L 9 AS 1270/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 1719/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 1270/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Februar 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger im Dezember 2015 einen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hatte.

Der 1977 geborene, erwerbsfähige Kläger beantragte am 01.12.2015 bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er legte Lohnabrechnungen für die Monate September und Oktober 2015 sowie die Kündigung seines Vollzeitarbeitsverhältnisses bei der Firma D. zum 30.11.2015 vor. Als Kosten für Unterkunft und Heizung gab der Kläger unter Vorlage eines Untermietvertrages einen Betrag von monatlich 412,50 Euro (Pauschalmiete) an.

Mit Schreiben vom 21.12.2015 wurden weitere Unterlagen vom Kläger angefordert. Insbesondere sollte der Kläger die Lohnabrechnungen für November und Dezember 2015 vorlegen.

Mit Bescheid vom 12.01.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.05.2016 monatliche Leistungen in Höhe von 404,00 Euro. Eine Entscheidung für Dezember 2015 behielt sich die Beklagte ausdrücklich vor. Diese könne erst erfolgen, wenn die weiteren angeforderten Unterlagen vorlägen. Der Bescheid vom 12.01.2016 wurde mit Bescheid vom 22.02.2016 abgeändert. Dem Kläger wurden nun für den Bewilligungszeitraum Januar bis Mai 2016 monatlich 754,00 Euro gewährt, da neben den Regelleistungen auch Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 350,00 Euro pro Monat berücksichtigt wurden.

Am 25.01.2016 legte der Kläger der Beklagten die Lohnabrechnung seines ehemaligen Arbeitgebers vom 07.12.2015 für November 2015 vor. Demnach erhielt der Kläger für November 2015 einen Lohn von 2.026,00 Euro (netto) ausbezahlt. Aus dem ebenfalls vorgelegten Kontoauszug ergibt sich, dass dieser Betrag am 11.12.2015 auf dem Konto des Klägers eingegangen war.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 29.01.2016 den Antrag des Klägers auf Leistungsgewährung für den Monat Dezember 2015 ab. Der Kläger sei aufgrund des Einkommens aus der Beschäftigung bei der Firma D. in diesem Zeitraum nicht hilfebedürftig nach dem SGB II.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2016 als unbegründet zurück. Entgegen dem Vortrag des Klägers sei der für November 2015 ausbezahlte Lohn als Einkommen im Dezember 2015 anzurechnen, weil er dem Kläger auch erst im Dezember 2015 zugeflossen sei. Dieses Einkommen übersteige den Bedarf des Klägers bei weitem.

Hiergegen hat der Kläger am 22.03.2016 beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass es sich bei dem im Dezember 2015 zugeflossenen Einkommen um das Entgelt für den Monat November 2015 handle. Das Einkommen habe nicht bedarfsmindernd angerechnet werden dürfen. Mit diesem Geld habe er die Ausgaben für November 2015 decken müssen, da der Arbeitgeber wie üblich das Einkommen erst nach geleisteter Arbeit ausbezahlt habe. Das SG hat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.02.2017 abgewiesen. Streitgegenständlich sei nur die Leistungsgewährung für den Monat Dezember 2015. Die Beklagte habe mit dem angegriffenen Bescheid die Leistungsgewährung zu Recht abgelehnt. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II lägen nicht vor, weil der Hilfebedürftigkeit des Klägers das im Dezember 2015 zugeflossene Einkommen aus der Beschäftigung bei der D. entgegen stehe. Es gelte das Zuflussprinzip. Das anzurechnende Einkommen übersteige den Bedarf des Klägers deutlich.

Am 21.03.2017 hat der Kläger Berufung gegen den ihm am 21.02.2017 zugestellten Gerichtsbescheid eingelegt. Zur Begründung hat er das Vorbringen aus der Klageschrift wiederholt und ergänzend vorgetragen, dass es sich bei dem im Dezember 2015 zugeflossenen Lohn unstreitig um den Lohn für November 2015 gehandelt habe. Mit diesem Gehalt sei die Leistung für November 2015 abgegolten worden. Es sei ohne Verschulden des Klägers erst im Dezember 2015 ausbezahlt worden. Folge man den Ausführungen der Beklagten und des SG, so habe der Kläger zwei Monate mit dem Lohn für November 2015 leben müssen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Februar 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auch für den Monat Dezember 2015 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte zunächst darauf, dass die Berufung unzulässig sein dürfte, da der angegriffene Gerichtsbescheid bei ihr bereits am 15.02.2017 eingegangen sei, die Berufung beim SG allerdings erst am 21.03.2017 erhoben worden sei. Hinsichtlich der Begründetheit der Berufung verweise man zunächst auf die angefochtene Entscheidung und die darin dargelegte Zuflusstheorie. Ferner weise man darauf hin, dass der Arbeitgeber immer im Folgemonat den Lohn ausbezahlt habe, so dass der Kläger auch, obwohl er bereits zum 01.06.2015 die Tätigkeit aufgenommen habe, noch bis zum 30.06.2015 vom Jobcenter V. Leistungen nach dem SGB II erhalten habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere auch fristgerecht erhoben worden. Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht (LSG) innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des LSG oder des SG einzulegen (§ 151 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Frist beginnt einen Tag nach der Zustellung der angegriffenen Entscheidung und endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (vgl. § 64 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGG). Maßgebend ist, für jeden Beteiligten gesondert, die Zustellung an ihn (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 64 Rn. 4). Dem Kläger wurde der Gerichtsbescheid des SG hier am 21.02.2017 zugestellt. Fristbeginn war also am 22.02.2017, Fristende am 21.03.2017. An diesem Tag und damit fristgerecht ist die Berufung des Klägers beim SG Stuttgart eingegangen. Auch die Berufungssumme von 750,00 Euro (§144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) ist erreicht unter Zugrundelegung dessen, dass der Kläger neben der Regelleistung für Dezember 2015 in Höhe von 399,00 Euro die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe (412,50 Euro) begehrt. Sonstige Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen ebenfalls nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid vom 09.02.2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2016 sind nicht zu beanstanden, da der Kläger im Dezember 2015 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hatte.

Streitgegenstand ist - wie vom SG richtig dargelegt - allein der Bescheid vom 29.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2016, mit der die Beklagte die Leistungsgewährung für Dezember 2015 abgelehnt hat. Nicht Streitgegenstand ist die Leistungsgewährung für den Zeitraum ab Januar 2016, da hierüber in einem separaten, nicht angefochtenen Bescheid vom 12.01.2016 in der Fassung des Abänderungsbescheids vom 22.02.2016 entschieden wurde.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids außerdem die rechtlichen Grundlagen für die vom Kläger begehrten Leistungen dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch für Leistungen nach dem SGB II für den Monat Dezember 2015 schon deshalb nicht besteht, da der Kläger aufgrund übersteigenden Einkommens im Dezember 2015 nicht hilfebedürftig war (vgl. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II). Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass es sich, wie das SG richtig ausgeführt hat, bei dem dem Kläger am 11.12.2015 gutgeschriebenen Lohn für November 2015 aus dem zum 30.11.2015 beendeten Arbeitsverhältnis um Einkommen handelt, das im Dezember 2015 bedarfsmindernd anzurechnen war. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen. Bei einem monatlichen Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit handelt es sich um laufende Einnahmen, die nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen (so genanntes Zuflussprinzip). Laufende Einnahmen sind solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden. Das gilt auch für eine letzte (Abschluss-) Zahlung in einer Reihe laufender Zahlungen (Neumann in Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, 44. Edition Stand: 01.03.2017, § 11 SGB II, Rn. 28). Daher ist auch ein für zurückliegende Zeiträume, aber nach der Antragstellung erbrachter Geldbetrag Einkommen und nicht Vermögen. Denn Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II ist nach der ständigen Rechtsprechung der für Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) zur Zuflusstheorie grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen i.S. von § 12 SGB II, das er vor Antragstellung bereits hatte. Dabei ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-) Forderung grundsätzlich nicht deren Schicksal von Bedeutung, sondern es ist allein die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2015 – B 4 AS 32/14 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 72, Rn. 14 mit Verweis auf BSG, Urteile vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 17 Rn. 23, vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - Rn. 11, vom 13.05.2009 - B 4 AS 49/08 R - Rn. 12 und vom 16.05.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr. 1 Rn. 20). Unerheblich ist deshalb, dass das der Zahlung zugrunde liegende Entgelt bereits zu einem früheren Zeitpunkt erarbeitet wurde.

Das Zuflussprinzip stellt schließlich auch keine unbillige Benachteiligung der Leistungsempfänger dar. Denn es werden - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - unter Anwendung des Zuflussprinzips konsequenterweise im Monat der Arbeitsaufnahme noch Sozialleistungen gewährt, wenn der erste Lohn erst im Folgemonat ausbezahlt wird. Wie der Beklagte mitgeteilt hat, hat davon auch der Kläger profitiert, soweit er, obwohl er bereits zum 01.06.2015 die Tätigkeit bei der Firma D. aufgenommen hatte, noch bis zum 30.06.2015 Leistungen nach dem SGB II vom Jobcenter V. erhalten hat.

Das im Dezember 2015 zugeflossene Nettoeinkommen in Höhe von 2.026,00 Euro übersteigt - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - selbst unter Berücksichtigung der vom Kläger angegebenen gesamten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 412,50 Euro sowie der maßgeblichen Freibeträge bei weitem den monatlichen Bedarf des Klägers. Damit war er nicht hilfebedürftig und hatte keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Die Berufung war daher zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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