L 14 AS 1469/17 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 49 AS 766/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1469/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 7. Juli 2017 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 20. Juli 2017 gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 10. April 2017 angeordnet. Soweit dieser schon vollzogen ist, wird die Aufhebung der Vollziehung angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt (EGV) und begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen eingelegten Widerspruchs/der hiergegen erhobenen Klage.

Der 1977 geborene Antragsteller steht nach mehrmonatiger Unterbrechung aufgrund eines zwischenzeitlichen Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma L Automobile, T, seit März 2016 wieder im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (Bescheid vom 13.September 2016 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2017). Bereits im Rahmen eines persönlichen Kontakts am 2. April 2015 hatte der Antragsgegner die Profillage auf "Stabilisierungsprofil" mit dem Zusatz: "Zur Heranführung an den Arbeitsmarkt ist eine Unterstützung erforderlich" geändert. "Eine Integration im Zielberuf "Bürokraft" wird innerhalb von zwölf Monaten angestrebt". Da der Antragsteller mehreren Einladungen des Antragsgegners nicht Folge leistete, sich nicht auf einen Vermittlungsvorschlag bei der S GmbH als Kundendienstberater bewarb und sich auch nicht im Hinblick auf die angegebene gesundheitliche Instabilität vom ärztlichen Dienst des Antragsgegners begutachten ließ, hatte der Antragsgegner bereits mehrere Sanktionsbescheide erlassen, in denen er den Regelbedarf zunächst um 10 %, dann um 30 % abgesenkt und das Arbeitslosengeld II entsprechend gemindert hatte.

Auf einen Vermittlungsvorschlag des Antragsgegners vom 22. Februar 2017 bewarb sich der Antragsteller bei der Firma & Personalservice GmbH als Callcenter-Agent mit folgender Formulierung: " Die von Ihnen geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten besitze ich, da ich schon früher in diesem Bereich arbeitete. Lediglich mit Punkt 3 Ihrer Anforderungen kann ich nicht punkten. Teamfähigkeit gehört nämlich nicht zu meinen Stärken. Leider. " Eine Reaktion des Arbeitgebers erfolgte nicht.

Im Rahmen der Anhörung zu einer möglichen Sanktion wegen nicht ernsthafter Bewerbung trug der Antragsteller vor, er sei tatsächlich nicht teamfähig. Seine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker habe er erst beim zweiten Arbeitgeber mühsam abgeschlossen; man habe ihm immer sehr gute fachliche Kenntnisse und sehr großen Einsatz bescheinigt, jedoch sei er mit dem Team nicht zurechtgekommen. Ebenso sei es bei der letzten Stelle im Autohaus L geschehen. Er sei seit langem in psychologischer Behandlung, bereits vor acht Jahren sei eine stark ausgeprägte antisoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden. Sein Therapeut habe ihm abgeraten, sich wieder in ein Arbeitsumfeld mit einem bereits bestehenden Team zu begeben und ihm geraten, offen mit dem Problem umzugehen.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2017 minderte der Antragsgegner das Arbeitslosengeld II um 60 % des Regelbedarfs, da der Antragsteller von vornherein gezeigt habe, dass er nicht ernsthaft an der Stelle als Callcenter-Agent bei der & Personalservice GmbH interessiert gewesen sei.

Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs am 10. April 2017 weigerte sich der Antragsteller, mit dem Antragsgegner eine EV zu schließen. Nach dem Beratungsgespräch erstellte der Antragsgegner folgendes Profiling: "Zielberuf Bürokaufmann, vermittlungsrelevanter Handlungsbedarf: Berufserfahrung, vermittlungsrelevante gesundheitliche Einschränkungen: Eigeninitiative/Arbeitshaltung, Qualifikation: Kunde hat lediglich Erfahrung als Selbstständiger bis 2008 in der Kfz-Branche, seitdem arbeitslos, Leistungsfähigkeit: Seit September 2012 in psychiatrischer Therapie (zweimal wöchentlich), zeigt keine Motivation."

