L 6 U 774/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 412/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 774/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob eine Pulley-Läsion mit Instabilität der langen Bizepssehne rechts Folge des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2014 ist.

Der 1965 geborene Kläger schloss nach der Realschule eine Ausbildung zum Energieanlagenelektroniker ab. Ab 2008 bis zu seiner Kündigung mit Wirkung zu Ende März 2016 war er als Qualifizierungsingenieur und Reinraumservicetechniker bei der.+. P. I. GmbH in S. (im Folgenden: Arbeitgeberin) im Außendienst beschäftigt. Er war mit mess- und raumlufttechnischen Anlagen betraut, wobei er häufig Überkopfarbeiten ausüben musste.

Am 8. Mai 2014 stürzte der Kläger gegen 14:45 Uhr auf dem Werksgelände der M. P. GmbH & Co. KGaA, wozu in der Unfallanzeige vom 12. Mai 2014 mitgeteilt wurde: "Bin auf dem Betriebsgelände bei M. P. GmbH & Co. KG aA gestolpert, über meine eigene Tasche gestürzt und auf die rechte Schulter/Kopf gefallen."

Am Folgetag suchte er gegen 8:15 Uhr Dr. K., Facharzt für Orthopädie und damals als an der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung beteiligter Arzt (H-Arzt), auf, welcher eine Zervikobrachialgie rechts (ICD-10 M53.1), ein Supraspinatussyndrom der rechten Schulter (ICD-10 M75.4) und eine Schulterzerrung beziehungsweise -prellung rechts (ICD-10 S43.4) diagnostizierte. Nach seinem Bericht vom 9. Mai 2014 sei der Kläger am Vortag auf dem Betriebsgelände über seine Aktentasche gestolpert und dabei auf die rechte Schulter gefallen. Anschließend sei er nach Hause gefahren. Nach der röntgenologischen Untersuchung der rechten Schulter habe sich in diesem Bereich ein unauffälliger, altersentsprechender Befund gezeigt. Eine leichte Arthrose des rechten Schultereckgelenkes sei erkannt worden.

Im Unfallfragebogen der Beklagten gab der Kläger am 26. Mai 2014 an, er sei auf dem Weg von seinem Tätigkeitsort bei der M. P. GmbH & Co. KGaA zum Hauptgebäude (Eingang/Pforte) über eine hervorstehende Metallabdeckplatte gestolpert. Dadurch, dass er seinen Pilotenkoffer, in dem sich ein Laptop und Dokumente befunden hätten, vor sich hergetragen habe und der Durchgang recht eng gewesen sei, sei er beim Stolpern über seinen Koffer und auf seine rechte Schulter beziehungsweise Körperseite (Kopf, Hals) gefallen. Er habe sich hierbei nicht mehr abstützen können. Dabei sei er mit der rechten Körperseite zuerst gegen die Hauswand rechts gestoßen und dann auf den aus Waschbetonplatten bestehenden Boden gefallen. Durch den Aufprall gegen die Wand und den Boden habe er sich die rechte Schulter geprellt und laut Physiotherapeut ein Schleudertrauma zugezogen. Er habe versucht, den Sturz noch zu verhindern, sei allerdings direkt auf die Schulter gestürzt und habe sich mit keiner Hand abgefangen. Ob sein Arm nach vorne, nach hinten oder zur Seite gestreckt gewesen sei, wisse er nicht. Er habe weder eine schwere Last aufgefangen noch etwas angehoben. Außer den körperlichen Verletzungen habe er sich die Hose und das T-Shirt im Bereich der rechten Schulter aufgerissen. Es seien direkt Schmerzen aufgetreten, welche aber nicht sehr stark gewesen seien. Bislang habe er an der verletzten Schulter weder Beschwerden noch sonstige Probleme gehabt.

Dr. K. diagnostizierte bei einer Nachuntersuchung am 15. Juli 2014 unter anderem eine Schulterzerrung rechts. Es bestünden noch wiederholte Parästhesien im Bereich des rechten Armes, insbesondere bei längerer Sitzposition in einem Personenkraftwagen. Die Schulterbeweglichkeit sei aktiv und passiv frei gewesen.

Ende August 2014 wandte sich der Kläger schriftlich an die Beklagte und wies auf seine Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation hin. Seit seinem Sturz am 8. Mai 2014, bei dem er auf die rechte Schulter gefallen und beim Aufprall gegen die Hausfassade mit dem Kopf beziehungsweise Hals auch der Bereich der Halswirbelsäule in Mitleidenschaft gezogen worden sei, sei nichts mehr so wie zuvor.

Anschließend suchte er Dr. K., Facharzt für Chirurgie, auf, welcher nach seiner ambulanten Untersuchung am 22. September 2014 ein Zervikobrachialsyndrom (ICD-10 M53.1) diagnostizierte sowie ein Supraspinatussehnensyndrom im Bereich der rechten Schulter und den Zustand nach einer Schulterprellung rechts erwähnte. Dieser veranlasste eine Magnetresonanztomographie der rechten Schulter, welche Dr. B., Facharzt für Radiologie, am 28. Oktober 2014 vornahm. Auf den Magnetresonanztomogrammen (MRT) sei eine Subluxation der langen Bizepssehne bei moderater Tendinopathie der Subscapularis- und Supraspinatussehne zu erkennen. Es habe ein geringes subakromiales Impingement durch das hakenförmig verlaufende Akromion vorgelegen. Weiter zeige sich ein Einriss der Pulley-Bänder. Im Bereich des Plexus cervicalis hätten sich demgegenüber keine Veränderungen gezeigt, welche die Taubheit in den Händen erklären könnten.

Dr. S., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, ging in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme von November 2014 im Bereich der rechten Schulter unfallbedingt lediglich von einer Prellung und Zerrung aus.

Am 20. November 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten neben seinen Verletzungen an der Halswirbelsäule auch diejenigen im Bereich der rechten Schulter als Folge des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2014 anzuerkennen. Weiterhin begehrte er die vollständige Übernahme der Kosten, welche ihm aus den ärztlichen Behandlungen entstanden waren.

Mit Bescheid vom 25. November 2014 bewilligte ihm die Beklagte wegen der Folgen des Versicherungsfalls vom 8. Mai 2014 Leistungen der Heilbehandlung bis 6. Juni 2014. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 30. Mai 2014 vorgelegen. Die nach dem 6. Juni 2014 aufgetretenen Beschwerden seien nicht mehr auf die Unfallfolgen zurückzuführen. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Als Folgen des Ereignisses würden eine ohne Folgen verheilte Zerrung und Prellung der rechten Schulter und eine Zerrung der Halswirbelsäule, eine folgenlos verheilte Prellung des linken Großzehs sowie Schürfwunden am Knie anerkannt. Nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen, weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung, seien eine Zervikobrachialgie (schmerzhafte Bewegungs-/Belastungseinschränkung der Halswirbelsäule) und eine Radikulopathie (Reizung/Schädigung der Nervenwurzeln), in die Arme ausstrahlend, bei degenerativen Schäden der Halswirbelsäule mit Bandscheibenvorfällen in den Segmenten C3 bis C7 sowie im Bereich der rechten Schulter eine Ruptur des Pulley-Komplexes mit Teilverrenkung der langen Bizepssehne, eine Tendinopathie der Subscapularis- und Supraspinatussehne, eine leichte Verkalkung am Ansatz der Supraspinatussehne, ein Impingement bei einer Arthrose im Bereich des Schultereckgelenkes mit Osteophyten und einer leichter Akromionfehlform. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2015 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 12. Februar 2015 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und anfangs umfassend die behördliche Feststellung der von der Beklagten im angefochtenen Ausgangsbescheid nicht anerkannten Gesundheitsstörungen als Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2014 begehrt.

Das SG hat über die behandelnden Ärzte des Klägers Befundunterlagen und bildgebendes Material beigezogen sowie anschließend bei Dr. S.-F. eine orthopädische Expertise eingeholt. Mit dem Gutachtensauftrag vom 19. Februar 2016 ist ihm vorgegeben worden, dass der Kläger über eine Aktentasche gestolpert und auf die rechte Schulter gefallen sei, was dieser zunächst nicht beanstandet hat. Dr. S.-F. hat konkretisierend dazu angenommen, dieser sei auf dem Weg nach Hause über eine Stahlplatte und anschließend über seine Aktentasche gestolpert sei, wobei er auf die rechte Schulter und den Kopf gestürzt sei. Nach der ambulanten klinischen und röntgenologischen Untersuchung am 17. März 2016 hat er ausgeführt, unfallbedingt sei es im Bereich der rechten Schulter zu einer abgeheilten Prellung gekommen. Unfallfremd seien in Bezug auf diese Körperregion eine endgradige Bewegungseinschränkung infolge des Zustandes nach einer Arthroskopie und Minioperationen vom 14. Januar 2015 mit arthroskopischer subakromialer Dekompression und zusätzlicher lateraler Klavikularesektion, eine Bursektomie, eine Side-to-Side-Naht des Rotatorenintervalles, eine Tenotomie, eine Tenodese der langen Bizepssehne bei einer Arthrose im Bereich des Akromioklavikulargelenkes sowie eine Partialläsion der Subscapularissehne mit Instabilität der langen Bizepssehne bei einer Läsion des Pulley-Systems und einer zusätzlichen Intervallläsion der Rotatorenmanschette eingetreten. Im Zeitpunkt des Unfallereignisses am 8. Mai 2014 dürfte bereits eine gewisse Impingementsymptomatik bestanden haben, bei anlagebedingter Dekonfiguration des Akromions vom Typ Bigliani Typ II rechts mit ebenfalls unmittelbar nach dem Unfallereignis nachweisbarer leichter Arthrose im Bereich des Akromioklavikulargelenkes rechts. Somit habe im Bereich der rechten Schulter eine Schadensanlage vorgelegen.

Das Pulley-System habe die Funktion, den Verlauf der langen Bizepssehne zu sichern. Es werde vom Ligamentum coracohumerale und Fasern der Supraspinatussehne gebildet, welche das oberflächliche Blatt darstellten. Das tiefe Blatt des Pulley-Systems bestehe aus dem Ligamentum glenohumerale superius und den Fasern der Subscapularissehne. Pulley-Läsionen entstünden sowohl degenerativ als auch traumatisch. Ein typischer Unfallmechanismus sei der Fall auf den ausgestreckten Arm bei voller Außen- oder Innenrotation sowie der Fall nach hinten auf die Hand oder den Ellenbogen. Solche Verletzungen würden bei Wurfbewegungen über den Kopf, etwa bei Tennis-, Cricket-, Baseball- und Footballspielern sowie Speerwerfern, verursacht. Nach Habermeyer et al. (2004) komme es durch eine aktive Anspannung des Bizeps bei Innenrotation und Adduktion zu nach medial dislozierenden Kräften auf die lange Bizepssehne und das Pulley-System. Diese würden durch das Manöver bei der Dezeleration der Unterarmbewegung verstärkt, etwa bei einer von außen einwirkender Kraft auf den Unterarm oder während der Beugung dieses Körperteiles. Hierbei komme es zu einer schlagartigen Kontraktion des Bizeps. Die lange Bizepssehne laufe dadurch ungehalten und subluxiert im Sulcus intertubercularis. Ähnliches könne auch durch einen chronisch-repetitiven Überlastungsprozess ausgelöst werden, wie es etwa Tennisspieler beim Aufschlag erführen. Bei dem Unfallereignis am 8. Mai 2014 habe es sich um einem simplen Sturz auf die rechte Schulter, die rechte Kopfseite und die rechte Halswirbelsäule gehandelt. Dieser sei nicht geeignet gewesen, eine Pulley-Läsion zu bewirken, zumal eine Schadensanlage bestanden habe. Letztlich habe der Operateur Dr. K. in seinem Bericht vom 14. Januar 2015 eine Arthrose im Bereich des Akromioklavikulargelenkes beschrieben. Aufgrund der Akromiondekonfiguration habe er die Indikation für eine arthroskopische subakromiale Dekompression mit zusätzlicher lateraler Klavikularesektion gesehen. Somit habe die vorerkrankte rechte Schulter des Klägers bei bereits vorbestehender Arthrose im Bereich des Akromioklavikulargelenkes bei vorhandenem Impingementsyndrom mit daraus resultierendem, über die Jahre hinweg entstandenem Schaden der Subscapularissehne, eine Schwächung des Rotatorenintervalles und der Pulley-Schlinge bedingt.

Nach Übersendung der Expertise hat der Kläger bemängelt, dass der tatsächliche Ablauf des Unfallgeschehens entweder gar nicht oder nur unzureichend in die medizinische Einschätzung eingeflossen sei. Er schildere daher den Ablauf des Sturzes noch einmal im Detail. Er sei am 8. Mai 2014 zu ebener Erde gegangen. In der rechten Hand habe er einen Pilotenkoffer getragen, indem sich ein Laptop, ein Leitz-Ordner und Projektdokumente befunden hätten, wodurch dieser ein geschätztes Gewicht von 12 kg gehabt habe. Er habe einen etwa 80 cm breiten Durchgang zu durchschreiten gehabt. Daher habe er den Koffer aufgrund der nicht ausreichenden Gangbreite nicht seitlich, sondern schräg nach vorne versetzt getragen. Er sei dann mit dem linken Fuß über eine nach oben stehende Bodenplatte gestolpert. Schließlich sei er mit nach vorne ausgestrecktem Arm gestürzt, wobei er den Koffer festgehalten habe. Mit dem Kopf und dem Hals sei er an eine auf der rechten Seite verlaufende Blechwand gestoßen. Gleichzeitig sei er mit der Schulter, mit noch immer ausgestrecktem Arm, auf dem Bodenbelag aufgekommen. Möglicherweise sei beim tatsächlichen Sturz die Streckung des Armes, wobei das Gewicht des Koffers Berücksichtigung finden müsse, als Entstehungsgrund für die Läsion erklärlich.

Mit dieser Einwendung konfrontiert, hat Dr. S.-F. im Mai 2016 ergänzend ausgeführt, der vom Kläger nun vorgetragene Unfallhergang stehe im Gegensatz zu dem bisher aktenkundig beschriebenen. Nunmehr sei der Ablauf geeignet gewesen, eine Pulley-Läsion auszulösen. Da allerdings eine zeitnahe kernspintomographische Abklärung der rechten Schulter nicht erfolgt sei, sei die Beantwortung der Ursache der Pulley-Läsion nicht wirklich lösbar. Auf den MRT vom 28. Oktober 2014, also mehr als fünf Monate nach dem Unfallereignis, seien keine Kontusions- oder Stressmerkmale zu erkennen. Zu sehen sei lediglich eine Subluxation der langen Bizepssehne bei moderaten degenerativen Veränderungen der Subscapularis- und der Supraspinatussehne mit einer Arthrose im Bereich des Akromioklavikulargelenkes sowie einem subakromialen Impingement bei einem hakenförmig verlaufenden Akromion. Wegen dieses Befundes spreche mehr für eine degenerative Läsion des Pulley-Komplexes als für eine traumatische Schädigung. In der Retrospektive lasse sich ein Zusammenhang dieser Verletzung mit dem Unfallhergang aber auch nicht ausschließen.

In der mündlichen Verhandlung beim SG am 13. Dezember 2016 hat der Kläger lediglich noch beantragt, eine Läsion des Pulley-Systems mit Instabilität der langen Bizepssehne rechts als Folge des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2014 anzuerkennen. Dieses hat dem Begehren entsprochen und die Beklagte entsprechend verurteilt. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers habe sie zu einem Drittel zu erstatten, wobei insoweit Berücksichtigung gefunden habe, dass er im Gegensatz zum Zeitpunkt der Klageerhebung zuletzt nicht mehr die behördliche Feststellung von sämtlichen, bislang von der Beklagten als nicht unfallbedingt angesehenen Gesundheitsstörungen als Folgen des Unfallereignisses begehrt habe. Für den Ursachenzusammenhang sprächen die vom Kläger vorgetragene und nicht widerlegte Beschwerdefreiheit vor dem Unfallereignis sowie das Auftreten der Beschwerden nach einem Ereignis mit Schulterbeteiligung. Dr. S.-F. habe zudem eine traumatische Läsion nicht aufgrund genereller Erfahrungen ausschließen können. Es stehe nicht fest, dass die anlagebedingten Gesundheitsschäden im Bereich der rechten Schulter derart fortgeschritten gewesen seien, dass sie das Unfallereignis haben zurücktreten lassen, wodurch diesen erst eine wesentliche Bedeutung zugekommen wäre. Zwar dürfte es nach wie vor der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung entsprechen, dass direkte Anpralltraumata an der Schulter nicht geeignet seien, Sehnenrisse zu verursachen. Ein solches stünde allerdings zur Überzeugung des Gerichts nicht fest. Weder der Unfallanzeige der Arbeitgeberin noch den Arztberichten sei eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Unfallgeschehen zu entnehmen. Im Unfallfragebogen habe der Kläger zwar angegeben, über seinen Koffer gefallen und dann mit der Schulter auf dem Boden aufgeschlagen zu sein. Diese Schilderung stehe allerdings insoweit mit dem von ihm zuletzt schriftsätzlich vorgetragenen Ablauf im Einklang, als er den Koffer vor sich hergetragen habe. Es sei plausibel, dass er ihn aus der normalen Beförderungshaltung neben dem Körper heraus vor sich gehalten habe, um den Durchgang passieren zu können. Das kurzzeitige Tragen eines schweren Koffers in dieser Körperhaltung sei nicht unwahrscheinlich. Abgesehen davon, ob das vom Kläger geschätzte Gewicht des Pilotenkoffers zutreffe, sei etwa das Führen eines Sechserpacks mit Wasserflaschen zu je 1,5 l, welcher insgesamt etwa 9 kg wiege, vor dem Körper beim Passieren einer Wohnungstür ohne größere Probleme möglich. Dadurch, dass der Koffer vor dem Körper getragen worden sei, sei es zu einer Rotation des Armes und einer Spannung der Bizepssehne gekommen. Beim Stolpern sei es nicht unplausibel, wenn das Gepäckstück nicht sofort losgelassen, sondern auf dem Boden aufgesetzt werde, ein Aufstützen auf dieses stattfinde und erst im weiteren Verlauf des Bewegungsablaufes ein Sturz darüber erfolge. Das Aufsetzen des Koffers mit der sturzbedingten Verlagerung des Körpergewichtes auf den Arm und den Koffer stelle nach den Ausführungen von Dr. S.-F. einen geeigneten Unfallmechanismus dar. Die Schilderung stehe auch nicht im Widerspruch zu den Angaben des Klägers im Unfallfragebogen, sondern habe lediglich ein nicht unplausibles Detail des Sturzablaufes ergänzt. Wegen des Auftretens der Beschwerden nach dem Unfallereignis bei zumindest nicht auszuschließendem geeigneten Unfallmechanismus spreche mehr für als gegen den Kausalzusammenhang, zumal nicht feststellbar sei, dass die Degeneration der Schulter bereits so weit fortgeschritten gewesen sei, dass jedes alltäglich vorkommende Ereignis eine Läsion des Pulley-Systems bewirkt hätte.

Gegen die der Beklagten am 31. Januar 2017 zugestellte Entscheidung hat diese am 28. Februar 2017 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, das SG habe sie zu Unrecht verpflichtet, die streitgegenständliche Gesundheitsstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2014 festzustellen. Der letzte Vortrag des Klägers zum Unfallhergang stehe im Widerspruch zu seinen Erstangaben, wonach er beim Stolpern über den von ihm getragenen Koffer gefallen sei. Es sei keineswegs plausibel, dass eine schwere Tasche noch festgehalten werde, wenn eine Person taumele und gegen eine Wand pralle. Selbst der später vom Kläger geschilderte Hergang sei jedoch nicht geeignet, das Pulley-System zu schädigen. Geeignet sei sowohl nach den Ausführungen des Sachverständigen als auch nach der medizinischen Literatur nur ein Hergang mit einem Sturz auf den ausgestreckten Arm bei voller Außen- oder Innenrotation. Dr. S.-F. habe lediglich zu bedenken gegeben, dass es bei dem vom Kläger geschilderten Ablauf zu einer Adduktion und Innenrotation gekommen sein könne. Er habe diesen also keinesfalls als erwiesen angesehen. Bei näherer Betrachtung der Hergangsschilderung könne es nicht zu einer vollen Innen- oder Außenrotation genommen sein. Wenn eine Tasche durch eine Engstelle getragen werde, werde dies in Längsrichtung vorgenommen. Da die Griffe nicht quer angebracht seien, sei es bereits ausgeschlossen, dass es bei diesem Tragevorgang zu einer mehr als geringfügigen Rotation gekommen sei. Anzunehmen, dass es erst durch den Sturz zu einer vollen Rotation gekommen sei, sei rein spekulativ und finde auch in der ergänzenden Stellungnahme von Dr. S. F. keine Stütze. Dieser habe vielmehr zutreffend angeführt, dass sich die Ursache der Pulley-Läsion nicht mehr aufklären lasse, da keine zeitnahe kernspintomographische Abklärung der rechten Schulter erfolgt sei. Beim Kläger liege überdies das Bild einer deutlich degenerativ veränderten Schulter mit Längsauffaserung und Lappenbildung der Subscapularissehne und Auffaserung des Pulley-Systems vor, wie die bildgebenden Verfahren gezeigt hätten. Soweit das SG argumentiert habe, dass ein geeigneter Unfallhergang zumindest nicht auszuschließen sei, widerspreche dies den Beweisgrundsätzen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, das SG habe sich zutreffend mit der Aktenlage und dem Gutachten von Dr. S.-F. auseinandergesetzt und eine richtige Entscheidung getroffen. Ohnehin könne es ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass der Durchgangsarzt Dr. K. nicht frühzeitiger eine kernspintomographische Untersuchung veranlasst habe. Erst nach seinem Intervenieren im August 2014 sei eine solche einen Monat später vorgenommen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (2 Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden, im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), sowie begründet.

Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist das angefochtene Urteil des SG vom 13. Dezember 2016, mit dem die Beklagte aufgrund der zuletzt noch (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. September 2009 - L 8 U 5884/08 -, juris, Rz. 32 ff. zu einer Teilrücknahme der Klage durch spätere Antragsbeschränkung) als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 (276)) erhobenen Klage unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2015 verpflichtet wurde, eine Läsion des Pulley-Systems mit Instabilität der langen Bizepssehne rechts als Folge des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2014 festzustellen. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die vorliegende Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 5. Oktober 2017 stattfand.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung dieser Gesundheitsstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2014. Die insoweit angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Das SG hätte der Klage daher nicht stattgeben, sondern sie abweisen müssen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Verpflichtungsanspruch des Klägers zur behördlichen Anerkennung einer Läsion des Pulley-Systems mit Instabilität der langen Bizepssehne rechts als Folge des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2014 und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des entsprechenden feststellenden Verwaltungsaktes für die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung ist § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII; vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 (277)). Der Anspruch besteht, wenn ein Gesundheitsschaden durch das Unfallereignis oder einen Gesundheitserstschaden dieses Versicherungsfalls (unmittelbare Unfallfolge) oder infolge der Erfüllung eines Tatbestandes des § 11 SGB VII als mittelbare Unfallfolge rechtlich wesentlich verursacht worden ist. Der Gesundheitsschaden muss sicher, also im Vollbeweis, feststehen und durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18, Urteile des Senats vom 26. November 2015 - L 6 U 50/15 -, juris, Rz. 48 m. w. N. und 17. März 2016 - L 6 U 4796/13 -, juris, Rz. 37).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale "versicherte Einwirkung" und "Gesundheitsschaden" der haftungsausfüllenden Kausalität bei unmittelbaren Unfallfolgen oder die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 11 SGB VII erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43, Rz. 17).

Die Zurechnung als unmittelbare Unfallfolge setzt voraus, dass die versicherte Einwirkung aufgrund eines sicher feststehenden Unfallereignisses den Gesundheitsschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (vgl. dazu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 38 mit 31 ff.).

Voraussetzung für die Zurechnung ist daher zunächst, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-) Ursachen, objektiv (mit-)verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-) Ursache sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio sine qua non"). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "Conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und die Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für den Gesundheitserstschaden (oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht ("ex post") nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 61 ff.).

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht, zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Als objektives Handeln der Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder den Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder im Sinne von § 11 SGB VII, der für die zweite Prüfungsstufe andere Zurechnungsgründe als die Wesentlichkeit regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie etwa auch zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 31).

Erst wenn die Verrichtung, die möglicherweise dadurch verursachte Einwirkung und der möglicherweise dadurch verursachte Gesundheitsschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Verrichtung und der Einwirkung mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 32).

Zweitens muss der letztlich durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 33).

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 34). Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 16/11 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 21, Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 37).

Diese Voraussetzungen müssen für jede einzelne Gesundheitsstörung erfüllt sein. Eine solche ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht worden ist, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden, die infolge ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 39).

Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung einer Läsion des Pulley-Systems mit Instabilität der langen Bizepssehne rechts als Folge des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2014 besteht nach diesen Maßstäben nicht. Es steht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass es am 8. Mai 2014 gegen 14:45 Uhr beim Durchschreiten eines Durchganges noch auf dem Werksgelände der M. P. GmbH & Co. KGaA, bei welcher er als Qualifizierungsmanager und Reinraumservicetechniker im Außendienst im Auftrag seiner Arbeitgeberin tätig war, also noch beim Zurücklegen eines Betriebsweges als versicherte Tätigkeit als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 1988 - 2 RU 11/88 -, SozR 2200 § 725 Nr. 12, S. 39 ff.; Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: April 2015, § 8 SGB VII, Rz. 185), überhaupt zu einer Einwirkung (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) auf das Pulley-System der rechten Schulter kam. Dieses wird, wie der Sachverständige Dr. S.-F. anschaulich aufgezeigt hat, einerseits vom Ligamentum coracohumerale und Fasern der Supraspinatussehne gebildet, welche das oberflächliche Blatt darstellen. Andererseits besteht es aus dem tiefen Blatt, also aus dem Ligamentum glenohumerale superius und Fasern der Subscapularissehne. Das Pulley-System hat die Funktion, die lange Bizepssehne, welche auch in der Bizepsrinne, dem Sulcus intertubercularis humeri, verläuft, zu sichern.

Zur Überzeugung des Senats steht aufgrund der Unfallanzeige vom 12. Mai 2014, der Äußerung des Klägers gegenüber Dr. K., wie sie sich aus dem H-Arzt-Bericht vom 9. Mai 2014 ergibt, seiner Angaben im Unfallfragebogen vom 26. Mai 2014 und teilweise seiner Einlassung im erstinstanzlichen Verfahren fest, dass er am 8. Mai 2014 gegen 14:45 Uhr beim Durchschreiten eines etwa 80 cm breiten Durchganges noch auf dem Werksgelände der M. P. GmbH & Co. KGaA wegen einer hervorstehenden Metallabdeckplatte stolperte, über seinen zum Transport eines Laptops und von Dokumenten mitgeführten Pilotenkoffer sowie mit der rechten Körperseite, einschließlich der Schulter, zuerst gegen eine Gebäudewand und anschließend auf den aus Waschbetonplatten bestehenden Boden fiel. Demgegenüber ist nicht erwiesen, dass er das Gepäckstück im Unfallzeitpunkt mit gestrecktem Arm schräg nach vorne versetzt trug, wie er zuletzt behauptet hat, nachdem ihm das Gutachten von Dr. S.-F. übersandt worden war. Weder nach dem SGG noch nach der Zivilprozessordnung (ZPO) gibt es zwar eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere; im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben und sonstigen Einlassungen zu würdigen. Gleichwohl kann das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung den zeitlich früheren Aussagen aufgrund der Gesichtspunkte, dass die Erinnerung hierbei noch frischer war und sie von irgendwelchen Überlegungen, die darauf abzielen, das Klagebegehren zu begünstigen, noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren zumessen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 41/02 R -, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1, Rz. 12; Urteile des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - juris, Rz. 144 und vom 21. Mai 2015 - L 6 U 1053/15 -, juris, Rz. 34). Hiervon geht der Senat vorliegend aus. Sowohl in der Unfallanzeige, die vom Kläger zwar nicht unterschrieben worden ist, in welcher der Unfallhergang allerdings in Ich-Form beschrieben wird, als auch gegenüber Dr. K. am Tag nach dem Unfallereignis hat er dargelegt, gestolpert, über den Koffer gefallen und auf die rechte Schulter gefallen zu sein. In dem von ihm ausgefüllten Unfallfragebogen hat er spezifiziert, mit der rechten Körperseite zuerst gegen eine Hauswand und schließlich mit der rechten Schulter beziehungsweise Körperseite (Kopf, Hals) auf den Boden gefallen zu sein. Er erwähnte hingegen nicht, dass er den Koffer mit dem ausgestreckten Arm vor sich gehalten und so auf dem Boden aufgekommen war. Demgegenüber verneinte er, ein Lastgewicht angehoben zu haben und tat weiter kund, sich nicht daran zu erinnern, ob der rechte Arm nach vorne, nach hinten oder zur Seite gestreckt war. Erstmals nachdem ihm das Gutachten von Dr. S.-F. übersandt worden war, in dem ausgeführt worden ist, dass es sich bei dem Unfallereignis am 8. Mai 2014 um einem simplen Sturz auf die rechte Schulter, die rechte Kopfseite und die rechte Halswirbelsäule gehandelt habe, welcher nicht geeignet sei, eine Pulley-Läsion zu bewirken, hat er sich dahingehend eingelassen. Diese modifizierende und nicht, wie vom SG angenommen, lediglich konkretisierende Darstellung des Unfallherganges hat das Klagebegehren zur Überzeugung des Senats ersichtlich begünstigen sollen. Nicht anders zu erklären ist es, dass sich der Kläger zweieinhalb Wochen nach dem Ereignis nicht an die Haltung seines rechten Armes zu erinnern vermochte, ihm eine Beschreibung nach fast zwei Jahren, zumal nach Übersendung des seinen bisherigen Vortrag nicht stützenden Sachverständigengutachtens, indes möglich gewesen sein soll. Mangels nachgewiesenem Sturz auf den ausgestreckten rechten Arm bei voller Außen- oder Innenrotation sowie ohne dass ein Fall nach hinten auf die Hand oder den Ellenbogen gegen war, konnte es zu keiner aktiven Anspannung des Bizeps bei Innenrotation und Adduktion und damit zu medial dislozierenden Kräften auf die lange Bizepssehne und das Pulley-System rechts kommen, wie Dr. S.-F. unter Hinweis auf die medizinische Literatur (Habermeyer et al., 2004) überzeugend dargelegt hat. Ein chronisch-repetitiver Überlastungsprozess liegt vorliegend als Einwirkung fern.

Bereits mangels nachgewiesener versicherter Einwirkung auf das Pulley-System der rechten Schulter hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung dessen Läsion mit Instabilität der langen Bizepssehne als Folge des Arbeitsunfalls vom 8. Mai 2014, so dass es nicht darauf ankommt, wann die Gesundheitsstörung objektiviert worden ist, also ob es von Relevanz ist, dass Dr. K. nicht frühzeitiger eine kernspintomographische Untersuchung veranlasst hat, was vom Kläger bemängelt worden ist.

Daher war die angefochtene Entscheidung des SG auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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