L 2 AS 390/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 4731/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 390/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor des erstinstanzlichen Urteils klarstellend wie folgt lautet: Der Beklagte hat an die Klägerinnen zu 2) bis 4) (nunmehr Berufungsbeklagte zu 1) bis 3) jeweils 52,36 EUR als Kostenerstattungsbetrag aus dem Widerspruchsverfahren W 2415/12 zu zahlen (insgesamt 157,08 EUR).

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu 2) bis 4) (nunmehr Berufungsbeklagte zu 1) bis 3) für das Klageverfahren zu je ¼ und die vollen notwendigen außergerichtlichen Kosten der Berufungsbeklagten zu 1) bis 3) des Berufungsverfahren zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über die Frage, ob der Beklagte rechtmäßig eine Kostenerstattungsforderung in Höhe von weiteren 157,08 EUR der Klägerinnen aus dem Widerspruchsverfahren W 2415/12 mit einer Forderung gegen den ehemaligen Kläger (im Folgenden: Kläger) allein aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22. Mai 2013 in Höhe von 507,43 EUR, aufgerechnet hat oder noch ein kopfteiliger Zahlungsanspruch der Klägerinnen besteht.

Der am ... 1974 geborene Kläger lebte im streitgegenständlichen Zeitraum mit der am ... 1982 geborenen Klägerin zu 2) in einer Bedarfsgemeinschaft. Die am 6. Januar 2004 und am ... 2006 geborenen Klägerinnen zu 3) und 4) gehörten ebenfalls zu dieser Bedarfsgemeinschaft. Sie standen im fortgesetzten Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).

Mit rechtskräftigem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22. Mai 2013 forderte der Beklagte von dem Kläger 507,43 EUR zu viel gezahlter Leistungen zurück.

Mit Schreiben vom 21. März 2011 begehrte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte die Überprüfung des Bescheides vom 21. Januar 2011 mit dem die Übernahme eines Betrages von 1.962,70 EUR aus einer Betriebskostenabrechnung für 2009 in der Zeit vom 1. August 2010 bis 31. August 2010 teilweise abgelehnt worden war. Mit Bescheid vom 30. August 2012 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers ab, wogegen seine Prozessbevollmächtigte am 3. September 2012 Widerspruch einlegte. Der Beklagte führte den Widerspruch unter dem Aktenzeichen W 2415/12. Mit Bescheiden vom 26. August 2013 half der Beklagte dem Widerspruch vollumfänglich ab und tenorierte hinsichtlich der Kosten, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag erstattet werden, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen werden.

Mit Kostennote vom 29. August 2013 begehrte die Prozessbevollmächtigte die Begleichung eines Betrages von 395,08 EUR vom Beklagten. Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 19. September 2013 setzte dieser als erstattungsfähigen Betrag 209,44 EUR fest. Dieser Kostenfestsetzungsbescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 20. September 2013 erklärte der Beklagte: " , die von Ihrer Bevollmächtigten in dem o.g. Widerspruchsverfahren W 2415/12 geltend gemachten Kosten in Höhe von 395,08 EUR sind i.H.v. 209,44 EUR erstattungsfähig. Gegen Sie bestehen Nachforderungen wie folgt: - L., R. i.H.v. und Erstattungsbescheid vom 22. Mai 2013 (Zeitraum März 2013 bis April 2013-ALG-024244-13). Ihren Anspruch auf Kostenerstattung rechne ich nach § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches gegen diese Forderung mit 209,44 EUR auf. Eine Auszahlung des Kostenerstattungsanspruches erfolgt deshalb nicht. Eventuell bestehende weitere Forderungen bleiben hiervon unberührt."

Mit Schreiben vom 26. September 2013 erklärte die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen, dass sie der Aufrechnung entgegentrete. Eine Aufrechnungslage komme nur in Betracht, soweit eine Aufrechnung mit einer titulierten oder unbestrittenen Forderung erfolge. Die hier geltend gemachte Forderung sei diesseits nicht bekannt und werde insoweit bestritten. Höchst vorsorglich werde die Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 22. Mai 2013 erbeten. Des Weiteren liege hier keine Identität im Hinblick auf die beteiligten Personen vor. Der Rückforderungsanspruch richte sich gegen den Kläger. Die Kostenerstattung stehe jedoch den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft ebenso zu, so dass allenfalls eine kopfteilige Kürzung im Betracht kommen würde. Darüber hinaus sei sie auch berechtigt, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen. Die Prozessbevollmächtigte fragte weiter, ob der Beklagte ausdrücklich eine Abtretungserklärung vorgelegt haben möge. Vorsorgliche bitte sie, das Schreiben ausdrücklich als Widerspruch aufzufassen.

Der Beklagte führte das Widerspruchsverfahren unter dem Aktenzeichen W 3376/13. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2013 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Zur Begründung seiner Entscheidung stützte er sich auf die §§ 62, 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) in Verbindung mit § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Beklagte führte weiterhin aus: Mit dem angefochtenen Schreiben würden Rechte der Widerspruchsführer hoheitlich weder begründet noch geändert, entzogen oder festgestellt. Eine Entscheidung über den Rechtsanspruch des Widerspruchsführers werde mit der Stellungnahme nicht getroffen. Es handele sich bei der an die Stellungnahme anschließenden Aufrechnungserklärung um ein zivilrechtliches Gestaltungsrecht, welches den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unterfalle. Die Verwaltung sei dabei weder befugt noch gehalten das Gestaltungsrecht als Verwaltungsakt auszuüben.

Die Kläger haben am 29. Oktober 2013 Klage zum Sozialgericht Halle erhoben und haben ihr Begehren fortverfolgt. Ursprünglich haben die Kläger durch ihre Prozessbevollmächtigte beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 20. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides W 3376/13 vom 11. Oktober 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, 209,44 EUR aus dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers, entstanden in dem Verfahren W 2415/12, durch Zahlung zu erfüllen. Des Weiteren werde beantragt festzustellen, dass eine Aufrechnung mit Forderungen des Beklagten gegen den Kostenerstattungsanspruch aus dem Verfahren W 2415/12 unzulässig sei. Zur Begründung führen die Kläger aus: Unstreitig bestehe zu Gunsten des Klägers ein Kostenerstattungsanspruch aus dem Widerspruchsverfahren W 2415/12 in Höhe von 209,44 EUR. Der Beklagte habe jedoch die Aufrechnung gegen diesen Kostenerstattungsanspruch aus Rückforderungen im Rahmen anderer Verfahren, die gegenüber dem Kläger bestünden, erklärt. Nach diesseitigem Dafürhalten sei gemäß § 43 Abs. 4 SGB II die Entscheidung durch Verwaltungsakt zu treffen, da hier Leistungsansprüche der Kläger und Erstattungsansprüche gegen den Kläger einander gegenüberstehen. Darüber hinaus bestehen Zweifel im Hinblick auf die Identität der hier einander gegenüberstehenden Ansprüche. Schuldner des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides sei der Kläger allein. Der Kostenerstattungsanspruch stehe jedoch der gesamten Bedarfsgemeinschaft zu, für die das Widerspruchsverfahren geführt worden sei und welche aus dem Kläger, seiner Lebensgefährtin und den beiden Kindern bestehe. Nach diesseitiger Sicht seien die Regelungen der §§ 51, 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – (SGB I) lex specialis zu § 387 BGB. Eine Entscheidung über Verrechnung oder Aufrechnung sei aus Klägersicht durch Verwaltungsakt zu treffen. Diese Streitfrage sei zwar durch die Rechtsprechung des BSG noch nicht endgültig geklärt, das BSG habe in seiner Entscheidung vom 25. Februar 2010, Aktenzeichen B 13 R 76/09 R nur zu entscheiden gehabt, ob eine Handlung durch Verwaltungsakt grundsätzlich zulässig sei. Aus der Entscheidung gehe aber tendenziell auch die Auffassung hervor, dass Aufrechnung ebenso wie Verrechnung unter Berücksichtigung der sozialrechtlichen Regelungen durch Verwaltungsakt zu erfolgen habe. Darüber hinaus sei es so, dass der Kostenerstattungsanspruch den Klägern insgesamt als Gesamtgläubigern zustehe. Soweit hier der Beklagte durch Aufrechnung gegenüber einer Forderung nur gegenüber dem Kläger die Forderung insgesamt zum Erlöschen bringen will, führe dies letztlich dazu, dass das Risiko der Realisierung des Kostenerstattungsanspruchs ausschließlich auf die Klägerinnen verlagert werde. Jedenfalls mit der Trennung der Bedarfsgemeinschaft erscheine das Hervorrufen einer solchen Situation zumindest als treuwidrig. Der Gesetzgeber habe mit der ausdrücklichen Individualisierung von Forderungen bezweckt, dass eben nicht Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft unverschuldet in die Mithaftung einbezogen werden. Das Handeln des Beklagten führe hier zur Durchbrechung der Individualisierung des Rückforderungsanspruchs. Letztlich haben die Kläger beantragt, an sie 209,44 EUR auszuzahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt: Mangels Vorliegen eines rechtsmittelfähigen Verwaltungsaktes sei der Widerspruch als unzulässig verworfen worden. Mithin sei die Klage deswegen bereits unbegründet. Neue rechtserhebliche Gesichtspunkte seien nicht vorgetragen worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde daher auf den Inhalt des beigefügten Vorgangs sowie die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass der Kostenerstattungsanspruch durch seine Aufrechnungserklärung erloschen sei (§ 389 BGB). Der Kostenerstattungsanspruch von 209,44 EUR sei der Höhe nach unstreitig. Er habe diese Kosten jedoch nicht ausgezahlt, sondern die Aufrechnung gemäß § 387 BGB mit noch bestehenden Forderungen gegen den Kläger erklärt. Die Klage sei als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nicht erfolgreich. Insoweit bestehe zwischen dem Gericht und dem Beklagten Konsens. Aus dem Antrag gehe die Prozessbevollmächtigte selbst als Antragstellerin hervor, während die Klage aber im Namen der Kläger zu 1) bis 4) erhoben worden sei. Daher sei der Antrag unzulässig. Die Kläger zu 1) und 2) seien zwar bei Mandatierung eine Bedarfsgemeinschaft gewesen, lebten aber nunmehr getrennt. Nach seiner Ansicht könne es nicht darauf ankommen, dass die Bedarfsgemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung nicht mehr existiere. Maßgeblich seien die Regelungen der §§ 387ff BGB [Hinweis auf Hessisches Landessozialgericht vom 29. Oktober 2012, Aktenzeichen (Az.) L 6 AS 601/10]. Danach sei die Aufrechnungs-erklärung wirksam mit Zugang der Erklärung. Nach § 389 BGB führe die Aufrechnung dazu, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, erlöschen. Die Aufrechnung könne auch gegen die gesamte frühere Bedarfsgemeinschaft erfolgen, da diese Gesamtgläubiger nach § 428 BGB seien. In diesem Fall könne sich der Schuldner grundsätzlich aussuchen, an wen er leisten wolle. Dieses Ergebnis sei auch auf die Erfüllung der Kostenschuld durch Aufrechnung übertragbar. So sei es zulässig, die Aufrechnung gegen die Gesamtforderung mit einer Forderung eines Gesamtgläubigers zu erklären (Hinweis auf Palandt § 387 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen). Der in Anspruch genommene Gesamtgläubiger sei an den Ausgleich im Innenverhältnis zu verweisen, § 426 BGB. Dieses Ergebnis sei auch nicht unvereinbar mit den Regelungen zur Aufrechnung/ Verrechnung im SGB I und II. Der Gesetzgeber habe den Schutz eines Leistungsberechtigten lediglich insoweit hergestellt, als durch die Verrechnung Sozialleistungen in einem bestimmten Umfang gesichert werden sollen. Hier jedoch werde durch die Aufrechnung keine (sozialen) Geldleistung einbehalten.

Das Sozialgericht Halle hat mit Urteil vom 21. April 2015 den Beklagten verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 157,08 EUR auszuzahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe die notwendigen, außergerichtlichen Kosten der Kläger dem Grunde nach zu 1/4 zu erstatten. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Anspruch auf Auszahlung von 157,08 EUR ergebe sich aus der analogen Anwendung des § 394 BGB. Dabei finde die Aufrechnungsregelung des § 43 SGB II vorliegend keine Anwendung, denn die in § 43 Abs. 1 SGB II in Betracht kommenden Ansprüche lägen nicht vor. Zudem bestehe im Hinblick auf einen Kostenerstattungsanspruch grundsätzlich die Möglichkeit der Aufrechnung nach §§ 387 BGB, da die Erstattung von Rechtsanwaltskosten keine Sozialleistung darstelle. Dies gelte aber nur in Bezug auf den Kläger. Nur der auf ihn entfallende Anteil könne verrechnet werden. Denn die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft würden ihren Anteil aus den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aufzubringen haben. Dies sei nach Auffassung der Kammer unter analoger Anwendung des § 394 BGB nicht zuzumuten. Eine Kürzung dürfe nur aufgrund eines in derselben Person liegenden Grundes erfolgen. Zudem würde ihnen nicht mehr der gesetzlich zustehende Mindestbedarf zur Führung eines menschenwürdigen Daseins zur Verfügung stehen. Eine verfassungsrechtliche Auslegung der gesetzlichen Vorschriften lasse keinen anderen Schluss zu. In Höhe des dem Kläger zustehenden anteiligen Betrages von 52,36 EUR sei die Klage jedoch abzuweisen gewesen, denn gegenüber diesem seien die Voraussetzungen der §§ 397 ff. BGB für eine Verrechnung gegeben. Das Sozialgericht hat die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.

Gegen das dem Beklagten am 13. Mai 2015 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat dieser am 12. Juni 2015 Berufung eingelegt. Der Beklagte ist der Ansicht, das Urteil sei insoweit rechtswidrig, als die Klage nicht insgesamt abgewiesen worden sei. Zutreffend führe das Sozialgericht aus, dass es sich bei den Rechtsanwaltsgebühren nicht um Sozialleistungen handele. So habe auch das Landessozialgerichts Hessen in seiner Entscheidung vom 29.Oktober 2012 zum Az. L 9 AS 601/10 die Möglichkeit der Aufrechnung für die Behörde bejaht. Die Aufrechnungserklärung sei wirksam mit Zugang der Erklärung nach § 389 BGB und führe zum Erlöschen der Forderung. Mit der von ihm erklärten Aufrechnung sei der Kostenerstattungsanspruch erloschen. Die mit der Klage begehrte Auszahlung könne damit wegen der Erfüllungswirkung nicht mehr eintreten. Entgegen dem angefochtenen Urteil habe er auch mit dem gesamten Kostenerstattungsanspruch aufrechnen dürfen. Die Auftraggeber stellen für die erstattungspflichtige Behörde Gesamtgläubiger nach § 428 BGB dar (Hinweis auf Palandt, 64. Auflage § 428, Rd. 1; Bundesgerichtshof vom 20. Mai 1985, VII ZR 209/84). Dieses Ergebnis sei auf die Erfüllung der Kostenschuld durch Aufrechnung übertragbar. So sei es zulässig, die Aufrechnung gegen die Gesamtforderung mit einer Forderung eines Gesamtgläubigers zu erklären (Hinweis auf Palandt, 64. Aufl. § 387, Rd. 6 m.w.N.). Der in Anspruch genommene Gesamtgläubiger sei auf den Ausgleich im Innenverhältnis zu verweisen, vgl. § 426 BGB. Dieses Ergebnis sei auch nicht unvereinbar mit den Regelungen zu Aufrechnung/Verrechnung im SGB I, SGB II. Der Gesetzgeber habe den Schutz eines Leistungsberechtigten lediglich insoweit hergestellt, als durch die Verrechnung Sozialleistungen in einem bestimmten Umfang gesichert werden sollten. Der Kostenerstattungsanspruch sei keine Sozialleistung. Nicht überzeugen können die Ausführungen des Sozialgerichts Halle zur analogen Anwendung des § 394 BGB. Denn eingangs stelle es fest, dass der Kostenerstattungsanspruch gerade keine Sozialleistung sei. Raum für eine analoge Anwendung des § 394 BGB werde durch ihn nicht gesehen. Dies setze eine Regelungslücke voraus, die jedoch nicht vorliege. Zudem verkenne das Sozialgericht, das sich nicht nur die Klägerinnen einer Erstattungsforderung ausgesetzt sähen, die sie aus den Leistungen des SGB II aufbringen müssten, sondern auch der Kläger. Alle seien einem Anspruch der Prozessbevollmächtigten ausgesetzt, den sie nur aus diesen Grundsicherungsleistungen würden aufbringen können. Daher sei eine andere rechtliche Beurteilung nicht angezeigt. Die Berufung betreffe nicht den Kläger.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. April 2015 zum Aktenzeichen S 3 AS 4731/13 aufzuheben, soweit die Klage nicht abgewiesen wurde.

Die Berufungsbeklagten zu 1) bis 3) [Klägerinnen zu 2) bis 4)] beantragen:

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Klägers sei die Klage abgewiesen worden und daher bestehe schon kein Rechtsschutzbedürfnis im Rahmen des Berufungsverfahrens. Im Übrigen sei die Entscheidung des Sozialgerichts Halle zutreffend.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 und die Klägerinnen mit Schreiben vom 11. Oktober 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und Berücksichtigung gefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Der Senat kann aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten (Beklagter mit Schreiben vom 14. Oktober 2016, Klägerinnen mit Schreiben vom 11. Oktober 2016) ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden.

Die Berufung ist zulässig. Der Beschwerdewert von 750,01 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) wird zwar nicht erreicht, jedoch hat das Sozialgericht die Berufung zugelassen und das Landessozialgericht ist an diese Zulassung gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens im Sinne des § 123 SGG sind trotz des nicht eindeutigen Tenors des erstinstanzlichen Urteils unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils nur die Leistungen für die Klägerinnen in Höhe von 157,08 EUR, kopfteilig von 52,36 EUR. Ein unklarer Tenor kann und muss unter Heranziehung des Tenors, des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ausgelegt werden [vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig u.a., Sozialgerichtsgesetz – Kommentar, 11. Auflage, § 136 Rn. 5c bei gegenseitiger Bezugnahme mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08. Februar 2007 zum Az. B 9b SO 5/05 R – Rn. 14, zitiert nach juris]. Nach Auslegung in diesem Sinne sollte eine den Kläger begünstigende Tenorierung mit dem Urteil des Sozialgerichts nicht verbunden sein.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. April 2015 ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat der Klage der Klägerinnen zu Recht stattgegeben.

Die Klage war als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, gerichtet auf Auszahlung des Betrages von 209,44 EUR, zulässig. Die allgemeine Leistungsklage setzt voraus, dass ein Rechtsanspruch auf eine Leistung geltend gemacht wird und ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen braucht. Die Klage geht nur auf Leistung und ist nicht mit einer Anfechtungsklage verbunden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG Kommentar, 11. Auflage 2014, § 54 Rn. 41). Der Beklagte hat hier nicht durch Verwaltungsakt gehandelt, sondern durch Aufrechnungserklärung vom 20. September 2013, die eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung ist (dazu näher unten). Der ursprünglich erstinstanzlich angegriffene "Bescheid vom 20. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2013" weist den Widerspruch gegen die Aufrechnungserklärung als unzulässig zurück. Insofern ist die Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 und 2 SGG auf Auszahlung des festgesetzten Kostenerstattungsbetrages aus dem Kostenfestsetzungsbescheid vom 19. September 2013 zulässig und sachdienlich gewesen.

Die Klägerinnen sind Anspruchsinhaberinnen hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach. Entgegen dem ursprünglichen Vorbringen im Schreiben vom 26. September 2013 ist die Prozessbevollmächtigte nicht Inhaberin des Kostenerstattungsanspruchs aus dem Kostenfestsetzungsbescheid, wie sich aus ihrem Vorbringen im Klageverfahren und der Antragstellung ergibt. Inhaber des mit Bescheid vom 19. September 2013 festgesetzten Kostenerstattungsanspruchs von 209,44 EUR sind die Klägerinnen sowie der Kläger zu jeweils gleichen Teilen, also in Höhe von 52,36 EUR je Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Eine Abtretung wird nicht vorgetragen und ist auch nicht nachgewiesen.

Die Klägerinnen haben Anspruch auf Auszahlung des Betrages von kopfteilig 52,36 EUR, insgesamt von 157,08 EUR, aufgrund des Kostenfestsetzungsbescheides vom 19. September 2013. Der Kostenerstattungsanspruch ist in dieser Höhe nicht durch Aufrechnung erloschen.

Der Aufrechnung stehen nicht die §§ 51 und 54 SGB I entgegen. Bei dem Kostenerstattungsanspruch aus dem Kostenfestsetzungsbescheid vom 19. September 2013 handelt es sich nicht um eine einmalige Geldleistung im Sinne der Vorschrift des § 54 Abs. 2 SGB I. Die dort genannten Geldleistungen beziehen sich auf die Leistungen, die Gegenstand der in den §§ 2 bis 10 und 18 bis 29 SGB I aufgeführten sozialen Rechte sind (vgl. zum Vorstehenden Hessisches LSG vom 29.10.2012, Az. L 9 AS 601/10, Rn. 33 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; Lilge, SGB I Kommentar, § 54 Rn. 76ff.). Die systematische Stellung des § 54 SGB I sowie der Begriff des Kostenerstattungsanspruchs in § 63 SGB X verdeutlichen dies. Zwar gibt es auch Kostenerstattungsansprüche bezogen auf Leistungen resultierend aus den sozialen Rechten, vgl. § 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), jedoch bezieht sich der Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB X nicht auf eines der sozialen Rechte der §§ 2 bis 10 und 18 bis 29 SGB I. § 63 SGB X soll einen Erstattungsanspruch für die erfolgreiche Durchsetzung der sozialen Rechte garantieren und ist damit Ausdruck der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG).

Ebenso ist § 51 Abs. 2 SGB I nicht anwendbar, um gegebenenfalls eine Rechtswidrigkeit der Aufrechnung zu begründen. Diese Vorschrift schränkt nur die Aufrechnung von Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen mit laufenden Geldleistungen ein. Hier wird aber nicht mit laufenden Geldleistungen aufgerechnet.

Entgegen der Ansicht der Klägerinnen konnte hier die Aufrechnung auch durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung und nicht durch Verwaltungsakt erklärt werden.

Die Vorschriften der §§ 387ff. BGB sind auch im Rahmen des Sozialgesetzbuches sowie im Übrigen Öffentlichen Recht ergänzend anzuwenden [vgl. Hessisches LSG vom 29. Oktober 2012, a.a.O., Az. L 9 AS 601/10 Rn. 27, zitiert nach juris, m.w.N.; BSG vom 15. Dezember 1994 zum Az. 12 RK 69/93, Rn. 16f., zitiert nach juris; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 27. Oktober 1982, Az. 3 C 6/82, Rn. 21ff. zitiert nach juris].

Im Grundsatz ist in allen öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten die Möglichkeit der Aufrechnung durch rechtsgeschäftliche Willenserklärung anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994, Az. 12 RK 69/93 - BSGE 75, 283 m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesfinanzhof (BFH) vertreten insoweit die Auffassung, dass die Erklärung der Aufrechnung die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts und für sich allein kein Verwaltungsakt sei (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1982, Az. 3 C 6/82; BVerwGE 66, 218; Bundesfinanzhof - BFH, Urteil vom 2. April 1987, Az. VII R 148/83 - BFHE 149, 482). Das BSG sieht die Aufrechnung allein an die zivilrechtlichen Voraussetzungen geknüpft, soweit nicht sozialrechtliche Beschränkungen eingreifen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994, a.a.O., m.w.N.); (vgl. zum vorigen Absatz: Hessisches LSG vom 29. Oktober 2012, Az. L 9 AS 601/10, Rn. 35f., zitiert nach juris).

So muss die Behörde auch nicht zwingend auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts ausschließlich durch Verwaltungsakt handeln. Die Behörde kann in den Fällen, in denen sie zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben der hoheitlichen Position nicht bedarf, dem Bürger auch auf der Ebene der rechtlichen Gleichordnung gegenüber treten und sich der Handlungsform bedienen, wie sie die Privatrechtsordnung den Partnern des Schuldverhältnisses zur Verfügung stellt (vgl. BFH, a.a.O., Rn. 16, zitiert nach juris). Das gilt auch für den Erstattungsanspruch nach § 63 SGB X und die Aufrechnung mit dem Rückforderungsanspruch des Beklagten als Jobcenter gegenüber dem Leistungsberechtigten. Der Behörde wird durch die Aufrechnung im Wege des Zivilrechts nicht weniger an Rechtsposition vermittelt als durch die Geltendmachung per Verwaltungsakt.

Dagegen spricht auch nicht die Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts zu der Vorlagefrage: "ob eine Verrechnung nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären ist" (Vorlagebeschluss des 13. Senats vom 25. Februar 2010, Az. B 13 R 76/09 R m.w.N. zur bisherigen Rspr. des BSG in Rn. 26 bis 33, zitiert nach juris). Dazu hat der Große Senat des BSG (Beschluss vom 31. August 2011, Az. GS 2/10, Rn. 10ff.) ausgeführt: Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten ausgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm nach § 52 SGB I obliegenden Geldleistungen durch Verwaltungsakt regeln. Er hat aber ausdrücklich nur diese Rechtsfrage beantwortet. Als nicht entscheidungserheblich angesehen und daher ausdrücklich offen gelassen wurde die Frage, ob bzw. inwieweit trotz gegebenenfalls rechtswidrigen Verwaltungsakts eine darin enthaltenen wirksame Verrechnung durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung zu sehen sein kann (Rn. 13, zitiert nach juris), die Frage nach der Rechtsnatur der Aufrechnung im Sinne des § 51 SGB I (Rn. 11, zitiert nach juris) sowie die Frage, wie es rechtlich zu bewerten ist, wenn der Verrechnungsgegner nicht Inhaber eines Sozialleistungsanspruchs (§ 11 SGB I) ist (Rn. 11, zitiert nach juris). Letzteres ist die hier zu entscheidende Variante.

Zudem geht auch nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts dieses in den Entscheidungen vom 06. März 2012, Az. B 1 KR 15/11 R sowie vom 31. Mai 2016, Az. B 1 KR 38/15 R und B 1 KR 17/15 R weiterhin davon, dass die Vorschriften des Zivilrechts, speziell hier der Aufrechnung, auch im Öffentlichen Recht Anwendung finden dürfen.

Es gibt im Sozialrecht auch keine zwingende Vorschrift, die das ausschließliche Handeln durch Verwaltungsakt gebietet. Der Schutz des einzelnen Klägers ist nicht eingeschränkt durch die Handlungsform der öffentlich- rechtlichen Willenserklärung der Verwaltung. Wie das vorliegende Verfahren zeigt, besteht auch bei dieser Konstellation gerichtlicher Rechtsschutz. Auch bei privaten Rechtsgeschäften kann der Kläger Aufrechnungen ausgesetzt sein. Die Sicherung des Existenzminimums beim Handeln der Öffentlichen Verwaltung wird durch die Vorschriften der §§ 51 und 54 SGB I garantiert. Zudem kann sich der Kläger auch privatrechtlichen Forderungen (z.B. hohe Schulden durch unbedachtes Konsumverhalten) aussetzen, die in den Bereich der Existenzsicherung einwirken und zu Privatinsolvenzverfahren führen. Bei Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten in sozialrechtlichen Angelegenheiten besteht immer das Risiko, die Kosten nicht durch die Behörde als Kostenerstattungsanspruch bzw. die Staatskasse in Form vor Prozesskostenhilfe erstattet zu erhalten, nämlich im Falle der Erfolglosigkeit. Dies gehört zum allgemeinen Lebensrisiko.

Insofern sind keine Gründe erkennbar, die eine Aufrechnung der Behörde durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung ausschließen.

Der Aufrechnung gegen die Forderungen der Klägerinnen stand hier entgegen, dass keine Personenidentität hinsichtlich Schuldner und Gläubiger besteht. Die Klägerinnen und der Kläger sind im Hinblick auf den Leistungsanspruch gegenüber dem Beklagten Teilgläubiger.

Die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind entgegen der Ansicht des Beklagten nicht als Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 BGB zu verstehen. Die Vorschrift lautet: "Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten. Dies gilt auch dann, wenn einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben hat." Gegen die Annahme einer Gesamtgläubigerschaft des Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 63 SGB X spricht jedoch schon, dass dem spiegelbildlich im Leistungsfestsetzungsverfahren die Bedarfsgemeinschaft gegenübersteht. Diese ist jedoch ebenfalls keine Gesamtgläubigergemeinschaft. Wäre dem so, würde die Regelung des § 38 SGB II, die Vermutung der Vertretungsbefugnis für die Beantragung und Entgegennahme von Leistungen vorbehaltlich entgegenstehender Anhaltspunkte, überflüssig sein. Damit im Einklang steht auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Individualisierung von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden. Auch hier dürfen Rückforderungen nur gegenüber jedem einzelnen Mitglied geltend gemacht werden und nicht gegenüber der gesamten Bedarfsgemeinschaft gemeinsam.

Dies muss auch für den Kostenerstattungsanspruch gemäß § 63 SGB X gelten. Es ist nicht erkennbar, warum aus Kostengesichtspunkten aus Individualansprüchen ein Anspruch von Gesamtgläubigern werden sollte. Dafür sind weder verfahrensrechtliche noch andere Gründe festzustellen. Insbesondere ergeben sich aus der Rechtsnatur des Kostenerstattungsanspruchs aus § 63 SGB X keine Besonderheiten.

Richtig ist, dass auch weiterhin eine Klägergemeinschaft im Verhältnis zum/zur Prozessbevollmächtigten eine Gesamtschuldnergemeinschaft darstellt [so LSG Niedersachsen-Bremen vom 22. Juni 2016, Az. L 7 AS 152/15 B, Rn. 20, zitiert nach juris unter Verweis auf die Vorschriften des § 6 Abs. 2 Satz 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) a.F./§ 7 Abs. 2 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) neue Fassung. Der Prozessbevollmächtigte kann sich aussuchen, von wem er die Vergütung verlangt, also von einem alles oder von jedem den Kopfteil. Dennoch ist dieses sog. "Innenverhältnis" zwischen Mandanten und Prozessbevollmächtigten nicht zwingend in dem Sinne, dass auch der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X oder jedweder anderer Gebührenanspruch in anderen Verfahrensordnungen bei mehreren Klägern in einem Klageverfahren diese zu einer Gesamtgläubigergemeinschaft gegenüber dem Kostenschuldner macht. Da für jeden Kläger individuell sowohl formelle als auch materielle Voraussetzungen des geltend gemachten Rechtsanspruchs gegeben sein müssen, kann für jeden einzelnen die Klage anders ausgehen, was bedeutet, sie gewinnen oder verlieren nicht in jedem Fall gemeinsam, sondern ggf. in den verschiedensten Konstellationen des Obsiegens bzw. Unterliegens.

In diesem Zusammenhang ist jeder der Kläger - abweichend von anderen Vereinbarungen (vgl. § 420 BGB "im Zweifel") - weder allein berechtigt, den vollen Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen, noch ist der Anspruch in der Art teilbar, dass einem Kläger gegenüber die Abrechnung aufgrund der vollen Gebühr erfolgen müsste und die Übrigen auf die volle Erhöhungsgebühr zu verweisen wären. Die Erhöhungsgebühr stellt in diesem Rahmen lediglich eine pauschalierte Gebührenkürzung aufgrund erwartbarer Synergieeffekte dar. Solche Effekte sind einzelnen Auftraggebern nicht ebenso erwartbar – und damit einer abstrakt-generellen Regelung zugänglich – zuzuordnen.

Vielmehr sind entsprechend der Auslegungsregel des § 420 BGB obsiegende Streitgenossen bezüglich der an sie zu erstattenden Kosten keine Gesamt- sondern Teilgläubiger [so Oberlandesgericht (OLG) Köln vom 11.06.2014, Az. 17 W 59/14, Rn. 9, zitiert nach juris unter Verweis auf OLG Koblenz RP 1977, 216; OLG Hamburg JB 1996, 259; OLG Karlsruhe JB 2006, 205; OLG Köln OLGR 2009, 526; OLG Düsseldorf MDR 2012, 494; Hartmann, Kostengesetze, a.a.O., § 7 RVG Rn. 37; Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 1008 Rn. 312 ff; Schulz MK-ZPO, 4. Aufl., § 104 Rn. 66; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 100 Rn. 4, § 104 Rn. 21]. In zivilrechtlichen Verfahren hat dies zur Folge, dass jeder der obsiegenden Streitgenossen grundsätzlich nur einen hälftigen Erstattungsanspruch hat, soweit er nicht in eigener Person besondere Kosten, z.B. Reisekosten für die Teilnahme am Termin, erstattet verlangen kann (OLG Köln, a.a.O., Rn.9). Letztlich führt auch der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 30. April 2003 zum Aktenzeichen VIII ZB 100/02, Rn. 8ff., zitiert nach juris aus: "Die in der Rechtsprechung überwiegende und in der Kommentarliteratur einhellig vertretene Gegenmeinung billigt dem obsiegenden Streitgenossen grundsätzlich nur einen Anspruch auf Erstattung eines seiner wertmäßigen Beteiligung entsprechenden Bruchteils an den Kosten des gemeinsamen Anwalts zu. Sie geht von der Kostengrundentscheidung nach der von der Rechtsprechung übernommenen Baumbachschen Formel aus, die nicht dadurch unterlaufen werden dürfe, daß der obsiegende Streitgenosse die vollen Kosten des gemeinsamen Anwalts vom Gegner liquidiere. Der Begriff der "erwachsenen Kosten" müsse im Zusammenhang mit der Einschränkung auf die Notwendigkeit der erstattungsfähigen Kosten einer Partei in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gesehen werden; notwendig in diesem Sinne seien aber nur die Kosten, mit denen der Streitgenosse auf Dauer in seinem Vermögen belastet werde."

Entscheidend führt der Bundesgerichtshof (a.a.O.) weiter aus: "Überdies führe die Gegenmeinung zu dem unbilligen Ergebnis, dass der Prozessgegner entgegen der Kostengrundentscheidung die vollen Anwaltskosten der Streitgenossen tragen müsse und der ihm gegenüber unterlegene Streitgenosse keinen Anteil an diesen Kosten zu übernehmen brauche (m.w.N.)"

Übertragen auf das Sozialrecht und speziell das SGB II bedeutet dies, dass der Beklagte dann letztlich doch die Kosten der gesamten Bedarfsgemeinschaft tragen müsste, was gerade dem Erfolgsprinzip des § 63 SGB X zuwiderlaufen würde. Das obsiegende Mitglied der Bedarfsgemeinschaft müsste sich nur an den teilweise unterlegenen Beklagten wenden, wenn man von einer Gesamtgläubigergemeinschaft ausginge und könnte die gesamten Kosten einfordern. Zudem könnte sich auch ein einzelnes, im Rechtsstreit unterlegenes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft an den Beklagten wenden, und die gesamten Kosten des Rechtsstreites rechtmäßig einfordern. Soweit dieser damit nicht redlich umginge und die Kosten verbrauchen würde, würde das im Rechtsstreit obsiegende Mitglied der Bedarfsgemeinschaft seinen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X wertmäßig "verlieren", was im Bereich der Existenzsicherung besonders unbillig wäre, da keinerlei Vollstreckungsmöglichkeiten gegenüber dem/den unterlegenen Mitglieder(n) der Bedarfsgemeinschaft im Innenverhältnis bestünden, solange sich diese weiterhin im Leistungsbezug nach dem SGB II befinden. Praktisch relevant ist dies insbesondere dann, wie das hier zu beurteilende Verfahren zeigt, wenn Bedarfsgemeinschaften auseinanderbrechen.

Damit konnte der Beklagte nur in Höhe des kopfteiligen Kostenerstattungsanspruchs aus dem Kostenfestsetzungsbescheid vom 19. September 2013 in Höhe von 52,36 EUR gegenüber dem Kläger aufrechnen und die Klägerinnen haben jeweils einen kopfteiligen Auszahlungsanspruch von 52,36 EUR gegenüber dem Beklagten als Kostenerstattungsanspruch aus dem Widerspruchsverfahren W 2415/12. Daher war die Berufung des Beklagten auch vollumfänglich zurückzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung richtet sich nach dem Ausgang der Hauptsache, vgl. § 193 SGG. Der Rechtsmittelführer, der Beklagte, ist im Berufungsverfahren unterlegen und daher dem Grunde nach verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen in dieser Instanz zu erstatten. Die Kostenentscheidung der ersten Instanz bleibt unberührt. Ob mit dem Kostenausspruch der ersten Instanz auch der Kläger zu 1) (nicht Berufungsbeklagter) gemeint ist, muss hier nicht entscheiden werden.

3. Gründe, die Revision im Sinne des § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen bestehen nicht. Die entscheidungserheblichen Fragen können sowohl mit dem Gesetz als auch mit der bereits ergangenen Rechtsprechung beantwortet werden.
Rechtskraft
Aus
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