Der Antragsgegner erließ am 10. April 2017 den hier streitgegenständlichen EVG nach § 15 Abs. 3 S. 3 SGB II, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 99 VA).

Der Antragsteller hat am 8. Mai 2017 vor dem Sozialgericht Potsdam einen Antrag nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG gestellt und beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 20. April 2017 gegen den EGV vom 10. April 2017 anzuordnen.

Den gegen den EGV gerichteten Widerspruch, mit dem der Antragsteller Teilnichtigkeit geltend machte, da der EGV ihm bereits vor dessen Zugang Pflichten auferlegt habe, zudem seine Eignung und individuelle Lebenssituation nicht ausreichend berücksichtige und keine individuellen, konkreten, unverbindlichen Leistungsangebote zur Eingliederung in Arbeit enthalte, wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2017 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 3 SGB II lägen vor, denn trotz ernsthafter Bemühungen sei eine EV mit dem Antragsteller nicht zustande gekommen. Der EGV sei rechtmäßig zu Stande gekommen und lasse ein ausgewogenes Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtungen erkennen und berücksichtige auch die Eignung und individuelle Lebenssituation des Leistungsberechtigten. Es wird ergänzend auf die Ausführungen des Antragsgegners in seinem Widerspruchsbescheid verwiesen.

Der Antragsgegner hat gegen den Widerspruchsbescheid am 20. Juli 2017 Klage beim SG Potsdam erhoben (S 51 AS 1275/17).

Mit Beschluss vom 7. Juni 2017 hat das SG den Antrag abgelehnt, denn bei summarischer Prüfung bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des EGV. Der Inhalt des Verwaltungsaktes sei jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig und lasse im Ergebnis keine Unausgewogenheit der wechselseitigen Verpflichtungen erkennen. Er sei sehr allgemein gehalten, was dem Sinn und Zweck des § 15 SGB II entgegenstehe und es bestünden auch Rechtmäßigkeitszweifel mangels Individualisierung dahingehend, dass das Berufs- und Tätigkeitsfeld nicht benannt sei. Aus dem Verwaltungsakt ergebe sich als Ziel die Integration in dem Beruf des Bürokaufmanns, zu dem Berufserfahrungen fehlten. Allerdings ließen sich direkte Nachteile daraus nicht ableiten. Die einzige Verpflichtung des Antragstellers aus dem EGV bestehe in den Bewerbungen auf Veranlassung des Antragsgegners, er enthalte aber weder eine Mindestanzahl von Bewerbungen aus Eigeninitiative noch eine Höchstzahl an möglichen Stellenangeboten des Antragsgegners, was jedoch nicht zu einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Vereinbarung führe. Erhalte der Antragsteller eine unverhältnismäßig hohe Anzahl an Stellenangeboten und könne sich nicht innerhalb von drei Tagen bewerben, erlange dies erst Bedeutung im Rahmen einer möglichen Sanktion, gleiches gelte für unzumutbare Tätigkeiten abweichend vom Profil des Antragstellers. Dies habe Bezug auf Bewerbungen aus der Vergangenheit und sei kein bloßer Textbaustein. Des Weiteren enthalte der Bescheid den Hinweis auf die Höchstgrenze der Erstattung pro Jahr und lege Pauschalen für online-Bewerbungen sowie für schriftliche Bewerbungen fest. Unerheblich sei für die Rechtmäßigkeit auch, dass der EGV keine Rechtsfolgenbelehrung enthalte. Eine möglicherweise nicht ausreichende oder nicht hinreichend konkrete Rechtsfolgenbelehrung könne allenfalls Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit eines nachfolgenden Sanktionsbescheids haben, berühre jedoch die Rechtmäßigkeit des EGV selbst nicht. Der EGV sei auch nicht offensichtlich rechtswidrig, weil er keine zeitliche Begrenzung benenne, denn das Gesetz gebe dessen Überprüfung und Fortschreibung spätestens nach Ablauf von sechs Monaten vor. Auch der vor der Bekanntgabe liegende Gültigkeitsbeginn führe nicht zur Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit, denn der Bescheid werde erst mit Zugang wirksam, so dass Rechtsfolgen erst ab diesem Zeitpunkt abgeleitet werden könnten. Mangels offensichtlicher Rechtswidrigkeit führe die Interessenabwägung dazu, dass die Interessen des Antragstellers nicht überwiegen würden. Insbesondere sei regelmäßig nachträglicher Rechtsschutz gegen Sanktionen aufgrund eines Verstoßes gegen eine sich aus dem EGV ergebende Pflicht möglich und ausreichend (Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 24 März 2014, L 7 AS 217/14 B ER, Rn. 15, juris).

Gegen den ihm am 14. Juni 2017 zugestellten Beschluss richtet sich die beim LSG Berlin-Brandenburg am 13. Juli 2017 eingegangene Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser an seinem Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 20. April 2017 gegen den EGV vom 10. April 2017 festhält und ergänzend ausführt, dass der angefochtene Bescheid zudem ermessensfehlerhaft sei (§ 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) i.V.m. § 54 Abs. 2 S. 2 SGG).

Der Antragsgegner hat dahingehend ergänzend Stellung genommen, dass es zweifelhaft sei, dass durch die Nichterwähnung des Berufs "Bürokaufmann" der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei. Am 10. April 2017 sei dieser Zielberuf Gegenstand des Gesprächstermins gewesen. In der Widerspruchsentscheidung vom 14. Juli 2017 werde ausdrücklich darauf Bezug genommen.

Auf telefonische Anfragen der Berichterstatterin hat der Vertreter des Antragsgegners mitgeteilt, dass der Antragsteller gegen den Sanktionsbescheid vom 22. Mai 2007 Widerspruch eingelegt habe, über den noch nicht entschieden sei. Der Prozessbevollmächtigte hat mitgeteilt, dass am 20. Juli 2017 Klage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt bei dem SG Potsdam (S 51 AS 1279/17) erhoben worden ist.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die die zulässige Beschwerde (§§ 173, 174 SGG) ist begründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zu Unrecht abgelehnt. Der Eilantrag wurde als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des damals noch anhängigen Widerspruchs gestellt und ist im Beschwerdeverfahren dahingehend auszulegen, dass der Antrag sich nunmehr auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am 20. Juli 2017 vor dem SG Potsdam erhobenen Klage richtet.

Ein EGV hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, d.h. er ist sofort vollziehbar. In einem solchen Fall kann gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsakts bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Im Rahmen der Abwägung hat neben den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache die Frage der Eilbedürftigkeit wesentliche Bedeutung. Nur bei offenbarer Rechtswidrigkeit der angegriffenen Regelung ist die Feststellung einer besonderen Eilbedürftigkeit entbehrlich. In Fällen des § 39 SGB II, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug den Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt, ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung die mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 12c ff).

Im Streitfall hat sich der EGV im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts schon zum Teil vollzogen, da der Beginn seiner Geltung auf den 10. April 2017 festgelegt worden ist. In einem solchen Fall kann nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung angeordnet werden. Das Gericht kann somit die erfolgten Vollziehungshandlungen bzw. deren unmittelbare Folgen rückgängig machen. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist begründet, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten Interesse des Antragstellers an der Rückgängigmachung der Vollziehung gegenüber dem (durch den Antragsgegner vertretenen) Interesse der Allgemeinheit an der (Beibehaltung der) Vollziehung der Vorrang zu geben ist.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint auch eine Aufhebung der Vollziehung des streitigen Bescheides zugunsten des Antragstellers auch für zurückliegende Zeiträume gerechtfertigt, denn im Hinblick auf die gegen den Antragsteller mit Bescheid vom 22. Mai 2017 verhängte Sanktion in Höhe einer Minderung des Arbeitslosengeldes II monatlich um 60 % wegen nicht ernsthafter Bewerbung auf den Vermittlungsvorschlag als Callcenter-Agent in der Firma & Personalservice GmbH würde dem Antragsteller nunmehr bei weiteren Verstößen eine Kürzung der Regelleistung bis zu 100 % drohen.

Insbesondere kann der Antragsteller auch nicht darauf verwiesen werden, seine Einwendungen gegen den EGV im Rahmen einer Anfechtung des bei Pflichtverletzungen drohenden Sanktionsbescheides geltend zu machen. Zwar wäre in diesem Rahmen die Rechtmäßigkeit des EGV inzident zu prüfen, jedoch ist nicht abzusehen, wie weit diese Prüfung reicht und ob dem Antragsteller möglicherweise die Bestandskraft des EGV entgegengehalten werden könnte (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Juni 2017, L 25 AS 1631/16, juris).

Rechtsgrundlage für den Erlass des EGV vom 10. April 2017 ist § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung –EV -). Wenn eine EV nicht zustande kommt, sollen gemäß § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II die Regelungen nach Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen. Der Antragsgegner konnte gemäß § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II den Verwaltungsakt erlassen, da eine EV im Vorsprachetermin vom 10. April 2017 infolge der Verweigerungshaltung des Antragstellers nicht zustande gekommen war. In diesem Fall stand dem Antragsgegner nur die Handlungsform Verwaltungsakt zur Verfügung (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 195/11 R, juris).

Der EGV vom 10. April 2017 erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Dabei folgt dies nicht bereits daraus, dass der Antragsgegner die Gültigkeit beginnend mit dem 10. April 2017 angeordnet hat, ein Zeitpunkt, zu dem der Kläger den EGV noch gar nicht erhalten hatte, denn der Bescheid ist erst mit Zugang wirksam geworden. Der Senat teilt auch die Auffassung des SG, dass der EGV nicht deshalb rechtswidrig ist, weil seine Dauer nicht exakt zeitlich bestimmt, sondern "bis auf weiteres" angeordnet worden ist, denn die EGV sei regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten, zu überprüfen und fortzuschreiben (§ 15 Abs. 1 S. 1 SGB II). Auch das Fehlen einer schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung (§ 31 Abs. 1 SGB II) begründet hier nicht die Rechtswidrigkeit des EGV, denn es ist davon auszugehen, dass der Antragsteller über seine Mitwirkungspflichten und der Folgen von Pflichtverletzungen bei den persönlichen Kontakten belehrt worden ist, so auch am 10. April 2017. Eine schriftliche Belehrung ist entbehrlich, wenn der Leistungsberechtigte Kenntnis von den Rechtsfolgen hatte.

Bei summarischer Prüfung erweist sich der EGV aber deshalb als rechtswidrig, weil die gegenseitigen Rechte und Pflichten nicht ausreichend konkret aufgenommen sind. Nach § 15 Absatz 1 S. 2 SGB II soll die EV insbesondere bestimmen, welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat, welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, der erwerbsfähige Hilfebedürftige zu beantragen hat.

Hieran gemessen erweisen sich die Regelungen in Nr. 4 "Unterstützung durch das Jobcenter" und Nr. 5 "zur Integration in Arbeit" als zu pauschal und zu wenig konkret.

So enthält die Regelung Nr. 4 lediglich Textbausteine, die auf jeden Leistungsempfänger passen. Es wird nicht deutlich, welches Bewerberprofil in www.Arbeitsagentur.de aufgenommen wird. Bei den Ausführungen über die Unterstützung der Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen und Kosten für schriftliche Bewerbungen unter Angabe einer Höchstgrenze von 260,00 Euro pro Jahr und einer Pauschale von fünf Euro bzw. zwei Euro pro online Bewerbung sowie der Unterstützung einer Teilnahme an einer Maßnahme bei einem Arbeitgeber gem.§ 16 Abs. 1 SGB II handelt es sich um allgemeine Textbausteine. Keinerlei Ausführungen werden gemacht zum Profiling für den Zielberuf Bürokaufmann mit dem vermittlungsrelevanten Handlungsbedarf: Berufserfahrung. Aus dem Vermerk des Antragsgegners vom 10. April 2017 ergibt sich die Festlegung eines gemeinsamen Ziels: Aufnahmebeschäftigung erster Arbeitsmarkt lokal, ein individueller Integrationsplan wurde festgelegt und im Rahmen der e.V. mit dem Kunden vereinbart. Hierüber findet sich in dem EGV nichts, es erfolgt nicht einmal eine Bezugnahme. Im Rahmen der Unterstützung durch das Jobcenter sollte zudem bei der Auswahl der Eingliederungsleistungen die Eignung, die individuelle Lebenssituation, die voraussichtliche Dauer der Hilfsbedürftigkeit und die Dauerhaftigkeit der Eingliederung berücksichtigt werden. Hier hätte es sich aufgrund des schon jahrelang bekannten instabilen psychischen Gesundheitszustandes des Antragstellers möglicherweise angeboten, ein Attest seines behandelnden Therapeuten vorzulegen, um dann nochmals, gerade unter Berücksichtigung der Ausführungen des Antragstellers in seinem Schreiben vom 5. April 2017 über eine ärztliche Begutachtung zu sprechen.

Auch die geforderten Eigenbemühungen sind nicht ausreichend konkret beschrieben, so dass später zweifellos festgestellt werden kann, ob der erwerbsfähige Leistungsberechtigte seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Unklarheiten gehen hier zulasten des Trägers der Grundsicherung (vgl. hierzu Müller, in Hauck/Noftz, SGB II, § 15 Rn. 48 ff.). Bei den vom Antragsteller zu erbringenden Eigenbemühungen (Nr. 5) ist lediglich die Verpflichtung aufgenommen, sich zeitnah auf Vermittlungsvorschläge zu bewerben bzw. sich auch eigeninitiativ ernsthaft zu bewerben. Die Pflicht des Antragstellers, sich um Arbeit zu bemühen und dazu Bewerbungen an mögliche Arbeitgeber zu schicken ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB II), wo bestimmt ist, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen haben. Auch handelt es sich insoweit um Textbausteine, die auf jeden Leistungsempfänger passen würden. Eine EV muss zudem bestimmen, welche Bemühungen der erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er dem die Bemühungen nachzuweisen hat. Hierzu ergibt sich lediglich, dass schriftliche Bewerbung bzw. Bewerbungen per E-Mail so zu fassen sein, dass der Arbeitgeber sie nicht von vornherein als unbeachtlich oder offensichtlich unernst gemeint behandeln könne. Im Übrigen enthält der EGV keine Zahl der nachzuweisenden Bewerbungen. Es wird auch nicht deutlich gemacht, welche zu seinem Qualifikationsprofil passenden Eigenaktivitäten der Antragsteller entwickeln müsste. Nach seinem Vortrag, der allerdings nicht durch ärztliches Attest belegt ist, dürfte der Antragsteller nach seiner Persönlichkeit nicht zu einer Callcenter-Tätigkeit geeignet sein ebenso wenig wahrscheinlich zu Tätigkeiten im beratenden oder PR-Bereich, etwa als Kundendienstberater.

Der die Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt entspricht damit nicht den im Rahmen der EV gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 SGB II einzuhaltenden Mindestanforderungen und ist daher rechtswidrig. Es fehlt den Festsetzungen an der hinreichenden Bestimmtheit und an der notwendigen Verbindlichkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Beschwerde.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt M N wird abgelehnt, da der Antragsteller aufgrund der (unanfechtbaren) Entscheidung über die Erstattung von Kosten in diesem Beschluss in der Lage ist, die Kosten des Verfahrens selbst aufzubringen.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar; § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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