Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 14 KA 314/10
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 16/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 30. Januar 2014 wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 74.855,33 EUR festgesetzt. 4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine sachlich-rechnerische Berichtigung von Leistungen nebst Rückforderung.
Der Kläger ist seit Anfang 1999 als Facharzt für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung in H zugelassen.
Die Beklagte unterzog die Abrechnungen des Klägers für die Quartale I/2006 bis IV/2007 einer sachlich-rechnerischen Prüfung. Grundlage der Prüfung waren zunächst die Tages- und Quartalszeitprofile. Die Beklagte berechnete die Tagesarbeitszeit des Klägers für diese Quartale auch unter Berücksichtigung der Kombination eines Ordinationskomplexes (GOP 18110 bis 18112 Einheitlicher Bewertungsmaßstab – EBM) und der Beratungsleistung (GOP 18220 EBM mit einer Leistungszeit "plus 10 Minuten"). Dadurch wurde für die Nebeneinanderabrechnung dieser beiden Leistungen an einem Tag eine Gesamtzeit von 20 Minuten in die Berechnung der Tagesarbeitszeit eingestellt.
Der Plausibilitätsausschuss teilte dem Kläger am 20. Oktober 2008 seine Berechnungen mit und bat ihn um Stellungnahme. Er – der Kläger – habe im Quartal I/2006 die Tageszeitobergrenze von 12 Stunden an 3 Tagen überschritten. Bei Berücksichtigung der Mindestzeitvorgabe von 20 Minuten für die Nebeneinanderabrechnung von Ordinationskomplex (GOP 18210 bis 18212 EBM) und Beratungsleistung (GOP 18220 EBM) bei der Berechnung der Tageszeitprofile habe er an 28 Tagen Arbeitszeiten von mehr als 12 Stunden gehabt (13. März 2016 ) 17 Stunden). Auch in jedem der Quartale II/2006 bis IV/2007 habe er an einer aufgelisteten zweistelligen Anzahl von Tagen eine Arbeitszeit von mehr als 12 Stunden absolviert. Daher werde vermutet, er habe die geforderte Mindestzeit bei der Nebeneinanderabrechnung von Ordinationskomplex und Beratungsleistung am selben Behandlungstag nicht erfüllt.
In seiner Stellungnahme vom 27. Oktober 2008 teilte der Kläger mit, die von ihm verwendete Software M habe ihm keine Zeitüberschreitung angezeigt. Es sei daher für ihn unerklärlich, wie die Beklagte eine Zeitüberschreitung errechnen könne. Er habe seine Helferin bereits angewiesen, an den Spitzentagen wie Montag und Donnerstag Ziffern herauszunehmen. Trotz durchgeführter Therapie habe er die Ziffern häufig nicht angesetzt.
Nach Prüfung und Beschlussfassung des Plausibilitätsausschusses setzte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 2010 eine sachlich-rechnerische Korrektur der Honorarbescheide für die Quartale I/2006 bis IV/2007 über insgesamt 74.855,33 EUR fest. Dieser Betrag beruhte auf der Streichung der Beratungsleistungen nach der GOP 18220 EBM in den Fällen, in denen sie neben dem Ordinationskomplex am selben Behandlungstag zur Abrechnung gelangt sind. Die Beklagte erläuterte die Aufgreifkriterien - Überschreitung von 12 Stunden Arbeitszeit an mehr als zwei Tagen. Dabei werde z. B. der Zeitaufwand zur Behandlung von Privatpatienten, von Leistungen im organisierten Notfalldienst, von bestimmten unvorhergesehenen Inanspruchnahmen etc. nicht berücksichtigt. Ebenso flössen die Besuche von Pharmavertretern, Besprechungen mit den Arzthelferinnen und Pausen in die zeitliche Bewertung nicht ein. In den Quartalen I/2006 bis IV/2007 habe der Kläger an der aufgelisteten Anzahl von Tagen die Tagesarbeitszeit überschritten. Er habe die GOP 18220 EBM auf 100 Fälle bezogen mit 143,2mal deutlich häufiger abgerechnet als die Vergleichsgruppe mit 45,8mal bezogen auf 100 Fälle. Auffällig sei auch die Häufigkeit der Nebeneinanderabrechnung von der Beratungsziffer nach der GOP 18220 EBM und einem Ordinationskomplex. Sie – die Beklagte – gehe davon aus, dass dem Kläger die zu erbringende Mindestzeit von 20 Minuten nicht bewusst gewesen sei und er sie daher nicht eingehalten habe. Ihr stehe ein weites Schätzungsermessen zur Neufestsetzung des Honoraranspruchs zu, wenn nur eine einzige der abgerechneten Leistungen grob fahrlässig fehlerhaft abgerechnet worden sei und damit die Abrechnungssammelerklärung ihre Garantiewirkung für die Richtigkeit der gesamten Abrechnung verliere. Auf die Fehlabrechnung einzelner Fälle komme es jedoch nicht an, wenn allein aufgrund der Tageszeitprofile festzustellen sei, dass er nicht alle Leistungen vollständig im Sinne der Leistungslegenden des EBM erbracht haben könne. Belegt durch die Tageszeitprofile habe der Kläger in nicht geringem Umfang fehlerhaft abgerechnet, weil davon ausgegangen werden müsse, dass er die Abrechnungsvoraussetzungen der GOP 18220 EBM nicht beachtet habe. Es sei daher sachgerecht, die Abrechnungen dergestalt zu korrigieren, dass die GOP 18220 EBM immer dann gestrichen werde, wenn sie neben dem Ordinationskomplex abgerechnet worden sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe auch für den Bereich der sachlich-rechnerischen Korrekturen festgestellt, dass die Rückforderungsberechnungen ohne Berücksichtigung mengenbegrenzender Honorarverteilungsmaßnahmen erstellt werden müssten. Daher sei es erforderlich gewesen, das zu streichende Punktzahlvolumen mit dem Mischpunktwert aus Kern-, Konvergenz- und Mehrleistungsvolumen zu multiplizieren. Auf die dem Bescheid beigefügte tabellarische Berechnung der Rückforderung werde verwiesen.
Der Kläger legte am 15. Juli 2010 Widerspruch ein. Er habe nur im Quartal I/2006 das Aufgreifkriterium für eine Plausibilitätsprüfung – Überschreitung der Tagesarbeitszeit von 12 Stunden – an drei Tagen erfüllt, nicht jedoch in den Quartalen II/2006 bis IV/2007. Gleichwohl seien alle acht Quartale geprüft worden. Es verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, nur ihn zu prüfen, nicht jedoch die übrigen Ärzte, um das Ausmaß der Fehlinterpretation der Abrechnungsvoraussetzungen in der Ärzteschaft zu offenbaren. Die missverständliche Formulierung der GOP 18220 EBM nebst Anmerkung führe dazu, dass viele Ärzte dem Missverständnis unterlägen, es handele sich bei der verlängerten Mindestkontaktzeit von 20 Minuten nicht um eine Prüfzeit, sondern um eine Abrechnungsvoraussetzung. Dieser Zusatz sei kursiv gedruckt und daher für einen juristischen Laien unklar dargestellt. In der Praxis-EDV sei bei Eingabe der GOP 18220 EBM nur die Leistungslegende, nicht jedoch die Anmerkung angezeigt worden. Die EDV habe daher für die GOP 18220 EBM auch im Falle der Nebeneinanderabrechnung neben dem Ordinationskomplex nur eine Prüfzeit von 10 Minuten berücksichtigt. Die Problematik der Abrechnung der Beratungs- und Erörterungsgebühr ...220 neben den Ordinationskomplexen sei im Nordlicht 10/2006 S. 32 erörtert worden. Danach könne man den Ordinationskomplex und die Erörterung bei mehreren Patientenkontakten im Behandlungsfall auch an anderen Behandlungstagen zum Ansatz bringen, um besonders am Quartalsbeginn und den arbeitsintensivsten Wochentagen im Tageszeitprofil nicht auffällig zu werden. Die Beklagte habe damit auf Umgehungsmöglichkeiten hingewiesen. Wenn dieselben Beratungsleistungen nicht zusammen mit dem Ordinationskomplex, sondern an einem anderen Tag erbracht würden, wäre die Abrechnung durchweg zu Recht erfolgt. Am 13. März 2006 sei er auch tatsächlich für die Behandlung von 53 Patienten außergewöhnlich lange in der Praxis tätig gewesen.
Jedenfalls sei die Rückforderung auf der Basis von Mischpunktwerten rechtswidrig. Insbesondere sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Unter Berücksichtigung der mangelnden Erkennbarkeit der Abrechnungsvoraussetzungen könnten nur diejenigen Leistungsanteile zurückgefordert werden, die auch im Falle der Nichtabrechnung dieser Leistungen von Anfang an nicht entstanden wären. Es wäre mithin eine Berechnung der Kürzung vorrangig mit den Mehrleistungspunktwerten vorzunehmen. Diese Vorgehensweise sei bis Mitte 2009 praktiziert worden.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2010 zurück. Sie wiederholte und ergänzte ihre bisherige Begründung. Es sei davon auszugehen, dass die Beratungsleistung (GOP 18220 EBM) bereits nach 10 Minuten Mindestdauer abgerechnet worden sei. Es sei rechtmäßig, über das nach dem Aufgreifkriterium "Zeitprofilprüfung" auffällige Quartal hinaus auch weitere Quartale in die Prüfung und Korrektur mit einzubeziehen. Die Prüfungs- und Korrekturpflicht der Kassenärztlichen Vereinigung bestehe unabhängig von dem Anlass der Feststellung einer fehlerhaften Abrechnung. Die Leistungslegende für die Abrechnung der Ziffer 18220 EBM sei eindeutig formuliert. Die kursive Druckweise beeinflusse nicht die Gültigkeit ihres Inhalts. Auch habe die von der Praxis-EDV verwendete Kurzfassung des EBM keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Abrechnungsvoraussetzungen. Der Kläger könne sich nicht auf den Artikel im Nordlicht berufen, da dort auf die Erforderlichkeit einer Mindestdauer von 20 Minuten hingewiesen worden sei. Allein am 13. März 2006 sei nach den Aufgreifkriterien eine Tagesarbeitszeit von 13 Stunden und 24 Minuten erbracht worden. An diesem Tag sei die GOP 18220 EBM mit jeweils 10 Minuten Mindestzeit 51mal abgerechnet worden. Danach hätte der Kläger bei jedem Patienten ein Beratungsgespräch durchgeführt haben müssen. Unter Berücksichtigung von insgesamt 22 mit einem Ordinationskomplex kombinierten Abrechnungen ergäben sich für diesen Tag allein für die GOP 18220 EBM 12 Stunden und 10 Minuten Gesprächsleistung. Neben den übrigen Leistungen sei davon auszugehen, dass bei korrekter Leistung ein höheres Zeitvolumen zustande gekommen wäre. Daher würden auch die Zeiten dieses Tages belegen, dass es der Kläger bei seiner Abrechnung an der gebotenen Sorgfalt habe vermissen lassen. Die Berechnung nach Mischpunktwerten werde in allen Fällen praktiziert.
Dagegen hat der Kläger am 3. November 2010 vor dem Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Er hat sein bisheriges Vorbringen vertieft und ergänzt. Der vom BSG in seiner Entscheidung vom 11. März 2009 aufgestellte Grundsatz, Rückforderungssummen nach der sog. Mischpunktwertberechnung zu ermitteln, sei unter den Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit gestellt worden. Dabei sei – unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter – insbesondere zu bewerten, wie die veröffentlichten Informationen der Beklagten zur Plausibilitätsprüfung und zur Nebeneinanderabrechnung von Gesprächsleistungen aus der Perspektive der betroffenen Vertragsärzte zu verstehen gewesen seien. Zudem sei noch nicht geklärt, ob pauschale Honorarkürzungen im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen auch für Quartale durchgeführt werden dürften, wenn für diese Quartale gar nicht die Aufgreifkriterien für die Plausibilitätsprüfung erfüllt seien. Für die Quartale II/2006 bis IV/2007 hätten die Voraussetzungen für eine Plausibilitätsprüfung nicht vorgelegen.
Das Sozialgericht Kiel hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2014 abgewiesen. Die Beklagte habe die sachlich-rechnerische Korrektur zu Recht vorgenommen. Der Kläger habe nach den inhaltlich unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der Beklagten nicht nur bezüglich eines, sondern bezüglich einer Vielzahl von mit der Abrechnungs-Sammelerklärung erfassten Behandlungsausweisen unplausible Angaben über erbrachte Leistungen in Form von offensichtlich nicht realistischen Arbeitszeiten gemacht und damit sachlich-rechnerisch mangelhafte Leistungsabrechnungen erstellt. Denn er habe die Leistungslegende zu der GOP 18220 EBM nicht beachtet, wonach bei der Nebeneinanderabrechnung von Ordinationskomplex und Beratungsleistung für eine vollständige Leistungserbringung die Arzt-Patienten-Kontaktzeit mindestens 20 Minuten betragen müsse. Die Verwendung von Tageszeitprofilen zur Feststellung unvollständiger Leistungserbringung sei zulässig. Sie seien ein geeignetes Mittel für den Nachweis einer fehlerhaften Abrechnung. Die Plausibilitätsprüfung sei kein eigenständiges, drittes Honorarberichtigungsverfahren, sondern lediglich ein Unterfall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung mit der Prüfung, ob der Vertragsarzt die von ihm in seine Abrechnung eingestellten Leistungen in zeitlicher Hinsicht überhaupt ordnungsgemäß erbracht haben könne. Daher sei es nicht ausgeschlossen, anhand von Zeitprofilen ermittelte Abrechnungsauffälligkeiten, namentlich Fehlansätze von Leistungstatbeständen, zum Aufgreifkriterium auch für solche Quartale zu machen, die im Rahmen der (engeren) Plausibilitätsprüfung unauffällig seien. Die Unrichtigkeit der Abrechnungs-Sammelerklärung berechtige die Kassenärztliche Vereinigung, das dem Vertragsarzt zustehende Honorar zu schätzen. Im Rahmen der nur möglichen und zulässigen gerichtlichen Kontrolle mache die Kammer sich die Ausführungen der Beklagten zu eigen. Die Beklagte habe die Berichtigungssumme auch sachlich und mathematisch zutreffend ermittelt. Veröffentlichungen der Beklagten zur Nebeneinanderabrechnung von Ordinationskomplexen und Gesprächsleistungen seien allenfalls bedeutsam für die Prüfung von Verschuldensgesichtspunkten, die jedoch bei einer sachlich-rechnerischen Korrektur nicht zu berücksichtigen seien.
Gegen den ihm am 3. Februar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 3. März 2014 eingegangene Berufung des Klägers. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Das Sozialgericht verkenne insbesondere, dass die herangezogene Rechtsprechung des BSG zur Mischpunktwertberechnung nicht anwendbar sei. Diese Vorgehensweise sei nicht verhältnismäßig. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche Information seitens der Beklagten mitverursacht worden sei und dieser Umstand Berücksichtigung finden könne. Für den Kläger seien die Abrechnungsvoraussetzungen der GOP 18220 EBM unklar gewesen. Die Beklagte selbst habe sie unklar dargestellt. Ferner habe die Beklagte ermessensfehlerhaft sämtliche Leistungen der GOP 18220 gestrichen, die neben den Ordinationskomplexen abgerechnet worden seien. Eine Verpflichtung zur Kürzung sämtlicher Leistungen gebe es nicht. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass er in keinem einzigen Fall die erforderliche Mindestzeit von 20 Minuten erfüllt habe. Daher habe allenfalls auf den Fachgruppendurchschnitt oder einen Umfang von 12 Stunden je Arbeitstag gekürzt werden können. Ein solches Vorgehen sei ihm aus anderen Verfahren bekannt. Im Übrigen seien die Ermessenserwägungen der Beklagten zur gewählten Kürzungsmethode nicht erkennbar.Der Bescheid sei letztlich formell fehlerhaft, da die Begründung unzureichend sei, insbesondere zur konkreten Berechnung des Rückforderungsbetrages.
Der Kläger beantragt Beweis zu erheben und einen Mitarbeiter der Firma M dazu zu vernehmen, dass die Beklagte dieser gegenüber mitgeteilt habe, auch im Fall einer gleichzeitigen Berechnung der Ordinationsziffer und der Beratungsziffer seien für die Plausibilitätsprüfung lediglich 10 Minuten zu veranschlagen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 30. Januar 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihre bisherige Argumentation. Das BSG habe die Mischpunktwertberechnung in Form des praxisindividuellen Punktwertes, so wie sich dieser aus dem Verhältnis zwischen dem bei der Honoraranforderung in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumen und dem Umfang des honorarbegrenzten Budgets errechnet habe, für alle sachlich-rechnerischen Berichtigungen für anwendbar erklärt. Ein Ausnahmefall liege nicht vor, da sie die Abrechnungsvoraussetzungen der GOP 18220 nicht missverständlich dargestellt habe. Die Leistungslegende der GOP 18220 sei weder im Wortlaut noch in der Darstellung missverständlich. Sie wende nicht regelmäßig andere Berechnungsmethoden an, die zu wesentlich geringeren Kürzungen des Vergütungsanspruchs der betroffenen Ärzte führten. Die Plausibilitätsprüfung sei eine im Wesentlichen individualisierte Prüfung, die nach Möglichkeit auf die Besonderheiten der betroffenen Praxen und deren Abrechnungsweise abstelle. Dabei könnten über die Prüfung verschiedener Praxen hinweg zwar immer wieder ähnliche Fragestellungen oder Lösungsansätze im Vordergrund stehen, jedoch erfolge die Korrektur primär unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Praxen. Der Kläger habe bisher keine Nachweise dafür vorgelegt, dass er die in der Leistungslegende vorausgesetzte Mindestzeit eingehalten habe. Die Prüfung nicht nur des Quartals I/2006, sondern auch der Quartale II/2006 bis IV/2007 sei nicht zu beanstanden, da nicht für jedes Quartal stets das gleiche Aufgreifkriterium gelten müsse und eine Kassenärztliche Vereinigung auch bei nicht regelmäßig, aber immer mal wieder bestehenden Auffälligkeiten einen Gesamtzeitraum prüfen dürfe. In diesem Fall begründe die Auffälligkeit der Zeitprofile in den Quartalen I/2006, IV/2006, I/2007 und III/2007 hinreichende Verdachtsmomente einer fehlerhaften Abrechnung. Eventuelle formelle Fehler seien zudem unbeachtlich, da die Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 106 Abs. 2 S. 1 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) zur sachlich-rechnerischen Prüfung verpflichtet seien.
Am 13. Juni 2017 fand ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt, in dem die Verwaltungsvorgänge vorlagen. Für die weiteren Einzelheiten und das weitere Vorbringen der Beteiligten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingegangen (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
Der Senat konnte entscheiden, ohne dem am 13. Juni 2017 gestellten Beweisantrag des Klägers nachzukommen. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme kommt es nach der nachfolgend dargestellten Rechtsauffassung des Senats nicht an. Im Übrigen kann sich der Vertragsarzt nicht auf eine – aus welchen Gründen auch immer - fehlerhaft gestaltete Praxissoftware berufen (BSG, Beschluss vom 11. Dezember 2013, Az B 6 KA 36/13 B).
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2010 ist rechtmäßig.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört u. a. auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Die Berechtigung und Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Berichtigung der Abrechnung der Vertragsärzte beruht ferner auf § 106a SGB V (a.F. bis 31. Dezember 2016). Näheres ist in den nach § 106 Abs. 6 S. 1 SGB V a. F. von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit Wirkung ab 1. Januar 2005 (geändert ab 1. Januar 2008) vereinbarten Richtlinie (AbrechnPr-RL) geregelt. Während die Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) bei der Menge der erbrachten Leistungen ansetzt, zielt die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung auf die Feststellung, ob die abgerechneten Leistungen rechtlich ordnungsgemäß, also ohne Verstoß gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsrechtliche Bestimmungen erbracht worden sind, § 4 Abs. 1 und 2 AbrechnPr-RL.
Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten, auf § 82 Abs. 1 SGB V beruhenden bundesmantelvertraglichen Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - B 6 KA 17/05 R. Rn 11 bei juris m.w.N.; Urteil vom 28. August 2013, Az B 6 KA 43/12 R).
Die Prüfung der Abrechnungen für die Quartale I/2006 bis IV/2007 durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden. Die Einleitung der Plausibilitätsprüfung über die Auswertung der Zeitprofile ist rechtmäßig. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes (§ 106a Abs. 2 S. 2 SGB V i. d. F. vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2012). Bei dieser Prüfung ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden (Satz 3). Soweit nach § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V im Einheitlichen Bewertungsmaßstab Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes bestimmt sind, sind diese Zeiten bei diesen Prüfungen zu Grunde zu legen (Satz 4). Anhaltspunkte für die Vermutung einer fehlerhaften Abrechnung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Solche sind durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zu Grunde liegt (§ 5 Abs. 1 S. 3 AbrechnPr-RL). Die regelhafte Plausibilitätsprüfung erstreckt sich auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten durch die Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand – Prüfung nach Zeitprofilen -, § 7 Abs. 2 AbrechnPr-RL. Rechtlich nicht ordnungsgemäß ist unter anderem insbesondere die Abrechnung von Leistungen, die nicht oder nicht vollständig erbracht wurden, § 6 Abs. 2 Spiegelstrich 2 AbrechnPr-RL. Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) genannte Leistungen bzw. Leistungskomplexe dürfen nur dann abgerechnet werden, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist (Ziffer 2.1 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM ab 01. April 2005 i.d.F. von 2006 und 2007).
