L 21 AS 782/17 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AS 1234/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 AS 782/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.
Das Aufenthaltsrecht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gewährt dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge.
2.
Art. 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gebietet in einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes keine analoge Anwendung dieser Rege-lung auf den Nachzug eines ausländischen Elternteils zu einem minderjährigen ledigen Uni-onsbürger mit der Folge, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II zwingend unanwendbar wäre.
3.
Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG wird dadurch nicht verletzt. Art. 6 GG begründet keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt oder Sozialleistungen. Bei EU-Bürgern kann eine Lebensgemeinschaft der Eltern und Kinder regelmäßig nicht nur in Deutschland stattfinden.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2017 geändert und der Antrag des Antragstellers zu 2) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1, 3 und 4 für das erstinstanzliche Verfahrens dem Grunde nach zu 1/2, für das Beschwerdeverfahren in vollem Umfang. Der Antragsteller zu 2 trägt seine Kosten für beide Instanzen selbst. Insofern wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2017 ebenfalls geändert.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die im September 1995 geborene Antragstellerin zu 1) ist Mutter der im Juni 2014 und Januar 2016 geborenen Antragsteller zu 3) und 4); der Antragsteller zu 2) ist der leibliche Vater der Kinder. Die Antragsteller zu 1) und 2) sind nicht miteinander verheiratet. Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Auch weitere Familienangehörige der Antragsteller leben in Deutschland, unter anderem die Eltern der Antragstellerin zu 1), welche ebenfalls Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II beziehen.

Die Antragstellerin zu 1) schloss am 10.10.2016 einen Arbeitsvertrag mit der Firma E Hausmeister Service, beginnend zum 01.11.2016 in einem Umfang von 10 Stunden wöchentlich zu einem Arbeitslohn von 400,00 EUR. Der Arbeitsvertrag wurde unbefristet geschlossen, Überstunden sollten mit 8,50 EUR pro Stunde vergütet werden. Die Antragstellerin zu 1) sollte als Putzfrau tätig werden.

Am 24.10.2016 stellten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Leistungsantrag.

Der Arbeitgeber der Antragstellerin kündigte dieser nach seinen Angaben und den Angaben der Antragstellerin zu 1) am 31.12.2016 fristlos das Arbeitsverhältnis wegen Auftragsmangels; nachträglich erfolgte eine schriftliche Kündigung. Einer Cousine der Antragstellerin zu 1), welche parallel beschäftigt worden war, wurde ebenfalls gekündigt. In der Arbeitsbescheinigung nach § 312 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vom 18.01.2017 ist eine betriebsbedingte Kündigung handschriftlich nachgetragen worden.

Auch der Vater der Antragstellerin zu 1) ist bei diesem Arbeitgeber seit dem 07.02.2017 in einem Umfang von 2 Stunden pro Tag zu einem Gehalt von 400,00 EUR als Hausmeister (Durchführung von Malerarbeiten) beschäftigt.

Am 28.03.2017 haben die Antragsteller vor dem Sozialgericht Köln einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Mit Beschluss vom 13.04.2017 hat das Sozialgericht Köln den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 28.03.2017 bis zum 31.05.2017 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe des Regelbedarfs gemäß § 20 SGB II unter Berücksichtigung des Kindergeldes als anzurechnendes Einkommen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Gegen den dem Antragsgegner vorab per Fax zugesandten und am 20.04.2017 zugestellten Beschluss hat dieser am 13.04.2017 bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschwerde eingelegt.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin zu 1) sei lediglich zum Schein abgeschlossen worden. Es sei von vornherein darauf angelegt gewesen, bereits nach kurzer Zeit wieder beendet zu werden, und habe allein dem Zweck gedient, die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach dem SGB II zu schaffen. Die Recherchen der Antragsgegnerin hätten ergeben, dass es bei dem Arbeitgeber keine Veränderung des Auftragsvolumens gegeben habe, so dass der vorgetragene Kündigungsgrund nicht überzeugend sei. Zudem habe der Arbeitgeber mit zahlreichen Mitgliedern der Familie Arbeitsverträge über geringfügige Beschäftigungen geschlossen, alle Mitglieder würden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erhalten. Es habe sich herausgestellt, dass mit der Cousine der Antragstellerin zu 1) ein Arbeitsvertrag lediglich zum Schein abgeschlossen worden sei. Die Antragstellerin zu 1) habe zudem bei dem Abschluss ihres Mietvertrages gegenüber der Vermieterin einen Arbeitsvertrag mit diesem Arbeitgeber vorgelegt, unter welchem sich zwar dessen, nicht aber ihre Unterschrift fand; es sei allerdings dort ihr Name genannt. Dabei handele es sich offenbar um einen gefälschten Arbeitsvertrag.

Zudem seien die Wohnverhältnisse der Antragsteller unklar: Anlässlich eines Besuchs des Ermittlungsdienstes am 21.04.2017 seien in der von den Antragstellern gemieteten Wohnung andere Personen angetroffen worden, die Antragstellerin zu 1) sei hingegen Kinderwäsche waschend in der Wohnung ihrer Eltern angetroffen worden. Dort hätte sich im Bettkasten auch Kinderkleidung befunden. Auch an dem Klingel- und Briefkastenschild der elterlichen Wohnung hätten sich die Nachnamen der Antragstellerin zu 1) und des Antragstellers zu 2) befunden.

Die Vermieterin hat gegenüber dem Antragsgegner angegeben, Miete sei von den Antragstellern bisher nicht gezahlt worden. In der Wohnung würden sich Dritte aufhalten. Am 14.12.2016 sei die Wohnung fristlos gekündigt worden.

Der Antragsgegner hat in dem Beschwerdeverfahren angegeben, dass er Leistungen aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts noch nicht ausgezahlt habe; von daher sei sehr fraglich, von welchen Mitteln die Antragsteller seit Antragstellung gelebt hätten.

Das Landessozialgericht hat am 30.06.2017 einen Erörterungstermin durchgeführt und den Arbeitgeber der Antragstellerin zu 1) sowie den Vater der Antragstellerin zu 1) als Zeugen vernommen.

Die Antragsteller haben angegeben, dass sie in der von Ihnen angegebenen Wohnung tatsächlich wohnen, bei den dort angetroffenen Personen handele es sich um Freunde, die zu Besuch gewesen seien. Die Antragstellerin zu 1) habe die Kinderwäsche in der elterlichen Wohnung gewaschen, weil sie selbst keine Waschmaschine habe. Gewaschene und getrocknete Wäsche habe sie in dem Bettkasten der Eltern aufbewahrt. In der Vergangenheit hätten sie von dem Kindergeld und von einer Unterstützung durch den Vater der Antragstellerin zu 1) in Höhe von 100,00 EUR monatlich gelebt. Die Kündigung ihrer Wohnung hätten sie nicht erhalten. Eine Erklärung dafür, warum auch der Familienname des Antragstellers zu 2) auf dem Klingelschild bei den Eltern stehe, hätten sie nicht. Zu ihrem Arbeitsverhältnis gab die Antragstellerin zu 1) an, dass sie die Treppenhäuser und Flure in den Häusern B 00 und 01 geputzt habe. Sie habe ihr Arbeitsverhältnis im November 2016 begonnen und zuvor nicht für diesen Arbeitgeber gearbeitet. Montags bis freitags habe sie von 8-10 Uhr dort geputzt. Die andere Hälfte der Treppenhäuser sei von ihrer Cousine geputzt worden. Der genutzte Putzwagen habe im Keller gestanden, als Arbeitskleidung habe sie eine Schürze getragen. Ihre Arbeit sei nicht kontrolliert worden, während sie geputzt habe; ob eine anschließende Kontrolle erfolgt sei, könne sie nicht sagen. Der Arbeitgeber habe ihr mündlich die Kündigung ausgesprochen; es gebe in dem Haus im Erdgeschoss einen Kiosk, an welchem man sich versammele. Dort habe sie davon erfahren.

Der Zeuge P hat angegeben, dass er die Firma E Hausmeister Service leite. Er biete Sicherheit, Hausmeisterservice, Putzen, Grünschnitt etc. für Wohnungen am L, in C und N. Auftraggeber sei allein die Verwaltungsgesellschaft T Immobilien. Die Antragstellerin zu 1) sei auf ihn zugekommen und habe nach Arbeit gefragt. Sie habe sich ihre Arbeit mit einer weiteren Kollegin geteilt. Zunächst hat der Zeuge angegeben, dass er die Kündigung in seinem Büro ausgesprochen habe, da keine Aufträge mehr vorgelegen hätten. Auf Nachfrage hat er angegeben, dass er die Kündigung auch bei der Pförtnerloge direkt neben dem Kiosk in dem Haus B 01 5 ausgesprochen haben könne. Mit seinem Auftraggeber, der Immobilienverwaltung, habe er einen Vertrag, die jeweilige Arbeit würde täglich mit der Hausverwaltung und dem Hausmeister der Hausverwaltung abgesprochen. Die Putzarbeiten seien über den 31.12.2016 hinaus nicht weiter beauftragt worden. Deshalb habe er die Kündigung aussprechen müssen. Zu einem späteren Zeitpunkt sei seine Firma wieder mit der Ausführung der Putzarbeiten in den Treppenhäusern B 00 und 01 beauftragt worden. Zu den übrigen Arbeitsverträgen befragt hat der Zeuge angegeben, dass alle Mitarbeiter das Geld in bar gegen Quittung bekämen, auch solche, die mehr als geringfügig bei ihm beschäftigt seien.

Der Vater der Antragstellerin zu 1) hat angegeben, dass er bei E Hausmeisterservice als Maler beschäftigt sei. Er unterstütze seine Tochter mit 100,00 EUR monatlich, einen anderen Sohn mit 100,00 EUR bis 120,00 EUR. Seine Frau und er bekämen Sozialleistungen in Höhe von 480,00 EUR, zusätzlich habe er Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von 400,00 EUR monatlich. Darüber hinaus werde die Miete übernommen. An regelmäßigen Verpflichtungen habe er die Vorauszahlung auf die Haushaltsstrom in Höhe von 30,00 EUR monatlich. Er könne sich nicht erklären, warum auch der Nachname des Antragstellers zu 2) auf seinem Klingelschild gestanden habe. Es werde dort in den Wohnhäusern auch vieles neben die Klingelschilder geschrieben, zudem gebe es in den Häusern mehrere Familien mit diesem Nachnamen. In Hausnummer 01 gebe es eine Pförtnerloge, dorthin würden Videobilder aus den Fluren übertragen. Dort würde Herr P regelmäßig sitzen. Er nehme an, dass seine Malerarbeiten auch auf diesem Wege kontrolliert würden. Er habe sein Magazin mit seinen Arbeitsmaterialien auf der Ebene des Erdgeschosses, die Putzfrauen ihre Räumlichkeiten im Souterrain.

Die Antragsteller haben angegeben, dass sie von der Vermieterin beim Melderegister abgemeldet worden seien. Eine neue Anmeldung sei bisher nicht erfolgt.

Auf schriftliches Befragen im Nachgang zu dem durchgeführten Erörterungstermin hat die T Immobiliengesellschaft mitgeteilt, dass die Firma E seit Juni 2014 Reinigungsarbeiten in den Häusern B 00 und 01 durchführe. Die Reinigungsarbeiten würden nach einem festen Plan durchgeführt. Die Erledigung der Arbeiten werde regelmäßig kontrolliert, ob in den Monaten Januar und Februar 2017 Arbeiten durchgeführt worden seien, entziehe sich allerdings ihrer Kenntnis. Reinigungsarbeiten seien ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Die Antragsteller haben mitgeteilt, dass die Vermieterin am 09.07.2017 versucht habe, die Wohnung der Antragsteller zu räumen.

II.

1. Die gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist lediglich hinsichtlich des Antragstellers zu 2) begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antragstellern zu 1), 3) und 4) rechtmäßig im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Gestalt des Regelbedarfs zugesprochen. Der Antragsteller zu 2) kann dies demgegenüber nicht mit Erfolg beanspruchen.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs voraus, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen - § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, stattgebender Kammerbeschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, juris RdNr. 26).

b) Die Antragsteller 1), 3) und 4) haben einen Anordnungsanspruch gemäß §§ 19 ff., 7 ff. SGB II hinsichtlich des Regelbedarfes glaubhaft gemacht.

aa) Die Antragstellerin zu 1) hat das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und ist erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II. Anhaltspunkte für eine Einschränkung ihrer gesundheitlichen Erwerbsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB II) oder das Fehlen ihrer rechtlichen Erwerbsfähigkeit (§ 8 Abs. 2 SGB II) liegen nicht vor. Der Antragstellerin zu 1) hat ferner ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Als erwerbsfähige Leistungsberechtigte eröffnet sie ihren minderjährigen Kindern Zugang zum SGB II (§ 23 SGB II).

bb) Auch die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II ist glaubhaft gemacht.

Hinweise auf ein von den Antragstellern nicht angegebenes Einkommen bzw. Vermögen gibt es nicht. Tatsächlich stellt sich die Frage, wie die Antragsteller es geschafft haben, seit Januar 2017 - dem Zeitpunkt des Wegfalls der geringfügigen Beschäftigung - allein von Kindergeld in Höhe von 380,00 EUR zzgl. der Unterstützung durch den Vater der Antragstellerin zu 1) iHv. 100,00 EUR monatlich gelebt haben. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Antragsteller in dieser Zeit keine Unterkunftskosten gezahlt haben; sie haben auch keine Zahlungen auf den Haushalsstrom geleistet. In diesem Zusammenhang ist im Rahmen des Erörterungstermins der Eindruck entstanden, dass die Antragsteller überhaupt keinen Vertrag mit einem Stromanbieter geschlossen haben, Haushaltsstrom aber tatsächlich nutzen. Dies ist technisch regelmäßig möglich, weil nicht bei jedem Mieterwechsel der Stromzähler durch den Netzbetreiber gesperrt wird. Die Antragsteller würden dann aber in den (sehr teuren) Ersatztarif nach § 38 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) iVm. § 3 Stromversorgungsverordnung (Strom GVV) fallen. Die Unterstützung durch die Eltern der Antragstellerin zu 1) erscheint glaubhaft, auch unter Berücksichtigung einer zusätzlichen Unterstützung an den Bruder der Antragstellerin zu 1). Den Eltern stehen neben dem Einkommen iHv. 400,00 EUR monatlich Grundsicherungsleistungen iHv. 496,00 EUR zur Verfügung; an regelmäßigen Belastungen besteht nach den Angaben des Zeugen D ein Abschlag auf den Haushaltsstrom von 30,00 EUR. Ohne weitere Anhaltspunkte - welche der Senat nicht finden konnte und welche auch von dem Antragsgegner nicht vorgetragen werden - genügt es dem Senat nicht, die Hilfebedürftigkeit deshalb zu verneinen, weil Antragsteller in derart knappen wirtschaftlichen Verhältnissen leben, wie sie für einen Großteil der Bevölkerung unvorstellbar sind.

cc) Die Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II greifen zu Ungunsten der Antragsteller zu 1), 3) und 4) nicht ein.

Nach Überzeugung des Senats war die Antragstellerin zu 1) Arbeitnehmerin gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in der Zeit von November bis Dezember 2016. Anschließend blieb ihr für sechs Monate nach § 2 Abs. 3 Satz 2 iVm. Satz 1 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) das Aufenthaltsrecht und damit der grundsätzliche Leistungsanspruch erhalten, weil sie unfreiwillig arbeitslos wurde und dies durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigt worden ist.

Eine ausdrückliche Bestätigung der zuständigen Agentur für Arbeit liegt hier nicht vor. Es gibt allerdings zu der Frage, wie § 2 Abs. 3 FreizügG/EU in Bezug auf die dort erwähnte Bestätigung zu verstehen ist, ob also eine gesonderte Bestätigung der Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit durch die Agentur für Arbeit für das Fortwirken der Arbeitsnehmereigenschaft erforderlich ist, verschiedene Auffassungen (etwa Hessisches LSG, Urteil vom 27.11.2013 - L 6 AS 378/12 -, juris Rn. 48; Sächsisches OVG, Beschluss vom 20.08.2012 - 3 B 202/12 -, juris Rn. 9; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.06.2014 - 4 LB 22/13 -, juris Rn. 44); LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.11.2014 - L 8 SO 306/14 B ER -, juris Rn. 22)

Nach den Weisungslagen zu § 7 SGB II (Fachliche Weisungen der BA zu § 7 SGB II, Stand 10.08.2016, Nr. 1.4.42 Abs. 3 unter Verweis auf Nr. 2.3.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum FreizügG/EU) bleibt das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU für einen Arbeitnehmer für die Zeit zwischen dem Beginn der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit und dem Vorliegen der Bestätigung der Agentur für Arbeit über die unfreiwillige Arbeitslosigkeit bestehen (siehe dazu auch LSG NRW, Beschluss vom 17.03.2016 - L 19 AS 390/16 B ER -, juris Rn. 23). Insoweit wird ggf. im Hauptsacheverfahren zu prüfen sein, ob das Unterlassen der Antragsgegners, von den Antragstellern die Vorlage einer Bestätigung i.S.v. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU zu fordern, Auswirkungen auf das Bestehen des Leistungsanspruchs hat.

Die Antragstellerin zu 1) hat am 10.10.2016 mit der Firma E Hausmeisterservice einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Zweifel daran, dass die Unterschriften nicht von der Antragstellerin zu 1) und dem Arbeitgeber stammen, bestehen nicht und werden auch von dem Antragsgegner nicht geltend gemacht. Soweit der Antragsgegner vorträgt, dass die Antragstellerin zu 1) gegenüber der Vermieterin einen gefälschten Arbeitsvertrag vorgelegt habe, brauchte der Senat dem nicht näher nachzugehen. Zum einen steht schon nicht fest, wer diesen Arbeitsvertrag tatsächlich unterschrieben hat. Selbst wenn es sich hierbei um einen gefälschten Vertrag handeln sollte, ergibt sich daraus für die Auslegung des am 10.10.2016 geschlossenen Vertrages unmittelbar nichts.

Entsprechendes gilt, soweit der Antragsgegner vorträgt, der Arbeitgeber sei mit einer Cousine der Antragstellerin ein Scheinarbeitsverhältnis eingegangen - auch daraus ergibt sich für das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin unmittelbar nichts.

Anhaltspunkte dafür, dass die aus dem Arbeitsvertrag geschuldeten Leistungen nicht erbracht worden sind, gibt es nicht. Auch der Antragsgegner trägt nicht vor, dass die Antragstellerin zu 1) in den Monaten November und Dezember 2016 für den Arbeitgeber nicht tätig geworden ist; die Antragssteller zu 1) und 2) haben dies zudem an Eides statt versichert. Der Antragsgegner hat auch nicht, was ihm, da ihm der öffentlich zugängliche Arbeitsort und der tägliche Arbeitsbeginn der Antragstellerin zu 1) aus dem Arbeitsvertrag bekannt waren, möglich gewesen wäre, den Tätigkeitsort der Antragstellerin zu 1) aufgesucht, um das Gegenteil nachzuweisen. Der Arbeitgeber hat der Antragstellerin den Erhalt des Lohnes quittiert und diese bei der Mini-Job-Zentrale angemeldet. Tatsächlich ist die Quittierung fehlerhaft erfolgt, denn nicht der Arbeitgeber hätte die Auszahlung, sondern die Antragstellerin zu 1) den Empfang des Bargeldes quittieren müssen. Es handelt sich dabei aber um einen selbst in sehr geordneten geschäftlichen Verhältnissen vorkommenden Fehler; dem Senat genügt in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber der Antragstellerin zu 1) den Quittungszettel jeweils ausgehändigt hat.

Der Senat ist im Rahmen der Befragung der Antragstellerin sowie des Arbeitgebers zu der Überzeugung gelangt, dass das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin zu 1) tatsächlich gekündigt worden ist. Dafür sprechen die Angaben über die Umstände der Kündigung. Nicht schädlich ist, dass der Arbeitgeber sich auf Nachfrage korrigiert hat; bei einer Absprache der Antragstellerin und des Arbeitgebers wäre die Angabe "im Büro" naheliegender gewesen. Der Zeuge D hat zudem bestätigt, dass der Arbeitgeber sich regelmäßig in der Pförtnerloge neben dem Kiosk aufhalte. Die Beschreibung der Umstände spricht auch dagegen, dass eine Kündigung nach zwei Monaten von vornherein verabredet war.

Nicht vollständig aufgeklärt werden konnte, ob die Umstände, welche laut Auskunft des Arbeitgebers zu der Kündigung geführt haben, wirklich vorlagen. Der Arbeitgeber hat vorgetragen, dass er nicht mehr genügend Aufträge gehabt habe; der Antragsgegner hat ermittelt, dass das Vertragsverhältnis zu der Immobiliengesellschaft nicht gekündigt worden ist und daraus geschlussfolgert, der Kündigungsgrund sei vorgeschoben, das Arbeitsverhältnis nur zum Schein abgeschlossen. Diese Schlüsse hält der Senat aus mehreren Gründen für nicht überzeugend: Zum einen schließen sich die Angaben der Immobilienverwaltung, dass das Vertragsverhältnis ungekündigt ist, und die Angabe des Arbeitsgebers, dass sich das Auftragsvolumen verändert habe, nicht aus. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es im Rahmen eines Vertragsverhältnisses dem Auftraggeber gestattet ist, Leistungen flexibel abzurufen - was im Wirtschaftsleben regelmäßig vorkommt. Ob dies auch hier der Fall ist, konnte nicht endgültig aufgeklärt werden.

Der Arbeitgeber hat ausgesagt, es sei nicht der Vertrag mit der Immobilienverwaltung gekündigt worden, sondern dass Auftragsvolumen habe sich geändert. Nach der anschließend von dem Senat eingeholten Auskunft der Immobilienverwaltung besteht ein Vertrag, die Erbringung der Leistungen kann innerhalb eines Leistungskatalogs in gewissem Rahmen flexibel gehandhabt werden. Wie dieser Vertrag tatsächlich vor Ort in Absprache zwischen dem Hausmeister der Immobilienverwaltung und dem Zeugen ausgefüllt wurde, kann nicht sicher gesagt werden. Der Leistungskatalog datiert von Juli 2011, der Zeuge ist seit Juni 2014 für die Erfüllung der Aufgaben zuständig. Die Immobilienverwaltung hat einerseits mitgeteilt, dass die Erledigung der Arbeiten regelmäßig kontrolliert werde, zum anderen aber, dass es sich der Kenntnis entziehe, ob die Arbeiten in den Monaten Januar und Februar 2017 von der Firma des Zeugen durchgeführt wurden. Die Reinigungsarbeiten seien aber ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Frage, ob möglicherweise ein weiterer Dienstleister ebenfalls in den Objekten tätig ist, bleibt - sofern es darauf ankommen sollte - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Darauf kommt es im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht an. Der Antragsgegner lässt auch die Möglichkeit außer Betracht, dass ein Arbeitgeber ein eigenes Interesse verfolgen könnte, den wahren Kündigungsgrund gegenüber den Beteiligten zu verschweigen.

Belastbare Hinweise auf ein Scheinarbeitsverhältnis (§ 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch), die es auch vor dem verfassungsrechtlichen Gewicht von existenzsichernden Leistungen rechtfertigen, den Antragstellern solche zu verweigern, liegen nicht vor.

c) Hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung haben die Antragsteller einen Anordnungsgrund hingegen nicht glaubhaft gemacht. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen, die Antragsteller haben sich nicht mit einer Beschwerde dagegen gewandt.

Aus diesem Grunde konnte der Senat auch offen lassen, ob die Antragsteller tatsächlich in der von ihnen angegebenen Wohnung leben; dafür spricht jedenfalls, dass die Vermieterin offenbar versucht hat, die Wohnung am 09.07.2017 zu räumen. Darauf kommt es aber nicht an: Daran, dass die Antragsteller ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 SGB II), jedenfalls aber ihren tatsächlichen Aufenthalt (§ 36 Abs. 1 Satz 4 SGB II) im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners haben, bestehen keine Zweifel.

Soweit der Antragsgegner sich darauf beruft, er habe von dritter Seite zugetragen bekommen, dass der Vater der Antragstellerin zu 1) die von den Antragstellern angemietete Wohnung untervermiete und daraus Einkommen erziele, handelt es sich dabei nicht um eine in einem gerichtlichen Verfahren verwertbare Tatsache; darüber hinaus hätte dies keinerlei Auswirkungen für den hier streitgegenständlichen Leistungsanspruch der Antragsteller.

d) Die Beschwerde des Antragsgegners hat allerdings hinsichtlich des Antragstellers zu 2) Erfolg. Nach Abwägung überwiegen hier die Zweifel hinsichtlich des Bestehens eines Anordnungsanspruches.

Denn der Antragsteller zu 2) ist nach derzeitigem Erkenntnisstand von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB II ausgeschlossen. Demnach sind von den Leistungen ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige, die weder in der Bundesrepublik Deutschland noch aufgrund des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts und 2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts sind - über den Wortlaut der genannten Regelung hinaus - auch diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgenommen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist insoweit planwidrig lückenhaft, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung verfügen (BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R -, juris Rn. 19 ff.; BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R -, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R -, juris Rn. 24).

aa) Ein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitssuche, aus welchem sich ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ableiten ließe, steht dem Antragsteller zu 2) nicht zu. Die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 iVm. § 4 FreizügG/EU liegen nicht vor, weil der Antragsteller zu 2) nicht über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt. Der Antragsteller ist auch kein Familienangehöriger iSd. §§ 2 Abs. 2 Nr. 6, 3 Abs. 2 FreizügG/EU. Er ist weder in Bezug auf die Antragstellerin zu 1) noch in Bezug auf deren Vater, den Zeugen D, Ehegatte oder Verwandter in gerader Linie.

bb) Ein Anspruch des Antragstellers zu 1) ergibt sich nach Überzeugung des Senats auch nicht aus einem Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU iVm. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen; nach § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU findet das Aufenthaltsgesetz auch dann Anwendung, wenn es eine gu&776;nstigere Rechtsstellung vermittelt als das FreizügG/EU. Unmittelbar vermittelt § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG dem Antragsteller zu 2) als Vater der minderjährigen Antragsteller zu 3) und 4) keine günstigere Rechtsstellung, weil sich das Recht allein auf minderjährige Deutsche bezieht.

Eine bessere Rechtsstellung ergäbe sich lediglich dann, wenn die Vorschrift - wie in der Literatur und der sozialgerichtlichen Rechtsprechung vereinzelt erwogen bzw. vorgenommen - in Anwendung des Diskriminierungsverbotes aus Art. 18 AEUV dergestalt interpretiert wird, dass nicht nur der Nachzug zu einem minderjährigen ledigen Deutschen, sondern auch der Nachzug zu minderjährigen ledigen Unionsbürgern mit Aufenthaltsrecht in Deutschland geregelt und erfasst werden sollte. Dies überzeugt den Senat - im einstweiligen Rechtsschutzverfahren - nicht.

In der Literatur wird eine solche Auffassung vertreten von Dienelt, in: Renner / Bergmann /Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, 2013, § 11 FreizügG/EU Rn. 29 ff. Zwar findet sich die entsprechende Auffassung auch bei Oberhäuser, in: Hoffmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2016, § 11 FreizügG/EU Rn. 58, allerdings allein unter Wiedergabe der zuvor genannten Kommentarstelle. Eine Begründung für eine derart weitreichende Auslegung wird nicht gegeben. Zutreffend weist der Autor selbst darauf hin, dass Art 18 AEUV eigenständig nur auf solche Sachverhalte Anwendung findet, für die der Vertrag keine spezifischen Antidiskriminierungsvorschriften vorsieht (a.a.O., Rn. 30). Die Auffassung, sofern über das Diskriminierungsverbot sozialrechtliche Leistungen begehrt würden, gelte das Diskriminierungsverbot ebenfalls (a.a.O., Rn 40), ist zur Überzeugung des Senats erstens wechselbezüglich und übersieht zweitens, dass für den Leistungsbezug mit Art. 24 der Richtlinie (RL) 2004/38/EG eine spezifische Antidiskriminierungsvorschrift vorliegt.

Schließlich findet sich selbst in der Kommentierung von Dienelt zu § 28 AufenthG a.a.O. kein Hinweis auf Art. 18 AEUV; vielmehr weist der Autor darauf hin, dass durch § 28 AufenthG das besondere Recht des Deutschen an einem Verbleib im Bundesgebiet geschützt sei. Dann erschließt sich aber nicht, warum dieses Recht über Art. 18 AEUV auf alle EU-Bürger Anwendung finden soll. Dem Senat ist eine einschlägige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu einer gebotenen Auslegung von § 28 AufenthG im Lichte des Art. 18 AEUV (bzw. Art. 12 EUV) trotz intensiver Recherche nicht bekannt.

Allein in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung findet sich vereinzelt eine einschlägige Auffassung (LSG NRW, Beschluss vom 30.09.2015 - L 19 AS 1491/15 B ER -, juris Rn. 24, noch offenlassend; Beschluss vom 30.11.2015 - L 19 AS 1713/15 B ER -, juris Rn. 15 unter Bezugnahme auf LSG NRW, Urteil vom 01.06.2015 - L 19 AS 1923/14 -, juris Rn. 47; vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER -, juris Rn. 20, allerdings fehlte es an den weiteren Voraussetzungen des § 28 AufenthG; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.06.2016 - L 25 AS 1331/16 B ER -, juris Rn. 4, ohne Begründung allein unter Hinweis auf den angegebenen Beschluss des LSG NRW), jeweils allein unter Bezugnahme auf die o.g. Literaturstelle bei Dienelt.

Eine solche Auslegung begegnet zur Überzeugung des Senats allerdings erheblichen Bedenken, so dass der Senat ihr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht folgt. Diese Bedenken bestehen für den Senat, weil der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den Urteilen vom 11.11.2014 - C-333/13 - und 15.09.2015 - C-67/14 - mittlerweile zur Auslegung von Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG Stellung genommen hat.

Nach Art. 18 AEUV ist unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Das in Art. 18 AEUV in allgemeiner Weise niedergelegte Diskriminierungsverbot wird für Unionsbürger, die von ihrer Freiheit Gebrauch machen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten aufzuhalten und zu bewegen, in Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG konkretisiert (EuGH, Urteil vom 11.11.2014 - C 333/13 -, juris Rn. 61). Dazu führt der Europäische Gerichtshof aus (a.a.O., juris Rn. 69 ff.):

"Nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Daraus folgt, dass ein Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt. Dabei beschränkt erstens Art. 6 der Richtlinie 2004/38 für Aufenthalte bis zu drei Monaten die für das Aufenthaltsrecht geltenden Bedingungen oder Formalitäten auf das Erfordernis des Besitzes eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses, und nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie besteht dieses Recht für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen fort, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen [ ]. Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist der Aufnahmemitgliedstaat somit nicht verpflichtet, einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats oder seinen Familienangehörigen während des genannten Zeitraums einen Anspruch auf eine Sozialleistung einzuräumen."

Dies wird bestärkt in dem Urteil des EuGH vom 15.09.2015 (C-67/14 -, juris Rn 49 ff.).

Weder in der genannten Kommentierung noch in der genannten Rechtsprechung findet sich eine Auseinandersetzung mit dieser neueren Rechtsprechung des EuGH (kritisch gegenüber einer Herleitung eines Leistungsanspruchs über § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, Art. 18 AEUV iVm. §§ 11 FreizügG/EU, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.05.2017 - L 31 AS 1000/17 B ER -, juris Rn. 5 ff.).

Daher überwiegen die Zweifel, über § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, Art. 18 AEUV iVm. §§ 11 FreizügG/EU, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einen Leistungsanspruch herzuleiten.

Nichts anderes ergibt sich - anders als die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten vortragen lassen - aus Art. 8 EMRK. Danach hat jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Zwar hat das Bundessozialgericht unter anderem mit Blick auf den durch Art. 8 EMRK vermittelten Schutz der Familie die Konstellation eines anderen Aufenthaltsrechtes iSd. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der besonderen Situation einer bevorstehenden Familiengründung sowie unmittelbar nach der Geburt angenommen. Es hat dies damit begründet, dass verhindert werden soll, dass ein Kind in dem ersten Jahr nach seiner Geburt entgegen Art. 6 Abs. 1 GG von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteile ausgeschlossen wird, auch eine grundsätzliche Schutzpflicht für die Gesundheit der (werdenden) Mutter und des Kindes (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) bestehe (BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R -, juris Rn. 36). Eine solche Konstellation liegt hier aber nicht vor, denn streitgegenständlich sind Leistungen erst ab dem 28.03.2017 und mithin erst nach Vollendung des ersten Lebensjahres des (jüngsten) Antragstellers zu 4).

Nach Überzeugung des Senats gebietet auch Art. 6 GG keine Auslegung von § 11 FreizügG/EU iVm. § 28 AufenthG, nach welcher über den eindeutigen Wortlaut hinaus nicht nur ein Aufenthaltsrecht nichtdeutscher Eltern nichtdeutscher lediger Minderjähriger bestehen soll, sondern sich daraus auch ein Leistungsanspruch nach dem SGB II ableitet. Dies gilt - insoweit nimmt der Senat auf die genannte Entscheidung des BSG vom 30.01.2013 Bezug - zumindest bei Kindern, welche das erste Lebensjahr vollendet haben.

Der Senat verkennt nicht, dass der Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG berührt sowie die in Art. 6 GG enthaltene "wertentscheidende Grundsatznorm" (dazu BVerfG, Beschluss vom 17.01.1957 - 1 BvL 4/54 -, juris Rn. 49 ff.; Beschluss vom 04.05.1971 - 1 BvR 636/68 -, juris Rn. 29; Beschluss vom 30.11.1982 - 1 BvR 818/81 -, juris Rn. 25 ff.) betroffen ist. Allerdings gewährt Art. 6 GG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (BVerfG, Beschluss vom 18.07.1979 - 1 BvR 650/77 -, juris Rn. 32 mwN.; Beschluss vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 -, juris Rn. 88 ff, eine Vergleichbarkeit mit dem dort genannten Zwang, für geraume Zeit eine räumliche Trennung von den Angehörigen hinzunehmen oder ein bestehendes Aufenthaltsrecht endgültig aufzugeben, besteht hier nicht, weil Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung aufgrund der Freizügigkeit nicht endgültig erloschen würden; siehe für eine Situation ohne den genannten Zwang BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25.03.2011 - 2 BvR 1413/10 , juris Rn. 7, wo es für zumutbar gehalten wird, eine familiäre Einheit durch Besuche oder nötigenfalls in Gänze im Ausland herzustellen). Damit besteht auch keine unmittelbare Verpflichtung, für einen aufgrund der Freizügigkeitsregelungen innerhalb der EU möglichen Aufenthalt Sozialleistungen zu gewähren. Soweit das Bundesverfassungsgericht aus der wertentscheidenden Grundsatznorm die Verpflichtung der Behörden und Gerichte abgeleitet hat, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen - die hier nicht im Raume stehen - die tatsächlich bestehenden familiären Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen, hat es ein Zurückstehen einwanderungspolitischer Belange dann eingefordert, wenn eine Lebensgemeinschaft der Eltern und der Kinder nur in der Bundesrepublik stattfinden kann (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 01.12.2008 - 2 BvR 1830/08 , juris Rn. 27). So stellt sich die Lage der Antragsteller allerdings nicht dar.

cc) Der Antragsteller zu 2) hat auch kein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO 492/2011/EU glaubhaft gemacht, weil seine Kinder weder am allgemeinen Unterricht noch an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.

Gewichtige Argumente sprechen daher insgesamt dafür, dass dem Antragsteller zu 2) - solange er mit der Antragstellerin zu 1) nicht verheiratet ist - ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche zukommt und der daher von Leistungen der Grundsicherung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen ist. Daher überwiegen die Zweifel an dem Vorliegen eines Anordnungsanspruchs.

e) Der Antragsteller zu 2) ist auch gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen (zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des SGB XII siehe BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R -, juris Rn.36 ff.). Nach dieser Vorschrift erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen keine Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt.

Es war nicht darüber zu entscheiden, ob ein Anspruch des Antragstellers zu 2) auf Überbrückungsleistungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII besteht. Nach dieser Vorschrift werden hilfebedürftigen Ausländern, die dem Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII unterfallen, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken. Der Anspruch stellt im Verhältnis zu dem Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB XII einen eigenständigen Streitgegenstand dar. Das Begehren des Antragstellers erstreckt sich erkennbar nicht auf diesen Anspruch. Im Übrigen würde eine Zuerkennung dieses Anspruchs ohne ausdrücklichen Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dazu führen, dass der Antragsteller zwei Jahre solche Leistungen nicht mehr beanspruchen könnte (so LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER -, juris Rn. 41; sowie Beschluss vom 05.07.2017 - L 9 SO 213/17 B ER -). Der Senat schließt sich dem an. Der Senat konnte daher von einer Beiladung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe absehen.

f) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Leistungsausschlüsse nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII n. F. und § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II n. F. hat der Senat auch vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG) nicht (so bereits LSG NRW, Beschluss vom 05.07.2017 - L 9 SO 213/17 B ER, L 9 SO 314/17 B). Es ist verfassungsrechtlich insbesondere nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber mit einem Leistungsausschluss für Unionsbürger, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten oder die über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen, den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Denn diese Personen können darauf verwiesen werden, Leistungen ihres Heimatlandes zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Anspruch zu nehmen oder von ihrem Freizügigkeitsrecht innerhalb des Hoheitsgebiets der EU Gebrauch zu machen (LSG NRW, a. a. O., m. w. N.).

Mithin besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, einen Aufenthalt des Hilfebedürftigen im Bundesgebiet trotz einer ihm möglichen Rückkehr in sein Herkunftsland durch die Gewährung von Sozialleistungen zu ermöglichen, wenn der Hilfebedürftige über gar kein Aufenthaltsrecht oder nur über ein solches verfügt, dessen Gewährung der nationale Gesetzgeber originär - europarechtlich zulässig (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 15.09.2015 - C 67/14 - Alimanovic) - mit der Versagung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums verknüpft hat (LSG NRW, a. a. O.)

2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen.

3. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved