S 135 AS 26993/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
135
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 135 AS 26993/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es besteht kein Schadensersatzanspruch des Jobcenters gegen den Leistungsempfänger wegen Abbruchs der Maßnahme aus der Eingliederungsvereinbarung, wenn das Jobcenter dem Maßnahmeträger gegenüber nicht zur Zahlung nach Abbruch verpflichtet ist.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zahlung von Schadensersatz von der Beklagten.

Die Beklagte steht im Leistungsbezug des Klägers.

Am 15. August 2012 händigte der Kläger der Beklagten einen Bildungsgutschein ein. Diesen reichte die Beklagte für eine Maßnahme zur Vorbereitung auf die Nichtschülerprüfung Erzieher/-in bei der. Berlin GmbH ein, für die sie am 30. Juli 2012 unterschrieb. Die Maßnahme sollte im Zeitraum vom 15. August 2012 bis 14. August 2014 stattfinden.

Am 15. August 2012 unterschrieb die Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung. Diese enthielt unter anderem die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz aus einem von der Beklagten zu vertretenden Grund. Die Klausel lautete:

"Der Schadensersatz umfasst den tatsächlich durch das Nichtbeenden der Maßnahme eingetretenen Schaden i.H.v. 11.328 Euro (s. Punkt 2), max. jedoch einen Betrag von 30 Prozent in Höhe von 3.398.40 Euro (s. Punkt 1).

Die Höhe des Schadensersatzes kann aufgrund der persönlichen und finanziellen Verhältnisse und des Verschuldensgrades in Stufen von 1 bis zu 30 Prozent gemindert werden.

1. Die Maßnahmekosten umfassen: die Kosten des Trägers der Maßnahme in Höhe von 11.328,00 Euro Ihre Fahrtkosten in Höhe von nicht beziffert Euro Ihre Kinderbetreuungskosten in Höhe von nicht beziffert

2. Bei der tats. Schadensermittlung werden folgende Kostenpositionen einbezogen: Kosten des Trägers der Maßnahme ab Abbruch der Maßnahme [ ]."

Mit Bescheid vom 27. September 2012 bewilligte der Kläger der Beklagten die Leistungen zur beruflichen Weiterbildung in Höhe von 11.328,- Euro Lehrgangskosten und 837,50 Euro Fahrtkosten.

Aus einem Verbisvermerk vom 8. Oktober 2012 ergibt sich, dass der Kläger ein Gespräch mit der Berlin GmbH führte, weil die Beklagte seit längerem unentschuldigt fehlte und zu 80 Prozent abwesend war. In einem Gespräch am 8. Oktober 2012 teilte die Beklagte aber mit, die Maßnahme fortsetzen zu wollen. Die Berlin GmbH teilte in dem Gespräch mit, dass die Beklagte als verantwortungsvoll eingeschätzt werde, man ihr einen Gesprächstermin mitteilen werde und dann entscheiden, ob die Maßnahme fortgesetzt werden solle.

Nach dem die Beklagte seit dem 30. Oktober 2012 erneut unentschuldigt fehlte, meldete die. Berlin GmbH am 15. November 2012, dass die Maßnahme wegen unentschuldigten Fehlens abgebrochen worden sei.

Mit Schlussrechnung vom 17. Dezember 2012 stellte die ... Berlin GmbH dem Kläger monatliche Beträge für die Zeit vom 15. August bis 14. September 2012 und 15. September bis 14. Oktober 2012 in Höhe von 472,- Euro in Rechnung und für die Zeit vom 15. Oktober bis 30. Oktober 2012 in Höhe von 236,- Euro. Außerdem machte sie eine 1. und 2. Abbruchrate in Höhe von jeweils 472,- Euro geltend, insgesamt betrug die Forderung 2124,- Euro. Mit Schreiben vom 27. Juni 2013 erinnerte die Berlin GmbH den Kläger daran, die Leistungen einzustellen, die dieser trotz Schlussrechnung fortgesetzt hatte.

Am 8. Juli 2013 sandte der Kläger ein Anhörungsschreiben an die Beklagte, in dem er ihr mitteilte, einen Schadensersatz in Höhe von 3398,40 Euro, 30 Prozent der Lehrgangskosten, zu verlangen.

