Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 213/16 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 20/17 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Merkmal des „Zuschlag(es) auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie“ ist zentrales Element der Bildung des Erstattungsbetrages und von der Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V in einem Schiedsspruch besonders sorgsam zu bedenken; in der schriftlichen Begründung des Schiedsspruchs ist daher nachvollziehbar darzustellen, mit welchen Erwägungen und anhand welcher rechnerischen Implikationen die Schiedsstelle den „Zuschlag“ gebildet hat. Fehlt es daran, ist der Schiedsspruch rechtswidrig, weil gerichtlich nicht überprüfbar ist, welchen Sachverhalt die Schiedsstelle ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.
2. Zur Rechtswidrigkeit der Mischpreisbildung in der Konstellation unterschiedlich nutzenbewerteter Patientengruppen.
3. Zum Risiko des Arzneikostenregresses infolge einer Mischpreisbildung bei unterschiedlich nutzenbewerteten Patientengruppen.
2. Zur Rechtswidrigkeit der Mischpreisbildung in der Konstellation unterschiedlich nutzenbewerteter Patientengruppen.
3. Zum Risiko des Arzneikostenregresses infolge einer Mischpreisbildung bei unterschiedlich nutzenbewerteten Patientengruppen.
Der Schiedsspruch der Beklagten vom 6. April 2016 (Festsetzung des Vertragsinhalts für das Arzneimittel Eperzan®) wird aufgehoben. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte und die Beigeladene zu 1) jeweils zur Hälfte; im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger, der GKV-Spitzenverband, wendet sich gegen einen Schiedsspruch der Beklagten, der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V).
Die Beigeladene zu 1. (G) brachte als pharmazeutische Unternehmerin am 1. Oktober 2014 das GLP-1-Analogon Eperzan® (Wirkstoff: Albiglutid, 30 mg bzw. 50 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung; einmal wöchentlich zu injizieren) in Deutschland in den Verkehr. Eperzan® verfügt seit März 2014 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung für folgende Anwendungsgebiete (vgl. Fachinformation mit Stand Dezember 2014):
Eperzan ist bei erwachsenen Patienten mit Typ 2 Diabetes zur Verbesserung der Blutzuckereinstellung indiziert als:
Monotherapie Wenn Diät und Bewegung allein zur Blutzuckereinstellung nicht ausreichen bei Patienten, für die die Anwendung von Metformin aufgrund von Kontraindikationen oder Unverträglichkeit als ungeeignet angesehen wird.
Kombinationstherapie In Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Basalinsulin, wenn diese zusammen mit Diät und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend senken.
Durch Beschluss vom 19. März 2015, in Bezug auf die Patientenzahl geändert durch Beschluss vom 16. Juli 2015, hat der Beigeladene zu 2., der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), auf der Grundlage von § 35a SGB V den Nutzen des Wirkstoffs Albiglutid bewertet. Die Nutzenbewertung führte der Beigeladene zu 2. durch, indem Albiglutid in fünf Konstellationen in Beziehung zu einer zweckmäßigen Vergleichstherapie gesetzt wurde:
Gruppe Therapie und Vergleichstherapie (Patientengruppe) Patientenzahl (epidemiologisches Marktpotential für die zugelassene Indikation) Anteil in Prozent an der Gesamtpatientenzahl, Schwankungen durch die Spanne in d) Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie
a In der Monotherapie; zweckmäßige Vergleichstherapie: Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimeperid)
ca. 522.500
27,42 - 30,64 (Mittelwert: 29,03) Glibenclamid: 13,03 bis 78,17 Euro
Glimeperid: 29,67 bis 152,29 Euro
b1) In der Zweifachkombination mit Metformin; zweckmäßige Vergleichstherapie: Metformin + Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimeperid)
ca. 634.500
33,30 – 37,21 (Mittelwert: 35,26) Glibenclamid + Metformin: 46,27 bis 177,88 Euro
Glimeperid + Metformin: 62,91 bis 252,00 Euro
b2) In der Zweifachkombination mit einem anderen blutzuckersenkenden Arzneimittel außer Metformin und Insulin; zweckmäßige Vergleichstherapie: Metformin + Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimeperid)
ca. 35.900
1,88 – 2,11 (Mittelwert: 2,0) Glibenclamid + Metformin: 46,27 bis 177,88 Euro
Glimeperid + Metformin: 62,91 bis 252,00 Euro
c In Kombination mit mindestens zwei anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln, wenn diese den Blutzucker zusammen mit einer Diät und Bewegung nicht ausreichend senken; zweckmäßige Vergleichstherapie: Metformin + Humaninsulin
ca. 62.500
3,28 – 3,66 (Mittelwert: 3,47)
Metformin + Humaninsulin (NPH-Insulin): 412,22 bis 857,68 Euro
d In Kombination mit Insulin (mit oder ohne orale Antidiabetika); zweckmäßige Vergleichstherapie: Metformin + Humaninsulin
ca. 450.000 bis 650.000 26,38 – 34,12 (Mittelwert: 30,26) Summe der Mittelwerte: 100,01 Metformin + Humaninsulin (NPH-Insulin): 412,22 bis 857,68 Euro
Bei seiner Bewertung sah der Beigeladene zu 2. ausschließlich in der Fallgruppe b1 (Kombinationstherapie mit Metformin gegenüber der Vergleichstherapie mit Metformin + Sulfonylharnstoff [Glibenclamid oder Glimeperid]) einen "Hinweis für einen geringen Zusatznutzen".
Hierauf führten der Kläger und die Beigeladene zu 1. von April bis August 2015 Verhandlungen nach § 130b Abs. 1 SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu übernehmenden Erstattungsbetrag und die darüber zu schließende Vereinbarung. Eine Einigung kam über viele vertragliche Regelungen zustande, jedoch nicht in Bezug auf die Höhe des Erstattungsbetrages.
Am 18. September 2015 rief der Kläger die Beklagte als Schiedsstelle an und beantragte, die streitig gebliebenen Inhalte der Vereinbarung (insbesondere die Höhe des Erstattungsbetrages) durch Schiedsspruch festzusetzen.
In dem Schiedsverfahren beantragte die Beigeladene zu 1. die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 21,41 Euro je Bezugsgröße. Auf der anderen Seite beantragte der Kläger die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 6,7079 Euro je Bezugsgröße; dabei setzte er in seinem "konkretisierenden Antrag" vom 30. Oktober 2015 in Bezug auf die mit einem Zusatznutzen belegte Patientengruppe b1 "für die Monetarisierung des Zusatznutzens einen Wert von 1.000 Euro pro Patient pro Jahr" an. Die verschiedenen Positionen resultierten aus einem unterschiedlichen Umgang mit dem Umstand, dass der Beigeladene zu 2. Albiglutid einen Zusatznutzen nur in einer von fünf Patientengruppen zuerkannt hatte, sowie auf unterschiedlichen Vorstellungen zu den Elementen der Preisbildung wie Monetarisierung des Zusatznutzens, Stellenwert europäischer Vergleichspreise und Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel.
Nach Verhandlung am 6. April 2016 und mit Schiedsspruch vom selben Tage (schriftliche Fassung vom 14. April 2016) entschied die Beklagte mit den Stimmen der unabhängigen Mitglieder und der Vertreter der Beigeladenen zu 1. wie folgt über die bislang nicht konsentierten Teile der Vereinbarung: Den Erstattungsbetrag für das Arzneimittel Albiglutid setzte die Beklagte pauschal und auch für die Patientengruppen, für die der GBA keinen Zusatznutzen anerkannt hatte, ab dem 1. Oktober 2015 auf 20,01 Euro je Bezugsgröße fest. Außerdem (§ 2a der Vereinbarung) unterwarf die Beklagte die Beigeladene zu 1. der Verpflichtung, "Albiglutid ausschließlich in der Zusatznutzenpopulation b1) in der Kombination mit Metformin gemäß GBA-Beschluss vom 19. März 2015 zu bewerben und jegliche Bewerbung von Albiglutid außerhalb dieser Patientenpopulation zu unterlassen". Dem Kläger wurde insoweit ein Überprüfungsrecht sowie ein Sonderkündigungsrecht für den Fall eingeräumt, dass die Beigeladene zu 1. gegen diese Regelung verstoße. Als § 2b Abs. 2 und Abs. 3 der Vereinbarung setzte die Beklagte fest: "(2) Albiglutid soll durch den Vertragsarzt ausschließlich in der Zusatznutzenpopulation b1 in der Kombination mit Metformin gemäß GBA-Beschluss vom 19.03.2015 zulasten der Krankenversicherung verordnet werden. (3) Die erstmalige Einstellung eines Patienten auf Albiglutid soll in der Regel durch einen Diabetologen/in DDG erfolgen." Dem Vertrag wurde eine Laufzeit von zwei Jahren beigemessen (§ 7 der Vereinbarung). Wegen der Einzelheiten der im Schiedsspruch getroffenen Regelungen wird auf Bl. 2 bis 5 der Ausfertigung Bezug genommen.
Zur Begründung heißt es in dem Schiedsspruch im Wesentlichen wörtlich:
"( ) Bei Arzneimitteln mit Zusatznutzen finden bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages auf der Basis von § 130b SGB V gem. § 5 Abs. 2 und § 6 der Rahmenvereinbarung die folgenden Kriterien Anwendung: - Ausmaß es Zusatznutzens gemäß GBA-Beschluss und weitere dort getroffene Festlegungen sowie die Nutzenbewertung und das Dossier des Herstellers - tatsächliche Abgabepreise in anderen europäischen Ländern - Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel ( ) Nach § 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung wird (der Erstattungsbetrag) bei Arzneimitteln mit vom GBA anerkanntem Zusatznutzen als Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zVT (zweckmäßige Vergleichstherapie) vereinbart. ( )
Die Monetarisierung des Ausmaßes des Zusatznutzens bedarf auf Basis des GBA-Beschlusses zur Nutzenbewertung wertender Entscheidungen zur Zahlungsbereitschaft der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Regelungsgefüge das AMNOG bei Nicht-Einigung er Vertragspartner der Schiedsstelle überantwortet sind. Hier sind arzneimittelindividuelle Wertentscheidungen zu treffen, die auch sozialgerichtlich materiell nicht nachzuprüfen sein dürften. Dass diese Wertentscheidungen nicht algorithmisch erfolgen, sondern den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung tragen sollen, hat der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien explizit ausgeführt. Die Wertentscheidungen zur monetären Bewertung des Zusatznutzens müssen vor dem Hintergrund der Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie, der europäischen Vergleichspreise und der Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel getroffen werden, wobei das Gewicht dieser Faktoren wiederum ebenfalls nach Auffassung der Schiedsstelle nicht algorithmisch bestimmt, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles entschieden werden sollte. Dabei berücksichtigt die Schiedsstelle im vorliegenden Fall, dass nur die Patientenpopulation b1 vom GBA mit einem Zusatznutzen beschieden worden ist. Sie geht grundsätzlich davon aus, dass im Rahmen eines Mischpreiskonzepts für diese Patientengruppe die genannten Kriterien zu berücksichtigen sind, hingegen nicht für die Patientengruppe ohne Zusatznutzen. Die Schiedsstelle hat sich vor diesem Kontext ausführlich mit der Frage befasst, zu welchen Anteilen die Verordnungen in dieser Patientengruppe b1 sein werden. Sie hat zur Kenntnis genommen, dass GSK bereit ist sich zu verpflichten, nur in dieser Patientengruppe das Arzneimittel bei den Ärzten zu bewerben und dem Spitzenverband Bund diesbezüglich ein Überprüfungsrecht und ein Sonderkündigungsrecht im Verstoßfalle einzuräumen bereit ist. In diesem Zusammenhang nimmt die Schiedsstelle auch zur Kenntnis, dass der Hersteller das Präparat bislang nicht vermarktet hat, daher eine gezielte Ausrichtung des Marketing auf die Gruppe mit Zusatznutzen von Beginn an erfolgen kann. Die entsprechenden Verpflichtungen und Berechtigungen hat die Schiedsstelle daher übernommen. Die Schiedsstelle hält es vor diesem Hintergrund für zumindest vertretbar, davon auszugehen, das 80 % der Patienten für das vertragsgegenständliche Arzneimittel in b1 sein werden. Der Spitzenverband Bund hat Konstellationen angeführt, in denen eine weit überwiegende Verordnung in der Patientengruppe mit Zusatznutzen nicht zu beobachten war. Allerdings hat sich der Hersteller in diesen Konstellationen nicht zu Beginn seiner Vertriebsaktivitäten auf eine Beschränkung auf die Population mit Zusatznutzen verpflichtet; diese Konstellation liegt hier jedoch vor, da GSK das Arzneimittel bislang nicht aktiv beworben hat. Vor diesem Hintergrund hat die Schiedsstelle einen Mischpreis angesetzt, der von einem Einsatz zu 80 % in der Patientenpopulation b1 ausgeht. Diese Erwartung ist mit dem Prognosespielraum, der der Schiedsstelle zusteht, vereinbar. Sie bewertet den Zusatznutzen in b1 mit 1200 Euro. Ebenso wie der Spitzenverband Bund setzt sie die europäischen Vergleichspreise bei 1.088 Euro an. Unterschiedlich zu beiden Seiten bewertet sie die Preise vergleichbarer Arzneimittel mit 1.326 Euro. Denn anders als der Spitzenverband Bund geht sie wie GSK davon aus, dass nur GLP-1-Analoga als vergleichbar anzusehen sind und legt die von GSK plausibel vorgetragenen Annahmen zu den Dosierungen zugrunde. ( ) Von den drei Kriterien in b1 hat für die Schiedsstelle der Zusatznutzen das höchste Gewicht, gefolgt von den Preisen vergleichbarer Arzneimittel und den europäischen Vergleichspreisen. In der Summe trägt die Patientengruppe b1 mit 972,34 Euro anteilig zu den Jahrestherapiekosten für Albiglutid bei. In den Patientengruppen ohne Zusatznutzen ist die Schiedsstelle der Argumentation des GKV-Spitzenverbandes gefolgt; aufgrund des ihnen im Schiedsspruch zukommenden Gewichts von 20% tragen sie zu den Jahrestherapiekosten mit 7,76 Euro bei. Insgesamt ergeben sich damit nach Abzug des Herstellerrabatts zu berücksichtigende Jahrestherapiekosten von Albiglutid in Höhe von 980,10 Euro. Wird berücksichtigt, dass der Herstellerrabatt konsensual nicht abgelöst werden soll, ergibt sich nach Umrechnung auf die Bezugsgröße ein Erstattungsbetrag in Höhe von 20,01 Euro. ( )
Die Schiedsstelle geht in Fortsetzung ihrer Spruchpraxis der jüngeren Zeit zudem davon aus, dass die Festsetzung des Erstattungsbetrages nicht nur im Rahmen des weiten Ermessens sachgerecht zu sein hat, sondern zugleich es der Intention des Gesetzgebers entspräche, dass auch ein fairer Interessenausgleich bewirkt werden solle: Einerseits soll das festzusetzende Reimbursement eine angemessene Würdigung der zu einem Arzneimittel mit Zusatznutzen geführt habenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der pharmazeutischen Herstellers für Eperzan® führen, andererseits ist den berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft nach bezahlbaren Arzneimittelpreisen Rechnung getragen. ( )"
Ihrer Berechnung des Erstattungsbetrages legte die Beklagte folgende Elemente zugrunde: Auf der Grundlage des konkretisierenden Antrages des GKV-Spitzenverbandes vom 30. Oktober 2015 wurden für die Patientengruppen ohne Zusatznutzen die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie mit vereinheitlichend (bei unterschiedlichen auf die vier einzelnen Gruppen entfallenden Beträgen) 38,80 Euro beziffert (20 Prozent davon = 7,76 Euro). Zugrunde lagen dem angenommene Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie in folgender Höhe:
Patientengruppe Jahrestherapiekosten a 12,00 Euro b2 23,00 Euro c 607,00 Euro d 0 Euro
Die Jahrestherapiekosten in der Gruppe mit Zusatznutzen b1 ermittelte die Beklagte wie folgt:
Beträge Gewicht Produkt Zusatznutzen 1.200 Euro 50 Prozent 600 Euro Abgabepreise in anderen Länden 1.088,03 Euro 20 Prozent 217,61 Euro Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel 1.326,06 Euro 30 Prozent 397,82 Euro 1.215,42 Euro bezogen auf 80 Prozent 972,34 Euro
Am 3. Mai 2016 hat der Kläger die vorliegende Klage gegen den Schiedsspruch erhoben.
Am 12. September 2016 hat er zusätzlich die Gewährung von Eilrechtsschutz beantragt. Mit Beschluss vom 1. März 2017 hat der Senat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den streitigen Schiedsspruch angeordnet (L 9 KR 437/16 KL ER). Zur Begründung hat der Senat u.a. ausgeführt, die von der Beklagten praktizierte Mischpreisbildung sei rechtswidrig, wenn der GBA – wie hier – bei einer Patientengruppe einen Zusatznutzen erkannt und zugleich bei einer oder mehreren Patientengruppen einen Zusatznutzen verneint habe; ein Mischpreis führe in dieser Konstellation zu nicht nutzenadäquaten Preisverzerrungen. Unabhängig davon sei der Kern der von der Beklagten für die Zusatznutzenindikation b1 vollzogenen Preisbildung intransparent, weil die Bezifferung des Zusatznutzens mit 1.200 Euro nicht nachvollziehbar sei und nicht in Beziehung gesetzt werde zu den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie; dies verstoße gegen die für die Festsetzung der Erstattungsbetrages geltenden rechtlichen Regelungen.
Zur Begründung seiner Klage nimmt der Kläger Bezug auf sein Vorbringen im Eilverfahren. Zu Recht sei die Beklagte in ihrer Gesamtkonzeption davon ausgegangen, dass hier ein Mischpreis habe gebildet werden müssen, der sich aus mehreren Komponenten zusammensetze, nämlich aus Patientengruppen mit und solchen ohne Zusatznutzen. Die sich für die einzelnen Patientengruppen ergebenden Teilerstattungsbeträge seien unter Berücksichtigung der Größe der jeweiligen Gruppe zu einem Erstattungsbetrag zusammenzuführen. Allerdings habe die Beklagte keine andere Verteilung der Patientenpopulation vornehmen dürfen als im Beschluss des GBA zur Nutzenbewertung vorgegeben. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welche Tatsachen die Beklagte ihre Annahme stütze, dass 80 % der ärztlichen Verordnungen im Zusatznutzenbereich zu erwarten seien. Weder aus dem GBA-Beschluss zum Zusatznutzen noch aus dem Parteivorbringen im Schiedsverfahren sei die Quote herleitbar. Selbst die Beigeladene zu 1. gehe davon aus, dass auf die Patientengruppe b1 noch nicht einmal 40 % der Verordnungen entfielen. Mit ihrer willkürlichen Heranziehung einer Verordnungsquote von 80% im Zusatznutzenbereich lege die Beklagte einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde, treibe den Erstattungsbetrag so in die Höhe und weiche rechtswidrig vom Beschluss des GBA zum Zusatznutzen von Albuglutid ab, der der Patientengruppe b1 nur ein Patientenaufkommen von 33,3 % bis 37,21 % beimesse und als Bestandteil der Arzneimittel-Richtlinie gerade auch für die Beklagte normative Wirkung entfalte. Die bloße Verpflichtung zur zielgerichteten Bewerbung eines Produkts lasse keinen Rückschluss darauf zu, dass sich eine Versorgungsrealität ergebe, in der gerade 80 % der Verordnungen auf den Zusatznutzenbereich entfielen.
Der Kläger beantragt,
den Schiedsspruch der Beklagten vom 6. April 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihr Schiedsspruch sei getragen von einem weiten Gestaltungsspielraum, dessen Ausübung nicht völlig objektivierbar sei. Dies habe der Senat in der vorangegangenen Eilentscheidung nicht hinreichend anerkannt. Die den Schiedsspruch tragenden Gründe seien nur andeutungsweise auszuformulieren. Der Begründungsumfang sei auch deshalb herabgesetzt, weil der Kläger Erfahrungen aus über 100 Erstattungsbetragsverhandlungen und vielen Schiedsverfahren mit der Beklagten besitze und die Beteiligten des Schiedsverfahrens einen völlig anderen Wissenshintergrund hätten als das nachträglich über den Schiedsspruch entscheidende Gericht. Für einen Außenstehenden möge die rechnerische Herleitung des Erstattungsbetrages – anders als für alle Verfahrensbeteiligten – nicht nachvollziehbar gewesen sein; das sei aber rechtlich unerheblich. Für die Monetarisierung des Zusatznutzens gebe es auch keine genaue rechnerische Herleitung. Ein algorithmisches Herleitungsmodell sei weder rechtlich vorgesehen noch wünschenswert. Den Zusatznutzen bei der Preisbildung neben den europäischen Preisen (20 %) und vergleichbaren Arzneimitteln (30 %) mit 50 % zu gewichten, sei rechtlich beanstandungsfrei und bewege sich im Rahmen des Gestaltungsspielraumes.
Die vom Senat in seiner Eilentscheidung favorisierte Bindung des Erstattungsbetrages an § 130b Abs. 3 Satz1 SGB V verstoße gegen den Wortlaut des Gesetzes, die Systematik und den Sinn und Zweck der Regelung und führe zu unangemessenen Ergebnissen. § 130b Abs. 3 Satz1 SGB V sei auf Eperzan® nicht anwendbar, denn es könne nicht die Rede davon sein, dass das Arzneimittel keinen Zusatznutzen aufweise. Die Festlegung des Erstattungsbetrages müsse auch § 130b Abs. 9 Satz 3 SGB V beachten. Auch wenn ein Zusatznutzen nur für eine von mehreren Patientenpopulationen anerkannt sei, müsse dies bei der Preisbildung angemessen berücksichtigt werden. Die vom Senat im Eilverfahren vertretene Lösung schlage einseitig zu Lasten des pharmazeutischen Unternehmers aus, der in der gegebenen Konstellation keinerlei Vorteil für den Zusatznutzen seines Arzneimittels erhalte, denn der Preis werde auf die Kosten der generischen Therapien heruntergezwungen. Der Erstattungsbetrag habe nach der gesetzgeberischen Konzeption nicht die Aufgabe, den verordnenden Arzt von der Wirtschaftlichkeitsverantwortung zu befreien. Die Lösung des Problems könne auch nicht dem GBA in Form von Verordnungsausschlüssen überantwortet werden, da der GBA im Moment seiner Entscheidung die Frage der Wirtschaftlichkeit noch nicht überblicken könne. Zudem sehe auch der Gesetzgeber einen Verordnungsausschluss durch den GBA nicht als "Regelweg"; der Leistungskatalog der GKV dürfe nicht routinemäßig verkürzt werden.
Unabhängig von alledem habe die Beklagte die Teilpopulation mit Zusatznutzen zu Recht mit 80 % übergewichtet. Die Abweichung von den Anzahlschätzungen im dem Nutzenbewertungsbeschluss des GBA sei zwingend gewesen, um einen fairen Erstattungsbetrag herbeizuführen.
Auch die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie teilt die Ausführungen der Beklagten und trägt ergänzend vor: Der im Schiedsverfahren festgesetzte Erstattungsbetrag liege schon unterhalb der Minimalgrenze, die ihr eine Vermarktung von Eperzan® in Deutschland unter Beachtung der rechtlichen und konzerninternen Vorgaben erlaube. Deshalb sei damit zu rechnen, dass der Vertrieb von Eperzan® eingestellt werde. Es werde in Deutschland ohnehin so gut wie gar nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet. Werbung finde nicht statt. Unabhängig davon sei die Festlegung indikationsspezifischer Preise derzeit rechtlich ausgeschlossen; vorgesehen sei vielmehr ein einheitlicher Erstattungsbetrag, so dass die Festlegung eines Mischpreises die einzige Möglichkeit sachgerechter Preisbildung darstelle. Wünschenswert sei ein modifiziertes Mischpreiskonzept, in dem durch bestimmte Steuerungsmaßnahmen eine möglichst hohe Verordnungsquote im Bereich der Patientengruppen mit Zusatznutzen angestrebt werde. Ein solches Mischpreiskonzept sei auch nicht gesetzeswidrig, sondern liege im Bereich der Vertragsautonomie bzw. der Gestaltungsfreiheit der Beklagten. § 130b Abs. 3 SGB V sei auf einen Fall wie den vorliegenden unter keinen Umständen anwendbar. Die von der Beklagten vorgenommene Preisbildung führe zu keiner nicht nutzenadäquaten Preisverzerrung. Denn der festgesetzte Mischpreis sei gerade unter Berücksichtigung des Zusatznutzens kalkuliert worden. Therapiehinweise bzw. Verordnungsausschlüsse seitens des GBA seien demgegenüber nicht praktikabel, vor allem weil Therapievielfalt und Versorgungsstandard auf dem Spiel stünden. Soweit der Senat in seiner Eilentscheidung algorithmische Vorgaben für die Preisfindung gemacht habe, sei dies unzulässig. Die Überprüfung von Entscheidungen der Beklagten dürfe nicht als Ergebnis-, sondern nur als Begründungskontrolle erfolgen. Die Anforderungen an die Begründungspflicht dürften keinen lenkenden Charakter annehmen. Im Rahmen ihrer prognostischen Betrachtung schließlich habe die Beklagte maßgeblich darauf abstellen dürfen, dass das Produkt bislang nicht beworben worden sei und in Zukunft nur für die Patientengruppe b1 beworben werden dürfe. Die Annahme eines Versorgungsanteils von 80 % sei daher nicht willkürlich, sondern sei von der Einschätzungsprärogative der Beklagten gedeckt.
Der Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.
Er hat vorgebracht: Sein Beschluss zur Nutzenbewertung entfalte Bindungswirkung insbesondere auch in Bezug auf die festgestellte Anzahl der Patienten bzw. die Patientengruppen. Denn auch diese Feststellung sei nach § 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB V vorgeschrieben und werde gemäß § 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V Teil der Arzneimittel-Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V. Dem entsprächen die Regelungen in § 4 Abs. 1 Nr. 4 der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV) und in im 5. Kapitel, § 20 Abs. 3 Nr. 2 der Verfahrensordnung des GBA. Diese Bindungswirkung müsse die Beklagte bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte zum Eil- und zum Hauptsacheverfahren, auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten und auf den Inhalt der Normsetzungsdokumentation des Beigeladenen zu 2. zur Nutzenbewertung Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
-
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
A. Die Klage ist zulässig. Die gesetzlichen Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.
Statthaft ist die (isolierte) Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG; vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. März 2015, L 1 KR 499/14 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29; vgl. auch BSG, Urteil vom 4. März 2014, B 1 KR 16/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21). Denn der angefochtene Schiedsspruch ist gegenüber den Partnern der Erstattungsvereinbarung, die durch den Schiedsspruch ersetzt wird, ein Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Das belegt auch § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V, wonach Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 02/17, § 130b Rdnr. 73, 75; Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rdnr. 133, 178; von Dewitz in Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand 1. März 2017, § 130b SGB V Rdnr. 30;Armbruster in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl., § 130b Rdnr. 74). Der GKV-Spitzenverband ist als Partner der Erstattungsvereinbarung klagebefugt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Ein vorheriges Widerspruchsverfahren war nach § 130b Abs. 4 Satz 6 SGB V nicht durchzuführen. Die Klagefrist von einem Monat (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist mit Klageerhebung am 3. Mai 2016 gewahrt.
B. Die Klage ist auch begründet. Der Schiedsspruch ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
I. Maßgeblich ist insoweit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – hier: 6. April 2016 –, weil eine (isolierte) Anfechtungsklage statthafte Klageart ist (BSG, Urteil vom 1. Oktober 2009, B 3 KS 4/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12). Von dieser bloßen "Faustregel" (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, B 14 AS 4/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11; Urteil vom 22. Oktober 2014, B 6 KA 3/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 41) ist abzuweichen, wenn das letztlich ausschlaggebende materielle Recht dies gebietet (BSG, jeweils a.a.O.). Im vorliegenden Fall existieren keine Hinweise, dass die nach dem angefochtenen Schiedsspruch eingetretenen Rechtsänderungen, insbesondere durch das Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz, AMVSG) vom 4. Mai 2017 (BGBl. I, S. 1050), sich auch auf bereits getroffene Schiedsstellenentscheidungen auswirken sollen. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts kommt die Anwendung anderer Vorschriften als derjenigen, die im Jahr nach dem erstmaligen Inverkehrbringen (§ 130 Abs. 3a Satz 2 SGB V) gegolten haben, nur dann in Betracht, wenn dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014, B 6 KA 3/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 43). Hinzu kommt, dass bei der Überprüfung von Entscheidungen, in denen – wie hier – der Behörde ein Gestaltungsspielraum zukommt und die mit der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage stets der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist, weil das Gericht seine eigenen Erwägungen und neuere Erkenntnisse nicht an die Stelle derjenigen der Verwaltung setzen darf (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, B 14 AS 4/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13 [zum Ermessensspielraum]).
II. Die Beklagte hatte daher bei dem streitgegenständlichen Schiedsspruch die folgende (vor Inkrafttreten des AMVSG geltende) Rechtslage zu beachten:
Nach § 130b Abs. 1 SGB V vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmern im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung auf Grundlage des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V mit Wirkung für alle Krankenkassen Erstattungsbeträge für Arzneimittel, die mit diesem Beschluss keiner Festbetragsgruppe zugeordnet wurden. Weiter gehende materielle Vorgaben für die Kriterien, anhand derer der Erstattungsbetrag zu vereinbaren ist, enthält das Gesetz in § 130b Abs. 3 SGB V für Arzneimittel, die nach dem Beschluss des GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V keinen Zusatznutzen haben und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden können: Für diese ist ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie; sind nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V mehrere Alternativen für die zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt, darf der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen als die wirtschaftlichste Alternative. Damit soll das von dem am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG, BGBl. I S. 2262) verfolgte Ziel erreicht werden, die Versorgung mit Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu angemessenen Kosten sicherzustellen. Zu diesem Zweck soll über den Erstattungsbetrag bewirkt werden, dass neue Arzneimittel ohne Zusatznutzen keine Mehrkosten gegenüber der Vergleichstherapie entstehen lassen (Gesetzesbegründung vom 6. Juli 2010, BT-Drs. 17/2413, S. 31). Grundlegend ergibt sich dieses Erfordernis aus § 12 Abs. 1 SGB V; danach dürfen Krankenkassen keine Leistungen übernehmen, die unwirtschaftlich sind. Die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie bilden somit eine rechtliche Obergrenze (vgl. zu dieser Konstellation den Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL, juris [Mirabegron]).
Weniger abschließende Regelungen enthält § 130b SGB V dazu, woran sich die Vereinbarung des Erstattungsbetrages für ein Arzneimittel orientieren soll, das nach dem Beschluss des GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V einen Zusatznutzen aufweist. Nach § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V ist der Erstattungsbetrag "auf der Grundlage des Beschlusses des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V" zu vereinbaren.
Die Einzelheiten überantwortet der Gesetzgeber den am Vertragsschluss Beteiligten: Nach § 130b Abs. 9 Satz 1 SGB V treffen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene eine Rahmenvereinbarung über die Maßstäbe für Vereinbarungen nach § 130b Abs. 1 SGB V (im Folgenden: Rahmenvereinbarung). Darin legen sie insbesondere Kriterien fest, die neben dem Beschluss nach § 35a SGB V und den Vorgaben nach § 130b Abs. 1 SGB V zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrags heranzuziehen sind (Satz 2). Für Arzneimittel, für die der GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V einen Zusatznutzen festgestellt hat, sollen die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel sowie die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern gewichtet nach den jeweiligen Umsätzen und Kaufkraftparitäten berücksichtigt werden (Satz 3). In der Rahmenvereinbarung nach Satz 1 ist auch das Nähere zu Inhalt, Form und Verfahren der jeweils erforderlichen Auswertung der Daten nach § 217f Abs. 7 SGB V und der Übermittlung der Auswertungsergebnisse an den pharmazeutischen Unternehmer sowie zur Aufteilung der entstehenden Kosten zu vereinbaren (Satz 4). Bei der Rahmenvereinbarung handelt es sich um einen Normenvertrag, der Verbindlichkeit gegenüber den beiden Vertragsparteien der Vereinbarung nach Absatz 1 und gegenüber der Schiedsstelle nach Absatz 4 besitzt (Axer in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, Kommentar, 4. Auflage, 2014, § 130b SGB V, RdNr. 26).
Die Rahmenvereinbarung regelt in §§ 5 und 6 dementsprechend Kriterien für die Ermittlung des Erstattungsbetrages: Nach § 5 Abs. 2 wird der Erstattungsbetrag bei einem Arzneimittel, das einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufweist, "durch einen Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" vereinbart. Der Zuschlag richtet sich "unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes nach dem im Beschluss des GBA festgestellten Ausmaß des Zusatznutzens (§ 5 Abs. 7 Nr. 1 bis 3 AM-NutzenV) und einer Berücksichtigung der sonstigen Kriterien in § 6". Kriterien zur Vereinbarung des Erstattungsbetrages sind nach § 6 der Rahmenvereinbarung "insbesondere der Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V mit den darin getroffenen Feststellungen gemäß § 20 Abs. 3 des 5. Kapitel der Verfahrensordnung des GBA" sowie das vom pharmazeutischen Unternehmer erstellte Dossier nach § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V, die von dem pharmazeutischen Unternehmer mitgeteilten tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern und die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel.
Welche Feststellungen der GBA in seinem Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V trifft, ist sowohl in der AM-NutzenV als auch im 5. Kapitel der auf § 91 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB V beruhenden Verfahrensordnung des GBA geregelt. Dort bestimmt § 20 Abs. 3, dass der GBA auf der Grundlage der Nutzenbewertung "mit dem Beschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V Feststellungen in der Arzneimittel-Richtlinie zur wirtschaftlichen Verordnungsweise des Arzneimittels" trifft, "insbesondere zum Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, zur Anzahl der Patienten bzw. Abgrenzung der für die Behandlung in Frage kommenden Patientengruppen, zu Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung und zu den Therapiekosten auch im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie". Gemäß § 5 Abs. 7 Nr. 1 bis 3 AM-NutzenV quantifiziert der GBA den angenommenen Zusatznutzen eines Arzneimittels als "erheblich", "beträchtlich" oder "gering".
Dem Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V kommt als Teil der Arzneimittel-Richtlinie (§ 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V) normative Wirkung zu, die die an der Preisbildung Beteiligten gemäß § 91 Abs. 6 SGB V ebenso bindet wie – sofern sie angerufen wird – die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V. Die Genannten haben im Rahmen der Preisvereinbarung oder -festsetzung keine Kompetenz, den Nutzenbewertungsbeschluss des GBA inhaltlich zu überprüfen oder zu verwerfen, auch nicht im Rahmen einer bloßen Evidenzkontrolle. Dies liefe dem Normcharakter der Arzneimittel-Richtlinie zuwider, führte zu nicht hinnehmbaren Unsicherheiten in der praktischen Handhabung der normativen Vorgaben und missachtete die Regel, dass zur Normverwerfung im gewaltengeteilten Rechtsstaat ausschließlich die Gerichte zuständig sind (andeutungsweise anders insoweit: LSG Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 22.Mai 2014, L 1 KR 108/14 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 118f.). Einer Rechtmäßigkeitsprüfung unterliegt der Nutzenbewertungsbeschluss, der nach § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V nicht gesondert anfechtbar ist, allein in einem gerichtlichen Verfahren, dessen Gegenstand in einer Überprüfung des durch Schiedsstellenentscheidung festgesetzten Erstattungsbetrages besteht.
III. 1. Ein nach § 130b Abs. 4 SGB V ergangener Schiedsspruch unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Er stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und nicht weisungsgebundenes Gremium dar. Mit der paritätischen Zusammensetzung, ständigen unparteiischen Mitgliedern und dem Mehrheitsprinzip (vgl. § 130b Abs. 5 Satz 2 SGB V) ist bezweckt, die Fähigkeit des Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer sachgerechten Entscheidungsfindung zu nutzen. Dabei wird die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V allerdings nicht etwa wie ein privater Schlichter tätig, der, ungebunden von rechtlichen Maßstäben, nach einem freien Kompromiss suchen kann (vgl. hierzu schon Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 45 [Mirabegron, kein "freies Aushandeln"]. Die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V nimmt vielmehr Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Sie besitzt Behördeneigenschaft im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X (vgl. Luthe, a.a.O., Rdnr. 74; Baierl, a.a.O., Rdnr. 178). Denn das Schiedsverfahren ist ein Verwaltungsverfahren nach § 8 SGB X, weil es auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist. Deshalb gelten für die Schiedsstelle auch die Regelungen für die Durchführung von Verwaltungsverfahren, insbesondere der Untersuchungsgrundsatz nach § 20 SGB X, die Anhörungsrechte der Beteiligten nach § 24 SGB X und die Pflicht zur Begründung des Verwaltungsaktes, soweit § 130b SGB V oder die Rahmenvereinbarung hiervon keine abweichenden Bestimmungen enthält. Denn in den anderen Büchern des Sozialgesetzbuches ergeben sich für den vorliegenden Fall keine Abweichungen (§ 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch). Die Schiedsstelle ist daher unmittelbar der Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes unterworfen.