Die Beklagte hat die Abrechnung der Quartale I/2006 bis IV/2007 nach Zeitprofilen überprüft. Es ist nicht zu beanstanden, dass sie für die Prüfung der Zeitprofile des Klägers sowohl eine Prüfung der Quartalsarbeitszeit als auch der Tagesarbeitszeit durchgeführt hat. Nach § 8 Abs. 2 AbrechnPr-RL werden für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit im Hinblick auf die angeforderten Leistungen bei Vertragsärzten ein Tageszeitprofil und ein Quartalszeitprofil ermittelt. Abrechnungsauffälligkeiten im Sinne von § 7 Abs. 2 AbrechnPr-RL nach § 5 Abs. 1 S. 3 sind solche, die sich durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien sind, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zugrunde liegt. Daher ist es nicht rechtsfehlerhaft, nach einer Berechnung des Tageszeitprofils mit den Prüfzeiten im Sinne von Anhang 3 EBM in die Berechnung weiterer Tageszeitprofile den Zeitaufwand für die gleichzeitige Abrechnung der Ziffer 18210 bis 18212 und der Ziffer 18220 insgesamt 20 Minuten einzustellen. Es handelt sich dabei zwar nicht genau um die in Anhang 3 des EBM 2006 bis 2008 ausgewiesenen Prüfzeiten (§ 8 Abs. 1 der AbrechnPr-RL). Zudem hat der Bewertungsausschuss die beschriebene Prüfzeit für die Ordinationskomplexe als nur für das Quartalsprofil geeignet angegeben. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Abrechnung der GOP 18220 nach der Beschreibung ihrer Leistungslegende fordert, dass eine Beratung, Erörterung und/oder Abklärung mindestens 10 Minuten dauern muss und je vollendete 10 Minuten abgerechnet werden kann; wenn diese GOP neben der Ordinationsgebühr nach 18210 bis 18212 abgerechnet wird, muss die Arzt-Patienten-Kontaktzeit mindestens 20 Minuten betragen haben. Es geht daher hier nicht um die Einhaltung der Plausibilitätskriterien, sondern um die Voraussetzungen der Leistungslegende der EBM-Ziffern. Die Einhaltung dieser Leistungszeit kann nur dann aussagekräftig geprüft werden, wenn im Fall der Nebeneinanderabrechnung dieser GOP in das Tageszeitprofil eine Gesamtzeit von 20 Minuten eingestellt wird. Die Tabelle in Anhang 3 zum EBM mit den ausgewiesenen Prüfzeiten und deren Deklaration zur Eignung für die Prüfung des Quartals- und/oder Tagesprofils dient nicht dazu, Abrechnungsvoraussetzungen einzelner GOP einer Überprüfung zu entziehen. Es handelt sich insoweit nicht um abschließende Zeitvorgaben für die Prüfung nach Zeitprofilen. Die Auflistung dieser Prüfzeiten dient vielmehr dazu, zeitliche Maßstäbe für solche Leistungen aufzustellen, deren Abrechnung keine Mindestleistungszeit voraussetzt. Im Übrigen hat das BSG in seinem Beschluss vom 11. Dezember 2013, B 6 KA 37/13 B unter Rn 5 in einer vergleichbaren Konstellation (Nebeneinanderabrechnung Ordinationsgebühren der GOP 03110 bis 03112 EBM und Gesprächsleistung der GOP 03120 EBM mit einer Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten) ausgeführt, dass eine Prüfung in einem solchen Fall nur unter Berücksichtigung dieser Zeitvorgaben möglich ist. Es hat auch ausgeführt, dass die Anmerkung zu einer GOP denselben Rang hat wie die Leistungslegende selbst. Der Kläger kann sich daher nicht darauf berufen, die Mindestzeit von 20 Minuten sei kursiv gedruckt. Er dringt auch nicht mit dem Einwand durch, die Beklagte habe im Nordlicht Heft 10/2006 missverständlich über die Bedeutung der Mindestleistungszeit von 20 Minuten informiert. Solche Informationen einer Kassenärztlichen Vereinigung – fehlerhaft oder nicht – vermögen es nicht, die Geltung der im EBM selbst geregelten Voraussetzungen zu entkräften. Diese allein bleiben maßgeblich (BSG, Urteil vom 8. Februar 2006, Az. B 6 KA 12/05 R, Rn 23 bei juris). Im Übrigen ist der Hinweis der Beklagten nicht fehlerhaft, da der Ansatz der Beratungsgebühr für eine an einem anderen Tag erbrachte Leistung als dem der Ordinationsgebühr lediglich eine Dauer von 10 Minuten voraussetzt.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe waren die Tageszeitprofile des Klägers an mehr als drei Tagen pro Quartal auffällig im Sinne von § 8 Abs. 3 der AbrechnPr-RL, da die auf diese Weise ermittelte arbeitstägliche Zeit in jedem der Quartale I/2006 bis IV/2007 an mehr als drei Tagen (24 bis 34) die Grenze von 12 Stunden überschritt.
Die Eignung von Tagesprofilen als Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung hat das BSG bereits bejaht (Urteil vom 11. März 2009, B 6 KA 62/07 R). Für Quartalsprofile, die Behandlungszeiten für Leistungen dokumentieren, die der Arzt in einem Quartal und damit in einem deutlich längeren Zeitraum abgerechnet hat, gilt nichts anderes (BSG, Beschluss vom 17. August 2011, B 6 KA 27/11 B). Wird einer der in § 8 Abs. 3 der AbrechnPr-RL genannten Werte überschritten, liegen Abrechnungsauffälligkeiten vor und die Kassenärztliche Vereinigung führt eine Prüfung nach § 12 AbrechnPr-RL durch. Diese Prüfung dient nicht mehr der Ermittlung von Auffälligkeiten, sondern der Feststellung, ob die anhand der Zeitprofile zu Tage getretenen Abrechnungsauffälligkeiten auf einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung beruhen oder nicht. Geprüft wird, wie § 12 Abs. 3 Satz 1 AbrechnPr-RL ausdrücklich feststellt, ob sich die Auffälligkeiten zugunsten des Arztes erklären lassen. Hierfür lassen sich aus dem Umstand, dass Quartalsprofile im Gegensatz zum Tageszeitprofil unauffällig waren, keine Erkenntnisse gewinnen. Es ist nicht plausibel, dass der Kläger in jedem der streitigen Quartale an einem Drittel bis der Hälfte der Arbeitstage unter Berücksichtigung der Prüfzeiten für alle an diesen Tagen abgerechneten Leistungen in signifikantem Umfang mehr als 12 Stunden – an mehreren Tagen sogar mehr als 15 Stunden - gearbeitet hat und gleichzeitig in jedem Fall der Nebeneinanderabrechnung der Ordinationsgebühr und der GOP 18220 jeweils 20 Minuten Gesprächsdauer eingehalten haben soll. Die sich aus der Auswertung der Tageszeitprofile ergebenden Indizien für eine unvollständige Erbringung abgerechneter Leistungen können nicht entkräftet werden. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die eine nach § 12 Abs. 3 AbrechnPr-RL relevante Erklärung bieten könnten. Aus der Akte sind auch keine sonstigen, potentiell berücksichtigungsfähigen Umstände erkennbar. Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren vorträgt, die Beschreibung der GOP 18220 sei nicht nur für ihn, sondern auch andere Ärzte missverständlich, vermag dieser Umstand die zeitliche Auffälligkeit nicht zu rechtfertigen. Die Formulierung der GOP 18220 ist auch weder im Wortlaut noch optisch missverständlich, so dass nicht fraglich ist, wieviel Zeit im Fall der Nebeneinanderabrechnung mit der Ordinationsgebühr aufgewandt worden sein muss (s.a. BSG, Beschluss vom 11. Dezember 2013, B 6 KA 37/13 B unter Rn 5). Auch die von ihm verwendete Praxis-EDV vermag die Berechnung des Zeitprofils durch die Beklagte nicht zu entkräften. Das BSG hat in seinem Beschluss vom 11. Dezember 2013, B 6 KA 37/13 B, auch ausgeführt, vom Vertragsarzt müsse die Kenntnis der Gebührenordnung erwartet werden; er allein sei verantwortlich für die korrekte Abrechnung seiner Leistungen. Soweit er sich bei der Abrechnung personeller und/oder technischer Hilfe bediene, entlaste ihn dies nicht von seiner Verantwortung. Weder die Teilnahme von Mitarbeitern an Fortbildungen zur Abrechnung nach dem EBM-Ä noch die Verwendung zertifizierter Software führten dazu, dass der Vertragsarzt von seiner persönlichen Pflicht zur korrekten Abrechnung befreit werde.
Sofern er am 13. März 2006 tatsächlich eine lange Anwesenheits- und Behandlungszeit einräumt, ist nicht ersichtlich, warum dieses Eingeständnis eine zu berücksichtigende Erklärung für die hohe Anzahl der Überschreitung der Tageszeitprofile sein soll. Zeitliche Auffälligkeiten ergaben sich jeweils für immerhin ein Drittel bis die Hälfte der Arbeitstage eines Quartals.
Der Kläger hat wenigstens grob fahrlässig in seiner Abrechnungs-Sammelerklärung fehlerhafte Angaben insoweit gemacht, als er mit seiner Unterschrift bestätigt hat, jeweils alle Voraussetzungen für die Abrechnung der jeweiligen Leistungen – auch die zeitlichen Vorgaben – eingehalten zu haben. Rechtsfolge einer Abrechnungsauffälligkeit ist, dass die Beklagte im Fall einer grob fahrlässig falschen Abrechnungs-Sammelerklärung ein weites Schätzungsermessen für die Berichtigung der Honorarabrechnungen hat (siehe nur BSG, Urteil vom 17. September 1997, Az. 6 RKa 86/95, Rn 23 bei juris). Diese Rechtsprechung des BSG, die noch zur sachlich-rechnerischen Berichtigung auf der – alleinigen - Grundlage des BMV-Ä – und damit zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2004 bzw. 2005 – ergangen ist, kann auf die nunmehr in § 106a SGB V geregelte Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Berichtigung übertragen werden (so auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. November 2014, L 4 KA 2/11, Rn 56 bei juris; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. März 2015, L 12 KA 25/13, Rn 17ff bei juris; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 8. Juni 2016, L 3 KA 28/13, Rn 49 bei juris; Clemens in Hauck/Noftz, SGB V, § 106a Rn 236), da § 106a SGB V die vormals nur untergesetzlich geregelte sachlich-rechnerische Berichtigung nunmehr auch im SGB V verankert und speziell den Unterfall der Plausibilitätsprüfung in § 106a Abs. 2 SGB V näher kodifiziert hat.
Diese Schätzung des neu festzusetzenden Honorars eröffnet der KV jedoch keinen der Gerichtskontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum. Vielmehr hat das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen. Die Verpflichtung zur eigenen Schätzung bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht nunmehr erneut alle Schätzungsgrundlagen erhebt und eine völlig eigene Schätzung vornimmt. Sofern der Verwaltungsakt überzeugende Ausführungen zur Schätzung enthält, reicht es aus, wenn das Gericht sich diese Ausführungen zu Eigen macht und sie in seinen Entscheidungsgründen nachvollzieht (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6RKa 86/95, Rn 28 bei juris). Der Senat macht sich, wie das Sozialgericht, die zutreffenden Ausführungen in den Bescheiden der Beklagten zu Eigen. Der Senat sieht es im Wege der Schätzung als gerechtfertigt an, dass alle abgerechneten Leistungen der GOP 18220 an den Tagen, an denen diese Leistung neben den Ordinationskomplexen abgerechnet wurde, als unvollständig erbracht angesehen wird. Das ist gerechtfertigt, da naturgemäß im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nicht eindeutig feststellbar ist, welche der abgerechneten Leistungen mängelbehaftet sind, während gleichzeitig feststeht, dass die Gesamtheit der abgerechneten Leistungen so nicht erbracht worden sein kann (so auch in einer vergleichbaren Konstellation der Abrechnung von Ordinationskomplexen neben der Gesprächsleistung Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 25. März 2015, L 7 KA 19/12). Da nach der Analyse der Tagesprofile insbesondere an einer ordnungsgemäßen Erbringung der Gesprächsleistungen zu zweifeln ist, geht auch der Senat im Wege der Schätzung davon aus, dass in keinem der Fälle der Nebeneinanderabrechnung der Ordinationsgebühr und der GOP 18220 20 Minuten Arzt-Patient-Kontaktzeit eingehalten wurden.
Die vom Kläger als Variante begehrte Kürzung der Abrechnungen um die GOP 18220 an den Tagen, an denen durch die Berechnung der Zeit von 20 Minuten für die Nebeneinanderabrechnung der GOP 18210 bis 18212 eine Tagesarbeitszeit von mehr als 12 Stunden erbracht wurde, auf eine Tagesarbeitszeit von 12 Stunden ist bereits keine geeignete Alternative. Diese Berechnungsweise würde zu einer Kürzung nur an den von der Beklagten im Bescheid genannten Tagen führen, an denen durch diese Berechnung eine Tagesarbeitszeit von 12 Stunden überschritten wird. Eine Kürzung an den Tagen, an denen sich ohne diese Berechnung, kein auffälliges Tageszeitprofil ergibt, würde damit unterbleiben. Die Auswertung der tabellarischen Übersicht der Beklagten zeigt, dass damit die Leistungserbringung an den Wochentagen Freitag und Mittwoch – bei denen es sich um kurze Sprechstundentage handeln dürfte – nicht gekürzt werden würde. Dieser geschätzten Kürzung müsste dann die Annahme zugrunde gelegt werden können, dass der Kläger an diesen Tagen die erforderliche Arzt-Patienten-Kontaktzeit von 20 Minuten eingehalten hat. Diese Unterstellung findet jedoch keinerlei Grundlage in den aktenkundigen Unterlagen oder dem Vortrag des Klägers. Sein Vortrag lässt vielmehr erkennen, dass ihm entweder gar nicht oder nur unzulänglich bewusst war, dass in einem solchen Fall 20 Minuten Arzt-Patienten-Kontaktzeit erbracht worden sein müssen.
Auch die andere vom Kläger vorgeschlagene Vorgehensweise der Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt hält der Senat nicht für sachgerecht. Mögliche Folge einer festgestellten fehlerhaften Abrechnung kann auch die Kürzung der Vergütung für Leistungen auf den Fachgruppendurchschnitt sein (BSG, Urteil vom 17. September 1997, 6 RKa 86/95, Rn 23 bei juris). Der Fachgruppendurchschnitt kann jedoch für diverse Parameter bestimmt werden. In Betracht kommen beispielsweise das durchschnittliche Abrechnungsvolumen einer Fachgruppe in Punkten für alle Leistungen, das Abrechnungsvolumen für bestimmte Leistungen einer Fachgruppe, die durchschnittliche Tagesarbeitszeit, die durchschnittliche Quartalsarbeitszeit. Das Aufgreifkriterium in diesem Fall waren auffällige Tagesprofile verbunden mit einer überdurchschnittlich hohen Anzahl abgerechneter Leistungen der GOP 18220. Die Auffälligkeit ergab sich insbesondere bei Berücksichtigung der erforderlichen Arzt-Patienten-Kontaktzeit von 20 Minuten für die Nebeneinanderabrechnung der Ordinationsgebühr und der GOP 18220. Die erforderliche Zeit von 20 Minuten ist in der Anmerkung zur GOP 18220 als eine Abrechnungsvoraussetzung in dieser Konstellation geregelt. Die Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt würde ebenfalls unterstellen, dass der Kläger in einer fachgruppendurchschnittlichen Anzahl von Konstellationen 20 Minuten eingehalten hat. Eine solche Unterstellung kann bereits nicht tragfähige Grundlage einer Schätzung auf den Fachgruppendurchschnitt sein. Etwas anderes könnte angenommen werden, wenn es sich bei der fraglichen Leistungszeit von 20 Minuten um die Prüfzeit im Sinne des Anhangs 3 zum EBM handeln würde. Dann wäre diese Zeitspanne nicht gleichzeitig eine der Abrechnungsvoraussetzungen. Wenn es sich nur um die Prüfzeit handeln würde, könnte möglicherweise unterstellt werden, dass der Vertragsarzt eine bestimmte Leistung jedenfalls in durchschnittlicher Anzahl tatsächlich erbracht hat. Eine Kürzung auf die fachgruppendurchschnittliche Anzahl der insgesamt erbrachten GOP 18220 scheidet aus, da diese GOP auch unabhängig von den Ordinationsgebühren – also beim zweiten Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal - abgerechnet werden kann. Die Beklagte geht jedoch im Ansatz ihrer Prüfung nicht davon aus, dass der Kläger insgesamt zu viele Gesprächsleistungen erbracht hat, sondern dass er die erforderliche Mindestzeit beim erstmaligen Arzt-Patienten-Kontakt nicht eingehalten hat. Diese Vorgehensweise würde zwei Auffälligkeiten Zeitprofil und überdurchschnittlich häufige Abrechnung – in sachfremder Weise vermischen.
Ausgehend von dem von der Beklagten errechneten und vom Senat übernommenen Kürzungsvolumen in Punkten ist die Berechnung des Korrekturbetrages in Euro nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat quartalsweise den praxisindividuellen Mischpunktwert aus dem Quotienten aller erbrachten iGV-relevanten Leistungen in Punkten und dem Honorar ermittelt und diesen mit dem Kürzungsvolumen in Punkten multipliziert. Dieses Vorgehen entspricht der Rechtsprechung des BSG in dessen Entscheidung vom 11. März 2009, B 6 KA 62/07, Rn 17 bei juris, und berücksichtigt § 106a Abs. 2 S. 6 SGB V. Der Kläger kann sich nicht unter Bezugnahme auf die Ausführungen unter Rn 25 bis 29 dieser Entscheidungen darauf berufen, diese Vorgehensweise sei unverhältnismäßig. Das BSG geht davon aus, dass ausnahmsweise nicht die Anerkennungsquote der Honoraranforderung herangezogen werden kann, sondern diejenige nach der vorgängigen und ausnahmsweise auch nach der nachgängigen Korrektur. Eine solche Ausnahmekonstellation könne sein, dass der Beklagten die fehlerhafte Abrechnung offensichtlich auffallen konnte oder sie die fehlerhafte Abrechnung mit verursacht hat. Beide Konstellationen liegen jedoch nicht vor. Die Voraussetzungen für die Abrechnung der GOP 18220 neben der Ordinationsgebühr sind unzweideutig formuliert. Die Beklagte hat auch nicht durch den Artikel im Nordlicht eine falsche Information verbreitet. Ferner ist nicht ersichtlich, dass nach dieser Entscheidung des BSG die Folge wäre, dass nur der – niedrigere - Mehrleistungspunktwert in die Berechnung eingestellt werden dürfte.
Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Verwirkung der Korrekturmöglichkeit bzw. einen Vertrauensschutz berufen, da keine der nachfolgend genannten Fallgruppen einschlägig ist. Das Bundessozialgericht hat die Berufung auf Verwirkung bisher in fünf Konstellationen anerkannt (Auflistung zitiert aus dem Urteil vom 08.02.2006, Az. B 6 12/05 R): "Das ist zunächst der Fall, wenn die besonderen bundesmantelvertraglichen Richtigstellungsvorschriften nicht mehr anwendbar sind, weil (1) die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheids bereits abgelaufen ist, oder soweit (2) die K(Z)ÄV ihre Befugnis zu sachlich-rechnerischer Richtigstellung nach den Bundesmantelverträgen bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertrags(zahn)arztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüfte und vorbehaltlos bestätigte. Darüber hinaus ist auch bei Anwendbarkeit der bundesmantelvertraglichen Berichtigungsvorschriften nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Vertrauensschutz der Vertrags(zahn)ärzte zu beachten, wenn (3) die K(Z)ÄV es unterlassen hatte, bei der Erteilung des Honorarbescheids auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung hinzuweisen und dadurch schützenswertes Vertrauen bei den Vertrags(zahn)ärzten hervorgerufen wurde, oder wenn sie (4) die Erbringung bestimmter Leistungen in Kenntnis aller Umstände längere Zeit geduldet hatte, diese später jedoch für den betroffenen Vertrags(zahn)arzt als fachfremd beurteilt und deshalb insgesamt von einer Vergütung ausschließt. Außerdem ist eine nachträgliche Korrektur von Honorarbescheiden mit Wirkung ex tunc aus Gründen des Vertrauensschutzes auch eingeschränkt, wenn (5) die Fehlerhaftigkeit des Bescheides aus Umständen herrührt, die außerhalb des eigentlichen Bereichs einer sachlich und rechnerisch korrekten Honorarabrechnung und -verteilung liegen und deshalb die besonderen Funktionsbedingungen des Systems vertrags(zahn)ärztlicher Honorierung nicht konkret tangiert sind (zB im Bereich des Vollzugs der Vorschriften zum degressiven Punktwert in der vertragszahnärztlichen Versorgung)." Insbesondere hat die Beklagte ihre Befugnis zur Korrektur noch nicht verbraucht und es sind noch nicht vier Jahre seit Erlass der Honorarbescheide ergangen. Die Voraussetzungen der Fallgruppen 3 bis 5 liegen evident nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Der auf der Grundlage von § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz festgesetzte Streitwert entspricht der Berichtigungssumme für die Quartale I/2006 bis IV/2007.
Die Revision wurde nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zur Klärung der Frage zugelassen, ob die als Abrechnungsvoraussetzung normierte Mindestzeit für den Arzt-Patientenkontakt von 20 Minuten für die Nebeneinanderabrechnung des Ordinationskomplexes und der Gesprächsleistung auch zu Lasten des Vertragsarztes in die Prüfung nach Tageszeitprofilen eingestellt werden darf oder nicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine sachlich-rechnerische Berichtigung von Leistungen nebst Rückforderung.
Der Kläger ist seit Anfang 1999 als Facharzt für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung in H zugelassen.
Die Beklagte unterzog die Abrechnungen des Klägers für die Quartale I/2006 bis IV/2007 einer sachlich-rechnerischen Prüfung. Grundlage der Prüfung waren zunächst die Tages- und Quartalszeitprofile. Die Beklagte berechnete die Tagesarbeitszeit des Klägers für diese Quartale auch unter Berücksichtigung der Kombination eines Ordinationskomplexes (GOP 18110 bis 18112 Einheitlicher Bewertungsmaßstab – EBM) und der Beratungsleistung (GOP 18220 EBM mit einer Leistungszeit "plus 10 Minuten"). Dadurch wurde für die Nebeneinanderabrechnung dieser beiden Leistungen an einem Tag eine Gesamtzeit von 20 Minuten in die Berechnung der Tagesarbeitszeit eingestellt.
Der Plausibilitätsausschuss teilte dem Kläger am 20. Oktober 2008 seine Berechnungen mit und bat ihn um Stellungnahme. Er – der Kläger – habe im Quartal I/2006 die Tageszeitobergrenze von 12 Stunden an 3 Tagen überschritten. Bei Berücksichtigung der Mindestzeitvorgabe von 20 Minuten für die Nebeneinanderabrechnung von Ordinationskomplex (GOP 18210 bis 18212 EBM) und Beratungsleistung (GOP 18220 EBM) bei der Berechnung der Tageszeitprofile habe er an 28 Tagen Arbeitszeiten von mehr als 12 Stunden gehabt (13. März 2016 ) 17 Stunden). Auch in jedem der Quartale II/2006 bis IV/2007 habe er an einer aufgelisteten zweistelligen Anzahl von Tagen eine Arbeitszeit von mehr als 12 Stunden absolviert. Daher werde vermutet, er habe die geforderte Mindestzeit bei der Nebeneinanderabrechnung von Ordinationskomplex und Beratungsleistung am selben Behandlungstag nicht erfüllt.
In seiner Stellungnahme vom 27. Oktober 2008 teilte der Kläger mit, die von ihm verwendete Software M habe ihm keine Zeitüberschreitung angezeigt. Es sei daher für ihn unerklärlich, wie die Beklagte eine Zeitüberschreitung errechnen könne. Er habe seine Helferin bereits angewiesen, an den Spitzentagen wie Montag und Donnerstag Ziffern herauszunehmen. Trotz durchgeführter Therapie habe er die Ziffern häufig nicht angesetzt.
Nach Prüfung und Beschlussfassung des Plausibilitätsausschusses setzte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 2010 eine sachlich-rechnerische Korrektur der Honorarbescheide für die Quartale I/2006 bis IV/2007 über insgesamt 74.855,33 EUR fest. Dieser Betrag beruhte auf der Streichung der Beratungsleistungen nach der GOP 18220 EBM in den Fällen, in denen sie neben dem Ordinationskomplex am selben Behandlungstag zur Abrechnung gelangt sind. Die Beklagte erläuterte die Aufgreifkriterien - Überschreitung von 12 Stunden Arbeitszeit an mehr als zwei Tagen. Dabei werde z. B. der Zeitaufwand zur Behandlung von Privatpatienten, von Leistungen im organisierten Notfalldienst, von bestimmten unvorhergesehenen Inanspruchnahmen etc. nicht berücksichtigt. Ebenso flössen die Besuche von Pharmavertretern, Besprechungen mit den Arzthelferinnen und Pausen in die zeitliche Bewertung nicht ein. In den Quartalen I/2006 bis IV/2007 habe der Kläger an der aufgelisteten Anzahl von Tagen die Tagesarbeitszeit überschritten. Er habe die GOP 18220 EBM auf 100 Fälle bezogen mit 143,2mal deutlich häufiger abgerechnet als die Vergleichsgruppe mit 45,8mal bezogen auf 100 Fälle. Auffällig sei auch die Häufigkeit der Nebeneinanderabrechnung von der Beratungsziffer nach der GOP 18220 EBM und einem Ordinationskomplex. Sie – die Beklagte – gehe davon aus, dass dem Kläger die zu erbringende Mindestzeit von 20 Minuten nicht bewusst gewesen sei und er sie daher nicht eingehalten habe. Ihr stehe ein weites Schätzungsermessen zur Neufestsetzung des Honoraranspruchs zu, wenn nur eine einzige der abgerechneten Leistungen grob fahrlässig fehlerhaft abgerechnet worden sei und damit die Abrechnungssammelerklärung ihre Garantiewirkung für die Richtigkeit der gesamten Abrechnung verliere. Auf die Fehlabrechnung einzelner Fälle komme es jedoch nicht an, wenn allein aufgrund der Tageszeitprofile festzustellen sei, dass er nicht alle Leistungen vollständig im Sinne der Leistungslegenden des EBM erbracht haben könne. Belegt durch die Tageszeitprofile habe der Kläger in nicht geringem Umfang fehlerhaft abgerechnet, weil davon ausgegangen werden müsse, dass er die Abrechnungsvoraussetzungen der GOP 18220 EBM nicht beachtet habe. Es sei daher sachgerecht, die Abrechnungen dergestalt zu korrigieren, dass die GOP 18220 EBM immer dann gestrichen werde, wenn sie neben dem Ordinationskomplex abgerechnet worden sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe auch für den Bereich der sachlich-rechnerischen Korrekturen festgestellt, dass die Rückforderungsberechnungen ohne Berücksichtigung mengenbegrenzender Honorarverteilungsmaßnahmen erstellt werden müssten. Daher sei es erforderlich gewesen, das zu streichende Punktzahlvolumen mit dem Mischpunktwert aus Kern-, Konvergenz- und Mehrleistungsvolumen zu multiplizieren. Auf die dem Bescheid beigefügte tabellarische Berechnung der Rückforderung werde verwiesen.
Der Kläger legte am 15. Juli 2010 Widerspruch ein. Er habe nur im Quartal I/2006 das Aufgreifkriterium für eine Plausibilitätsprüfung – Überschreitung der Tagesarbeitszeit von 12 Stunden – an drei Tagen erfüllt, nicht jedoch in den Quartalen II/2006 bis IV/2007. Gleichwohl seien alle acht Quartale geprüft worden. Es verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, nur ihn zu prüfen, nicht jedoch die übrigen Ärzte, um das Ausmaß der Fehlinterpretation der Abrechnungsvoraussetzungen in der Ärzteschaft zu offenbaren. Die missverständliche Formulierung der GOP 18220 EBM nebst Anmerkung führe dazu, dass viele Ärzte dem Missverständnis unterlägen, es handele sich bei der verlängerten Mindestkontaktzeit von 20 Minuten nicht um eine Prüfzeit, sondern um eine Abrechnungsvoraussetzung. Dieser Zusatz sei kursiv gedruckt und daher für einen juristischen Laien unklar dargestellt. In der Praxis-EDV sei bei Eingabe der GOP 18220 EBM nur die Leistungslegende, nicht jedoch die Anmerkung angezeigt worden. Die EDV habe daher für die GOP 18220 EBM auch im Falle der Nebeneinanderabrechnung neben dem Ordinationskomplex nur eine Prüfzeit von 10 Minuten berücksichtigt. Die Problematik der Abrechnung der Beratungs- und Erörterungsgebühr ...220 neben den Ordinationskomplexen sei im Nordlicht 10/2006 S. 32 erörtert worden. Danach könne man den Ordinationskomplex und die Erörterung bei mehreren Patientenkontakten im Behandlungsfall auch an anderen Behandlungstagen zum Ansatz bringen, um besonders am Quartalsbeginn und den arbeitsintensivsten Wochentagen im Tageszeitprofil nicht auffällig zu werden. Die Beklagte habe damit auf Umgehungsmöglichkeiten hingewiesen. Wenn dieselben Beratungsleistungen nicht zusammen mit dem Ordinationskomplex, sondern an einem anderen Tag erbracht würden, wäre die Abrechnung durchweg zu Recht erfolgt. Am 13. März 2006 sei er auch tatsächlich für die Behandlung von 53 Patienten außergewöhnlich lange in der Praxis tätig gewesen.
Jedenfalls sei die Rückforderung auf der Basis von Mischpunktwerten rechtswidrig. Insbesondere sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Unter Berücksichtigung der mangelnden Erkennbarkeit der Abrechnungsvoraussetzungen könnten nur diejenigen Leistungsanteile zurückgefordert werden, die auch im Falle der Nichtabrechnung dieser Leistungen von Anfang an nicht entstanden wären. Es wäre mithin eine Berechnung der Kürzung vorrangig mit den Mehrleistungspunktwerten vorzunehmen. Diese Vorgehensweise sei bis Mitte 2009 praktiziert worden.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2010 zurück. Sie wiederholte und ergänzte ihre bisherige Begründung. Es sei davon auszugehen, dass die Beratungsleistung (GOP 18220 EBM) bereits nach 10 Minuten Mindestdauer abgerechnet worden sei. Es sei rechtmäßig, über das nach dem Aufgreifkriterium "Zeitprofilprüfung" auffällige Quartal hinaus auch weitere Quartale in die Prüfung und Korrektur mit einzubeziehen. Die Prüfungs- und Korrekturpflicht der Kassenärztlichen Vereinigung bestehe unabhängig von dem Anlass der Feststellung einer fehlerhaften Abrechnung. Die Leistungslegende für die Abrechnung der Ziffer 18220 EBM sei eindeutig formuliert. Die kursive Druckweise beeinflusse nicht die Gültigkeit ihres Inhalts. Auch habe die von der Praxis-EDV verwendete Kurzfassung des EBM keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Abrechnungsvoraussetzungen. Der Kläger könne sich nicht auf den Artikel im Nordlicht berufen, da dort auf die Erforderlichkeit einer Mindestdauer von 20 Minuten hingewiesen worden sei. Allein am 13. März 2006 sei nach den Aufgreifkriterien eine Tagesarbeitszeit von 13 Stunden und 24 Minuten erbracht worden. An diesem Tag sei die GOP 18220 EBM mit jeweils 10 Minuten Mindestzeit 51mal abgerechnet worden. Danach hätte der Kläger bei jedem Patienten ein Beratungsgespräch durchgeführt haben müssen. Unter Berücksichtigung von insgesamt 22 mit einem Ordinationskomplex kombinierten Abrechnungen ergäben sich für diesen Tag allein für die GOP 18220 EBM 12 Stunden und 10 Minuten Gesprächsleistung. Neben den übrigen Leistungen sei davon auszugehen, dass bei korrekter Leistung ein höheres Zeitvolumen zustande gekommen wäre. Daher würden auch die Zeiten dieses Tages belegen, dass es der Kläger bei seiner Abrechnung an der gebotenen Sorgfalt habe vermissen lassen. Die Berechnung nach Mischpunktwerten werde in allen Fällen praktiziert.
Dagegen hat der Kläger am 3. November 2010 vor dem Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Er hat sein bisheriges Vorbringen vertieft und ergänzt. Der vom BSG in seiner Entscheidung vom 11. März 2009 aufgestellte Grundsatz, Rückforderungssummen nach der sog. Mischpunktwertberechnung zu ermitteln, sei unter den Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit gestellt worden. Dabei sei – unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter – insbesondere zu bewerten, wie die veröffentlichten Informationen der Beklagten zur Plausibilitätsprüfung und zur Nebeneinanderabrechnung von Gesprächsleistungen aus der Perspektive der betroffenen Vertragsärzte zu verstehen gewesen seien. Zudem sei noch nicht geklärt, ob pauschale Honorarkürzungen im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen auch für Quartale durchgeführt werden dürften, wenn für diese Quartale gar nicht die Aufgreifkriterien für die Plausibilitätsprüfung erfüllt seien. Für die Quartale II/2006 bis IV/2007 hätten die Voraussetzungen für eine Plausibilitätsprüfung nicht vorgelegen.
Das Sozialgericht Kiel hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2014 abgewiesen. Die Beklagte habe die sachlich-rechnerische Korrektur zu Recht vorgenommen. Der Kläger habe nach den inhaltlich unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der Beklagten nicht nur bezüglich eines, sondern bezüglich einer Vielzahl von mit der Abrechnungs-Sammelerklärung erfassten Behandlungsausweisen unplausible Angaben über erbrachte Leistungen in Form von offensichtlich nicht realistischen Arbeitszeiten gemacht und damit sachlich-rechnerisch mangelhafte Leistungsabrechnungen erstellt. Denn er habe die Leistungslegende zu der GOP 18220 EBM nicht beachtet, wonach bei der Nebeneinanderabrechnung von Ordinationskomplex und Beratungsleistung für eine vollständige Leistungserbringung die Arzt-Patienten-Kontaktzeit mindestens 20 Minuten betragen müsse. Die Verwendung von Tageszeitprofilen zur Feststellung unvollständiger Leistungserbringung sei zulässig. Sie seien ein geeignetes Mittel für den Nachweis einer fehlerhaften Abrechnung. Die Plausibilitätsprüfung sei kein eigenständiges, drittes Honorarberichtigungsverfahren, sondern lediglich ein Unterfall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung mit der Prüfung, ob der Vertragsarzt die von ihm in seine Abrechnung eingestellten Leistungen in zeitlicher Hinsicht überhaupt ordnungsgemäß erbracht haben könne. Daher sei es nicht ausgeschlossen, anhand von Zeitprofilen ermittelte Abrechnungsauffälligkeiten, namentlich Fehlansätze von Leistungstatbeständen, zum Aufgreifkriterium auch für solche Quartale zu machen, die im Rahmen der (engeren) Plausibilitätsprüfung unauffällig seien. Die Unrichtigkeit der Abrechnungs-Sammelerklärung berechtige die Kassenärztliche Vereinigung, das dem Vertragsarzt zustehende Honorar zu schätzen. Im Rahmen der nur möglichen und zulässigen gerichtlichen Kontrolle mache die Kammer sich die Ausführungen der Beklagten zu eigen. Die Beklagte habe die Berichtigungssumme auch sachlich und mathematisch zutreffend ermittelt. Veröffentlichungen der Beklagten zur Nebeneinanderabrechnung von Ordinationskomplexen und Gesprächsleistungen seien allenfalls bedeutsam für die Prüfung von Verschuldensgesichtspunkten, die jedoch bei einer sachlich-rechnerischen Korrektur nicht zu berücksichtigen seien.
Gegen den ihm am 3. Februar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 3. März 2014 eingegangene Berufung des Klägers. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Das Sozialgericht verkenne insbesondere, dass die herangezogene Rechtsprechung des BSG zur Mischpunktwertberechnung nicht anwendbar sei. Diese Vorgehensweise sei nicht verhältnismäßig. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche Information seitens der Beklagten mitverursacht worden sei und dieser Umstand Berücksichtigung finden könne. Für den Kläger seien die Abrechnungsvoraussetzungen der GOP 18220 EBM unklar gewesen. Die Beklagte selbst habe sie unklar dargestellt. Ferner habe die Beklagte ermessensfehlerhaft sämtliche Leistungen der GOP 18220 gestrichen, die neben den Ordinationskomplexen abgerechnet worden seien. Eine Verpflichtung zur Kürzung sämtlicher Leistungen gebe es nicht. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass er in keinem einzigen Fall die erforderliche Mindestzeit von 20 Minuten erfüllt habe. Daher habe allenfalls auf den Fachgruppendurchschnitt oder einen Umfang von 12 Stunden je Arbeitstag gekürzt werden können. Ein solches Vorgehen sei ihm aus anderen Verfahren bekannt. Im Übrigen seien die Ermessenserwägungen der Beklagten zur gewählten Kürzungsmethode nicht erkennbar.Der Bescheid sei letztlich formell fehlerhaft, da die Begründung unzureichend sei, insbesondere zur konkreten Berechnung des Rückforderungsbetrages.
Der Kläger beantragt Beweis zu erheben und einen Mitarbeiter der Firma M dazu zu vernehmen, dass die Beklagte dieser gegenüber mitgeteilt habe, auch im Fall einer gleichzeitigen Berechnung der Ordinationsziffer und der Beratungsziffer seien für die Plausibilitätsprüfung lediglich 10 Minuten zu veranschlagen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 30. Januar 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihre bisherige Argumentation. Das BSG habe die Mischpunktwertberechnung in Form des praxisindividuellen Punktwertes, so wie sich dieser aus dem Verhältnis zwischen dem bei der Honoraranforderung in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumen und dem Umfang des honorarbegrenzten Budgets errechnet habe, für alle sachlich-rechnerischen Berichtigungen für anwendbar erklärt. Ein Ausnahmefall liege nicht vor, da sie die Abrechnungsvoraussetzungen der GOP 18220 nicht missverständlich dargestellt habe. Die Leistungslegende der GOP 18220 sei weder im Wortlaut noch in der Darstellung missverständlich. Sie wende nicht regelmäßig andere Berechnungsmethoden an, die zu wesentlich geringeren Kürzungen des Vergütungsanspruchs der betroffenen Ärzte führten. Die Plausibilitätsprüfung sei eine im Wesentlichen individualisierte Prüfung, die nach Möglichkeit auf die Besonderheiten der betroffenen Praxen und deren Abrechnungsweise abstelle. Dabei könnten über die Prüfung verschiedener Praxen hinweg zwar immer wieder ähnliche Fragestellungen oder Lösungsansätze im Vordergrund stehen, jedoch erfolge die Korrektur primär unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Praxen. Der Kläger habe bisher keine Nachweise dafür vorgelegt, dass er die in der Leistungslegende vorausgesetzte Mindestzeit eingehalten habe. Die Prüfung nicht nur des Quartals I/2006, sondern auch der Quartale II/2006 bis IV/2007 sei nicht zu beanstanden, da nicht für jedes Quartal stets das gleiche Aufgreifkriterium gelten müsse und eine Kassenärztliche Vereinigung auch bei nicht regelmäßig, aber immer mal wieder bestehenden Auffälligkeiten einen Gesamtzeitraum prüfen dürfe. In diesem Fall begründe die Auffälligkeit der Zeitprofile in den Quartalen I/2006, IV/2006, I/2007 und III/2007 hinreichende Verdachtsmomente einer fehlerhaften Abrechnung. Eventuelle formelle Fehler seien zudem unbeachtlich, da die Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 106 Abs. 2 S. 1 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) zur sachlich-rechnerischen Prüfung verpflichtet seien.
Am 13. Juni 2017 fand ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt, in dem die Verwaltungsvorgänge vorlagen. Für die weiteren Einzelheiten und das weitere Vorbringen der Beteiligten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingegangen (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
Der Senat konnte entscheiden, ohne dem am 13. Juni 2017 gestellten Beweisantrag des Klägers nachzukommen. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme kommt es nach der nachfolgend dargestellten Rechtsauffassung des Senats nicht an. Im Übrigen kann sich der Vertragsarzt nicht auf eine – aus welchen Gründen auch immer - fehlerhaft gestaltete Praxissoftware berufen (BSG, Beschluss vom 11. Dezember 2013, Az B 6 KA 36/13 B).
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2010 ist rechtmäßig.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört u. a. auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Die Berechtigung und Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Berichtigung der Abrechnung der Vertragsärzte beruht ferner auf § 106a SGB V (a.F. bis 31. Dezember 2016). Näheres ist in den nach § 106 Abs. 6 S. 1 SGB V a. F. von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit Wirkung ab 1. Januar 2005 (geändert ab 1. Januar 2008) vereinbarten Richtlinie (AbrechnPr-RL) geregelt. Während die Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) bei der Menge der erbrachten Leistungen ansetzt, zielt die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung auf die Feststellung, ob die abgerechneten Leistungen rechtlich ordnungsgemäß, also ohne Verstoß gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsrechtliche Bestimmungen erbracht worden sind, § 4 Abs. 1 und 2 AbrechnPr-RL.
Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten, auf § 82 Abs. 1 SGB V beruhenden bundesmantelvertraglichen Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - B 6 KA 17/05 R. Rn 11 bei juris m.w.N.; Urteil vom 28. August 2013, Az B 6 KA 43/12 R).
Die Prüfung der Abrechnungen für die Quartale I/2006 bis IV/2007 durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden. Die Einleitung der Plausibilitätsprüfung über die Auswertung der Zeitprofile ist rechtmäßig. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes (§ 106a Abs. 2 S. 2 SGB V i. d. F. vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2012). Bei dieser Prüfung ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden (Satz 3). Soweit nach § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V im Einheitlichen Bewertungsmaßstab Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes bestimmt sind, sind diese Zeiten bei diesen Prüfungen zu Grunde zu legen (Satz 4). Anhaltspunkte für die Vermutung einer fehlerhaften Abrechnung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Solche sind durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zu Grunde liegt (§ 5 Abs. 1 S. 3 AbrechnPr-RL). Die regelhafte Plausibilitätsprüfung erstreckt sich auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten durch die Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand – Prüfung nach Zeitprofilen -, § 7 Abs. 2 AbrechnPr-RL. Rechtlich nicht ordnungsgemäß ist unter anderem insbesondere die Abrechnung von Leistungen, die nicht oder nicht vollständig erbracht wurden, § 6 Abs. 2 Spiegelstrich 2 AbrechnPr-RL. Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) genannte Leistungen bzw. Leistungskomplexe dürfen nur dann abgerechnet werden, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist (Ziffer 2.1 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM ab 01. April 2005 i.d.F. von 2006 und 2007).
Die Beklagte hat die Abrechnung der Quartale I/2006 bis IV/2007 nach Zeitprofilen überprüft. Es ist nicht zu beanstanden, dass sie für die Prüfung der Zeitprofile des Klägers sowohl eine Prüfung der Quartalsarbeitszeit als auch der Tagesarbeitszeit durchgeführt hat. Nach § 8 Abs. 2 AbrechnPr-RL werden für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit im Hinblick auf die angeforderten Leistungen bei Vertragsärzten ein Tageszeitprofil und ein Quartalszeitprofil ermittelt. Abrechnungsauffälligkeiten im Sinne von § 7 Abs. 2 AbrechnPr-RL nach § 5 Abs. 1 S. 3 sind solche, die sich durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien sind, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zugrunde liegt. Daher ist es nicht rechtsfehlerhaft, nach einer Berechnung des Tageszeitprofils mit den Prüfzeiten im Sinne von Anhang 3 EBM in die Berechnung weiterer Tageszeitprofile den Zeitaufwand für die gleichzeitige Abrechnung der Ziffer 18210 bis 18212 und der Ziffer 18220 insgesamt 20 Minuten einzustellen. Es handelt sich dabei zwar nicht genau um die in Anhang 3 des EBM 2006 bis 2008 ausgewiesenen Prüfzeiten (§ 8 Abs. 1 der AbrechnPr-RL). Zudem hat der Bewertungsausschuss die beschriebene Prüfzeit für die Ordinationskomplexe als nur für das Quartalsprofil geeignet angegeben. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Abrechnung der GOP 18220 nach der Beschreibung ihrer Leistungslegende fordert, dass eine Beratung, Erörterung und/oder Abklärung mindestens 10 Minuten dauern muss und je vollendete 10 Minuten abgerechnet werden kann; wenn diese GOP neben der Ordinationsgebühr nach 18210 bis 18212 abgerechnet wird, muss die Arzt-Patienten-Kontaktzeit mindestens 20 Minuten betragen haben. Es geht daher hier nicht um die Einhaltung der Plausibilitätskriterien, sondern um die Voraussetzungen der Leistungslegende der EBM-Ziffern. Die Einhaltung dieser Leistungszeit kann nur dann aussagekräftig geprüft werden, wenn im Fall der Nebeneinanderabrechnung dieser GOP in das Tageszeitprofil eine Gesamtzeit von 20 Minuten eingestellt wird. Die Tabelle in Anhang 3 zum EBM mit den ausgewiesenen Prüfzeiten und deren Deklaration zur Eignung für die Prüfung des Quartals- und/oder Tagesprofils dient nicht dazu, Abrechnungsvoraussetzungen einzelner GOP einer Überprüfung zu entziehen. Es handelt sich insoweit nicht um abschließende Zeitvorgaben für die Prüfung nach Zeitprofilen. Die Auflistung dieser Prüfzeiten dient vielmehr dazu, zeitliche Maßstäbe für solche Leistungen aufzustellen, deren Abrechnung keine Mindestleistungszeit voraussetzt. Im Übrigen hat das BSG in seinem Beschluss vom 11. Dezember 2013, B 6 KA 37/13 B unter Rn 5 in einer vergleichbaren Konstellation (Nebeneinanderabrechnung Ordinationsgebühren der GOP 03110 bis 03112 EBM und Gesprächsleistung der GOP 03120 EBM mit einer Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten) ausgeführt, dass eine Prüfung in einem solchen Fall nur unter Berücksichtigung dieser Zeitvorgaben möglich ist. Es hat auch ausgeführt, dass die Anmerkung zu einer GOP denselben Rang hat wie die Leistungslegende selbst. Der Kläger kann sich daher nicht darauf berufen, die Mindestzeit von 20 Minuten sei kursiv gedruckt. Er dringt auch nicht mit dem Einwand durch, die Beklagte habe im Nordlicht Heft 10/2006 missverständlich über die Bedeutung der Mindestleistungszeit von 20 Minuten informiert. Solche Informationen einer Kassenärztlichen Vereinigung – fehlerhaft oder nicht – vermögen es nicht, die Geltung der im EBM selbst geregelten Voraussetzungen zu entkräften. Diese allein bleiben maßgeblich (BSG, Urteil vom 8. Februar 2006, Az. B 6 KA 12/05 R, Rn 23 bei juris). Im Übrigen ist der Hinweis der Beklagten nicht fehlerhaft, da der Ansatz der Beratungsgebühr für eine an einem anderen Tag erbrachte Leistung als dem der Ordinationsgebühr lediglich eine Dauer von 10 Minuten voraussetzt.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe waren die Tageszeitprofile des Klägers an mehr als drei Tagen pro Quartal auffällig im Sinne von § 8 Abs. 3 der AbrechnPr-RL, da die auf diese Weise ermittelte arbeitstägliche Zeit in jedem der Quartale I/2006 bis IV/2007 an mehr als drei Tagen (24 bis 34) die Grenze von 12 Stunden überschritt.
Die Eignung von Tagesprofilen als Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung hat das BSG bereits bejaht (Urteil vom 11. März 2009, B 6 KA 62/07 R). Für Quartalsprofile, die Behandlungszeiten für Leistungen dokumentieren, die der Arzt in einem Quartal und damit in einem deutlich längeren Zeitraum abgerechnet hat, gilt nichts anderes (BSG, Beschluss vom 17. August 2011, B 6 KA 27/11 B). Wird einer der in § 8 Abs. 3 der AbrechnPr-RL genannten Werte überschritten, liegen Abrechnungsauffälligkeiten vor und die Kassenärztliche Vereinigung führt eine Prüfung nach § 12 AbrechnPr-RL durch. Diese Prüfung dient nicht mehr der Ermittlung von Auffälligkeiten, sondern der Feststellung, ob die anhand der Zeitprofile zu Tage getretenen Abrechnungsauffälligkeiten auf einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung beruhen oder nicht. Geprüft wird, wie § 12 Abs. 3 Satz 1 AbrechnPr-RL ausdrücklich feststellt, ob sich die Auffälligkeiten zugunsten des Arztes erklären lassen. Hierfür lassen sich aus dem Umstand, dass Quartalsprofile im Gegensatz zum Tageszeitprofil unauffällig waren, keine Erkenntnisse gewinnen. Es ist nicht plausibel, dass der Kläger in jedem der streitigen Quartale an einem Drittel bis der Hälfte der Arbeitstage unter Berücksichtigung der Prüfzeiten für alle an diesen Tagen abgerechneten Leistungen in signifikantem Umfang mehr als 12 Stunden – an mehreren Tagen sogar mehr als 15 Stunden - gearbeitet hat und gleichzeitig in jedem Fall der Nebeneinanderabrechnung der Ordinationsgebühr und der GOP 18220 jeweils 20 Minuten Gesprächsdauer eingehalten haben soll. Die sich aus der Auswertung der Tageszeitprofile ergebenden Indizien für eine unvollständige Erbringung abgerechneter Leistungen können nicht entkräftet werden. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die eine nach § 12 Abs. 3 AbrechnPr-RL relevante Erklärung bieten könnten. Aus der Akte sind auch keine sonstigen, potentiell berücksichtigungsfähigen Umstände erkennbar. Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren vorträgt, die Beschreibung der GOP 18220 sei nicht nur für ihn, sondern auch andere Ärzte missverständlich, vermag dieser Umstand die zeitliche Auffälligkeit nicht zu rechtfertigen. Die Formulierung der GOP 18220 ist auch weder im Wortlaut noch optisch missverständlich, so dass nicht fraglich ist, wieviel Zeit im Fall der Nebeneinanderabrechnung mit der Ordinationsgebühr aufgewandt worden sein muss (s.a. BSG, Beschluss vom 11. Dezember 2013, B 6 KA 37/13 B unter Rn 5). Auch die von ihm verwendete Praxis-EDV vermag die Berechnung des Zeitprofils durch die Beklagte nicht zu entkräften. Das BSG hat in seinem Beschluss vom 11. Dezember 2013, B 6 KA 37/13 B, auch ausgeführt, vom Vertragsarzt müsse die Kenntnis der Gebührenordnung erwartet werden; er allein sei verantwortlich für die korrekte Abrechnung seiner Leistungen. Soweit er sich bei der Abrechnung personeller und/oder technischer Hilfe bediene, entlaste ihn dies nicht von seiner Verantwortung. Weder die Teilnahme von Mitarbeitern an Fortbildungen zur Abrechnung nach dem EBM-Ä noch die Verwendung zertifizierter Software führten dazu, dass der Vertragsarzt von seiner persönlichen Pflicht zur korrekten Abrechnung befreit werde.
Sofern er am 13. März 2006 tatsächlich eine lange Anwesenheits- und Behandlungszeit einräumt, ist nicht ersichtlich, warum dieses Eingeständnis eine zu berücksichtigende Erklärung für die hohe Anzahl der Überschreitung der Tageszeitprofile sein soll. Zeitliche Auffälligkeiten ergaben sich jeweils für immerhin ein Drittel bis die Hälfte der Arbeitstage eines Quartals.
Der Kläger hat wenigstens grob fahrlässig in seiner Abrechnungs-Sammelerklärung fehlerhafte Angaben insoweit gemacht, als er mit seiner Unterschrift bestätigt hat, jeweils alle Voraussetzungen für die Abrechnung der jeweiligen Leistungen – auch die zeitlichen Vorgaben – eingehalten zu haben. Rechtsfolge einer Abrechnungsauffälligkeit ist, dass die Beklagte im Fall einer grob fahrlässig falschen Abrechnungs-Sammelerklärung ein weites Schätzungsermessen für die Berichtigung der Honorarabrechnungen hat (siehe nur BSG, Urteil vom 17. September 1997, Az. 6 RKa 86/95, Rn 23 bei juris). Diese Rechtsprechung des BSG, die noch zur sachlich-rechnerischen Berichtigung auf der – alleinigen - Grundlage des BMV-Ä – und damit zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2004 bzw. 2005 – ergangen ist, kann auf die nunmehr in § 106a SGB V geregelte Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Berichtigung übertragen werden (so auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. November 2014, L 4 KA 2/11, Rn 56 bei juris; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. März 2015, L 12 KA 25/13, Rn 17ff bei juris; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 8. Juni 2016, L 3 KA 28/13, Rn 49 bei juris; Clemens in Hauck/Noftz, SGB V, § 106a Rn 236), da § 106a SGB V die vormals nur untergesetzlich geregelte sachlich-rechnerische Berichtigung nunmehr auch im SGB V verankert und speziell den Unterfall der Plausibilitätsprüfung in § 106a Abs. 2 SGB V näher kodifiziert hat.
Diese Schätzung des neu festzusetzenden Honorars eröffnet der KV jedoch keinen der Gerichtskontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum. Vielmehr hat das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen. Die Verpflichtung zur eigenen Schätzung bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht nunmehr erneut alle Schätzungsgrundlagen erhebt und eine völlig eigene Schätzung vornimmt. Sofern der Verwaltungsakt überzeugende Ausführungen zur Schätzung enthält, reicht es aus, wenn das Gericht sich diese Ausführungen zu Eigen macht und sie in seinen Entscheidungsgründen nachvollzieht (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6RKa 86/95, Rn 28 bei juris). Der Senat macht sich, wie das Sozialgericht, die zutreffenden Ausführungen in den Bescheiden der Beklagten zu Eigen. Der Senat sieht es im Wege der Schätzung als gerechtfertigt an, dass alle abgerechneten Leistungen der GOP 18220 an den Tagen, an denen diese Leistung neben den Ordinationskomplexen abgerechnet wurde, als unvollständig erbracht angesehen wird. Das ist gerechtfertigt, da naturgemäß im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nicht eindeutig feststellbar ist, welche der abgerechneten Leistungen mängelbehaftet sind, während gleichzeitig feststeht, dass die Gesamtheit der abgerechneten Leistungen so nicht erbracht worden sein kann (so auch in einer vergleichbaren Konstellation der Abrechnung von Ordinationskomplexen neben der Gesprächsleistung Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 25. März 2015, L 7 KA 19/12). Da nach der Analyse der Tagesprofile insbesondere an einer ordnungsgemäßen Erbringung der Gesprächsleistungen zu zweifeln ist, geht auch der Senat im Wege der Schätzung davon aus, dass in keinem der Fälle der Nebeneinanderabrechnung der Ordinationsgebühr und der GOP 18220 20 Minuten Arzt-Patient-Kontaktzeit eingehalten wurden.
Die vom Kläger als Variante begehrte Kürzung der Abrechnungen um die GOP 18220 an den Tagen, an denen durch die Berechnung der Zeit von 20 Minuten für die Nebeneinanderabrechnung der GOP 18210 bis 18212 eine Tagesarbeitszeit von mehr als 12 Stunden erbracht wurde, auf eine Tagesarbeitszeit von 12 Stunden ist bereits keine geeignete Alternative. Diese Berechnungsweise würde zu einer Kürzung nur an den von der Beklagten im Bescheid genannten Tagen führen, an denen durch diese Berechnung eine Tagesarbeitszeit von 12 Stunden überschritten wird. Eine Kürzung an den Tagen, an denen sich ohne diese Berechnung, kein auffälliges Tageszeitprofil ergibt, würde damit unterbleiben. Die Auswertung der tabellarischen Übersicht der Beklagten zeigt, dass damit die Leistungserbringung an den Wochentagen Freitag und Mittwoch – bei denen es sich um kurze Sprechstundentage handeln dürfte – nicht gekürzt werden würde. Dieser geschätzten Kürzung müsste dann die Annahme zugrunde gelegt werden können, dass der Kläger an diesen Tagen die erforderliche Arzt-Patienten-Kontaktzeit von 20 Minuten eingehalten hat. Diese Unterstellung findet jedoch keinerlei Grundlage in den aktenkundigen Unterlagen oder dem Vortrag des Klägers. Sein Vortrag lässt vielmehr erkennen, dass ihm entweder gar nicht oder nur unzulänglich bewusst war, dass in einem solchen Fall 20 Minuten Arzt-Patienten-Kontaktzeit erbracht worden sein müssen.
Auch die andere vom Kläger vorgeschlagene Vorgehensweise der Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt hält der Senat nicht für sachgerecht. Mögliche Folge einer festgestellten fehlerhaften Abrechnung kann auch die Kürzung der Vergütung für Leistungen auf den Fachgruppendurchschnitt sein (BSG, Urteil vom 17. September 1997, 6 RKa 86/95, Rn 23 bei juris). Der Fachgruppendurchschnitt kann jedoch für diverse Parameter bestimmt werden. In Betracht kommen beispielsweise das durchschnittliche Abrechnungsvolumen einer Fachgruppe in Punkten für alle Leistungen, das Abrechnungsvolumen für bestimmte Leistungen einer Fachgruppe, die durchschnittliche Tagesarbeitszeit, die durchschnittliche Quartalsarbeitszeit. Das Aufgreifkriterium in diesem Fall waren auffällige Tagesprofile verbunden mit einer überdurchschnittlich hohen Anzahl abgerechneter Leistungen der GOP 18220. Die Auffälligkeit ergab sich insbesondere bei Berücksichtigung der erforderlichen Arzt-Patienten-Kontaktzeit von 20 Minuten für die Nebeneinanderabrechnung der Ordinationsgebühr und der GOP 18220. Die erforderliche Zeit von 20 Minuten ist in der Anmerkung zur GOP 18220 als eine Abrechnungsvoraussetzung in dieser Konstellation geregelt. Die Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt würde ebenfalls unterstellen, dass der Kläger in einer fachgruppendurchschnittlichen Anzahl von Konstellationen 20 Minuten eingehalten hat. Eine solche Unterstellung kann bereits nicht tragfähige Grundlage einer Schätzung auf den Fachgruppendurchschnitt sein. Etwas anderes könnte angenommen werden, wenn es sich bei der fraglichen Leistungszeit von 20 Minuten um die Prüfzeit im Sinne des Anhangs 3 zum EBM handeln würde. Dann wäre diese Zeitspanne nicht gleichzeitig eine der Abrechnungsvoraussetzungen. Wenn es sich nur um die Prüfzeit handeln würde, könnte möglicherweise unterstellt werden, dass der Vertragsarzt eine bestimmte Leistung jedenfalls in durchschnittlicher Anzahl tatsächlich erbracht hat. Eine Kürzung auf die fachgruppendurchschnittliche Anzahl der insgesamt erbrachten GOP 18220 scheidet aus, da diese GOP auch unabhängig von den Ordinationsgebühren – also beim zweiten Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal - abgerechnet werden kann. Die Beklagte geht jedoch im Ansatz ihrer Prüfung nicht davon aus, dass der Kläger insgesamt zu viele Gesprächsleistungen erbracht hat, sondern dass er die erforderliche Mindestzeit beim erstmaligen Arzt-Patienten-Kontakt nicht eingehalten hat. Diese Vorgehensweise würde zwei Auffälligkeiten Zeitprofil und überdurchschnittlich häufige Abrechnung – in sachfremder Weise vermischen.
Ausgehend von dem von der Beklagten errechneten und vom Senat übernommenen Kürzungsvolumen in Punkten ist die Berechnung des Korrekturbetrages in Euro nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat quartalsweise den praxisindividuellen Mischpunktwert aus dem Quotienten aller erbrachten iGV-relevanten Leistungen in Punkten und dem Honorar ermittelt und diesen mit dem Kürzungsvolumen in Punkten multipliziert. Dieses Vorgehen entspricht der Rechtsprechung des BSG in dessen Entscheidung vom 11. März 2009, B 6 KA 62/07, Rn 17 bei juris, und berücksichtigt § 106a Abs. 2 S. 6 SGB V. Der Kläger kann sich nicht unter Bezugnahme auf die Ausführungen unter Rn 25 bis 29 dieser Entscheidungen darauf berufen, diese Vorgehensweise sei unverhältnismäßig. Das BSG geht davon aus, dass ausnahmsweise nicht die Anerkennungsquote der Honoraranforderung herangezogen werden kann, sondern diejenige nach der vorgängigen und ausnahmsweise auch nach der nachgängigen Korrektur. Eine solche Ausnahmekonstellation könne sein, dass der Beklagten die fehlerhafte Abrechnung offensichtlich auffallen konnte oder sie die fehlerhafte Abrechnung mit verursacht hat. Beide Konstellationen liegen jedoch nicht vor. Die Voraussetzungen für die Abrechnung der GOP 18220 neben der Ordinationsgebühr sind unzweideutig formuliert. Die Beklagte hat auch nicht durch den Artikel im Nordlicht eine falsche Information verbreitet. Ferner ist nicht ersichtlich, dass nach dieser Entscheidung des BSG die Folge wäre, dass nur der – niedrigere - Mehrleistungspunktwert in die Berechnung eingestellt werden dürfte.
Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Verwirkung der Korrekturmöglichkeit bzw. einen Vertrauensschutz berufen, da keine der nachfolgend genannten Fallgruppen einschlägig ist. Das Bundessozialgericht hat die Berufung auf Verwirkung bisher in fünf Konstellationen anerkannt (Auflistung zitiert aus dem Urteil vom 08.02.2006, Az. B 6 12/05 R): "Das ist zunächst der Fall, wenn die besonderen bundesmantelvertraglichen Richtigstellungsvorschriften nicht mehr anwendbar sind, weil (1) die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheids bereits abgelaufen ist, oder soweit (2) die K(Z)ÄV ihre Befugnis zu sachlich-rechnerischer Richtigstellung nach den Bundesmantelverträgen bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertrags(zahn)arztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüfte und vorbehaltlos bestätigte. Darüber hinaus ist auch bei Anwendbarkeit der bundesmantelvertraglichen Berichtigungsvorschriften nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Vertrauensschutz der Vertrags(zahn)ärzte zu beachten, wenn (3) die K(Z)ÄV es unterlassen hatte, bei der Erteilung des Honorarbescheids auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung hinzuweisen und dadurch schützenswertes Vertrauen bei den Vertrags(zahn)ärzten hervorgerufen wurde, oder wenn sie (4) die Erbringung bestimmter Leistungen in Kenntnis aller Umstände längere Zeit geduldet hatte, diese später jedoch für den betroffenen Vertrags(zahn)arzt als fachfremd beurteilt und deshalb insgesamt von einer Vergütung ausschließt. Außerdem ist eine nachträgliche Korrektur von Honorarbescheiden mit Wirkung ex tunc aus Gründen des Vertrauensschutzes auch eingeschränkt, wenn (5) die Fehlerhaftigkeit des Bescheides aus Umständen herrührt, die außerhalb des eigentlichen Bereichs einer sachlich und rechnerisch korrekten Honorarabrechnung und -verteilung liegen und deshalb die besonderen Funktionsbedingungen des Systems vertrags(zahn)ärztlicher Honorierung nicht konkret tangiert sind (zB im Bereich des Vollzugs der Vorschriften zum degressiven Punktwert in der vertragszahnärztlichen Versorgung)." Insbesondere hat die Beklagte ihre Befugnis zur Korrektur noch nicht verbraucht und es sind noch nicht vier Jahre seit Erlass der Honorarbescheide ergangen. Die Voraussetzungen der Fallgruppen 3 bis 5 liegen evident nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Der auf der Grundlage von § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz festgesetzte Streitwert entspricht der Berichtigungssumme für die Quartale I/2006 bis IV/2007.
Die Revision wurde nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zur Klärung der Frage zugelassen, ob die als Abrechnungsvoraussetzung normierte Mindestzeit für den Arzt-Patientenkontakt von 20 Minuten für die Nebeneinanderabrechnung des Ordinationskomplexes und der Gesprächsleistung auch zu Lasten des Vertragsarztes in die Prüfung nach Tageszeitprofilen eingestellt werden darf oder nicht.
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