Nachdem dem der Kläger den Bescheid über die Bewilligung der Lehrgangskosten vom 27. September 2013 aufgehoben hatte, forderte er am 4. Juli 2014 von der Beklagten einen Schadensersatz in Höhe von 944,- Euro.

Am 17. November 2014 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Leistung von Schadensersatz von der Beklagten fordert.

Der Kläger trägt vor, die Verpflichtung der Beklagen zur Leistung von Schadensersatz in Höhe der vom Kläger an die ... Berlin GmbH gezahlten zwei Abbruchraten ergebe sich aus der Zertifizierung des Maßnahmeträgers. Er verweist insoweit auf Nr. 15 des Maßnahmebogens und auf seine fachlichen Hinweise zu § 16 SGB II i.V.m. §§ 81 ff. SGB III. Die Abbruchraten seien ein seit 1998 mit großen Maßnahmeträgern vereinbartes Förderelement. Die Zahlung zweier Abbruchraten sei dabei zwingend bei Abbruch durch den Kunden egal aus welchem Grund. Der Maßnahmeträger unterzeichne einen Kurzfragebogen und bestätige damit diese Vereinbarung. Dieser werde aber nicht für jeden Teilnehmer unterzeichnet, sondern der Maßnahmeträger reiche nur für den ersten Teilnehmer einen solchen Kurzfragebogen ein. Dann werde kein weiterer ausgefüllt. Außerdem ergebe sich die Schadensersatzpflicht aus § 84 Abs. 2 SGB III.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 944,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass sie die Maßnahme aus schwerwiegenden psychischen Problemen abgebrochen habe. Sie stehe noch im Leistungsbezug und könne den Schadensersatz nicht zahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der die Beklagte betreffenden Verwaltungsakte verwiesen, die der Kammer vorgelegen hat und Gegenstand der geheimen Beratung sowie mündlichen Verhandlung geworden ist.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne die Klägerin gemäß §§ 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden.

Die Klägerin wurde ordnungsgemäß per Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten am 8. August 2017 geladen und sie wurde auf die Möglichkeit der Entscheidung ohne ihre Anwesenheit hingewiesen. Eine ausreichende Entschuldigung des Fehlens liegt nicht vor.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig,

Die Eingliederungsvereinbarung vom 15. August 2012 stellt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Kläger und Beklagter dar. Ansprüche aus diesem können nicht durch Verwaltungsakt festgesetzt, sondern müssen durch die Leistungsklage verfolgt werden (SG Berlin, Urteil vom 27. November 2012, S 172 AS 7624/12 m.w.N. und Urteil vom 13. September 2011, S 172 As 19682/09 m.w.N.).

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Schadensersatzes wegen Abbruchs der Maßnahme.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der Eingliederungsvereinbarung i.V.m. § 15 Abs. 3 SGB II in der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt gültigen Fassung (a.F.).

Nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB II a.F. soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Wird in der Eingliederungsvereinbarung eine Bildungsmaßnahme vereinbart, ist auch zu regeln, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen die oder der erwerbsfähige Hilfebedürftige schadenersatzpflichtig ist, wenn sie oder er die Maßnahme aus einem von ihr oder ihm zu vertretenden Grund nicht zu Ende führt, § 15 Abs. 3 SGB II a.F ...

Der von der Klägerin danach geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitert bereits am Fehlen eines durch das Verhalten der Beklagten verursachten Schadens. Denn als Schaden kommt hier nur eine Befreiung von der Verbindlichkeit in Betracht. Den Kläger traf aber gegenüber dem Maßnahmeträger, der. Berlin GmbH, keine Verpflichtung zur Zahlung der hier geltend gemachten zwei Abbruchraten. Eine solche Verpflichtung ergab sich weder aus einem Vertrag zwischen dem Kläger und der ... Berlin GmbH noch aus dem Gesetz.

Die vom Beklagten geltend gemachten zwei Abbruchraten in Höhe von insgesamt 944,- Euro, die dieser nach Abbruch der Maßnahme an die. Berlin GmbH zahlte, sind kein Schaden im Sinne des § 61 SGB X i.V.m. § 249 ff BGB. Ein Schaden i.S. dieser Vorschriften liegt vor, wenn der Wert des Vermögens des Betroffenen geringer ist, als er es ohne das schädigende Ereignis wäre. Dabei muss diese Wertminderung kausal durch das schädigende Verhalten verursacht sein. Insoweit kommt allenfalls ein Vermögensschaden in Betracht. Dieser ist dann ersatzfähig, wenn er aufgrund der Belastung des Schadensgläubigers mit einer Verbindlichkeit entsteht, die aus dem schädigenden Verhalten folgt. Dann kann Befreiung von dieser Verbindlichkeit verlangt werden (vgl. Fuchsloch in: Gagel, SGB II 62. EL Juni 2016, § 15 Rn 101; Ebert in: Erman, BGB, 14. Auflage 2014, § 249 Rn 14 m.w.N.).

Der Kläger konnte trotz mehrfachen Nachfragens keine Unterlagen beibringen, die eine vertragliche Verpflichtung gegenüber der ... Berlin GmbH begründen, nach Abbruch einer Maßnahme zwei Abbruchraten zu zahlen. Auch eine gesetzliche Verpflichtung dazu besteht nicht.

Der vom Kläger genannte Maßnahmebogen enthält eine solche vertragliche Verpflichtung nicht. Unter Nr. 15 dieses Bogens steht zwar, dass bei vorzeitigem Ausscheiden höchstens zwei Raten gezahlt werden können. Daraus ergibt sich zum einen aber schon nicht die Verpflichtung, diese Raten in jedem Fall zu zahlen. Zum anderen ist der Maßnahmebogen nur durch den Kläger unterzeichnet, nicht aber durch den Maßnahmeträger. Der vom Kläger im Klageverfahren eingereichte Kurzfragebogen enthält ebenso am Ende die Erklärung, dass im Falle eines Ausscheidens zwei Monatsraten gezahlt werden können. Jedoch ist dieser Kurzfragebogen wiederum nur vom Maßnahmeträger und nicht vom Kläger unterzeichnet, so dass er ebenfalls keine vertragliche Vereinbarung darstellt. Daneben ist der übersandte Kurzfragebogen zu einer anderen Bildungsgutscheinnummer als der der Beklagten und für einen anderen Teilnehmer ausgefüllt. Er betrifft damit nicht die Ausbildung beziehungsweise Maßnahme der Beklagten. Der Kläger selbst hat vorgetragen, dass kein entsprechender Bogen für die Beklagte erstellt wurde.

Aus dem Schulungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Maßnahmeträger ergibt sich unter § 5, dass bei vorzeitiger Beendigung der Maßnahme die Vorschriften des SGB III gelten würden. Abgesehen davon, dass ein Vertrag zwischen Kläger und Maßnahmeträger ohnehin nicht zulasten der Beklagten wirken könnte, ist einzige Rechtsgrundlage für die Übernahme von Kosten nach Abbruch der Maßnahme insoweit § 84 Abs. 2 SGB III beziehungsweise § 80 SGB III a.F. Diese sieht jedoch nur dann die weitere Kostenübernahme durch den Kläger vor, wenn die Maßnahme wegen Arbeitsaufnahme abgebrochen wird. Das ist vorliegend nicht gegeben.

Die fachlichen Hinweise des Klägers haben als Verwaltungsvorschriften keine Außenwirkung und können daher keine Anspruchsgrundlage des Maßnahmeträgers auf Zahlung nach Abbruch der Maßnahme darstellen.

Vorliegend ist auch kein so genannter Frustrationsschaden wegen entgangener Aufwendungen durch die Beklagte zu zahlen, der in den vom Kläger gezahlten Lehrgangskosten liegen könnte. Denn aus der Eingliederungsvereinbarung (Punkt 2 auf Seite 2) ergibt sich eindeutig, dass als Schadensersatz nur die Kosten ab Abbruch der Maßnahme zu zahlen sind. Darunter fallen die vor Abbruch gezahlten Lehrgangskosten nicht.

Letztlich fehlt es an der ebenfalls in der Eingliederungsvereinbarung vorgesehenen Ermessensausübung des Klägers. Die Eingliederungsvereinbarung sieht vor, dass der Schadensersatz aufgrund der persönlichen und finanziellen Verhältnisse gemindert werden kann. Das wurde vorliegend durch den Kläger nicht geprüft. Vielmehr hat dieser zunächst sogar eine höhere Summe als Schadensersatz geltend gemacht, als er tatsächlich an den Maßnahmeträger gezahlt hat. Erwägungen zur Minderung der Forderung aufgrund der Verhältnisse der Beklagten sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
Saved