In diesem Rahmen besitzt die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V bei ihren Entscheidungen einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Gestaltungsspielraum. Der Senat prüft (lediglich) die Wahrung rechtsstaatlichen Verfahrens und die Einhaltung des für den Erstattungsbetrag geltenden materiell-rechtlichen Rahmens. Mit anderen Worten: In formeller Hinsicht ist zu prüfen, ob die Schiedsstelle den von ihr zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und ihr Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die materiell-rechtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsstelle den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d.h. insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Verfahrensbeteiligten gelten (zu den entwickelten Maßstäben für Schiedsentscheidungen vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; Urteil vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58; Urteil vom 13. November 2012, B 1 KR 27/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27; Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 P 3/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 69; Urteil vom 14. Dezember 2000, B 3 P 19/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22; s.a. Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29 [Mirabegron]).
Der Senat nimmt danach keine Kontrolle des Ergebnisses eines Schiedsspruchs vor, sondern überprüft sein gesetzmäßiges Zustandekommen auf der Grundlage seiner Begründung. Die sozialgerichtliche Fehlerkontrolle unterscheidet sich insoweit nicht grundsätzlich von der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte beim Vorhandensein von Beurteilungs- oder Ermessensspielräumen (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG sowie Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, Rdnrn. 28 und 31 zu § 54). Hat die Schiedsstelle den maßgeblichen Sachverhalt zutreffend ermittelt, die Bestimmungen des § 130b SGB V, des SGB X und der Rahmenvereinbarung bei seiner Entscheidung beachtet und diese nachvollziehbar begründet (vgl. § 35 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB X), ist der Schiedsspruch rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Nach diesen rechtlichen Grundsätzen ist der angefochtene Schiedsspruch schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte den Zusatznutzen von Albiglutid in der Patientengruppe b1 mit 1.200,00 Euro bestimmt hat, ohne diesen für die Bestimmung des Erstattungsbetrages zentralen Wert auch nur ansatzweise zu begründen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung des Verwaltungsakts sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen - zu der die vorliegende Entscheidung gehört - muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB X). Der Kern der von der Beklagten für die Zusatznutzenindikation b1 vollzogenen Bestimmung des Erstattungsbetrages beruht demnach auf einem von der Schiedsstelle "frei gegriffenen" Betrag. Dies belegt die Auffassung des unparteiischen Vorsitzenden der Schiedsstelle, wonach es im gerichtlichen Verfahren genüge, wenn er bzw. die Schiedsstelle als ganze die inhaltlichen und rechnerischen Implikationen eines Schiedsspruchs verstünden, während es einem Gericht gar nicht möglich sein könne, die rechnerische Herleitung des Erstattungsbetrages zu verstehen.
3. Diese Rechtsauffassung der Beklagten missachtet die Grenzen des Entscheidungsspielraums der Schiedsstelle und verkennt die rechtsstaatlichen Anforderungen an effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes). Zentraler rechtlicher Ansatzpunkt ist insoweit die in § 5 Abs. 2 Satz 1 der Rahmenvereinbarung enthaltene Regelung, wonach der Erstattungsbetrag bei einem Arzneimittel, das einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufweist, "durch einen Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" vereinbart wird. Der Zuschlag hat sich u.a. nach dem im Beschluss des GBA festgestellten Ausmaß des Zusatznutzens zu richten (§ 5 Abs. 2 Satz 2 der Rahmenvereinbarung). Diese sachgerechten Regelungen tragen der Hauptintention des AMNOG Rechnung, das die Jahrestherapiekosten eines Arzneimittels in ein angemessenes Verhältnis zum festgestellten Nutzen setzen wollte (BT-Drs. 17/2413, S. 31, li.Sp.).
§ 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung kann mit der Formulierung des "Zuschlag(es) auf die Jahres¬therapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" im Lichte des Zwecks des AMNOG nur so verstanden werden, dass der "Zuschlag" umso höher ausfallen darf, je höher der Zusatznutzen vom GBA auf der Grundlage von § 5 Abs. 7 der AM-NutzenV taxiert wurde (erheblich, beträchtlich, gering, nicht quantifizierbar). Hieran musste sich auch die Beklagte bei der Findung ihres Schiedsspruchs orientieren, denn die Rahmenvereinbarung dient insgesamt dem Zweck, für die an den Verhandlungen über den Erstattungsbetrag Beteiligten verbindliche Maßstäbe zu bilden (vgl. Abs. 1 der Präambel); die in der Rahmenvereinbarung enthaltenen Maßstäbe der Preisbildung binden auch die Beklagte als Schiedsstelle, denn sie setzt den Vertragsinhalt an Stelle der Beteiligten fest (§ 130b Abs. 4 Satz 1 SGB V) und darf sich daher nicht von den zwischen den Beteiligten geltenden Maßstäben lösen.
Das Merkmal des "Zuschlag(es) auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" ist zentrales Element der Preisbildung und daher von der Beklagten in einem Schiedsspruch besonders sorgsam zu bedenken. Dies muss sich auch auf die Anforderungen an die schriftliche Begründung des Schiedsspruchs auswirken. Denn wenn nicht transparent wird, mit welchen Erwägungen und aufgrund welcher Implikationen die Beklagte den "Zuschlag" gebildet hat, ist nicht gerichtlich überprüfbar, welchen Sachverhalt die Schiedsstelle ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Die Feststellung der einzelnen Berechnungselemente gehört damit zur Bestimmung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Ist die Herleitung der einzelnen Berechnungselemente nicht nachvollziehbar, lässt sich auch nicht überprüfen, ob die Preisbildung auf den Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufbaut und entsprechend dem vom GBA auf der Grundlage von § 5 Abs. 7 AM-NutzenV festgesetzten Zusatznutzen (erheblich, beträchtlich, gering, nicht quantifizierbar) bestimmt worden ist. Dies muss nach den von der Rechtsprechung entwickelten, oben dargestellten Kriterien zur Rechtswidrigkeit eines solchen Schiedsspruchs führen. Außerdem setzt er setzt sich dem Einwand der Willkür aus.
4. Zwar ist mit den schriftlichen Einlassungen der Beklagten im Eilverfahren L 9 KR 437/16 KL ER nachvollziehbar geworden, wie der im Schiedsspruch festgesetzte Erstattungsbetrag arithmetisch ermittelt wurde. Zu Jahrestherapiekosten von 1.215,42 Euro gelangte die Beklagte, indem sie den "Zusatznutzen" mit 1.200 Euro bezifferte, die Abgabepreise in anderen Ländern mit 1.088,03 Euro und die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel mit 1.326,06 Euro und diese Werte prozentual gewichtet zu einander ins Verhältnis setzte (vgl. Tabelle Bl. 8 dieses Urteils).
Die nach § 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung erforderliche Bildung eines "Zuschlages" zur zweckmäßigen Vergleichstherapie hat die Beklagte dabei aber aus den Augen verloren. Stattdessen wird ein "Zusatznutzen" mit 1.200 Euro beziffert, ohne eine Beziehung zu den Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie herzustellen und den Betrag daraus abzuleiten. Wie in der mündlichen Verhandlung erkennbar wurde, hat sich der unparteiische Vorsitzende der Schiedsstelle dabei an der "Zahlungsbereitschaft" der Krankenkassen und nicht an den Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie orientiert. Denn der Kläger hat im Schiedsverfahren im Antrag vom 31. Oktober 2015 - ebenfalls ohne jegliche Begründung - eine Größenordnung von 1.000 Euro angesteuert. Von diesem Betrag weicht die Beklagte noch um 200 Euro zu Lasten des Klägers ab, ohne auch diese Abweichung zu begründen.
Damit löst sich die angegriffene Preisbildung von den in § 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung als Ausgangspunkt vorausgesetzten Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie. In Bezug auf diesen Ausgangspunkt muss sich der Zuschlag nachvollziehen lassen. Daran fehlt es vorliegend. Die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegen nach dem insoweit verbindlichen Beschluss des GBA zur Nutzenbewertung in einer Spanne zwischen 46,27 Euro und 252 Euro. Der Senat lässt offen, wo bei Bildung des "Zuschlages" anzusetzen ist, wenn die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie nur in Form einer Preisspanne beziffert werden konnten; allerdings wird die Beklagte in einem Schiedsspruch hier eine Entscheidung zum Ausgangswert zu treffen haben, denn dieser determiniert die statthafte Höhe des "Zuschlages". Selbst wenn man hier den höchsten Spannenwert heranzieht, 252 Euro, läge die Bemessung des Zusatznutzens (1.200 Euro) schon um fast das Fünffache über diesem Ausgangswert. Je weiter die Beklagte bei der Bildung des Zuschlages über die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie hinausgeht, umso intensiver wird ihre Begründungslast, denn sie hat nach der Intention des zugrunde liegenden Rechts einen nutzengerechten Preis zu bilden und dabei vor allem auch den Grad des jeweiligen Zusatznutzens zu berücksichtigen. Die Beklagte hat aber bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache hierfür keine Begründung geliefert. Sie hat nach den rechtlichen Ausführungen des Senats im Beschluss zum Eilverfahren L 9 KR 437/16 KL ER (bei juris Rdnr. 56 ff.) auch nicht einmal den Versuch unternommen, den Ausgangswert ihrer Preisbildung von 1.200 Euro vor dem Hintergrund der Rahmenvereinbarung zu plausibilisieren. Ob eine solche Konkretisierung noch im gerichtlichen Verfahren allein durch den Vorsitzenden der Schiedsstelle "nachgeholt" werden kann, bedarf deshalb hier keiner Klärung.
Dass der Zuschlag im vorliegenden Fall bei nur geringem Zusatznutzen um ein Vielfaches über dem Preis der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegt, ist auch nicht von vornherein plausibel. Im Gegenteil entsteht der Eindruck, dass die Beklagte ohne jede rechtliche Bindung zu einer "freien" Preisbildung gegriffen hat, die sie für mehrheitsfähig hielt. Dass dies einer gerichtlichen Kontrolle nicht Stand halten kann, liegt auf der Hand.
Der Senat verlangt damit von der Beklagten keine Preisbildung nach einem feststehenden, regelbildenden Entscheidungsalgorithmus (vgl. dazu BT-Drs. 17/13770, S. 24 r.Sp.), sondern nur eine solche, die eine einzelfallbezogene, nachvollziehbare und alle rechnerischen Elemente objektivierende Begründung enthält.
IV. Unabhängig davon bestehen weitere rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Schiedsspruchs.
1. Die Beklagte sah sich vor der tatsächlichen Situation, dass der GBA in seinem Nutzenbewertungsbeschluss zum neuen Wirkstoff Albiglutid fünf Patientengruppen gebildet hatte, von denen er nur bei einer (b1) einen (geringen) Zusatznutzen erkannte. Die Unterscheidung nach einzelnen Patientengruppen ist in § 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB V und Kapitel 5, § 18 Abs. 1 der Verfahrensordnung des GBA vorgesehen und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der pharmazeutische Hersteller hat danach in dem von ihm im Rahmen der Nutzenbewertung vorzulegenden Dossier auch Angaben zu machen zur "Anzahl der Patienten und Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen besteht". Auf dieser Grundlage soll ermittelt werden können, inwieweit die Versicherten quantitativ von dem fraglichen Arzneimittel profitieren können; die Anzahl der Patienten steht in Bezug zu dem zu ermittelnden therapierelevanten Nutzen (vgl. AMNOG, Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/2413, S. 20 r. Sp.).
2. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte bei der Ermittlung des Erstattungsbetrages für den Wirkstoff Albiglutid zur Methode der "Mischpreisbildung" gegriffen: Sie hat zunächst einen auf die Patientengruppe mit Zusatznutzen entfallenden Erstattungsbetrag (1.215,42 Euro) sowie einen auf die Patientengruppen ohne Zusatznutzen entfallenden (niedrigeren) Erstattungsbetrag (38,80 Euro) errechnet. Die beiden ermittelten Werte sind in einem nächsten Schritt zu einander ins Verhältnis gesetzt worden, und zwar je nach Größe der jeweiligen Patientengruppen, um das tatsächliche Verordnungsverhalten der Vertragsärzteschaft einzubeziehen. Die von der Beklagten praktizierte Mischpreisbildung stellt sich danach modellhaft wie folgt dar:
Patientengruppe Patientenaufkommen Erstattungsbetrag 1 (mit Zusatznutzen) 50 Prozent 1.000 Euro 2 (ohne Zusatznutzen) 50 Prozent 100 Euro
In einer solchen Situation bewirkt Patientengruppe 1 den Erstattungsbetrag zu 50 Prozent, Patientengruppe 2 bewirkt ihn ebenfalls zu 50 Prozent, so dass sich über die Mischpreisbildung ein Erstattungsbetrag von 500 Euro + 50 Euro = 550 Euro ergibt. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte (vereinfacht dargestellt) konkret folgende Berechnung angestellt:
Patientengruppe Patientenaufkommen Erstattungsbetrag Anteiliger Erstattungsbetrag 1 (mit Zusatznutzen) 80 Prozent 1.215,43 Euro 80 Prozent = 972,34 Euro 2 (ohne Zusatznutzen, vier Untergruppen) 20 Prozent 38,80 Euro 20 Prozent = 7,76 Euro
Die Summe der beiden anteiligen Erstattungsbeträge ergibt zu berücksichtigende Jahrestherapiekosten von 980,10 Euro. Hieraus ergibt sich der festgesetzte Erstattungsbetrag von 20,01 Euro: 980,10 Euro: 365 Tage = 2,67 (Tagestherapiekosten) x 7 = 18,83 (wöchentliche Therapiekosten als Bezugsgröße) + 1,18 Euro (netto Herstellerabschlag) = 20,01 Euro.
3. Seine rechtlichen Bedenken gegen die so praktizierte Methode der Mischpreisbildung erhält der Senat für die hier gegebene Fallkonstellation auch im Lichte der Kritik, die die Eilentscheidung vom 1. März 2017 (L 9 KR 437/16 KL ER) nach sich zog (vgl. nur Stallberg, PharmR 2017, S. 212; Anders, A&R 2017, S. 80), aufrecht und stützt sie auf folgende Erwägungen:
a) Der von der Beklagten festgelegte Mischpreis führt zu nicht nutzenadäquaten Preisverzerrungen in den einzelnen Anwendungsbereichen bzw. Patientengruppen und damit zu nicht nutzengerechten Preisen (zu unkritisch insoweit Baierl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 130b SGB V Rdnr. 107; siehe auch Stadelhoff, Rechtsprobleme des AMNOG-Verfahrens, Diss. jur. 2016, Nomos-Verlag, S. 276-283). Er trägt damit nicht der vom Gesetzgeber mit dem AMNOG verfolgten Grundidee Rechnung, wonach der Preis eines Arzneimittels seinem Nutzen bzw. Zusatznutzen folgen solle. Vorliegend müssten auf die Patientengruppe b1, für die der GBA einen geringen Zusatznutzen beschlossen hat, (hier unterstellt: beanstandungsfrei hergeleitete) Jahrestherapiekosten in Höhe von 1.215,42 Euro entfallen. Isoliert betrachtet durften die (unterstellt: beanstandungsfrei hergeleiteten) Jahrestherapiekosten in den anderen ohne Zusatznutzen gebliebenen Patientengruppen maximal 12,00 Euro (Gruppe a), 23,00 Euro (Gruppe b2), 607,00 Euro (Gruppe c) bzw. 0 Euro (Gruppe d) betragen. Dieses differenzierte Gefüge nivelliert ein Mischpreis, dem die Beklagte hier über alle fünf Patientengruppen Jahrestherapiekosten von pauschal 980,10 Euro zugrunde legte. Rechtswidrig ist dies, weil sich für die Patientengruppen a, b2, c und d damit Jahrestherapiekosten ergeben, die entgegen § 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V höher sind als die Jahrestherapiekosten der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie; zum Beispiel übersteigt der Mischpreis im Falle von Patientengruppe a die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie um mehr als das Achtzigfache.
b) Auf der anderen Seite – aus der Warte des pharmazeutischen Herstellers – ist der als Mischpreis festgelegte Erstattungsbetrag nicht tragfähig, weil er durch die kostendämpfende Einbeziehung der Patientengruppen ohne Zusatznutzen niedriger ausfällt als notwendig. Dies verletzt Rechte des pharmazeutischen Herstellers.
c) Indem der Mischpreis dem Arzneimittel in der mit einem Zusatznutzen belegten Konstellation einen zu niedrigen und damit nicht nutzenadäquaten Preis beimisst, wird zugleich eine rechtswidrige Ausgangslage für künftige Nutzenbewertungen und Preisfestlegungen geschaffen: Wenn nämlich das Arzneimittel in der mit dem Zusatznutzen belegten Konstellation künftig als zweckmäßige Vergleichstherapie für einen neuen, nunmehr der Nutzenbewertung unterliegenden Wirkstoff fungieren sollte (zu einem solchen Fall: Beschluss des GBA vom 3. April 2014, BAnz AT 15. April 2014 B3, zum Wirkstoff Dabrafenib), würden die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie vom GBA aufgrund der Auswirkungen des Mischpreises zu niedrig bemessen. Dies wiederum könnte den dann betroffenen pharmazeutischen Hersteller in seinen Rechten verletzen, der mangels eigener Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Preisfestlegung im früher durchgeführten Nutzenbewertungsverfahren hinnehmen muss, dass – gesetzgeberisch gewollt – der Preis seiner Neuentwicklung sich an den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie orientieren muss.
Entsprechendes gilt zu Lasten der Krankenkassen, wenn der Mischpreis – wie unter a) dargestellt – rechtswidrig zu hoch festgesetzt wird.
4. Die aufgezeigten Probleme sprechen für das Erfordernis einer ergänzenden gesetzgeberischen Regelung zur Bildung eines Erstattungsbetrages in der Konstellation unterschiedlich nutzenbewerteter Patientengruppen. Denn die nach der derzeitigen defizitären Rechtslage praktizierte Mischpreisbildung begegnet nicht nur den beschriebenen gravierenden rechtlichen Bedenken. Zugleich handelt es sich um eine wesentliche Grundentscheidung, die die Finanzierbarkeit des Systems der GKV und Grundrechte des pharmazeutischen Herstellers betrifft (vgl. Stadelhoff, a.a.O., S. 283; Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Kommentar, Rdnr. 14 zu § 130b).
Jedenfalls müssten aber der GKV-Spitzenverband und die Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene (§ 130b Abs. 5 SGB V) die Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V um Regularien zum "Ob" und "Wie" der Bildung eines Mischpreises erweitern. Die Rahmenvereinbarung in ihrer derzeitigen Fassung enthält für dieses praxisrelevante Problem keine Regularien und wird daher der Vorgabe in § 130b Abs. 9 Satz 1 SGB V nicht gerecht, "Maßstäbe für die Vereinbarungen nach Absatz 1" zu bilden, was wiederum zur Entstehung von Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden beiträgt, weil wesentliche Elemente der Preisbildung ungeregelt sind und "freihändig" gehandhabt werden. Nur mit einer solchen Regelung würde außerdem eine gleichmäßige Verwaltungspraxis der Schiedsstelle bei der Festsetzung von Mischpreisen und damit die Einhaltung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistet.
5. Schon aus den vorgenannten Gründen erscheint die von der Beklagten vorgenommene Mischpreisbildung insgesamt rechtswidrig. Dieses Ergebnis ergibt sich zusätzlich aus Folgendem:
a) Die Beklagte hat ihrer Mischpreiskalkulation rechnerisch zugrunde gelegt, dass Albiglutid prognostisch mit einem Anteil von 80 Prozent in der Zusatznutzenpopulation b1 verordnet werde. Begründet hat die Beklagte dies auch mit den praktischen Auswirkungen der in § 2b Abs. 2 der Vereinbarung getroffenen Regelung, wonach Albiglutid "durch den Vertragsarzt ausschließlich in der Zusatznutzenpopulation b1 in der Kombination mit Metformin gemäß G-BA Beschluss vom 19.03.2015 zulasten der Krankenversicherung verordnet werden (soll)". U.a. hieraus leitete die Beklagte die "Erwartung" ab, dass der Wirkstoff künftig zu 80 Prozent in der Zusatznutzenpopulation verordnet werde. Diese Prognose ist rechtlich nicht haltbar, weil alles dafür spricht, dass die in § 2b Abs. 2 der Vereinbarung getroffene Regelung rechtswidrig ist.
Dieser Regelung (wie im Übrigen auch jener in § 2b Abs. 3 zum Facharztstandard) wohnt inne, dass sie sich an Dritte richtet und diese belastet, nämlich an Vertragsärzte. Die Regelung kann den Vertragsärzten gegenüber aber keine Wirksamkeit entfalten. Denn sie ist Bestandteil eines Verwaltungsakts. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Schon § 130b SGB V sieht aber eine Bekanntmachung von Regelungen der Vereinbarungen eines Erstattungsbetrages oder eines Schiedsspruchs gegenüber Dritten nicht vor, sondern ordnet im Gegenteil in § 130b Abs. 1 Satz 10 SGB V weitgehend Vertraulichkeit der Verhandlungen und der Entscheidung an. Schon deshalb dürfte ausgeschlossen sein, dass die Beklagte zur Stützung eines Mischpreises Regelungen trifft, die Einschränkungen vertragsärztlicher Tätigkeit vorsehen, ohne dass es auf die Frage ankäme, woraus die Beklagte insoweit ihre ("demokratische") Legitimation herleiten wollte.
Somit fehlt es für die Regelung in § 2b Abs. 2 der Vereinbarung an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage. Insbesondere bietet § 130b Abs. 1 Satz 5 SGB V insoweit keine ausreichende Ermächtigung. Danach soll die Vereinbarung auch "Anforderungen an die Zweckmäßigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit einer Verordnung beinhalten". Als Grundlage hierfür fungiert wiederum der Nutzenbewertungsbeschluss des GBA (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 5 AM-NutzenV). Die Vereinbarung über den Erstattungsbetrag, und damit auch der Schiedsspruch nach § 130b Abs. 4 SGB V, darf danach insbesondere Bestimmungen zur Qualitätssicherung treffen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Vereinbarung des Erstattungsbetrages stehen, regelmäßig also ausschließlich arzneimittelbezogen sein muss. Regelungen zur Qualitätssicherung der gemeinsamen Selbstverwaltung können hierdurch ergänzt, aber nicht abgelöst werden. Kosten, die durch die Vereinbarung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung entstehen, sind durch die Vertragspartner zu tragen und dürfen nicht auf Dritte abgewälzt werden (so ausdrücklich Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/2413, S. 31 li.Sp.; vgl. auch Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Kommentar, Rdnr. 36 zu § 130b).
Der in § 2b Abs. 2 intendierte Verordnungsausschluss ist davon nicht umfasst. Er fiele gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V unter den dort genannten engen Voraussetzungen allein in die Kompetenz des GBA. Dasselbe gilt für die in § 2b Abs. 3 gewollte Einführung eines Facharztstandards; eine solche berührt die Rechte Dritter, nämlich der Vertragsärzte, und darf daher nicht ohne deren Beteiligung rechtliche Wirkung entfalten.
b) Der Senat will damit im Ergebnis nicht schlechthin ausschließen, dass die Partner der Vereinbarung nach § 130b Abs. 1 SGB V bzw. die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V auf der Grundlage des Nutzenbewertungsbeschlusses des GBA eine Prognose zum künftigen ärztlichen Verordnungsverhalten treffen und hierbei die Größe der Patientengruppen, denen das Arzneimittel nach der Nutzenbewertung voraussichtlich verordnet werden wird, anders einschätzen. Es bedarf aber auch hierfür klarer methodischer Vorgaben zumindest in der Rahmenvereinbarung.
Die im Nutzenbewertungsbeschluss des GBA angegebene Größe der jeweiligen Patientengruppe geht zurück auf die Angaben des pharmazeutischen Unternehmers nach § 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB V und findet nach dem 5. Kapitel, 4. Titel, § 20 Abs. 3 Nr. 2 der Verfahrensordnung des GBA Eingang in den Nutzenbewertungsbeschluss, der seinerseits nach § 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V Teil der Arzneimittel-Richtlinie wird und damit die oben beschriebene Bindungswirkung entfaltet. Die Größe der jeweiligen Patientengruppe spiegelt das ärztliche Verordnungsverhalten im Moment der Nutzenbewertung (Ist-Zustand). Es liegt allerdings nahe, dass sich das ärztliche Verordnungsverhalten ändert und etwa mengenmäßig zugunsten des Zusatznutzenbereichs verschiebt, wenn der Nutzenbewertungsbeschluss bekanntgegeben ist und die Vereinbarung über den Erstattungsbetrag veröffentlichte Regelungen zur Qualitätssicherung enthält. Eine bei den Werten des Nutzenbewertungsbeschlusses ansetzende und diese weiter entwickelnde Prognose zum ärztlichen Verordnungsverhalten bedarf allerdings stets nachvollziehbarer Erwägungen, insbesondere auch zur Höhe des jeweils angesteuerten Werts. Dem wird der angefochtene Schiedsspruch nicht gerecht, denn die Prognoseentscheidung nutzt mit dem Versuch eines Teilverordnungsausschlusses eine rechtswidrige Prämisse und ist auch der Höhe nach nicht ansatzweise nachvollziehbar, denn warum der Schiedsspruch die vordefinierte Größe der Patientengruppe und b1 mehr als verdoppelt und eine Gruppengröße von gerade 80 Prozent ansteuert, wird nicht weiter begründet.
V. Abschließend gibt der Senat zu bedenken:
1. Ein Mischpreis führt in einer Konstellation wie der vorliegenden für die vertragsärztliche Verordnungspraxis zu nicht unerheblichen Regressrisiken (vgl. Stadelhoff, a.a.O., S. 166-169). Eine vertragsärztliche Verordnung des Arzneimittels in den nicht mit einem Zusatznutzen versehenen Patientengruppen ist grundsätzlich zulässig, denn auch für diese Patientengruppen bzw. Indikationen ist es arzneimittelrechtlich zugelassen; allerdings ist der Mischpreis für diese Patientengruppen nicht nutzenadäquat, weil er, bedingt durch den oben dargestellten Vorgang der Preisbildung, rechnerisch über dem Preis der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie liegt. Würden Vertragsärzte Albiglutid in den Patientengruppen a, b2, c und d verordnen, könnten sie sich unwirtschaftlich verhalten (§ 12 Abs. 1 SGB V) und der Gefahr eines Arzneimittelkostenregresses im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen; der "global" als wirtschaftlich geltende Erstattungsbetrag kann im Einzelfall unwirtschaftlich sein (vgl. dazu Bauer u.a., IBES Diskussionsbeitrag, "Analyse und Beschreibung des AMNOG-Umsetzungsproblems in die Versorgungspraxis", Januar 2016, S. 8; Bickel in Arzneiverordnung in der Praxis, Heft 1 Januar 2016, "Frühe Nutzenbewertung nach AMNOG und Auswirkungen auf die Vertragsärzte", S. 43 [46]). Ein naheliegendes Regressrisiko besteht bei der Verordnung nutzenbewerteter Arzneimittel in den Bereichen ohne Zusatznutzen deshalb, weil durch die zweckmäßige Vergleichstherapie eine typischerweise kostengünstigere Behandlungsalternative besteht. Entsprechend dem Minimalprinzip als Ausfluss des Wirtschaftlichkeitsgebots ist mit dem geringstmöglichen Aufwand die erforderliche – ausreichende und zweckmäßige – Leistung zu erbringen, d.h. der Vertragsarzt ist bei zwei zur Behandlung einer bestimmten Gesundheitsstörung zur Verfügung stehenden, medizinisch gleichwertigen Therapieansätzen im Regelfall verpflichtet, den kostengünstigeren zu wählen; das Minimalprinzip ist grundsätzlich auch im Verhältnis zweier therapeutisch gleichwertiger, aber unterschiedlich teurer Arzneimittel zu beachten (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 2016, B 6 KA 3/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19; Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 18/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 37f.; Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 44; Urteil vom 20. Oktober 2004, B 6 KA 41/03 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 44; Urteil vom 3. Juli 2012, B 1 KR 22/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Oktober 2009, L 7 KA 131/06, zitiert nach juris, dort Rdnr. 52).
Gleichwohl bedarf es regelmäßig näherer normativer Konkretisierungen – etwa hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von bestimmten Arzneimitteln –, an denen der Arzt seine Behandlungsweise ausrichten kann. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der GBA gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V gehalten ist, eine Richtlinie für die Verordnung von Arzneimitteln zu beschließen, welche den in § 92 Abs. 2 SGB V niedergelegten detaillierten Vorgaben genügen müssen; hierzu gehören auch Regelungen, die dem Vertragsarzt eine Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit einer Verordnung ermöglichen. Weiterhin muss der Arzt davor geschützt sein, dass eine nicht offensichtlich regelwidrige Behandlungsweise im Nachhinein auf der Grundlage ganz allgemeiner Erwägungen zu wirtschaftlichen Alternativen als fehlerhaft bewertet wird. Das schließt aber nicht aus, dass der Arzt in besonderen Konstellationen auch ohne entsprechende Konkretisierungen zur unmittelbaren Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet ist und aus dessen Nichtachtung Folgerungen gezogen werden dürfen. Mithin kann ein Vertragsarzt, insbesondere bei vorhandenen rechtskonformen Handlungsalternativen, die mit unterschiedlich hohen Kosten verbunden sind, auch ohne entsprechende Konkretisierung durch die Arzneimittel-Richtlinie verpflichtet sein, sich für die wirtschaftlichere Variante zu entscheiden (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 18/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 38).
Um offenkundig bestehenden Missverständnissen zu begegnen (vgl. nur das "Statement" des stellvertretenden Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 26. April 2017, http://www.kbv.de/html/2017 28482.php), weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass selbstverständlich die Wahl des teureren von zwei gleichwertigen Arzneimitteln nicht regressbehaftet sein kann, wenn es hierfür objektive medizinische Gründe gibt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 2016, B 6 KA 3/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr.57), etwa wenn die Anwendung des kostengünstigeren Arzneimittels wegen Kontraindikationen oder unzumutbarer Nebenwirkungen ausgeschlossen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Unwirtschaftlichkeit des teureren Arzneimittels mittels Verordnungsausschlusses oder –einschränkung in der Arzneimittel-Richtlinie "förmlich" festgestellt ist. Denn auch solcher Art ausgeschlossene Arzneimittel dürfen nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V "ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung" verordnet werden. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Arzneimittel-Richtlinie genügt zur Begründung hierfür im Regelfall die Angabe der Indikation und gegebenenfalls die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen in der Patientenakte (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2014, B 6 KA 25/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23). Nicht zuletzt deshalb weist der Senat auch darauf hin, dass Regressrisiken im Allgemeinen umso mehr minimiert werden können, je sorgfältiger ein Vertragsarzt den Verlauf und die medizinische Notwendigkeit der Pharmakotherapie dokumentiert.
Das Risiko eines Arzneikostenregresses könnte aber auch deshalb bestehen, weil nach Berichten aus der Praxis für einen Vertragsarzt nicht immer erkennbar sei, ob der Patient, für den das fragliche Arzneimittel verordnet werde, in eine Gruppe mit oder ohne Zusatznutzen falle. Dass das Ergebnis einer Nutzenbewertung, selbst wenn es vom GBA elektronisch publiziert wird, unter Vertragsärzten nicht flächendeckend bekannt sei, ist unerheblich, weil jeder Vertragsarzt die von ihm bei der Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit und somit auch bei Arzneimittelverordnung zu beachtenden rechtlichen Vorgaben (etwa Umfang der arzneimittelrechtlichen Zulassung, Rücknahme und Widerruf solcher Zulassungen, Verordnungsausschlüsse in der Arzneimittel-Richtlinie) kennen muss (§ 91 Abs. 6, § 95 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 82, § 83 SGB V) und sich im Regressfall nicht auf Unwissenheit berufen kann. Auf der anderen Seite wurden Vertragsärzte durch ihre Praxissoftware bislang offenkundig nur unzureichend über die Ergebnisse der Nutzenbewertung durch den GBA informiert (AMVSG-Entwurf, BT-Drs. 18/10208, S. 27). Darauf hat der Gesetzgeber des AMVSG insbesondere durch die Einfügung von § 35a Abs. 3a, § 73 Abs. 9 SGB V reagiert, was künftig zusätzlich zur Vermeidung von Regressrisiken beitragen dürfte.
2. Aufgefangen werden kann die beschriebene Problematik des Mischpreises jedenfalls in Einzelfällen durch Maßgaben, die der GBA seinen Beschlüssen zur Nutzenbewertung beifügt. Denn der GBA darf zur Klarstellung die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in Bereichen ohne Zusatznutzen (wie hier in Patientengruppen a, b2, c und d) schon nach bisheriger Rechtslage auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V einschränken oder ausschließen oder mit einem Therapiehinweis belegen. Die in § 92 Abs. 2 Satz 11 SGB V getroffene Regelung steht dem nicht entgegen. Danach kann der GBA "die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages nach § 130b hergestellt werden kann". Dieser Fall ist in einer Konstellation wie der vorliegenden grundsätzlich gegeben, denn die Wirtschaftlichkeit kann gerade nicht durch Bildung eines einheitlichen Erstattungsbetrages im Sinne eines Mischpreises für alle Patientengruppen hergestellt werden. Würde der GBA von seiner Befugnis Gebrauch machen, anlässlich der Nutzenbewertung die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in Indikationen einzuschränken, für die kein Zusatznutzen erkennbar war, würde er die Bildung eines nutzengerechten Erstattungsbetrages erleichtern. Denn dieser müsste sich ausschließlich an derjenigen Indikation orientieren, für die der GBA einen Zusatznutzen zugebilligt hat.
Der im Beschluss des Senats vom 1. März 2017 (bei juris Rdnr. 54) enthaltene Hinweis auf die seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren (AMVSG, Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. November 2016, BT-Drs. 18/10208, S. 9) befindliche Neuregelung eines § 35a Abs. 3 Satz 5 SGB V hat sich zwischenzeitlich erledigt. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung war insoweit die Regelung enthalten, dass der GBA im Rahmen des Nutzenbewertungsbeschlusses "eine Verordnungseinschränkung nach § 92 Abs. 1 Satz 1 beschließen (kann), soweit ein Zusatznutzen nicht belegt ist und die Verordnungseinschränkung zur Sicherstellung der Versorgung von einzelnen Patientengruppen erforderlich ist". Damit sollte ermöglicht werden, einen Erstattungsbetrag so zu vereinbaren, dass das Arzneimittel nur für eine bestimmte Patientengruppe verordnet wird (Gesetzesbegründung a.a.O., S. 26). Die weitere Gesetzgebungsgeschichte bestätigt die Auffassung des Senats zu den ohnehin bestehenden Kompetenzen des GBA: Zu der Neufassung des § 35a Abs. 3 Satz 5 SGB V kam es nicht, weil der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages davon abriet (BT-Drs. 18/11449 vom 8. März 2017, S. 34). Dort heißt es:
"Die im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des Absatz 3 sollte der Klarstellung und Konkretisierung der Voraussetzungen dienen, unter denen der Gemeinsame Bundesausschuss eine Verordnungseinschränkung nach § 92 Absatz 1 Satz 1 mit dem Beschluss über die Nutzenbewertung und damit zeitgleich beschließen kann. Im Rahmen der öffentlichen Anhörung wurde deutlich, dass die beabsichtigte Klarstellung und Konkretisierung aber vielmehr zu der unzutreffenden Annahme führen könnte, eine Verordnungseinschränkung nach § 92 Absatz 1 Satz 1 sei grundsätzlich von einer Verordnungseinschränkung zum Zeitpunkt der Nutzenbewertung zu unterscheiden. Dies ist nicht der Fall.
Die ursprünglich vorgesehene Regelung ist entbehrlich. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann bereits nach § 92 Absatz 1 Satz 1 die Verordnung von Arzneimitteln wegen Unwirtschaftlichkeit einschränken oder ausschließen, wenn eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Diese Vorgaben sind ausreichend. ( )
Da § 92 Absatz 1 Satz 1 keinerlei Vorgaben zum möglichen Zeitpunkt einer Beschlussfassung macht und das geltende Recht auch sonst keine einschränkenden Regelungen hinsichtlich des Zeitpunkts eines solchen Beschlusses kennt, ist es dem Gemeinsamen Bundesausschuss nicht versagt, einen Beschluss über eine Verordnungseinschränkung zeitgleich mit dem Beschluss über die Nutzenbewertung zu fassen."
Allerdings wird der GBA allein die Problematik nicht vollständig auflösen können. Insbesondere steht einem zeitgleich mit der Nutzenbewertung veröffentlichten Beschluss über den Ausschluss oder die Einschränkung der Verordnungsfähigkeit bzw. über einen Therapiehinweis u.a. das in seiner Verfahrensordnung (4. Kapitel, § 5) vorgesehene Stellungnahmeverfahren entgegen. Hinzu kommt, dass der GBA nach derzeitiger Rechtslage nur berechtigt, aber nicht verpflichtet ist (§ 92 Abs. 1, Satz 1, 3. und 4. Halbsatz SGB V: "kann"; Satz 2: "soll"), bei (teilweiser) Unzweckmäßigkeit oder (teilweiser) Unwirtschaftlichkeit eines Arzneimittels einen Verordnungsausschluss, eine -einschränkung oder einen Therapiehinweis zu beschließen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 18/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 48).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger, der GKV-Spitzenverband, wendet sich gegen einen Schiedsspruch der Beklagten, der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V).
Die Beigeladene zu 1. (G) brachte als pharmazeutische Unternehmerin am 1. Oktober 2014 das GLP-1-Analogon Eperzan® (Wirkstoff: Albiglutid, 30 mg bzw. 50 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung; einmal wöchentlich zu injizieren) in Deutschland in den Verkehr. Eperzan® verfügt seit März 2014 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung für folgende Anwendungsgebiete (vgl. Fachinformation mit Stand Dezember 2014):
Eperzan ist bei erwachsenen Patienten mit Typ 2 Diabetes zur Verbesserung der Blutzuckereinstellung indiziert als:
Monotherapie Wenn Diät und Bewegung allein zur Blutzuckereinstellung nicht ausreichen bei Patienten, für die die Anwendung von Metformin aufgrund von Kontraindikationen oder Unverträglichkeit als ungeeignet angesehen wird.
Kombinationstherapie In Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Basalinsulin, wenn diese zusammen mit Diät und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend senken.
Durch Beschluss vom 19. März 2015, in Bezug auf die Patientenzahl geändert durch Beschluss vom 16. Juli 2015, hat der Beigeladene zu 2., der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), auf der Grundlage von § 35a SGB V den Nutzen des Wirkstoffs Albiglutid bewertet. Die Nutzenbewertung führte der Beigeladene zu 2. durch, indem Albiglutid in fünf Konstellationen in Beziehung zu einer zweckmäßigen Vergleichstherapie gesetzt wurde:
Gruppe Therapie und Vergleichstherapie (Patientengruppe) Patientenzahl (epidemiologisches Marktpotential für die zugelassene Indikation) Anteil in Prozent an der Gesamtpatientenzahl, Schwankungen durch die Spanne in d) Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie
a In der Monotherapie; zweckmäßige Vergleichstherapie: Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimeperid)
ca. 522.500
27,42 - 30,64 (Mittelwert: 29,03) Glibenclamid: 13,03 bis 78,17 Euro
Glimeperid: 29,67 bis 152,29 Euro
b1) In der Zweifachkombination mit Metformin; zweckmäßige Vergleichstherapie: Metformin + Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimeperid)
ca. 634.500
33,30 – 37,21 (Mittelwert: 35,26) Glibenclamid + Metformin: 46,27 bis 177,88 Euro
Glimeperid + Metformin: 62,91 bis 252,00 Euro
b2) In der Zweifachkombination mit einem anderen blutzuckersenkenden Arzneimittel außer Metformin und Insulin; zweckmäßige Vergleichstherapie: Metformin + Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimeperid)
ca. 35.900
1,88 – 2,11 (Mittelwert: 2,0) Glibenclamid + Metformin: 46,27 bis 177,88 Euro
Glimeperid + Metformin: 62,91 bis 252,00 Euro
c In Kombination mit mindestens zwei anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln, wenn diese den Blutzucker zusammen mit einer Diät und Bewegung nicht ausreichend senken; zweckmäßige Vergleichstherapie: Metformin + Humaninsulin
ca. 62.500
3,28 – 3,66 (Mittelwert: 3,47)
Metformin + Humaninsulin (NPH-Insulin): 412,22 bis 857,68 Euro
d In Kombination mit Insulin (mit oder ohne orale Antidiabetika); zweckmäßige Vergleichstherapie: Metformin + Humaninsulin
ca. 450.000 bis 650.000 26,38 – 34,12 (Mittelwert: 30,26) Summe der Mittelwerte: 100,01 Metformin + Humaninsulin (NPH-Insulin): 412,22 bis 857,68 Euro
Bei seiner Bewertung sah der Beigeladene zu 2. ausschließlich in der Fallgruppe b1 (Kombinationstherapie mit Metformin gegenüber der Vergleichstherapie mit Metformin + Sulfonylharnstoff [Glibenclamid oder Glimeperid]) einen "Hinweis für einen geringen Zusatznutzen".
Hierauf führten der Kläger und die Beigeladene zu 1. von April bis August 2015 Verhandlungen nach § 130b Abs. 1 SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu übernehmenden Erstattungsbetrag und die darüber zu schließende Vereinbarung. Eine Einigung kam über viele vertragliche Regelungen zustande, jedoch nicht in Bezug auf die Höhe des Erstattungsbetrages.
Am 18. September 2015 rief der Kläger die Beklagte als Schiedsstelle an und beantragte, die streitig gebliebenen Inhalte der Vereinbarung (insbesondere die Höhe des Erstattungsbetrages) durch Schiedsspruch festzusetzen.
In dem Schiedsverfahren beantragte die Beigeladene zu 1. die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 21,41 Euro je Bezugsgröße. Auf der anderen Seite beantragte der Kläger die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 6,7079 Euro je Bezugsgröße; dabei setzte er in seinem "konkretisierenden Antrag" vom 30. Oktober 2015 in Bezug auf die mit einem Zusatznutzen belegte Patientengruppe b1 "für die Monetarisierung des Zusatznutzens einen Wert von 1.000 Euro pro Patient pro Jahr" an. Die verschiedenen Positionen resultierten aus einem unterschiedlichen Umgang mit dem Umstand, dass der Beigeladene zu 2. Albiglutid einen Zusatznutzen nur in einer von fünf Patientengruppen zuerkannt hatte, sowie auf unterschiedlichen Vorstellungen zu den Elementen der Preisbildung wie Monetarisierung des Zusatznutzens, Stellenwert europäischer Vergleichspreise und Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel.
Nach Verhandlung am 6. April 2016 und mit Schiedsspruch vom selben Tage (schriftliche Fassung vom 14. April 2016) entschied die Beklagte mit den Stimmen der unabhängigen Mitglieder und der Vertreter der Beigeladenen zu 1. wie folgt über die bislang nicht konsentierten Teile der Vereinbarung: Den Erstattungsbetrag für das Arzneimittel Albiglutid setzte die Beklagte pauschal und auch für die Patientengruppen, für die der GBA keinen Zusatznutzen anerkannt hatte, ab dem 1. Oktober 2015 auf 20,01 Euro je Bezugsgröße fest. Außerdem (§ 2a der Vereinbarung) unterwarf die Beklagte die Beigeladene zu 1. der Verpflichtung, "Albiglutid ausschließlich in der Zusatznutzenpopulation b1) in der Kombination mit Metformin gemäß GBA-Beschluss vom 19. März 2015 zu bewerben und jegliche Bewerbung von Albiglutid außerhalb dieser Patientenpopulation zu unterlassen". Dem Kläger wurde insoweit ein Überprüfungsrecht sowie ein Sonderkündigungsrecht für den Fall eingeräumt, dass die Beigeladene zu 1. gegen diese Regelung verstoße. Als § 2b Abs. 2 und Abs. 3 der Vereinbarung setzte die Beklagte fest: "(2) Albiglutid soll durch den Vertragsarzt ausschließlich in der Zusatznutzenpopulation b1 in der Kombination mit Metformin gemäß GBA-Beschluss vom 19.03.2015 zulasten der Krankenversicherung verordnet werden. (3) Die erstmalige Einstellung eines Patienten auf Albiglutid soll in der Regel durch einen Diabetologen/in DDG erfolgen." Dem Vertrag wurde eine Laufzeit von zwei Jahren beigemessen (§ 7 der Vereinbarung). Wegen der Einzelheiten der im Schiedsspruch getroffenen Regelungen wird auf Bl. 2 bis 5 der Ausfertigung Bezug genommen.
Zur Begründung heißt es in dem Schiedsspruch im Wesentlichen wörtlich:
"( ) Bei Arzneimitteln mit Zusatznutzen finden bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages auf der Basis von § 130b SGB V gem. § 5 Abs. 2 und § 6 der Rahmenvereinbarung die folgenden Kriterien Anwendung: - Ausmaß es Zusatznutzens gemäß GBA-Beschluss und weitere dort getroffene Festlegungen sowie die Nutzenbewertung und das Dossier des Herstellers - tatsächliche Abgabepreise in anderen europäischen Ländern - Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel ( ) Nach § 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung wird (der Erstattungsbetrag) bei Arzneimitteln mit vom GBA anerkanntem Zusatznutzen als Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zVT (zweckmäßige Vergleichstherapie) vereinbart. ( )
Die Monetarisierung des Ausmaßes des Zusatznutzens bedarf auf Basis des GBA-Beschlusses zur Nutzenbewertung wertender Entscheidungen zur Zahlungsbereitschaft der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Regelungsgefüge das AMNOG bei Nicht-Einigung er Vertragspartner der Schiedsstelle überantwortet sind. Hier sind arzneimittelindividuelle Wertentscheidungen zu treffen, die auch sozialgerichtlich materiell nicht nachzuprüfen sein dürften. Dass diese Wertentscheidungen nicht algorithmisch erfolgen, sondern den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung tragen sollen, hat der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien explizit ausgeführt. Die Wertentscheidungen zur monetären Bewertung des Zusatznutzens müssen vor dem Hintergrund der Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie, der europäischen Vergleichspreise und der Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel getroffen werden, wobei das Gewicht dieser Faktoren wiederum ebenfalls nach Auffassung der Schiedsstelle nicht algorithmisch bestimmt, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles entschieden werden sollte. Dabei berücksichtigt die Schiedsstelle im vorliegenden Fall, dass nur die Patientenpopulation b1 vom GBA mit einem Zusatznutzen beschieden worden ist. Sie geht grundsätzlich davon aus, dass im Rahmen eines Mischpreiskonzepts für diese Patientengruppe die genannten Kriterien zu berücksichtigen sind, hingegen nicht für die Patientengruppe ohne Zusatznutzen. Die Schiedsstelle hat sich vor diesem Kontext ausführlich mit der Frage befasst, zu welchen Anteilen die Verordnungen in dieser Patientengruppe b1 sein werden. Sie hat zur Kenntnis genommen, dass GSK bereit ist sich zu verpflichten, nur in dieser Patientengruppe das Arzneimittel bei den Ärzten zu bewerben und dem Spitzenverband Bund diesbezüglich ein Überprüfungsrecht und ein Sonderkündigungsrecht im Verstoßfalle einzuräumen bereit ist. In diesem Zusammenhang nimmt die Schiedsstelle auch zur Kenntnis, dass der Hersteller das Präparat bislang nicht vermarktet hat, daher eine gezielte Ausrichtung des Marketing auf die Gruppe mit Zusatznutzen von Beginn an erfolgen kann. Die entsprechenden Verpflichtungen und Berechtigungen hat die Schiedsstelle daher übernommen. Die Schiedsstelle hält es vor diesem Hintergrund für zumindest vertretbar, davon auszugehen, das 80 % der Patienten für das vertragsgegenständliche Arzneimittel in b1 sein werden. Der Spitzenverband Bund hat Konstellationen angeführt, in denen eine weit überwiegende Verordnung in der Patientengruppe mit Zusatznutzen nicht zu beobachten war. Allerdings hat sich der Hersteller in diesen Konstellationen nicht zu Beginn seiner Vertriebsaktivitäten auf eine Beschränkung auf die Population mit Zusatznutzen verpflichtet; diese Konstellation liegt hier jedoch vor, da GSK das Arzneimittel bislang nicht aktiv beworben hat. Vor diesem Hintergrund hat die Schiedsstelle einen Mischpreis angesetzt, der von einem Einsatz zu 80 % in der Patientenpopulation b1 ausgeht. Diese Erwartung ist mit dem Prognosespielraum, der der Schiedsstelle zusteht, vereinbar. Sie bewertet den Zusatznutzen in b1 mit 1200 Euro. Ebenso wie der Spitzenverband Bund setzt sie die europäischen Vergleichspreise bei 1.088 Euro an. Unterschiedlich zu beiden Seiten bewertet sie die Preise vergleichbarer Arzneimittel mit 1.326 Euro. Denn anders als der Spitzenverband Bund geht sie wie GSK davon aus, dass nur GLP-1-Analoga als vergleichbar anzusehen sind und legt die von GSK plausibel vorgetragenen Annahmen zu den Dosierungen zugrunde. ( ) Von den drei Kriterien in b1 hat für die Schiedsstelle der Zusatznutzen das höchste Gewicht, gefolgt von den Preisen vergleichbarer Arzneimittel und den europäischen Vergleichspreisen. In der Summe trägt die Patientengruppe b1 mit 972,34 Euro anteilig zu den Jahrestherapiekosten für Albiglutid bei. In den Patientengruppen ohne Zusatznutzen ist die Schiedsstelle der Argumentation des GKV-Spitzenverbandes gefolgt; aufgrund des ihnen im Schiedsspruch zukommenden Gewichts von 20% tragen sie zu den Jahrestherapiekosten mit 7,76 Euro bei. Insgesamt ergeben sich damit nach Abzug des Herstellerrabatts zu berücksichtigende Jahrestherapiekosten von Albiglutid in Höhe von 980,10 Euro. Wird berücksichtigt, dass der Herstellerrabatt konsensual nicht abgelöst werden soll, ergibt sich nach Umrechnung auf die Bezugsgröße ein Erstattungsbetrag in Höhe von 20,01 Euro. ( )
Die Schiedsstelle geht in Fortsetzung ihrer Spruchpraxis der jüngeren Zeit zudem davon aus, dass die Festsetzung des Erstattungsbetrages nicht nur im Rahmen des weiten Ermessens sachgerecht zu sein hat, sondern zugleich es der Intention des Gesetzgebers entspräche, dass auch ein fairer Interessenausgleich bewirkt werden solle: Einerseits soll das festzusetzende Reimbursement eine angemessene Würdigung der zu einem Arzneimittel mit Zusatznutzen geführt habenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der pharmazeutischen Herstellers für Eperzan® führen, andererseits ist den berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft nach bezahlbaren Arzneimittelpreisen Rechnung getragen. ( )"
Ihrer Berechnung des Erstattungsbetrages legte die Beklagte folgende Elemente zugrunde: Auf der Grundlage des konkretisierenden Antrages des GKV-Spitzenverbandes vom 30. Oktober 2015 wurden für die Patientengruppen ohne Zusatznutzen die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie mit vereinheitlichend (bei unterschiedlichen auf die vier einzelnen Gruppen entfallenden Beträgen) 38,80 Euro beziffert (20 Prozent davon = 7,76 Euro). Zugrunde lagen dem angenommene Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie in folgender Höhe:
Patientengruppe Jahrestherapiekosten a 12,00 Euro b2 23,00 Euro c 607,00 Euro d 0 Euro
Die Jahrestherapiekosten in der Gruppe mit Zusatznutzen b1 ermittelte die Beklagte wie folgt:
Beträge Gewicht Produkt Zusatznutzen 1.200 Euro 50 Prozent 600 Euro Abgabepreise in anderen Länden 1.088,03 Euro 20 Prozent 217,61 Euro Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel 1.326,06 Euro 30 Prozent 397,82 Euro 1.215,42 Euro bezogen auf 80 Prozent 972,34 Euro
Am 3. Mai 2016 hat der Kläger die vorliegende Klage gegen den Schiedsspruch erhoben.
Am 12. September 2016 hat er zusätzlich die Gewährung von Eilrechtsschutz beantragt. Mit Beschluss vom 1. März 2017 hat der Senat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den streitigen Schiedsspruch angeordnet (L 9 KR 437/16 KL ER). Zur Begründung hat der Senat u.a. ausgeführt, die von der Beklagten praktizierte Mischpreisbildung sei rechtswidrig, wenn der GBA – wie hier – bei einer Patientengruppe einen Zusatznutzen erkannt und zugleich bei einer oder mehreren Patientengruppen einen Zusatznutzen verneint habe; ein Mischpreis führe in dieser Konstellation zu nicht nutzenadäquaten Preisverzerrungen. Unabhängig davon sei der Kern der von der Beklagten für die Zusatznutzenindikation b1 vollzogenen Preisbildung intransparent, weil die Bezifferung des Zusatznutzens mit 1.200 Euro nicht nachvollziehbar sei und nicht in Beziehung gesetzt werde zu den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie; dies verstoße gegen die für die Festsetzung der Erstattungsbetrages geltenden rechtlichen Regelungen.
Zur Begründung seiner Klage nimmt der Kläger Bezug auf sein Vorbringen im Eilverfahren. Zu Recht sei die Beklagte in ihrer Gesamtkonzeption davon ausgegangen, dass hier ein Mischpreis habe gebildet werden müssen, der sich aus mehreren Komponenten zusammensetze, nämlich aus Patientengruppen mit und solchen ohne Zusatznutzen. Die sich für die einzelnen Patientengruppen ergebenden Teilerstattungsbeträge seien unter Berücksichtigung der Größe der jeweiligen Gruppe zu einem Erstattungsbetrag zusammenzuführen. Allerdings habe die Beklagte keine andere Verteilung der Patientenpopulation vornehmen dürfen als im Beschluss des GBA zur Nutzenbewertung vorgegeben. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welche Tatsachen die Beklagte ihre Annahme stütze, dass 80 % der ärztlichen Verordnungen im Zusatznutzenbereich zu erwarten seien. Weder aus dem GBA-Beschluss zum Zusatznutzen noch aus dem Parteivorbringen im Schiedsverfahren sei die Quote herleitbar. Selbst die Beigeladene zu 1. gehe davon aus, dass auf die Patientengruppe b1 noch nicht einmal 40 % der Verordnungen entfielen. Mit ihrer willkürlichen Heranziehung einer Verordnungsquote von 80% im Zusatznutzenbereich lege die Beklagte einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde, treibe den Erstattungsbetrag so in die Höhe und weiche rechtswidrig vom Beschluss des GBA zum Zusatznutzen von Albuglutid ab, der der Patientengruppe b1 nur ein Patientenaufkommen von 33,3 % bis 37,21 % beimesse und als Bestandteil der Arzneimittel-Richtlinie gerade auch für die Beklagte normative Wirkung entfalte. Die bloße Verpflichtung zur zielgerichteten Bewerbung eines Produkts lasse keinen Rückschluss darauf zu, dass sich eine Versorgungsrealität ergebe, in der gerade 80 % der Verordnungen auf den Zusatznutzenbereich entfielen.
Der Kläger beantragt,
den Schiedsspruch der Beklagten vom 6. April 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihr Schiedsspruch sei getragen von einem weiten Gestaltungsspielraum, dessen Ausübung nicht völlig objektivierbar sei. Dies habe der Senat in der vorangegangenen Eilentscheidung nicht hinreichend anerkannt. Die den Schiedsspruch tragenden Gründe seien nur andeutungsweise auszuformulieren. Der Begründungsumfang sei auch deshalb herabgesetzt, weil der Kläger Erfahrungen aus über 100 Erstattungsbetragsverhandlungen und vielen Schiedsverfahren mit der Beklagten besitze und die Beteiligten des Schiedsverfahrens einen völlig anderen Wissenshintergrund hätten als das nachträglich über den Schiedsspruch entscheidende Gericht. Für einen Außenstehenden möge die rechnerische Herleitung des Erstattungsbetrages – anders als für alle Verfahrensbeteiligten – nicht nachvollziehbar gewesen sein; das sei aber rechtlich unerheblich. Für die Monetarisierung des Zusatznutzens gebe es auch keine genaue rechnerische Herleitung. Ein algorithmisches Herleitungsmodell sei weder rechtlich vorgesehen noch wünschenswert. Den Zusatznutzen bei der Preisbildung neben den europäischen Preisen (20 %) und vergleichbaren Arzneimitteln (30 %) mit 50 % zu gewichten, sei rechtlich beanstandungsfrei und bewege sich im Rahmen des Gestaltungsspielraumes.
Die vom Senat in seiner Eilentscheidung favorisierte Bindung des Erstattungsbetrages an § 130b Abs. 3 Satz1 SGB V verstoße gegen den Wortlaut des Gesetzes, die Systematik und den Sinn und Zweck der Regelung und führe zu unangemessenen Ergebnissen. § 130b Abs. 3 Satz1 SGB V sei auf Eperzan® nicht anwendbar, denn es könne nicht die Rede davon sein, dass das Arzneimittel keinen Zusatznutzen aufweise. Die Festlegung des Erstattungsbetrages müsse auch § 130b Abs. 9 Satz 3 SGB V beachten. Auch wenn ein Zusatznutzen nur für eine von mehreren Patientenpopulationen anerkannt sei, müsse dies bei der Preisbildung angemessen berücksichtigt werden. Die vom Senat im Eilverfahren vertretene Lösung schlage einseitig zu Lasten des pharmazeutischen Unternehmers aus, der in der gegebenen Konstellation keinerlei Vorteil für den Zusatznutzen seines Arzneimittels erhalte, denn der Preis werde auf die Kosten der generischen Therapien heruntergezwungen. Der Erstattungsbetrag habe nach der gesetzgeberischen Konzeption nicht die Aufgabe, den verordnenden Arzt von der Wirtschaftlichkeitsverantwortung zu befreien. Die Lösung des Problems könne auch nicht dem GBA in Form von Verordnungsausschlüssen überantwortet werden, da der GBA im Moment seiner Entscheidung die Frage der Wirtschaftlichkeit noch nicht überblicken könne. Zudem sehe auch der Gesetzgeber einen Verordnungsausschluss durch den GBA nicht als "Regelweg"; der Leistungskatalog der GKV dürfe nicht routinemäßig verkürzt werden.
Unabhängig von alledem habe die Beklagte die Teilpopulation mit Zusatznutzen zu Recht mit 80 % übergewichtet. Die Abweichung von den Anzahlschätzungen im dem Nutzenbewertungsbeschluss des GBA sei zwingend gewesen, um einen fairen Erstattungsbetrag herbeizuführen.
Auch die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie teilt die Ausführungen der Beklagten und trägt ergänzend vor: Der im Schiedsverfahren festgesetzte Erstattungsbetrag liege schon unterhalb der Minimalgrenze, die ihr eine Vermarktung von Eperzan® in Deutschland unter Beachtung der rechtlichen und konzerninternen Vorgaben erlaube. Deshalb sei damit zu rechnen, dass der Vertrieb von Eperzan® eingestellt werde. Es werde in Deutschland ohnehin so gut wie gar nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet. Werbung finde nicht statt. Unabhängig davon sei die Festlegung indikationsspezifischer Preise derzeit rechtlich ausgeschlossen; vorgesehen sei vielmehr ein einheitlicher Erstattungsbetrag, so dass die Festlegung eines Mischpreises die einzige Möglichkeit sachgerechter Preisbildung darstelle. Wünschenswert sei ein modifiziertes Mischpreiskonzept, in dem durch bestimmte Steuerungsmaßnahmen eine möglichst hohe Verordnungsquote im Bereich der Patientengruppen mit Zusatznutzen angestrebt werde. Ein solches Mischpreiskonzept sei auch nicht gesetzeswidrig, sondern liege im Bereich der Vertragsautonomie bzw. der Gestaltungsfreiheit der Beklagten. § 130b Abs. 3 SGB V sei auf einen Fall wie den vorliegenden unter keinen Umständen anwendbar. Die von der Beklagten vorgenommene Preisbildung führe zu keiner nicht nutzenadäquaten Preisverzerrung. Denn der festgesetzte Mischpreis sei gerade unter Berücksichtigung des Zusatznutzens kalkuliert worden. Therapiehinweise bzw. Verordnungsausschlüsse seitens des GBA seien demgegenüber nicht praktikabel, vor allem weil Therapievielfalt und Versorgungsstandard auf dem Spiel stünden. Soweit der Senat in seiner Eilentscheidung algorithmische Vorgaben für die Preisfindung gemacht habe, sei dies unzulässig. Die Überprüfung von Entscheidungen der Beklagten dürfe nicht als Ergebnis-, sondern nur als Begründungskontrolle erfolgen. Die Anforderungen an die Begründungspflicht dürften keinen lenkenden Charakter annehmen. Im Rahmen ihrer prognostischen Betrachtung schließlich habe die Beklagte maßgeblich darauf abstellen dürfen, dass das Produkt bislang nicht beworben worden sei und in Zukunft nur für die Patientengruppe b1 beworben werden dürfe. Die Annahme eines Versorgungsanteils von 80 % sei daher nicht willkürlich, sondern sei von der Einschätzungsprärogative der Beklagten gedeckt.
Der Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.
Er hat vorgebracht: Sein Beschluss zur Nutzenbewertung entfalte Bindungswirkung insbesondere auch in Bezug auf die festgestellte Anzahl der Patienten bzw. die Patientengruppen. Denn auch diese Feststellung sei nach § 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB V vorgeschrieben und werde gemäß § 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V Teil der Arzneimittel-Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V. Dem entsprächen die Regelungen in § 4 Abs. 1 Nr. 4 der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV) und in im 5. Kapitel, § 20 Abs. 3 Nr. 2 der Verfahrensordnung des GBA. Diese Bindungswirkung müsse die Beklagte bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte zum Eil- und zum Hauptsacheverfahren, auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten und auf den Inhalt der Normsetzungsdokumentation des Beigeladenen zu 2. zur Nutzenbewertung Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
-
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
A. Die Klage ist zulässig. Die gesetzlichen Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.
Statthaft ist die (isolierte) Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG; vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. März 2015, L 1 KR 499/14 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29; vgl. auch BSG, Urteil vom 4. März 2014, B 1 KR 16/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21). Denn der angefochtene Schiedsspruch ist gegenüber den Partnern der Erstattungsvereinbarung, die durch den Schiedsspruch ersetzt wird, ein Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Das belegt auch § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V, wonach Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 02/17, § 130b Rdnr. 73, 75; Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rdnr. 133, 178; von Dewitz in Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand 1. März 2017, § 130b SGB V Rdnr. 30;Armbruster in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl., § 130b Rdnr. 74). Der GKV-Spitzenverband ist als Partner der Erstattungsvereinbarung klagebefugt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Ein vorheriges Widerspruchsverfahren war nach § 130b Abs. 4 Satz 6 SGB V nicht durchzuführen. Die Klagefrist von einem Monat (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist mit Klageerhebung am 3. Mai 2016 gewahrt.
B. Die Klage ist auch begründet. Der Schiedsspruch ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
I. Maßgeblich ist insoweit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – hier: 6. April 2016 –, weil eine (isolierte) Anfechtungsklage statthafte Klageart ist (BSG, Urteil vom 1. Oktober 2009, B 3 KS 4/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12). Von dieser bloßen "Faustregel" (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, B 14 AS 4/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11; Urteil vom 22. Oktober 2014, B 6 KA 3/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 41) ist abzuweichen, wenn das letztlich ausschlaggebende materielle Recht dies gebietet (BSG, jeweils a.a.O.). Im vorliegenden Fall existieren keine Hinweise, dass die nach dem angefochtenen Schiedsspruch eingetretenen Rechtsänderungen, insbesondere durch das Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz, AMVSG) vom 4. Mai 2017 (BGBl. I, S. 1050), sich auch auf bereits getroffene Schiedsstellenentscheidungen auswirken sollen. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts kommt die Anwendung anderer Vorschriften als derjenigen, die im Jahr nach dem erstmaligen Inverkehrbringen (§ 130 Abs. 3a Satz 2 SGB V) gegolten haben, nur dann in Betracht, wenn dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014, B 6 KA 3/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 43). Hinzu kommt, dass bei der Überprüfung von Entscheidungen, in denen – wie hier – der Behörde ein Gestaltungsspielraum zukommt und die mit der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage stets der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist, weil das Gericht seine eigenen Erwägungen und neuere Erkenntnisse nicht an die Stelle derjenigen der Verwaltung setzen darf (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, B 14 AS 4/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13 [zum Ermessensspielraum]).
II. Die Beklagte hatte daher bei dem streitgegenständlichen Schiedsspruch die folgende (vor Inkrafttreten des AMVSG geltende) Rechtslage zu beachten:
Nach § 130b Abs. 1 SGB V vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmern im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung auf Grundlage des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V mit Wirkung für alle Krankenkassen Erstattungsbeträge für Arzneimittel, die mit diesem Beschluss keiner Festbetragsgruppe zugeordnet wurden. Weiter gehende materielle Vorgaben für die Kriterien, anhand derer der Erstattungsbetrag zu vereinbaren ist, enthält das Gesetz in § 130b Abs. 3 SGB V für Arzneimittel, die nach dem Beschluss des GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V keinen Zusatznutzen haben und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden können: Für diese ist ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie; sind nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V mehrere Alternativen für die zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt, darf der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen als die wirtschaftlichste Alternative. Damit soll das von dem am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG, BGBl. I S. 2262) verfolgte Ziel erreicht werden, die Versorgung mit Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu angemessenen Kosten sicherzustellen. Zu diesem Zweck soll über den Erstattungsbetrag bewirkt werden, dass neue Arzneimittel ohne Zusatznutzen keine Mehrkosten gegenüber der Vergleichstherapie entstehen lassen (Gesetzesbegründung vom 6. Juli 2010, BT-Drs. 17/2413, S. 31). Grundlegend ergibt sich dieses Erfordernis aus § 12 Abs. 1 SGB V; danach dürfen Krankenkassen keine Leistungen übernehmen, die unwirtschaftlich sind. Die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie bilden somit eine rechtliche Obergrenze (vgl. zu dieser Konstellation den Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL, juris [Mirabegron]).
Weniger abschließende Regelungen enthält § 130b SGB V dazu, woran sich die Vereinbarung des Erstattungsbetrages für ein Arzneimittel orientieren soll, das nach dem Beschluss des GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V einen Zusatznutzen aufweist. Nach § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V ist der Erstattungsbetrag "auf der Grundlage des Beschlusses des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V" zu vereinbaren.
Die Einzelheiten überantwortet der Gesetzgeber den am Vertragsschluss Beteiligten: Nach § 130b Abs. 9 Satz 1 SGB V treffen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene eine Rahmenvereinbarung über die Maßstäbe für Vereinbarungen nach § 130b Abs. 1 SGB V (im Folgenden: Rahmenvereinbarung). Darin legen sie insbesondere Kriterien fest, die neben dem Beschluss nach § 35a SGB V und den Vorgaben nach § 130b Abs. 1 SGB V zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrags heranzuziehen sind (Satz 2). Für Arzneimittel, für die der GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V einen Zusatznutzen festgestellt hat, sollen die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel sowie die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern gewichtet nach den jeweiligen Umsätzen und Kaufkraftparitäten berücksichtigt werden (Satz 3). In der Rahmenvereinbarung nach Satz 1 ist auch das Nähere zu Inhalt, Form und Verfahren der jeweils erforderlichen Auswertung der Daten nach § 217f Abs. 7 SGB V und der Übermittlung der Auswertungsergebnisse an den pharmazeutischen Unternehmer sowie zur Aufteilung der entstehenden Kosten zu vereinbaren (Satz 4). Bei der Rahmenvereinbarung handelt es sich um einen Normenvertrag, der Verbindlichkeit gegenüber den beiden Vertragsparteien der Vereinbarung nach Absatz 1 und gegenüber der Schiedsstelle nach Absatz 4 besitzt (Axer in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, Kommentar, 4. Auflage, 2014, § 130b SGB V, RdNr. 26).
Die Rahmenvereinbarung regelt in §§ 5 und 6 dementsprechend Kriterien für die Ermittlung des Erstattungsbetrages: Nach § 5 Abs. 2 wird der Erstattungsbetrag bei einem Arzneimittel, das einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufweist, "durch einen Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" vereinbart. Der Zuschlag richtet sich "unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes nach dem im Beschluss des GBA festgestellten Ausmaß des Zusatznutzens (§ 5 Abs. 7 Nr. 1 bis 3 AM-NutzenV) und einer Berücksichtigung der sonstigen Kriterien in § 6". Kriterien zur Vereinbarung des Erstattungsbetrages sind nach § 6 der Rahmenvereinbarung "insbesondere der Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V mit den darin getroffenen Feststellungen gemäß § 20 Abs. 3 des 5. Kapitel der Verfahrensordnung des GBA" sowie das vom pharmazeutischen Unternehmer erstellte Dossier nach § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V, die von dem pharmazeutischen Unternehmer mitgeteilten tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern und die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel.
Welche Feststellungen der GBA in seinem Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V trifft, ist sowohl in der AM-NutzenV als auch im 5. Kapitel der auf § 91 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB V beruhenden Verfahrensordnung des GBA geregelt. Dort bestimmt § 20 Abs. 3, dass der GBA auf der Grundlage der Nutzenbewertung "mit dem Beschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V Feststellungen in der Arzneimittel-Richtlinie zur wirtschaftlichen Verordnungsweise des Arzneimittels" trifft, "insbesondere zum Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, zur Anzahl der Patienten bzw. Abgrenzung der für die Behandlung in Frage kommenden Patientengruppen, zu Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung und zu den Therapiekosten auch im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie". Gemäß § 5 Abs. 7 Nr. 1 bis 3 AM-NutzenV quantifiziert der GBA den angenommenen Zusatznutzen eines Arzneimittels als "erheblich", "beträchtlich" oder "gering".
Dem Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V kommt als Teil der Arzneimittel-Richtlinie (§ 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V) normative Wirkung zu, die die an der Preisbildung Beteiligten gemäß § 91 Abs. 6 SGB V ebenso bindet wie – sofern sie angerufen wird – die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V. Die Genannten haben im Rahmen der Preisvereinbarung oder -festsetzung keine Kompetenz, den Nutzenbewertungsbeschluss des GBA inhaltlich zu überprüfen oder zu verwerfen, auch nicht im Rahmen einer bloßen Evidenzkontrolle. Dies liefe dem Normcharakter der Arzneimittel-Richtlinie zuwider, führte zu nicht hinnehmbaren Unsicherheiten in der praktischen Handhabung der normativen Vorgaben und missachtete die Regel, dass zur Normverwerfung im gewaltengeteilten Rechtsstaat ausschließlich die Gerichte zuständig sind (andeutungsweise anders insoweit: LSG Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 22.Mai 2014, L 1 KR 108/14 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 118f.). Einer Rechtmäßigkeitsprüfung unterliegt der Nutzenbewertungsbeschluss, der nach § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V nicht gesondert anfechtbar ist, allein in einem gerichtlichen Verfahren, dessen Gegenstand in einer Überprüfung des durch Schiedsstellenentscheidung festgesetzten Erstattungsbetrages besteht.
III. 1. Ein nach § 130b Abs. 4 SGB V ergangener Schiedsspruch unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Er stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und nicht weisungsgebundenes Gremium dar. Mit der paritätischen Zusammensetzung, ständigen unparteiischen Mitgliedern und dem Mehrheitsprinzip (vgl. § 130b Abs. 5 Satz 2 SGB V) ist bezweckt, die Fähigkeit des Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer sachgerechten Entscheidungsfindung zu nutzen. Dabei wird die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V allerdings nicht etwa wie ein privater Schlichter tätig, der, ungebunden von rechtlichen Maßstäben, nach einem freien Kompromiss suchen kann (vgl. hierzu schon Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 45 [Mirabegron, kein "freies Aushandeln"]. Die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V nimmt vielmehr Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Sie besitzt Behördeneigenschaft im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X (vgl. Luthe, a.a.O., Rdnr. 74; Baierl, a.a.O., Rdnr. 178). Denn das Schiedsverfahren ist ein Verwaltungsverfahren nach § 8 SGB X, weil es auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist. Deshalb gelten für die Schiedsstelle auch die Regelungen für die Durchführung von Verwaltungsverfahren, insbesondere der Untersuchungsgrundsatz nach § 20 SGB X, die Anhörungsrechte der Beteiligten nach § 24 SGB X und die Pflicht zur Begründung des Verwaltungsaktes, soweit § 130b SGB V oder die Rahmenvereinbarung hiervon keine abweichenden Bestimmungen enthält. Denn in den anderen Büchern des Sozialgesetzbuches ergeben sich für den vorliegenden Fall keine Abweichungen (§ 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch). Die Schiedsstelle ist daher unmittelbar der Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes unterworfen.
In diesem Rahmen besitzt die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V bei ihren Entscheidungen einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Gestaltungsspielraum. Der Senat prüft (lediglich) die Wahrung rechtsstaatlichen Verfahrens und die Einhaltung des für den Erstattungsbetrag geltenden materiell-rechtlichen Rahmens. Mit anderen Worten: In formeller Hinsicht ist zu prüfen, ob die Schiedsstelle den von ihr zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und ihr Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die materiell-rechtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsstelle den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d.h. insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Verfahrensbeteiligten gelten (zu den entwickelten Maßstäben für Schiedsentscheidungen vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; Urteil vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58; Urteil vom 13. November 2012, B 1 KR 27/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27; Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 P 3/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 69; Urteil vom 14. Dezember 2000, B 3 P 19/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22; s.a. Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29 [Mirabegron]).
Der Senat nimmt danach keine Kontrolle des Ergebnisses eines Schiedsspruchs vor, sondern überprüft sein gesetzmäßiges Zustandekommen auf der Grundlage seiner Begründung. Die sozialgerichtliche Fehlerkontrolle unterscheidet sich insoweit nicht grundsätzlich von der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte beim Vorhandensein von Beurteilungs- oder Ermessensspielräumen (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG sowie Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, Rdnrn. 28 und 31 zu § 54). Hat die Schiedsstelle den maßgeblichen Sachverhalt zutreffend ermittelt, die Bestimmungen des § 130b SGB V, des SGB X und der Rahmenvereinbarung bei seiner Entscheidung beachtet und diese nachvollziehbar begründet (vgl. § 35 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB X), ist der Schiedsspruch rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Nach diesen rechtlichen Grundsätzen ist der angefochtene Schiedsspruch schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte den Zusatznutzen von Albiglutid in der Patientengruppe b1 mit 1.200,00 Euro bestimmt hat, ohne diesen für die Bestimmung des Erstattungsbetrages zentralen Wert auch nur ansatzweise zu begründen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung des Verwaltungsakts sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen - zu der die vorliegende Entscheidung gehört - muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB X). Der Kern der von der Beklagten für die Zusatznutzenindikation b1 vollzogenen Bestimmung des Erstattungsbetrages beruht demnach auf einem von der Schiedsstelle "frei gegriffenen" Betrag. Dies belegt die Auffassung des unparteiischen Vorsitzenden der Schiedsstelle, wonach es im gerichtlichen Verfahren genüge, wenn er bzw. die Schiedsstelle als ganze die inhaltlichen und rechnerischen Implikationen eines Schiedsspruchs verstünden, während es einem Gericht gar nicht möglich sein könne, die rechnerische Herleitung des Erstattungsbetrages zu verstehen.
3. Diese Rechtsauffassung der Beklagten missachtet die Grenzen des Entscheidungsspielraums der Schiedsstelle und verkennt die rechtsstaatlichen Anforderungen an effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes). Zentraler rechtlicher Ansatzpunkt ist insoweit die in § 5 Abs. 2 Satz 1 der Rahmenvereinbarung enthaltene Regelung, wonach der Erstattungsbetrag bei einem Arzneimittel, das einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufweist, "durch einen Zuschlag auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" vereinbart wird. Der Zuschlag hat sich u.a. nach dem im Beschluss des GBA festgestellten Ausmaß des Zusatznutzens zu richten (§ 5 Abs. 2 Satz 2 der Rahmenvereinbarung). Diese sachgerechten Regelungen tragen der Hauptintention des AMNOG Rechnung, das die Jahrestherapiekosten eines Arzneimittels in ein angemessenes Verhältnis zum festgestellten Nutzen setzen wollte (BT-Drs. 17/2413, S. 31, li.Sp.).
§ 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung kann mit der Formulierung des "Zuschlag(es) auf die Jahres¬therapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" im Lichte des Zwecks des AMNOG nur so verstanden werden, dass der "Zuschlag" umso höher ausfallen darf, je höher der Zusatznutzen vom GBA auf der Grundlage von § 5 Abs. 7 der AM-NutzenV taxiert wurde (erheblich, beträchtlich, gering, nicht quantifizierbar). Hieran musste sich auch die Beklagte bei der Findung ihres Schiedsspruchs orientieren, denn die Rahmenvereinbarung dient insgesamt dem Zweck, für die an den Verhandlungen über den Erstattungsbetrag Beteiligten verbindliche Maßstäbe zu bilden (vgl. Abs. 1 der Präambel); die in der Rahmenvereinbarung enthaltenen Maßstäbe der Preisbildung binden auch die Beklagte als Schiedsstelle, denn sie setzt den Vertragsinhalt an Stelle der Beteiligten fest (§ 130b Abs. 4 Satz 1 SGB V) und darf sich daher nicht von den zwischen den Beteiligten geltenden Maßstäben lösen.
Das Merkmal des "Zuschlag(es) auf die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie" ist zentrales Element der Preisbildung und daher von der Beklagten in einem Schiedsspruch besonders sorgsam zu bedenken. Dies muss sich auch auf die Anforderungen an die schriftliche Begründung des Schiedsspruchs auswirken. Denn wenn nicht transparent wird, mit welchen Erwägungen und aufgrund welcher Implikationen die Beklagte den "Zuschlag" gebildet hat, ist nicht gerichtlich überprüfbar, welchen Sachverhalt die Schiedsstelle ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Die Feststellung der einzelnen Berechnungselemente gehört damit zur Bestimmung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Ist die Herleitung der einzelnen Berechnungselemente nicht nachvollziehbar, lässt sich auch nicht überprüfen, ob die Preisbildung auf den Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie aufbaut und entsprechend dem vom GBA auf der Grundlage von § 5 Abs. 7 AM-NutzenV festgesetzten Zusatznutzen (erheblich, beträchtlich, gering, nicht quantifizierbar) bestimmt worden ist. Dies muss nach den von der Rechtsprechung entwickelten, oben dargestellten Kriterien zur Rechtswidrigkeit eines solchen Schiedsspruchs führen. Außerdem setzt er setzt sich dem Einwand der Willkür aus.
4. Zwar ist mit den schriftlichen Einlassungen der Beklagten im Eilverfahren L 9 KR 437/16 KL ER nachvollziehbar geworden, wie der im Schiedsspruch festgesetzte Erstattungsbetrag arithmetisch ermittelt wurde. Zu Jahrestherapiekosten von 1.215,42 Euro gelangte die Beklagte, indem sie den "Zusatznutzen" mit 1.200 Euro bezifferte, die Abgabepreise in anderen Ländern mit 1.088,03 Euro und die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel mit 1.326,06 Euro und diese Werte prozentual gewichtet zu einander ins Verhältnis setzte (vgl. Tabelle Bl. 8 dieses Urteils).
Die nach § 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung erforderliche Bildung eines "Zuschlages" zur zweckmäßigen Vergleichstherapie hat die Beklagte dabei aber aus den Augen verloren. Stattdessen wird ein "Zusatznutzen" mit 1.200 Euro beziffert, ohne eine Beziehung zu den Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie herzustellen und den Betrag daraus abzuleiten. Wie in der mündlichen Verhandlung erkennbar wurde, hat sich der unparteiische Vorsitzende der Schiedsstelle dabei an der "Zahlungsbereitschaft" der Krankenkassen und nicht an den Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie orientiert. Denn der Kläger hat im Schiedsverfahren im Antrag vom 31. Oktober 2015 - ebenfalls ohne jegliche Begründung - eine Größenordnung von 1.000 Euro angesteuert. Von diesem Betrag weicht die Beklagte noch um 200 Euro zu Lasten des Klägers ab, ohne auch diese Abweichung zu begründen.
Damit löst sich die angegriffene Preisbildung von den in § 5 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung als Ausgangspunkt vorausgesetzten Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie. In Bezug auf diesen Ausgangspunkt muss sich der Zuschlag nachvollziehen lassen. Daran fehlt es vorliegend. Die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegen nach dem insoweit verbindlichen Beschluss des GBA zur Nutzenbewertung in einer Spanne zwischen 46,27 Euro und 252 Euro. Der Senat lässt offen, wo bei Bildung des "Zuschlages" anzusetzen ist, wenn die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie nur in Form einer Preisspanne beziffert werden konnten; allerdings wird die Beklagte in einem Schiedsspruch hier eine Entscheidung zum Ausgangswert zu treffen haben, denn dieser determiniert die statthafte Höhe des "Zuschlages". Selbst wenn man hier den höchsten Spannenwert heranzieht, 252 Euro, läge die Bemessung des Zusatznutzens (1.200 Euro) schon um fast das Fünffache über diesem Ausgangswert. Je weiter die Beklagte bei der Bildung des Zuschlages über die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie hinausgeht, umso intensiver wird ihre Begründungslast, denn sie hat nach der Intention des zugrunde liegenden Rechts einen nutzengerechten Preis zu bilden und dabei vor allem auch den Grad des jeweiligen Zusatznutzens zu berücksichtigen. Die Beklagte hat aber bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache hierfür keine Begründung geliefert. Sie hat nach den rechtlichen Ausführungen des Senats im Beschluss zum Eilverfahren L 9 KR 437/16 KL ER (bei juris Rdnr. 56 ff.) auch nicht einmal den Versuch unternommen, den Ausgangswert ihrer Preisbildung von 1.200 Euro vor dem Hintergrund der Rahmenvereinbarung zu plausibilisieren. Ob eine solche Konkretisierung noch im gerichtlichen Verfahren allein durch den Vorsitzenden der Schiedsstelle "nachgeholt" werden kann, bedarf deshalb hier keiner Klärung.
Dass der Zuschlag im vorliegenden Fall bei nur geringem Zusatznutzen um ein Vielfaches über dem Preis der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegt, ist auch nicht von vornherein plausibel. Im Gegenteil entsteht der Eindruck, dass die Beklagte ohne jede rechtliche Bindung zu einer "freien" Preisbildung gegriffen hat, die sie für mehrheitsfähig hielt. Dass dies einer gerichtlichen Kontrolle nicht Stand halten kann, liegt auf der Hand.
Der Senat verlangt damit von der Beklagten keine Preisbildung nach einem feststehenden, regelbildenden Entscheidungsalgorithmus (vgl. dazu BT-Drs. 17/13770, S. 24 r.Sp.), sondern nur eine solche, die eine einzelfallbezogene, nachvollziehbare und alle rechnerischen Elemente objektivierende Begründung enthält.
IV. Unabhängig davon bestehen weitere rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Schiedsspruchs.
1. Die Beklagte sah sich vor der tatsächlichen Situation, dass der GBA in seinem Nutzenbewertungsbeschluss zum neuen Wirkstoff Albiglutid fünf Patientengruppen gebildet hatte, von denen er nur bei einer (b1) einen (geringen) Zusatznutzen erkannte. Die Unterscheidung nach einzelnen Patientengruppen ist in § 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB V und Kapitel 5, § 18 Abs. 1 der Verfahrensordnung des GBA vorgesehen und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der pharmazeutische Hersteller hat danach in dem von ihm im Rahmen der Nutzenbewertung vorzulegenden Dossier auch Angaben zu machen zur "Anzahl der Patienten und Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen besteht". Auf dieser Grundlage soll ermittelt werden können, inwieweit die Versicherten quantitativ von dem fraglichen Arzneimittel profitieren können; die Anzahl der Patienten steht in Bezug zu dem zu ermittelnden therapierelevanten Nutzen (vgl. AMNOG, Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/2413, S. 20 r. Sp.).
2. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte bei der Ermittlung des Erstattungsbetrages für den Wirkstoff Albiglutid zur Methode der "Mischpreisbildung" gegriffen: Sie hat zunächst einen auf die Patientengruppe mit Zusatznutzen entfallenden Erstattungsbetrag (1.215,42 Euro) sowie einen auf die Patientengruppen ohne Zusatznutzen entfallenden (niedrigeren) Erstattungsbetrag (38,80 Euro) errechnet. Die beiden ermittelten Werte sind in einem nächsten Schritt zu einander ins Verhältnis gesetzt worden, und zwar je nach Größe der jeweiligen Patientengruppen, um das tatsächliche Verordnungsverhalten der Vertragsärzteschaft einzubeziehen. Die von der Beklagten praktizierte Mischpreisbildung stellt sich danach modellhaft wie folgt dar:
Patientengruppe Patientenaufkommen Erstattungsbetrag 1 (mit Zusatznutzen) 50 Prozent 1.000 Euro 2 (ohne Zusatznutzen) 50 Prozent 100 Euro
In einer solchen Situation bewirkt Patientengruppe 1 den Erstattungsbetrag zu 50 Prozent, Patientengruppe 2 bewirkt ihn ebenfalls zu 50 Prozent, so dass sich über die Mischpreisbildung ein Erstattungsbetrag von 500 Euro + 50 Euro = 550 Euro ergibt. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte (vereinfacht dargestellt) konkret folgende Berechnung angestellt:
Patientengruppe Patientenaufkommen Erstattungsbetrag Anteiliger Erstattungsbetrag 1 (mit Zusatznutzen) 80 Prozent 1.215,43 Euro 80 Prozent = 972,34 Euro 2 (ohne Zusatznutzen, vier Untergruppen) 20 Prozent 38,80 Euro 20 Prozent = 7,76 Euro
Die Summe der beiden anteiligen Erstattungsbeträge ergibt zu berücksichtigende Jahrestherapiekosten von 980,10 Euro. Hieraus ergibt sich der festgesetzte Erstattungsbetrag von 20,01 Euro: 980,10 Euro: 365 Tage = 2,67 (Tagestherapiekosten) x 7 = 18,83 (wöchentliche Therapiekosten als Bezugsgröße) + 1,18 Euro (netto Herstellerabschlag) = 20,01 Euro.
3. Seine rechtlichen Bedenken gegen die so praktizierte Methode der Mischpreisbildung erhält der Senat für die hier gegebene Fallkonstellation auch im Lichte der Kritik, die die Eilentscheidung vom 1. März 2017 (L 9 KR 437/16 KL ER) nach sich zog (vgl. nur Stallberg, PharmR 2017, S. 212; Anders, A&R 2017, S. 80), aufrecht und stützt sie auf folgende Erwägungen:
a) Der von der Beklagten festgelegte Mischpreis führt zu nicht nutzenadäquaten Preisverzerrungen in den einzelnen Anwendungsbereichen bzw. Patientengruppen und damit zu nicht nutzengerechten Preisen (zu unkritisch insoweit Baierl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 130b SGB V Rdnr. 107; siehe auch Stadelhoff, Rechtsprobleme des AMNOG-Verfahrens, Diss. jur. 2016, Nomos-Verlag, S. 276-283). Er trägt damit nicht der vom Gesetzgeber mit dem AMNOG verfolgten Grundidee Rechnung, wonach der Preis eines Arzneimittels seinem Nutzen bzw. Zusatznutzen folgen solle. Vorliegend müssten auf die Patientengruppe b1, für die der GBA einen geringen Zusatznutzen beschlossen hat, (hier unterstellt: beanstandungsfrei hergeleitete) Jahrestherapiekosten in Höhe von 1.215,42 Euro entfallen. Isoliert betrachtet durften die (unterstellt: beanstandungsfrei hergeleiteten) Jahrestherapiekosten in den anderen ohne Zusatznutzen gebliebenen Patientengruppen maximal 12,00 Euro (Gruppe a), 23,00 Euro (Gruppe b2), 607,00 Euro (Gruppe c) bzw. 0 Euro (Gruppe d) betragen. Dieses differenzierte Gefüge nivelliert ein Mischpreis, dem die Beklagte hier über alle fünf Patientengruppen Jahrestherapiekosten von pauschal 980,10 Euro zugrunde legte. Rechtswidrig ist dies, weil sich für die Patientengruppen a, b2, c und d damit Jahrestherapiekosten ergeben, die entgegen § 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V höher sind als die Jahrestherapiekosten der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie; zum Beispiel übersteigt der Mischpreis im Falle von Patientengruppe a die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie um mehr als das Achtzigfache.
b) Auf der anderen Seite – aus der Warte des pharmazeutischen Herstellers – ist der als Mischpreis festgelegte Erstattungsbetrag nicht tragfähig, weil er durch die kostendämpfende Einbeziehung der Patientengruppen ohne Zusatznutzen niedriger ausfällt als notwendig. Dies verletzt Rechte des pharmazeutischen Herstellers.
c) Indem der Mischpreis dem Arzneimittel in der mit einem Zusatznutzen belegten Konstellation einen zu niedrigen und damit nicht nutzenadäquaten Preis beimisst, wird zugleich eine rechtswidrige Ausgangslage für künftige Nutzenbewertungen und Preisfestlegungen geschaffen: Wenn nämlich das Arzneimittel in der mit dem Zusatznutzen belegten Konstellation künftig als zweckmäßige Vergleichstherapie für einen neuen, nunmehr der Nutzenbewertung unterliegenden Wirkstoff fungieren sollte (zu einem solchen Fall: Beschluss des GBA vom 3. April 2014, BAnz AT 15. April 2014 B3, zum Wirkstoff Dabrafenib), würden die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie vom GBA aufgrund der Auswirkungen des Mischpreises zu niedrig bemessen. Dies wiederum könnte den dann betroffenen pharmazeutischen Hersteller in seinen Rechten verletzen, der mangels eigener Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Preisfestlegung im früher durchgeführten Nutzenbewertungsverfahren hinnehmen muss, dass – gesetzgeberisch gewollt – der Preis seiner Neuentwicklung sich an den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie orientieren muss.
Entsprechendes gilt zu Lasten der Krankenkassen, wenn der Mischpreis – wie unter a) dargestellt – rechtswidrig zu hoch festgesetzt wird.
4. Die aufgezeigten Probleme sprechen für das Erfordernis einer ergänzenden gesetzgeberischen Regelung zur Bildung eines Erstattungsbetrages in der Konstellation unterschiedlich nutzenbewerteter Patientengruppen. Denn die nach der derzeitigen defizitären Rechtslage praktizierte Mischpreisbildung begegnet nicht nur den beschriebenen gravierenden rechtlichen Bedenken. Zugleich handelt es sich um eine wesentliche Grundentscheidung, die die Finanzierbarkeit des Systems der GKV und Grundrechte des pharmazeutischen Herstellers betrifft (vgl. Stadelhoff, a.a.O., S. 283; Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Kommentar, Rdnr. 14 zu § 130b).
Jedenfalls müssten aber der GKV-Spitzenverband und die Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene (§ 130b Abs. 5 SGB V) die Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V um Regularien zum "Ob" und "Wie" der Bildung eines Mischpreises erweitern. Die Rahmenvereinbarung in ihrer derzeitigen Fassung enthält für dieses praxisrelevante Problem keine Regularien und wird daher der Vorgabe in § 130b Abs. 9 Satz 1 SGB V nicht gerecht, "Maßstäbe für die Vereinbarungen nach Absatz 1" zu bilden, was wiederum zur Entstehung von Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden beiträgt, weil wesentliche Elemente der Preisbildung ungeregelt sind und "freihändig" gehandhabt werden. Nur mit einer solchen Regelung würde außerdem eine gleichmäßige Verwaltungspraxis der Schiedsstelle bei der Festsetzung von Mischpreisen und damit die Einhaltung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistet.
5. Schon aus den vorgenannten Gründen erscheint die von der Beklagten vorgenommene Mischpreisbildung insgesamt rechtswidrig. Dieses Ergebnis ergibt sich zusätzlich aus Folgendem:
a) Die Beklagte hat ihrer Mischpreiskalkulation rechnerisch zugrunde gelegt, dass Albiglutid prognostisch mit einem Anteil von 80 Prozent in der Zusatznutzenpopulation b1 verordnet werde. Begründet hat die Beklagte dies auch mit den praktischen Auswirkungen der in § 2b Abs. 2 der Vereinbarung getroffenen Regelung, wonach Albiglutid "durch den Vertragsarzt ausschließlich in der Zusatznutzenpopulation b1 in der Kombination mit Metformin gemäß G-BA Beschluss vom 19.03.2015 zulasten der Krankenversicherung verordnet werden (soll)". U.a. hieraus leitete die Beklagte die "Erwartung" ab, dass der Wirkstoff künftig zu 80 Prozent in der Zusatznutzenpopulation verordnet werde. Diese Prognose ist rechtlich nicht haltbar, weil alles dafür spricht, dass die in § 2b Abs. 2 der Vereinbarung getroffene Regelung rechtswidrig ist.
Dieser Regelung (wie im Übrigen auch jener in § 2b Abs. 3 zum Facharztstandard) wohnt inne, dass sie sich an Dritte richtet und diese belastet, nämlich an Vertragsärzte. Die Regelung kann den Vertragsärzten gegenüber aber keine Wirksamkeit entfalten. Denn sie ist Bestandteil eines Verwaltungsakts. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Schon § 130b SGB V sieht aber eine Bekanntmachung von Regelungen der Vereinbarungen eines Erstattungsbetrages oder eines Schiedsspruchs gegenüber Dritten nicht vor, sondern ordnet im Gegenteil in § 130b Abs. 1 Satz 10 SGB V weitgehend Vertraulichkeit der Verhandlungen und der Entscheidung an. Schon deshalb dürfte ausgeschlossen sein, dass die Beklagte zur Stützung eines Mischpreises Regelungen trifft, die Einschränkungen vertragsärztlicher Tätigkeit vorsehen, ohne dass es auf die Frage ankäme, woraus die Beklagte insoweit ihre ("demokratische") Legitimation herleiten wollte.
Somit fehlt es für die Regelung in § 2b Abs. 2 der Vereinbarung an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage. Insbesondere bietet § 130b Abs. 1 Satz 5 SGB V insoweit keine ausreichende Ermächtigung. Danach soll die Vereinbarung auch "Anforderungen an die Zweckmäßigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit einer Verordnung beinhalten". Als Grundlage hierfür fungiert wiederum der Nutzenbewertungsbeschluss des GBA (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 5 AM-NutzenV). Die Vereinbarung über den Erstattungsbetrag, und damit auch der Schiedsspruch nach § 130b Abs. 4 SGB V, darf danach insbesondere Bestimmungen zur Qualitätssicherung treffen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Vereinbarung des Erstattungsbetrages stehen, regelmäßig also ausschließlich arzneimittelbezogen sein muss. Regelungen zur Qualitätssicherung der gemeinsamen Selbstverwaltung können hierdurch ergänzt, aber nicht abgelöst werden. Kosten, die durch die Vereinbarung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung entstehen, sind durch die Vertragspartner zu tragen und dürfen nicht auf Dritte abgewälzt werden (so ausdrücklich Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/2413, S. 31 li.Sp.; vgl. auch Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Kommentar, Rdnr. 36 zu § 130b).
Der in § 2b Abs. 2 intendierte Verordnungsausschluss ist davon nicht umfasst. Er fiele gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V unter den dort genannten engen Voraussetzungen allein in die Kompetenz des GBA. Dasselbe gilt für die in § 2b Abs. 3 gewollte Einführung eines Facharztstandards; eine solche berührt die Rechte Dritter, nämlich der Vertragsärzte, und darf daher nicht ohne deren Beteiligung rechtliche Wirkung entfalten.
b) Der Senat will damit im Ergebnis nicht schlechthin ausschließen, dass die Partner der Vereinbarung nach § 130b Abs. 1 SGB V bzw. die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V auf der Grundlage des Nutzenbewertungsbeschlusses des GBA eine Prognose zum künftigen ärztlichen Verordnungsverhalten treffen und hierbei die Größe der Patientengruppen, denen das Arzneimittel nach der Nutzenbewertung voraussichtlich verordnet werden wird, anders einschätzen. Es bedarf aber auch hierfür klarer methodischer Vorgaben zumindest in der Rahmenvereinbarung.
Die im Nutzenbewertungsbeschluss des GBA angegebene Größe der jeweiligen Patientengruppe geht zurück auf die Angaben des pharmazeutischen Unternehmers nach § 35a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB V und findet nach dem 5. Kapitel, 4. Titel, § 20 Abs. 3 Nr. 2 der Verfahrensordnung des GBA Eingang in den Nutzenbewertungsbeschluss, der seinerseits nach § 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V Teil der Arzneimittel-Richtlinie wird und damit die oben beschriebene Bindungswirkung entfaltet. Die Größe der jeweiligen Patientengruppe spiegelt das ärztliche Verordnungsverhalten im Moment der Nutzenbewertung (Ist-Zustand). Es liegt allerdings nahe, dass sich das ärztliche Verordnungsverhalten ändert und etwa mengenmäßig zugunsten des Zusatznutzenbereichs verschiebt, wenn der Nutzenbewertungsbeschluss bekanntgegeben ist und die Vereinbarung über den Erstattungsbetrag veröffentlichte Regelungen zur Qualitätssicherung enthält. Eine bei den Werten des Nutzenbewertungsbeschlusses ansetzende und diese weiter entwickelnde Prognose zum ärztlichen Verordnungsverhalten bedarf allerdings stets nachvollziehbarer Erwägungen, insbesondere auch zur Höhe des jeweils angesteuerten Werts. Dem wird der angefochtene Schiedsspruch nicht gerecht, denn die Prognoseentscheidung nutzt mit dem Versuch eines Teilverordnungsausschlusses eine rechtswidrige Prämisse und ist auch der Höhe nach nicht ansatzweise nachvollziehbar, denn warum der Schiedsspruch die vordefinierte Größe der Patientengruppe und b1 mehr als verdoppelt und eine Gruppengröße von gerade 80 Prozent ansteuert, wird nicht weiter begründet.
V. Abschließend gibt der Senat zu bedenken:
1. Ein Mischpreis führt in einer Konstellation wie der vorliegenden für die vertragsärztliche Verordnungspraxis zu nicht unerheblichen Regressrisiken (vgl. Stadelhoff, a.a.O., S. 166-169). Eine vertragsärztliche Verordnung des Arzneimittels in den nicht mit einem Zusatznutzen versehenen Patientengruppen ist grundsätzlich zulässig, denn auch für diese Patientengruppen bzw. Indikationen ist es arzneimittelrechtlich zugelassen; allerdings ist der Mischpreis für diese Patientengruppen nicht nutzenadäquat, weil er, bedingt durch den oben dargestellten Vorgang der Preisbildung, rechnerisch über dem Preis der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie liegt. Würden Vertragsärzte Albiglutid in den Patientengruppen a, b2, c und d verordnen, könnten sie sich unwirtschaftlich verhalten (§ 12 Abs. 1 SGB V) und der Gefahr eines Arzneimittelkostenregresses im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen; der "global" als wirtschaftlich geltende Erstattungsbetrag kann im Einzelfall unwirtschaftlich sein (vgl. dazu Bauer u.a., IBES Diskussionsbeitrag, "Analyse und Beschreibung des AMNOG-Umsetzungsproblems in die Versorgungspraxis", Januar 2016, S. 8; Bickel in Arzneiverordnung in der Praxis, Heft 1 Januar 2016, "Frühe Nutzenbewertung nach AMNOG und Auswirkungen auf die Vertragsärzte", S. 43 [46]). Ein naheliegendes Regressrisiko besteht bei der Verordnung nutzenbewerteter Arzneimittel in den Bereichen ohne Zusatznutzen deshalb, weil durch die zweckmäßige Vergleichstherapie eine typischerweise kostengünstigere Behandlungsalternative besteht. Entsprechend dem Minimalprinzip als Ausfluss des Wirtschaftlichkeitsgebots ist mit dem geringstmöglichen Aufwand die erforderliche – ausreichende und zweckmäßige – Leistung zu erbringen, d.h. der Vertragsarzt ist bei zwei zur Behandlung einer bestimmten Gesundheitsstörung zur Verfügung stehenden, medizinisch gleichwertigen Therapieansätzen im Regelfall verpflichtet, den kostengünstigeren zu wählen; das Minimalprinzip ist grundsätzlich auch im Verhältnis zweier therapeutisch gleichwertiger, aber unterschiedlich teurer Arzneimittel zu beachten (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 2016, B 6 KA 3/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19; Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 18/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 37f.; Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 44; Urteil vom 20. Oktober 2004, B 6 KA 41/03 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 44; Urteil vom 3. Juli 2012, B 1 KR 22/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Oktober 2009, L 7 KA 131/06, zitiert nach juris, dort Rdnr. 52).
Gleichwohl bedarf es regelmäßig näherer normativer Konkretisierungen – etwa hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von bestimmten Arzneimitteln –, an denen der Arzt seine Behandlungsweise ausrichten kann. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der GBA gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V gehalten ist, eine Richtlinie für die Verordnung von Arzneimitteln zu beschließen, welche den in § 92 Abs. 2 SGB V niedergelegten detaillierten Vorgaben genügen müssen; hierzu gehören auch Regelungen, die dem Vertragsarzt eine Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit einer Verordnung ermöglichen. Weiterhin muss der Arzt davor geschützt sein, dass eine nicht offensichtlich regelwidrige Behandlungsweise im Nachhinein auf der Grundlage ganz allgemeiner Erwägungen zu wirtschaftlichen Alternativen als fehlerhaft bewertet wird. Das schließt aber nicht aus, dass der Arzt in besonderen Konstellationen auch ohne entsprechende Konkretisierungen zur unmittelbaren Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet ist und aus dessen Nichtachtung Folgerungen gezogen werden dürfen. Mithin kann ein Vertragsarzt, insbesondere bei vorhandenen rechtskonformen Handlungsalternativen, die mit unterschiedlich hohen Kosten verbunden sind, auch ohne entsprechende Konkretisierung durch die Arzneimittel-Richtlinie verpflichtet sein, sich für die wirtschaftlichere Variante zu entscheiden (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 18/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 38).
Um offenkundig bestehenden Missverständnissen zu begegnen (vgl. nur das "Statement" des stellvertretenden Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 26. April 2017, http://www.kbv.de/html/2017 28482.php), weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass selbstverständlich die Wahl des teureren von zwei gleichwertigen Arzneimitteln nicht regressbehaftet sein kann, wenn es hierfür objektive medizinische Gründe gibt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 2016, B 6 KA 3/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr.57), etwa wenn die Anwendung des kostengünstigeren Arzneimittels wegen Kontraindikationen oder unzumutbarer Nebenwirkungen ausgeschlossen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Unwirtschaftlichkeit des teureren Arzneimittels mittels Verordnungsausschlusses oder –einschränkung in der Arzneimittel-Richtlinie "förmlich" festgestellt ist. Denn auch solcher Art ausgeschlossene Arzneimittel dürfen nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V "ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung" verordnet werden. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Arzneimittel-Richtlinie genügt zur Begründung hierfür im Regelfall die Angabe der Indikation und gegebenenfalls die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen in der Patientenakte (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2014, B 6 KA 25/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23). Nicht zuletzt deshalb weist der Senat auch darauf hin, dass Regressrisiken im Allgemeinen umso mehr minimiert werden können, je sorgfältiger ein Vertragsarzt den Verlauf und die medizinische Notwendigkeit der Pharmakotherapie dokumentiert.
Das Risiko eines Arzneikostenregresses könnte aber auch deshalb bestehen, weil nach Berichten aus der Praxis für einen Vertragsarzt nicht immer erkennbar sei, ob der Patient, für den das fragliche Arzneimittel verordnet werde, in eine Gruppe mit oder ohne Zusatznutzen falle. Dass das Ergebnis einer Nutzenbewertung, selbst wenn es vom GBA elektronisch publiziert wird, unter Vertragsärzten nicht flächendeckend bekannt sei, ist unerheblich, weil jeder Vertragsarzt die von ihm bei der Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit und somit auch bei Arzneimittelverordnung zu beachtenden rechtlichen Vorgaben (etwa Umfang der arzneimittelrechtlichen Zulassung, Rücknahme und Widerruf solcher Zulassungen, Verordnungsausschlüsse in der Arzneimittel-Richtlinie) kennen muss (§ 91 Abs. 6, § 95 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 82, § 83 SGB V) und sich im Regressfall nicht auf Unwissenheit berufen kann. Auf der anderen Seite wurden Vertragsärzte durch ihre Praxissoftware bislang offenkundig nur unzureichend über die Ergebnisse der Nutzenbewertung durch den GBA informiert (AMVSG-Entwurf, BT-Drs. 18/10208, S. 27). Darauf hat der Gesetzgeber des AMVSG insbesondere durch die Einfügung von § 35a Abs. 3a, § 73 Abs. 9 SGB V reagiert, was künftig zusätzlich zur Vermeidung von Regressrisiken beitragen dürfte.
2. Aufgefangen werden kann die beschriebene Problematik des Mischpreises jedenfalls in Einzelfällen durch Maßgaben, die der GBA seinen Beschlüssen zur Nutzenbewertung beifügt. Denn der GBA darf zur Klarstellung die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in Bereichen ohne Zusatznutzen (wie hier in Patientengruppen a, b2, c und d) schon nach bisheriger Rechtslage auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V einschränken oder ausschließen oder mit einem Therapiehinweis belegen. Die in § 92 Abs. 2 Satz 11 SGB V getroffene Regelung steht dem nicht entgegen. Danach kann der GBA "die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages nach § 130b hergestellt werden kann". Dieser Fall ist in einer Konstellation wie der vorliegenden grundsätzlich gegeben, denn die Wirtschaftlichkeit kann gerade nicht durch Bildung eines einheitlichen Erstattungsbetrages im Sinne eines Mischpreises für alle Patientengruppen hergestellt werden. Würde der GBA von seiner Befugnis Gebrauch machen, anlässlich der Nutzenbewertung die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in Indikationen einzuschränken, für die kein Zusatznutzen erkennbar war, würde er die Bildung eines nutzengerechten Erstattungsbetrages erleichtern. Denn dieser müsste sich ausschließlich an derjenigen Indikation orientieren, für die der GBA einen Zusatznutzen zugebilligt hat.
Der im Beschluss des Senats vom 1. März 2017 (bei juris Rdnr. 54) enthaltene Hinweis auf die seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren (AMVSG, Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. November 2016, BT-Drs. 18/10208, S. 9) befindliche Neuregelung eines § 35a Abs. 3 Satz 5 SGB V hat sich zwischenzeitlich erledigt. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung war insoweit die Regelung enthalten, dass der GBA im Rahmen des Nutzenbewertungsbeschlusses "eine Verordnungseinschränkung nach § 92 Abs. 1 Satz 1 beschließen (kann), soweit ein Zusatznutzen nicht belegt ist und die Verordnungseinschränkung zur Sicherstellung der Versorgung von einzelnen Patientengruppen erforderlich ist". Damit sollte ermöglicht werden, einen Erstattungsbetrag so zu vereinbaren, dass das Arzneimittel nur für eine bestimmte Patientengruppe verordnet wird (Gesetzesbegründung a.a.O., S. 26). Die weitere Gesetzgebungsgeschichte bestätigt die Auffassung des Senats zu den ohnehin bestehenden Kompetenzen des GBA: Zu der Neufassung des § 35a Abs. 3 Satz 5 SGB V kam es nicht, weil der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages davon abriet (BT-Drs. 18/11449 vom 8. März 2017, S. 34). Dort heißt es:
"Die im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des Absatz 3 sollte der Klarstellung und Konkretisierung der Voraussetzungen dienen, unter denen der Gemeinsame Bundesausschuss eine Verordnungseinschränkung nach § 92 Absatz 1 Satz 1 mit dem Beschluss über die Nutzenbewertung und damit zeitgleich beschließen kann. Im Rahmen der öffentlichen Anhörung wurde deutlich, dass die beabsichtigte Klarstellung und Konkretisierung aber vielmehr zu der unzutreffenden Annahme führen könnte, eine Verordnungseinschränkung nach § 92 Absatz 1 Satz 1 sei grundsätzlich von einer Verordnungseinschränkung zum Zeitpunkt der Nutzenbewertung zu unterscheiden. Dies ist nicht der Fall.
Die ursprünglich vorgesehene Regelung ist entbehrlich. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann bereits nach § 92 Absatz 1 Satz 1 die Verordnung von Arzneimitteln wegen Unwirtschaftlichkeit einschränken oder ausschließen, wenn eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Diese Vorgaben sind ausreichend. ( )
Da § 92 Absatz 1 Satz 1 keinerlei Vorgaben zum möglichen Zeitpunkt einer Beschlussfassung macht und das geltende Recht auch sonst keine einschränkenden Regelungen hinsichtlich des Zeitpunkts eines solchen Beschlusses kennt, ist es dem Gemeinsamen Bundesausschuss nicht versagt, einen Beschluss über eine Verordnungseinschränkung zeitgleich mit dem Beschluss über die Nutzenbewertung zu fassen."
Allerdings wird der GBA allein die Problematik nicht vollständig auflösen können. Insbesondere steht einem zeitgleich mit der Nutzenbewertung veröffentlichten Beschluss über den Ausschluss oder die Einschränkung der Verordnungsfähigkeit bzw. über einen Therapiehinweis u.a. das in seiner Verfahrensordnung (4. Kapitel, § 5) vorgesehene Stellungnahmeverfahren entgegen. Hinzu kommt, dass der GBA nach derzeitiger Rechtslage nur berechtigt, aber nicht verpflichtet ist (§ 92 Abs. 1, Satz 1, 3. und 4. Halbsatz SGB V: "kann"; Satz 2: "soll"), bei (teilweiser) Unzweckmäßigkeit oder (teilweiser) Unwirtschaftlichkeit eines Arzneimittels einen Verordnungsausschluss, eine -einschränkung oder einen Therapiehinweis zu beschließen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 18/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 48).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved