L 11 KR 4990/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 3984/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4990/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29.10.2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.713,31 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenkasse.

Im Zeitraum vom 17.10.2010 bis 02.11.2010 behandelte die Klägerin die 1926 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte E. S. (im Folgenden: Versicherte) stationär. Die Versicherte litt an einer Knochennekrose des rechten Knies sowie Gonarthrose rechts. In den Monaten zuvor hatte sie zunehmende Beschwerden im Bereich des rechtsseitigen Kniegelenks, Einlauf- und Ermüdungsschmerzen, Ruheschmerzen. Sie benötigte regelmäßige Schmerzmedikation. Am 18.10.2010 wurde eine bicondyläre Oberflächenersatzprothese implantiert, ungekoppelt, mit Patellaersatz am Kniegelenk.

Die Klägerin kodierte als Hauptdiagnose nach ICD-10 die Ziffer M87.06 (Knochennekrose) und verschiedene Nebendiagnosen - jedoch nicht beidseitige Pleuraergüsse (J90), vgl den Datensatz Bl 31 Verwaltungsakte Stand 03.05.2011 - und rechnete auf dieser Grundlage mit Rechnung vom 11.11.2010 die diagnoseorientierte Fallpauschale DRG I44A (Implantation einer bicondylären Endoprothese oder andere Endoprothesenimplantation/-revision am Kniegelenk, mit äußerst schwerem CC oder Korrektur einer Brustkorbdeformität) in Höhe von 8.990,19 EUR ab.

Die Beklagte beauftragte hierauf den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Abrechnung.

Im Gutachten vom 29.04.2011 (Dr. So.) wurde ausgeführt, dass die Versicherte im postoperativen Verlauf eine untere gastrointestinale Blutung bei Clostridium-difficile-toxin-assoziierter Kolitis entwickelt habe und deshalb vorübergehend auf der internistischen Intensivstation überwacht worden sei. Die Hauptdiagnose einer ideopathischen aseptischen Knochennekrose nach ICD-10 M87.06 sei korrekt kodiert worden. Eine für das Patientenmanagement nachvollziehbare Aufwandsrelevanz durch die von der Klägerin kodierte Nebendiagnose ICD-10 I44.1 (Atrioventrikulärer Block 2. Grades) sei nicht erkennbar. Daher ergebe sich eine Schweregradänderung der abgerechneten DRG von I44A nach I44B (Implantation einer bicondylären Endoprothese oder andere Endoprothesenimplantation/-revision am Kniegelenk, ohne äußerst schwere CC).

Mit Schreiben vom 03.05.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 1.713,31 EUR geltend mache und diesen mit einer der kommenden Sammelrechnungen verrechnen werde.

Die Klägerin widersprach dem und führte aus, dass als Nebendiagnose auch beidseitige Pleuraergüsse (J90) nach CT des Gesamtabdomens vom 21.10.2010 kodiert und hochdosiert durch Diuretika-Gabe mitbehandelt worden seien.

Im Gutachten vom 26.09.2014 (Dr. von B.) nahm der MDK erneut Stellung. Die kleinen beidseitigen Pleuraergüsse (vermehrte Flüssigkeitsansammlung zwischen Lunge und Brustkorb) seien bei regelrechtem thorakalem klinischem Untersuchungsbefund ohne Konsequenz geblieben, weshalb es bei der Schweregradänderung nach I44B verbleibe.

Am 03.06.2011 verrechnete die Beklagte einen Betrag von 1.713,31 EUR mit anderen Forderungen der Klägerin.

Mit Schreiben vom 20.10.2014 machte die Klägerin erneut geltend, die Pleuraergüsse ließen sich definitiv belegen und eine Behandlung habe stattgefunden. Die Nebendiagnosedefinition werde erfüllt.

Der MDK nahm hierzu erneut Stellung. Im Gutachten vom 27.11.2014 (Dr. von B.) wurde ausgeführt, dass die nachträglich kodierte Nebendiagnose J90 (Pleuraerguss) weder den Diagnoseauflistungen der Arztbriefe der Orthopädie vom 15.11.2010 noch der Inneren Abteilung vom 26.10.2010 noch dem Verlaufsbetrachtungen noch dem § 301-Datensatz vom 11.11.2010 zu entnehmen sei. Das bei vorliegender Darmerkrankung gefertigte Abdomen-CT habe als Zufallsbefund die beidseitigen geringen und nicht krankheitsrelevanten Pleuraergüsse ohne diagnostischen, therapeutischen oder pflegerischen Mehraufwand gezeigt. Die Furosemid-Abgabe sei im konkreten Fall nicht auf die nicht krankheitsrelevanten Pleuraergüsse, sondern vielmehr auf das erhöht gemessene Kreatin ausgerichtet gewesen. Die Furosemid-Gabe könne nicht den Pleuraergüssen zugeordnet werden, weshalb eine nachträgliche Kodierung des Pleuraergusses J90 als Nebendiagnose nicht erfolgen könne und bei der Rechnungsstellung der Klinik am 11.11.2010 auch nicht vorgenommen worden sei.

Die Beklagte teilte hierauf der Klägerin mit, eine Änderung ihres Standpunkts sei nicht veranlasst.

Die Klägerin hat hierauf am 11.12.2014 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Die Forderung der Beklagten sei unbegründet. Die Nebendiagnose J90 sei zu Recht gestellt und kodiert worden. Die Pleuraergüsse seien dem Brief der internistischen Abteilung zu entnehmen. Es sei eine hochdosierte Diuretika-Gabe erfolgt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klägerin habe mehrere Nebendiagnosen fehlerhaft kodiert und hieraus resultierend den stationären Aufenthalt der Versicherten über eine unzutreffende DRG-Fallpauschale abgerechnet. Die Kodierung der Nebendiagnose I44.1 sei unzutreffend gewesen. Auch die nachkodierte Nebendiagnose J90 sei unzutreffend. Diese Nebendiagnose habe die Klägerin erst mit dem Widerspruchschreiben nachkodiert. Sie lasse sich weder den Diagnoseauflistungen der Arztbriefe vom 15.11.2010 und vom 26.10.2010 noch dem Verlaufsbetrachtungen entnehmen.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung eines internistischen Sachverständigengutachtens nach Aktenlage bei Dr. G., B ... Im Gutachten vom 20.02.2015 vertrat der Sachverständige die Auffassung, dass keine Berechtigung zur Kodierung der Diagnose J90 vorgelegen habe. Die Furosemid-Therapie sei bereits angeordnet worden, bevor das CT-Abdomen, bei dem die Pleuraergüsse festgestellt worden seien, vorgelegen habe. Das CT sei erst drei Tage später durchgeführt worden, so dass die Diagnose der Pleuraergüsse nicht zur Verordnung von Furosemid geführt habe. Auch für die Nebendiagnose I44.1 gebe es keine Berechtigung. Bei der Versicherten sei bereits im Juni 2009 eine Schrittmacher-Implantation wegen eines AV-Blocks 2. Grades Typ Wenckebach erforderlich gewesen. Es handele sich dabei um eine reine Erregungsausbreitungsstörung innerhalb des Nervenleitsystem des Herzens und bedeute nicht, dass automatisch eine Herzminderleistung daraus resultiere. In dem von Dr. G. beigefügten Webgrouper-Ausdruck ist die DRG I44A vermerkt. Auch die Frage des SG, welche DRG-Fallpauschale abgerechnet werden könne, hat Dr. G. mit DRG I44A beantwortet.

Die Klägerin führte hierauf aus, dass am 21.10.2010, dem Tag der Diagnosestellung der Pleuraergüsse, sich in der Dokumentation der Eintrag über die Gabe von zusätzlich 1000ml Ringerlösung + Furosemid i.V. finde (vgl Blatt 31 SG-Akte).

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 29.04.2015 erklärte Dr. G., bei seiner Auffassung zu verbleiben. Eine Furosemid-Behandlung, die bereits vor Feststellung der Pleuraergüsse eingeleitet worden sei, könne nicht nachträglich anders begründet werden. Die Behandlung habe bereits am 18.10.2010 begonnen. Dass eine zusätzliche Flüssigkeitszufuhr von 1000 ml einen therapeutischen Einfluss auf die Behandlung von Pleuraergüssen habe, könne nicht nachvollzogen werden.

Die Klägerin machte hierauf geltend, dass der Sachverhalt unzutreffend wiedergegeben werde. Die Versicherte habe von Anfang an (Herzerkrankung) Furosemid erhalten. Nachdem Pleuraergüsse beidseits diagnostiziert worden seien, habe sie zusätzlich Ringerlösung und Furosemid erhalten. Damit liege ein entsprechender Aufwand entsprechend der Deutschen Kodierrichtlinien vor.

Nach einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 29.07.2015 vertrat Dr. G. die Auffassung, dass es nicht nachvollziehbar sei, welchen Einfluss eine zusätzliche Gabe von Flüssigkeit bei bereits vorliegenden pathologischen Flüssigkeiten (Pleuraergüsse) haben solle, die dann eine Begründung darstellen sollten für die Anerkennung der Nebendiagnose Pleuraerguss.

Mit Urteil vom 29.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Abrechnung der Klägerin zu Recht beanstandet, weshalb ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegeben gewesen sei. Zwar habe die Klägerin die Hauptdiagnose zutreffend kodiert, jedoch sei weder die Nebendiagnose I44.1 noch die Nebendiagnose J90 zu kodieren gewesen. Die Behandlung sei daher richtigerweise nach der DRG I44B abzurechnen gewesen. Die Auffassung des MDK, dass eine Therapie im Hinblick auf die Kreatin-Werte stattgefunden habe, werde durch die Laborbefunde gestützt. Dort seien die Kreatin-Werte bereits im Aufnahmebefund als pathologisch beschrieben worden und seien in der Folge angestiegen, was die Dosissteigerung der Furosemid-Gabe erkläre und gleichzeitig die Feststellungen des Sachverständigen Dr. G. bestätige, dass es an einem Kausalzusammenhang mit dem Zufallsbefund der Pleuraergüsse fehle.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 05.11.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 02.12.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen vollumfänglich aufrechterhalten und weiter vertieft. Es sei unstreitig, dass die Versicherte bereits ab dem 18.10.2010 Furosemid erhalten habe. Jedoch hätten sich im CT vom 21.10.2010 trotz bestehender Furosemid-Abgabe beidseitige Pleuraergüsse diagnostizieren lassen, weshalb aufgrund dieses Ergebnisses vom behandelnden Arzt am 21.10.2010 die zusätzliche Gabe von Furosemid i.V. + zusätzlich 1000ml Ringerlösung angeordnet worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29.10.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 1.713,31 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.06.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die MDK-Gutachten sowie die Ausführungen Dr. G.s und Dr. van Bo. Bezug. In der mündlichen Verhandlung am 10.10.2017 hat sie darauf hingewiesen, dass Dr. G. in den Grouper fälschlich die nicht vorliegende Nebendiagnose E11.01 (Diabetes mellitus Typ 2, mit Koma, als entgleist bezeichnet) eingegeben habe, was das unzutreffende Ergebnis DRG I44A zur Folge gehabt habe.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Internisten Dr. van Bo., H ... Im Gutachten vom 18.03.2017 hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass die Versicherte bereits am 19.10.2010 1500ml Ringerlösung erhalten habe. Am 21.10.2010 sei eine Akutproblematik aufgetreten, es habe ein Schockzustand gedroht. Als Notfallmaßnahme seien zwei Liter intravenöse Flüssigkeit gegeben worden. Auch der plötzlich angestiegene Kreatininwert spreche für eine solche Exsikkose (prärenale Niereninsuffizienz). Im Übrigen sei eine Behandlung eines Pleuraergusses bei Herzpatienten mit Ringerlösung gar nicht üblich. Da die Diagnose Pleuraerguss während und nach der vollstationären Behandlung zunächst gar nicht aufgetaucht sei, bestehe der Eindruck, dass die behandelnden Ärzte keinen diagnostischen und therapeutischen Mehraufwand gesehen hätten. Die Nachkodierung sei erst viel später und erst nach dem ersten MDK-Gutachten erfolgt. Die im Nachhinein von der Klägerin gegebene Erklärung, den Erguss mit einer Infusionslösung behandelt zu haben, sei nicht korrekt, weil nicht zielführend. Durch eine Infusionslösung entstehe eine noch größere Volumenbelastung für Herz und Lungen und somit sei zu erwarten gewesen, dass die Pleuraergüsse dann noch zunehmen würden. Im Übrigen habe auch keine Ergusskontrolle danach stattgefunden, ob die angeblich durchgeführte Ergussbehandlung erfolgreich gewesen wäre. Die von der Klägerin nachträglich favorisierte Nebendiagnose J90 sei daher nicht kodierrelevant. In den Krankenunterlagen fehlten auch die Dokumentation der ärztlichen Auseinandersetzung mit der Problematik der als "Nebenprodukt" beim CT-Abdomen gesehenen Pleuraergüsse. Korrekt sei daher die DRG I44B abzurechnen gewesen.

Die Klägerin legte eine medizinische Stellungnahme vor (Blatt 74 Senatsakte). Darin führte die Klägerin aus, dass Pleuraergüsse unstreitig vorgelegen hätten und auch behandelt worden seien.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 12.06.2017 erklärte der Sachverständige Dr. van Bo., bei seiner Auffassung zu verbleiben. Aus gutachterlicher Sicht seien die Pleuraergüsse "automatisch" Teil der Herzinsuffizienz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 1.713,31 EUR, da die Beklagte in dieser Höhe gegen andere (unstreitige) Forderungen der Klägerin zu Recht aufgerechnet hat.

Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).

Der Klägerin steht kein weiterer Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung der Versicherten im Zeitraum 17.10.2010 bis 02.11.2010 iHv 1.713,31 EUR zu. Ursprünglich hatte die Beklagte den gesamten von der Klägerin geltend gemachten Betrag in Höhe von 8.990,19 EUR an die Klägerin gezahlt, jedoch nachträglich den Vergütungsanspruch mit zwischen den Beteiligten nicht streitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen gegen die Beklagte iHv 1.713,31 EUR verrechnet. Selbst wenn nicht feststeht, welche Vergütungsansprüche die Klägerin aufgrund welcher konkreten Krankenhausbehandlung gegenüber der Beklagten geltend macht, haben die Beteiligten übereinstimmend vorausgesetzt, dass der Klägerin gegen die Beklagte - ohne Berücksichtigung der streitigen Zahlungsforderung - laufende Ansprüche aus Anlass von Krankenhausbehandlungen anderer Versicherter der Beklagten in Höhe der streitigen Zahlungsforderung zustehen. Da die Beklagte sich ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Hauptforderung selbst außer Streit (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, aaO; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2 (vorgesehen)).

Die Beklagte konnte mit einem bestrittenen fälligen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber Vergütungsforderungen der Klägerin aufrechnen (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten und zur Aufrechnung analog § 387 BGB vgl eingehend BSG 25.10.2016, B 1 KR 9/16 R, SozR 4-5562 § 11 Nr 2; 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2), denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte ohne Rechtsgrund. Die Klägerin hatte einen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte für die Behandlung der Versicherten. Über die bereits geleistete Zahlung hinaus besteht jedoch kein Anspruch auf Zahlung von weiteren 1.713,31 EUR.

Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie die Versicherte vom 17.10.2010 bis 02.11.2010 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (st Rspr BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 R, BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2). Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt.

Die Klägerin durfte lediglich die niedriger vergütete DRG I44B (Implantation einer bicondylären Endoprothese oder andere Endoprothesenimplantation/-revision am Kniegelenk, ohne äußerst schwere CC), nicht aber die tatsächlich in Rechnung gestellte DRG I44A (Implantation einer bicondylären Endoprothese oder andere Endoprothesenimplantation/-revision am Kniegelenk, mit äußerst schwerem CC oder Korrektur einer Brustkorbdeformität) in Rechnung stellen.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I S 378) in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG (jeweils idF des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes v 17.03.2009, BGBl I S 534) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz vom 17.03.2009, BGBl I S 534) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2010 v 23.09.2008 (Fallpauschalenvereinbarung 2010 - FPV-2010) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 sowie dem durch Entscheidung der Landesschiedsstelle vom 21.09.2005 festgesetzten Vertrag nach § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V über "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Verbänden der Krankenkassen mit Ausnahme der vom BSG beanstandeten Regelung in § 19 Abs 2 (BSG 13.11.2012, B 1 KR 27/11 R, BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1).

In seiner Höhe wird der Vergütungsanspruch durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelation sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (dazu und zum Folgenden BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, jeweils unter Hinweis auf BSGE 109, 236 ff.). Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.

Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2010). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).

Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, aaO; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R, juris).

In welcher Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die DKR konkrete Vorgaben für die Eingaben. Die DKR (hier anwendbar in der Version 2010) regeln Kodieranweisungen. Der Begriff der Hauptdiagnose ist in den Allgemeinen Kodierrichtlinien für Krankheiten der DKR unter D002f definiert. Danach ist Hauptdiagnose "die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts des Patienten verantwortlich ist." Entscheidend für die Auswahl der Hauptdiagnose sind die Umstände der Aufnahme (LSG Nordrhein-Westfalen 16.01.2014, L 16 KR 177/09, juris). Der Begriff der Nebendiagnose ist in den Allgemeinen Kodierrichtlinien für Krankheiten der DKR unter D003i definiert. Danach ist Nebendiagnose eine "Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt.” Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: therapeutische Maßnahmen, diagnostische Maßnahmen oder erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand (DKR 2010, D 003i, S. 30).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte die Abrechnung zu Recht beanstandet hat und daher ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegeben war. Zwar wurde die Hauptdiagnose (ideopathische aseptische Knochennekrose nach ICD-10 M87.06) von der Klägerin zutreffend kodiert, jedoch war weder die Nebendiagnose I44.1 noch die Nebendiagnose J90 zu kodieren. Nachvollziehbar und überzeugend haben der MDK und der Sachverständige Dr. van Bo. dargelegt, dass eine für das Patientenmanagement nachvollziehbare Aufwandsrelevanz durch Nebendiagnosen nicht vorliegt und es an der schweren CC fehlt, weshalb sich eine Schweregradänderung der abgerechneten DRG von I44A nach I44B (Implantation einer bicondylären Endoprothese oder andere Endoprothesenimplantation/-revision am Kniegelenk, ohne äußerst schwere CC). ergibt. Soweit hingegen Dr. G. eine Vergütung nach DRG I44A angenommen hat, resultiert dies daraus, dass er offensichtlich versehentlich in den Grouper die nicht vorliegende Nebendiagnose E11.01 (Diabetes mellitus Typ 2, mit Koma, als entgleist bezeichnet) eingegeben hat, was das unzutreffende Ergebnis DRG I44A zur Folge gehabt hat.

Zu der Nebendiagnose I44.1 (Atrioventrikulärer Block 2. Grades) hat der Sachverständige Dr. G. schlüssig dargelegt, dass es sich bei dem AV-Block 2.Grades um eine reine Erregungsausbreitungsstörung innerhalb des Nervenleitsystems des Herzens handelt, aus der nicht automatisch auf eine Herzleistungsminderung geschlossen werden kann und damit nicht auf einen Behandlungsbedarf. Dementsprechend hat auch der MDK darauf hingewiesen, dass die Versicherte mit einem Herzschrittmacher versorgt gewesen ist, sodass sich ein aktueller Mehraufwand nicht erkennen lässt.

Hinsichtlich der von der Klägerin nachträglich codierten Nebendiagnose J90 haben der MDK, Dr. G. und Dr. van Bo. für den Senat überzeugend dargelegt, dass es sich bei den Pleuraergüssen um einen Zufallsbefund gehandelt hat, der keiner therapeutischen Intervention bedurfte und die Verabreichung von Furosemid nicht durch die Pleuraergüsse, sondern vielmehr durch die schlechten Kreatinwerte bedingt gewesen ist. Aus der Patientenakte ergibt sich, dass die Furosemidtherapie bereits vor der Diagnose des Zufallsbefundes begonnen wurde. Dr. van Bo. hat dargelegt, dass die Versicherte bereits am 19.10.2010 1500ml Ringerlösung (isotone Elektrolytlösung, gegen Austrockung) erhalten hat und dass in den Krankenunterlagen keine Dokumentation der ärztlichen Auseinandersetzung mit der Problematik der als offenbar "Nebenprodukt" beim CT-Abdomen gesehenen Pleuraergüsse enthalten ist.

Die Sachverständigen Dr. G. und Dr. van Bo. haben überdies für den Senat nachvollziehbar ausgeführt, dass zur Therapie von pathologischen Flüssigkeiten keine zusätzliche Gabe von Flüssigkeit indiziert ist und dass bei einer bestehender Herzinsuffizienz eine zusätzliche Volumenbelastung der Versicherten nicht verständlich ist. Schließlich hat das SG, dem sich der Senat anschließt, zutreffend ausgeführt, dass die Auffassung des MDK, die Therapie habe im Hinblick auf die Kreatinwerte stattgefunden, auch durch die Laborbefunde gestützt werde. Dort sind die Kreatinwerte bereits im Aufnahmebefund als pathologisch beschrieben worden (1,01 bei Referenzbereich 0,50 bis 0,95) und sind in der Folge auf 1,18 am 20.10.2010 und 1,50 am 21.10.2010 angestiegen, was eine Dosissteigerung erklärt und gleichzeitig die Feststellungen der Sachverständigen Dr. G. und Dr. van Bo. bestätigt, dass es an einem Kausalzusammenhang mit dem Zufallsbefund fehlt. Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nochmals betonten Darstellung, gerade wegen der Pleuraergüsse sei die Furosemidgabe von oral auf intravenös umgestellt worden, was einen erhöhten Ressourcenverbrauch zur Folge gehabt habe, ist Dr. van Bo. für den Senat nachvollziehbar und überzeugend entgegengetreten, indem er ausgeführt hat, dass die im Nachhinein von der Klägerin gegebene Erklärung, den Erguss mit einer Infusionslösung behandelt zu haben, nicht korrekt, weil nicht zielführend, sei. Durch eine Infusionslösung entsteht nach den Darlegungen des Sachverständigen eine noch größere Volumenbelastung für Herz und Lungen und somit wäre zu erwarten gewesen, dass die Pleuraergüsse dann noch zugenommen hätten. Der Sachverständige hat auch darauf hingewiesen, dass keine Ergusskontrolle danach stattgefunden hat, ob die nach Darstellung der Klägerin durchgeführte Ergussbehandlung erfolgreich gewesen sei und kein Behandlungsergebnis dokumentiert ist.

Die weiteren von der Klägerin kodierten Nebendiagnosen haben das Patientenmanagement nicht in relevanter Weise beeinflusst und führen nicht zu Änderungen in der Abrechnung.

Nach alledem war die Behandlung der Versicherten nach der DRG I44B abzurechnen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats und haben die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO); weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung, da weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Hs 1 SGG iVm § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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