Beklagten ggf. im Interesse der Versicherten liegen mag, weil sich dadurch der zu erstattende Überzahlungsbetrag vermindert, ändert am Charakter der vorgenommenen Maßnahme, die sich rechtlich als Aufrechnung darstellt, nichts. Im Sinne des Vorbringens der Beklagten würde sich im Übrigen jegliche Aufrechnung des Leistungsträgers - und damit auch die ausdrücklich erklärte - als im Interesse des Versicherten liegende Maßnahme darstellen. Denn eine Aufrechnung führt regelmäßig zu einem zumindest teilweisen Erlöschen einer Verbindlichkeit des Versicherten. Dies macht deutlich, dass das (ohnehin nur mutmaßliche) Interesse des Versicherten nicht maßgebliches Kriterium für die rechtliche Bewertung des in Rede stehenden Regelungsgegenstandes im Bescheid vom 01.08.2012 sein kann. Der Senat entscheidet daher auch insoweit auf eine reine Anfechtungsklage.
Es bedarf keiner abschließenden Erörterung (s. hierzu bereits das Urteil des Senats vom 14.07.2016, L 10 R 2514/15, in juris), ob der von der Beklagten als Ergebnis der beschriebenen Regelungsgegenstände als zu erstatten mitgeteilte Betrag (1.716,71 EUR) als weiterer Regelungsgegenstand anzusehen ist. Soweit die Beklagte insoweit ein "Zahlungsgebot" in den Vordergrund rückt, ist die insoweit im Bescheid gezogene Schlussfolgerung tatsächlich das Ergebnis einer reinen Rechenoperation, auf der Grundlage der oben dargestellten beiden Regelungen (Erfüllung wegen Erstattungsanspruch, im Übrigen Aufrechnung). Dies würde nach der von der Beklagten selbst angeführten Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) die Annahme eines Verfügungssatzes ausschließen. In Bezug auf den Begriff "Zahlungsgebot" beruft sich die Beklagte im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls zu Unrecht auf § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Danach ist "die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen". Diese Regelung steht im wörtlichen und systematischen Zusammenhang mit § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB X, die - wie die Vorschrift insgesamt, s. deren Überschrift - die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen regelt. Einen Bezug zu Erstattungsansprüchen Dritter und Aufrechnungen weist die Vorschrift nicht auf. Vielmehr erfolgte eine solche Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X - entgegen der Auffassung der Beklagten - bereits mit dem - bestandskräftig gewordenen - Bescheid vom 22.05.2012 (" ... ergibt sich eine Überzahlung von 3.012,36 EUR. Der überzahlte Betrag ist zu erstatten ..."). Mit dieser Formulierung setzte die Beklagte die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstattende Leistung entsprechend der Regelung des § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X fest. Soweit die Beklagte hierzu ausführt, der Bescheid vom 22.05.2012 enthalte keine Ausführungen dazu, "welcher Betrag bis wann auf welches Konto zu überweisen ist", trifft dies zwar zu. Doch sind derartige Formalitäten nicht Regelungsgegenstand (Verfügungssatz) einer Festsetzung nach § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Soweit die Beklagte solche Formalitäten für den Begriff eines "Zahlungsgebotes" für erforderlich erachtet, hat dies mit dem Begriff des Verwaltungsaktes i.S. § 31 SGB X (" ... Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme ...") nichts zu tun. Diese Frage - Verwaltungsakt oder nicht - kann deshalb offen bleiben, weil die Klägerin insoweit keine Anfechtungsklage erheben kann. Denn mit Kassation der erklärten Aufrechnung - aus Sicht der Klägerin weil mangels Forderung der Beklagten bereits keine Aufrechnungslage bestehe - würde das ausgesprochene "Zahlungsgebot" nicht zu Ungunsten der Kläger rechtswidrig. Vielmehr würde mit Wegfall der Aufrechnung die mit Bescheid vom 22.05.2012 bestandskräftig festgesetzte (s.o.) Erstattungsforderung in vollem Umfang wieder "aufleben", also in Höhe von 3.012,36 EUR. Das aus Sicht der Beklagten ausgesprochene Zahlungsgebot ist niedriger und für die Klägerin daher günstiger.
Keiner Klärung bedarf es im vorliegenden Fall, ob der errechnete Nachzahlungsbetrag ebenfalls i.S. eines Verwaltungsaktes festgestellt wurde (und wenn ja, in welchem der beiden ergangenen Bescheide). Denn Fehler in der Berechnung dieses Nachzahlungsbetrages sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dieser Betrag steht daher als Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 fest.
Der Senat entscheidet daher inhaltlich zum einen über die Frage, inwieweit der Anspruch der Klägerin auf eine Nachzahlung von Rente wegen voller Erwerbsminderung durch eine Erstattungsforderung erloschen ist und zum anderen, inwieweit der Restbetrag der Forderung durch Aufrechnung erloschen ist.
Dementsprechend macht die Beklagte mit ihrer Berufung zutreffend geltend, dass das SG weder zu entscheiden hatte, ob die Aufhebung der bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hinsichtlich des Zahlungsanspruchs ab 01.01.2012 rechtmäßig war, noch darüber, ob sie zu Recht eine zu erstattende Überzahlung in Höhe von 3.012,36 EUR feststellte. Hierüber entschied die Beklagte bereits mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 22.05.2012. Da die Klägerin gegen den Bescheid vom 22.05.2012 keinen Widerspruch einlegte, ist dieser Bescheid bestandkräftig und bindend für die Beteiligten und den Senat (§ 77 SGG). Damit steht zwischen den Beteiligten fest, dass die Klägerin die ihr im Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2012 gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 3.012,36 EUR zu erstatten hat. Infolgedessen sind vorliegend insbesondere nicht die Voraussetzungen der Bewilligung der vollen Erwerbsminderungsrente, der Aufhebung der teilweisen Erwerbsminderungsrente (§ 48 SGB X) und der Feststellung des Erstattungsbetrags (§ 50 Abs. 1 SGB X) zu prüfen. Dies hat das SG bei seiner Entscheidung verkannt. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Voraussetzungen des § 48 SGB X nicht vorlägen, weil die Beklagte Ermessen nicht ausgeübt habe, obwohl dies bei der vorliegenden (atypischen) Fallgestaltung notwendig gewesen wäre. Das SG hat damit im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 01.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2013 eine Überprüfung des - wie dargelegt bestandskräftigen - Bescheides vom 22.05.2012 vorgenommen und hieraus auf eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 01.08.2012 geschlossen. Tatsächlich steht die Rechtmäßigkeit der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung, der Aufhebung der bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und der Festsetzung des daraus resultierenden Erstattungsbetrags auf Grund des bindenden Bescheides vom 22.05.2012 im dort festgestellten Umfang fest.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte in ihrer seinerzeitigen Entscheidung den Anforderungen des BSG in der von ihr zitierten Entscheidung vom 07.09.2010 (B 5 KN 4/08 R in SozR 4-2600 § 89 Nr. 2) Rechnung trug. Zwar betraf der vom BSG entschiedene Fall Erstattungsansprüche zweier Leistungsträger untereinander. Gleichwohl sind die dortigen Ausführungen ohne Einschränkung auf das Verhältnis zwischen Leistungsempfänger und Leistungsträger übertragbar. Wie sich aus der Entscheidung des BSG ergibt, kann eine Begrenzung der Erstattungsforderung auf die Überzahlung der teilweisen Erwerbsminderungsrente auch nicht der Vorschrift des § 89 SGB VI entnommen werden (BSG, a.a.O., Rdnr. 26). Wie das BSG weiter betont, gibt es ein einziges Recht auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht (BSG, a.a.O., Rdnr. 30). Als selbständige, unabhängig voneinander bestehende Ansprüche begründen die hier in Rede stehenden Renten wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung jeweils selbständige Leistungsverhältnisse mit der Folge, dass bei einer Leistungsstörung - z.B. auf Grund eines späteren Wegfalls des Rechtsgrunds der Leistung - dasjenige Leistungsverhältnis rückabzuwickeln ist, in dem die Störung entstanden ist (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 31).
In vorliegenden Rechtsstreit ist Prüfungsgegenstand mithin zunächst, ob die Beklagte zutreffend entschied, dass die mit Rentenbescheid vom 22.05.2013 festgestellte Rentennachzahlung und damit die entsprechende Forderung der Klägerin durch einen Erstattungsanspruch der B. bis auf einen Restbetrag in Höhe von 1.295,65 EUR erlosch.
Dies bejaht der Senat.
Nach § 107 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten (hier der Klägerin) gegen den zur Erstattung verpflichteten Leistungsträger (hier die Beklagte) als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. So liegt der Fall hier. Nach § 103 Abs. 1 SGB X ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger (hier die Beklagte als für die Gewährung der Renten zuständiger Leistungsträger) erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat (hier die B. ) und der Anspruch hierauf nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der Anspruch auf Krankengeld im Falle des Bezuges einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgeschlossen ist (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Dementsprechend entfiel mit Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die Beklagte nachträglich der Anspruch der Klägerin auf das ihr gewährte Krankengeld (kalendertäglich 43,31 EUR, mithin monatlich 1.299,33 EUR), was für die B. einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe der der Klägerin im selben Zeitraum zustehenden Rente wegen voller Erwerbsminderung (monatlich 1.004,13 EUR) begründete. Für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 22.05.2012 betrug dieser Erstattungsanspruch, den die Beklagte erfüllte, insgesamt 4.729,13 EUR (1.004,13 EUR x vier Monate = 4.016,52 EUR zuzüglich 22/31 aus 1.004,13 EUR = 712,61 EUR). In Höhe dieses Betrages galt der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf die ihr bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung als erfüllt. Entsprechend verminderte sich der ausweislich des Bescheids vom 22.05.2012 errechnete und zunächst einbehaltende Nachzahlungsbetrag in Höhe von 6.024,78 EUR um den Betrag, in Höhe dessen durch die Zahlung von Krankengeld Erfüllung eingetreten war, mithin um 4.729,13 EUR auf 1.295,65 EUR. Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.08.2012 daher die Rentennachzahlung unter Berücksichtigung des Erstattungsanspruchs der B. mit dem Ergebnis abrechnete, dass sich die Nachzahlung auf 1.295,65 EUR mindere, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere entbehrt die Auffassung der Klägerin, der Erstattungsanspruch der B. gegen die Beklagte sei falsch berechnet, weil sich dieser auf die Höhe der ihr zunächst gewährten, dann jedoch hinsichtlich des Zahlungsanspruchs aufgehobenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beschränke, jeglicher Grundlage. Auch der von ihr behauptete Verstoß gegen § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V liegt nicht vor. Nach dieser Regelung kann die Krankenkasse, wenn über den Beginn der in Satz 1 genannten Leistungen (hier: Rente wegen voller Erwerbsminderung) hinaus Krankengeld gezahlt worden ist und dieses Krankengeld den Betrag dieser Leistung übersteigt, den überschießenden Betrag vom Versicherten nicht zurückfordern. Dadurch soll der Versicherte von einer Rückforderung des sog. Krankengeldspitzbetrages, d.h. des Betrages, der ihm auf Grund des nachträglich weggefallenen (höheren) Krankengeldanspruchs im Vergleich zu der ihm tatsächlich zustehenden niedrigeren Leistung zu viel gewährt wurde, verschont werden. Im Rahmen der erfolgten Abrechnung der Rentennachzahlung profitierte auch die Klägerin von dieser Regelung. Denn die B. machte einen Erstattungsanspruch lediglich in Höhe der von der Beklagten zu gewährenden Rente wegen voller Erwerbsminderung geltend und die Beklagte erfüllte nur den insoweit geltend gemachten Anspruch. Damit verblieb der Klägerin der sog. Krankengeldspitzbetrag, nämlich die Differenz zwischen dem ihr im Zeitraum vom 01.01.2012 bis 22.05.2012 tatsächlich gewährten Krankengeld von kalendertäglich 43,31 EUR (bei 30 Kalendertagen monatlich 1.299,33 EUR) und der ihr monatlich lediglich zustehenden Erwerbsminderungsrente von 1.004,13 EUR. Die Klägerin wurde damit ebenso behandelt wie ein Versicherter, der ursprünglich keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezog und nicht - wie sie meint - schlechter. Denn auch der Klägerin verblieb der ihr an sich nicht zustehende Krankengeldspitzbetrag. Soweit die Klägerin im Übrigen geltend gemacht hat, die Beklagte habe die Hinzuverdienstgrenze einer vollen Erwerbsminderungsrente nach § 96a SGB VI nicht beachtet, erschließt sich der Hintergrund dieses Einwandes nicht, nachdem die Beklagte auf den Anspruch der Klägerin auf volle Erwerbsminderungsrente zu keinem Zeitpunkt einen Hinzuverdienst anrechnete. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, weshalb das von der Klägerin aufgeführte Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (a.a.O.) ihre Rechtsauffassung stützen soll. Ohnehin betrifft dieser Vortrag inhaltlich der Sache nach die - vorliegend nicht zu prüfende, weil bestandskräftig und damit bindend festgestellte - Überzahlung und damit die Erstattungsforderung gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Die mit Bescheid vom 01.08.2012 erfolgte Abrechnung der Rentennachzahlung mit dem Ergebnis, dass sich die Nachzahlung auf 1.295,65 EUR verminderte, ist insgesamt damit rechtlich nicht zu beanstanden.
Soweit die Beklagte den verbleibenden Restbetrag der Nachzahlung in Höhe von 1.295,65 EUR sodann jedoch mit dem festgestellten Überzahlungsbetrag in Höhe von 3.012,36 EUR aufrechnete und im Ergebnis der Rechenoperation zu einer von der Klägerin noch zu zahlenden Erstattungsforderung in Höhe von 1.716,71 EUR gelangte, erweist sich die Entscheidung der Beklagten jedoch als rechtswidrig.
Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird (§ 51 Abs. 2 SGB I).
Bei dem vorliegend in Rede stehenden Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.295,65 EUR handelt es sich um einen Anspruch auf laufende Geldleistungen in diesem Sinne. Denn auch wenn laufende Leistungen für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, wie vorliegend die Rente wegen voller Erwerbsminderung, auf einmal nachgezahlt werden, bleibt ihr Charakter als laufende Leistung erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R in SozR 4-2500 § 13 Nr. 25). Diesem Anspruch der Klägerin stand als gleichartiger und fälliger Anspruch der Erstattungsanspruch der Beklagten gegenüber, so dass eine Aufrechnungslage bestand, die eine Aufrechnung durch Verwaltungsakt grundsätzlich zuließ.
Allerdings rechtfertigt das Vorliegen einer solchen Aufrechnungslage allein nicht die Erklärung der Aufrechnung. Abgesehen davon, dass die genannte Regelung eine Aufrechnung gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen nur bis zu deren Hälfte zulässt, erweist sich die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung vor allem deshalb und in vollem Umfang als rechtswidrig, weil die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausübte.
Nach § 51 Abs. 2 SGB I ("kann") steht die Aufrechnung im pflichtgemäßen Ermessen des sie erklärenden Leistungsträgers (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2012, B 13 R 85/09 R in SozR 4-1200 § 52 Nr. 5). Damit steht dem die Verrechnung regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des ob und des Umfangs einer Aufrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalles und insbesondere die Interessen des Berechtigten und dessen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie den Zweck der Sozialleistung zu berücksichtigen (KassKomm/Siefert § 51 SGB I Rdnr. 16 mit Hinweis auf BT-Drucks. 7/868 S. 32). Dabei ist das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Hiermit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I).
Gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ist ein Verwaltungsakt (auch) rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wird. Hieraus folgt, dass das Gericht die Entscheidung der Behörde nur im Rahmen einer Rechtskontrolle auf so genannte Ermessensfehler hin überprüfen kann. Nicht zu prüfen hat das Gericht dagegen, ob eine andere Entscheidung der Behörde auch rechtmäßig oder gar zweckmäßiger gewesen wäre. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich daher auf die Prüfung von Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (BSG, a.a.O.), also darauf, ob die Behörde ihr Ermessen überhaupt ausübte, insbesondere erkannte, dass sie Ermessen ausüben musste, ob die Behörde sich im Rahmen der Ermächtigung hielt, insbesondere die dort vorgesehene Rechtsfolge setzte, ob die Behörde ihren Ermessensspielraum ausnutzte, insbesondere ihr Ermessen nicht zu eng einschätzte und ob die Behörde von ihrem Ermessen regelgerecht Gebrauch machte, insbesondere einen zutreffenden Sachverhalt zu Grunde legte, keine sachfremden Erwägungen anstellte und alle maßgebenden Gesichtspunkt einstellte und fehlerfrei gewichtete.
Mit diesen Anforderungen an das Ermessen und seine gerichtliche Kontrolle korrespondiert § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X, wonach die Begründung eines schriftlichen Verwaltungsaktes, der eine Ermessensentscheidung zum Inhalt hat, "auch" die Gesichtspunkte erkennen lassen muss, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausging. Andernfalls wäre es dem Gericht nicht möglich, die in § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG verlangte Überprüfung vorzunehmen. Ein ohne die gebotene Begründung ergangener schriftlicher Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt den Betroffenen in seinem Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung (BSG, Urteil vom 18.04.2000, B 2 U 19/99 R in SozR 3-2700 § 76 Nr. 2). Dies gilt auch dann, wenn die Verwaltung von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch machte (BSG, a.a.O.). Die Begründung einer solchen Entscheidung muss deshalb zunächst deutlich machen, dass die Beklagte überhaupt eine Ermessensentscheidung traf (BSG, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Wie bei einer gebundenen Entscheidung (siehe § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X) müssen Ermessensentscheidungen die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe anführen, darüber hinaus ("auch") müssen sie die Gründe für die darauf beruhende und somit erst daran anschließende Ausübung des Ermessens erkennen lassen. Formelhafte Wendungen, etwa dass "keine Besonderheiten gegeben" seien oder "hinsichtlich der Umstände nichts Besonderes ersichtlich" bzw. "nach pflichtgemäßem Ermessen geprüft worden" sei, reichen für die vorgeschriebene Begründung von Ermessensentscheidungen häufig, jedenfalls wenn mehrere Handlungsalternativen in Betracht kommen, nicht aus, weil bei derartigen "Leerformeln" nicht nachgeprüft werden kann, ob die Verwaltung von ihrem Ermessen überhaupt und ggf. in einer dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch machte. Erforderlich ist vielmehr eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattfand und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zukamen, damit dem Betroffenen bzw. dem Gericht die Prüfung ermöglicht wird, ob die Ermessensausübung den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Entgegen diesen Anforderungen übte die Beklagte weder im Bescheid vom 01.08.2012 noch im Widerspruchsbescheid vom 23.05.2013 Ermessen aus. Vielmehr unterstellte sie lediglich, dass die Klägerin mit ihrer Vorgehensweise einverstanden sei. Darüber hinaus sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das der Beklagten eingeräumte Ermessen im Umfang der rechtlich zulässigen Aufrechnungsmöglichkeit auf null reduziert sein könnte und sich jede andere Entscheidung als ermessensfehlerhaft erweisen würde.
Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, auch mehrere Sozialgerichte hätten ausweislich der im Einzelnen bezeichneten Urteile keine Bedenken gegen die von ihr praktizierte Vorgehensweise, die volle Rentennachzahlung zum Ausgleich des Erstattungsanspruchs zu verwenden, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Denn aus dem Umstand, dass die genannten Sozialgerichte die Regelung des § 51 Abs. 2 SGB I unbeachtet gelassen haben, lässt sich die Rechtmäßigkeit der Aufrechnungsverfügung nicht herleiten.
Die angefochtene Entscheidung des SG erweist sich im Ergebnis daher insoweit als zutreffend, als die Aufrechnungsverfügung der Beklagten keinen Bestand haben kann und deshalb vom SG zu Recht aufgehoben worden ist. Insoweit erweist sich die Berufung der Beklagten als unbegründet. Im Übrigen, soweit das SG die angefochtenen Bescheide in vollem Umfang und damit auch in Bezug auf die Abrechnung der Rentennachzahlung aufgehoben hat, ist die Berufung der Beklagten dagegen begründet. Das Urteil ist insoweit aufzugeben und die Klage abzuweisen. Aus Gründen der Klarheit hat der Senat den Tenor entsprechend neu gefasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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