L 11 AS 588/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 1269/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 588/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.07.2017 - S 13 AS 1269/16 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Beklagte die Kosten für eine harte (Bandscheiben-)Matratze sowie für das hierfür ausgestellte Attest vom 01.09.2015 zu übernehmen hat und verpflichtet ist, einen neutralen Ort für künftige Gespräche mit dem Kläger zu benennen.

Der Kläger bezieht seit längerem mit Unterbrechungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Bereits mit Bescheid vom 16.12.2008 war ihm aufgrund eines Attestes von Dr. B. (die Benutzung einer harten [Bandscheiben-]Matratze wurde empfohlen) als Erstausstattung für seine Wohnung unter anderem ein Betrag von 398,00 EUR für zwei von ihm selbst ausgewählte 7-Zonen-Kaltschaummatratzen à 90 x 200 cm bewilligt worden.

Am 03.09.2015 beantragte der Kläger erneut die Übernahme der Kosten für eine neue Matratze. Dazu legte er ein mit dem Attest vom 31.10.2008 inhaltlich identisches Attest von Dr. B. vom 01.09.2015 vor, für das er 10,00 EUR an den ausstellenden Arzt zu bezahlen hatte. Mit Bescheid vom 15.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten ab. Aufwendungen für eine Matratze seien grundsätzlich anzusparen. Eine Erstausstattung i.S.d. § 24 Abs. 1 Nr. 1 SGB II liege nicht vor, nachdem bereits 2008 die Kosten für die Ausstattung mit zwei Matratzen übernommen worden seien. Es handle sich auch nicht um einen laufenden Mehrbedarf i.S.d. § 21 Abs. 6 SGB II. Ein Darlehen gemäß § 24 Abs. 1 SGB II habe der Kläger nicht beantragt. Aufwendungen für das Attest seien nicht zu erstatten, denn dieses sei nicht notwendig gewesen. Der Gesundheitszustand des Klägers sei bekannt. Mit Schreiben vom 12.12.2016 erteilte der Beklagte dem Kläger Hausverbot für ein Jahr wegen seines unangemessenen, nicht hinnehmbaren Verhaltens. Nach Aufforderung oder schriftlicher Anmeldung könne er das Jobcenter aufsuchen, deswegen stelle die Anordnung der sofortigen Vollziehung keine unangemessene Benachteiligung für den Kläger dar. Widerspruch dagegen legte der Kläger nicht ein.

Unter anderem gegen den Bescheid vom 15.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Der Preis für eine Matratze würde zwischen 1.920,00 EUR und 2.250,00 EUR liegen. Mit Schreiben vom 13.12.2016 erweiterte der Kläger die Klage dahingehend, dass der Beklagte verpflichtet sei, für den Zeitraum des Hausverbotes für Einladungen einen neutralen Ort für künftige Gespräche zu finden und ihn rechtzeitig zu benennen, da er das Hausverbot nicht verletzen wolle. Er bestehe auf der Aufrechterhaltung des Hausverbotes. Das SG hat den Kläger am 31.05.2017 zur mündlichen Verhandlung geladen. Auf seinen mit der Klageerhebung gestellten und noch nicht verbeschiedenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht hingewiesen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.07.2017 abgewiesen. Eine Kostenübernahme bezüglich der begehrten Matratze und des Attestes scheide aus. Der Kläger habe diesbezüglich bereits eine Erstausstattung erhalten. Eine Ersatzbeschaffung müsse er aus dem Regelbedarf ansparen. Einen Anspruch auf Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II bestehe nicht, da es sich nicht um einen laufenden, sondern um einen einmaligen Bedarf handele. Das erteilte Hausverbot sei bestandskräftig geworden. Die durch Erweiterung zusätzlich erhobene Klage sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, denn der Kläger könne nach Aufforderung oder schriftlicher Anmeldung das Dienstgebäude des Beklagten betreten.

Gegen das Urteil des SG hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Vorsitzende des SG habe "von nichts eine Ahnung", über den Antrag auf Bewilligung von PKH sei erst im Nachhinein entschieden worden und Ladungsfristen seien nicht eingehalten worden. Mit einer Entscheidung im Beschlussverfahren hat er sich nicht einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.07.2017 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 zu verurteilen, die Kosten für eine orthopädische Matratze sowie die Kosten des Attestes von Dr. B. vom 01.09.2015 zu übernehmen und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Ort zu benennen, an dem künftig Gespräche geführt werden könnten.

Der Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144, 145, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Insbesondere übersteigen die vom Kläger geltend gemachten Kosten für eine Matratze den Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage auf Kostenübernahme für eine harte (Bandscheiben-)Matratze und die Kosten für das Attest ebenso abgewiesen wie die Klage auf Verurteilung des Beklagten zur Benennung eines Ortes für künftige Gespräche.

Der Senat konnte durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG). Das Einverständnis der Beteiligten hierzu ist nicht erforderlich; das Vorbringen des Klägers führt nicht zur Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung.

Eine Rechtsgrundlage für die Übernahme der Kosten für die vom behandelnden Arzt für erforderlich gehaltene harte (Bandscheiben-)Matratze findet sich nicht. Bei der Anschaffung einer Matratze handelt es sich um einen einmaligen, nicht aber um einen laufenden Bedarf i.S.d. § 21 Abs. 6 SGB II. Es handelt sich auch nicht um einen vom Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 SGB II nicht umfassten Bedarf im Sinne der abschließenden Aufzählung des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II, wobei vorliegend vom behandelnden Arzt - wie bereits 2008 - auch lediglich eine harte Matratze empfohlen wird, nicht jedoch eine "orthopädische" Matratze. Normale Matratzen aber gibt es in verschiedenen Härtegraden (vgl. dazu unter www.wikipedia.de unter dem Begriff "Matratze"; Kauf von Matratzen durch den Kläger 2008). Den Begriff "orthopädische Matratze" hat der behandelnde Arzt nicht erwähnt und dieser Begriff ist auch nicht speziellen Matratzen zugeordnet. Somit gehört eine (harte) Matratze zu der üblichen Ausstattung einer Wohnung, die aus dem Regelbedarf zu finanzieren ist (vgl. § 5 Abs. 1 Abteilung 4, Abteilung 5 des Gesetzes zur Ermittlung des Regelbedarfes nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) - Regelbedarf - Ermittlungsgesetz - in der Fassung vom 22.12.2016), es sei denn, es handle sich um eine Erstausstattung der Wohnung im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Eine Erstausstattung mit einer Matratze ist aber vorliegend nicht gegeben, denn der Kläger hatte bereits 2008 nach Vorlage eines identischen Attestes des behandelnden Arztes die Kosten für zwei 90 x 200 cm große Matratzen (Kaufvertrag vom 06.11.2008 über zwei 7-Zonen-Kaltschaummatratzen je 199,00 EUR) bewilligt erhalten (vgl. Bescheid vom 16.12.2008). Die nunmehr begehrte Matratze stellt somit eine Ersatzbeschaffung, nicht aber eine Erstausstattung dar. Dafür, dass seine bisher verwendete Matratzen aufgrund außergewöhnlicher Umstände abhandengekommen seien (vgl. dazu von Boetticher in LPK-SGB II, 6. Auflage, § 24 Rn. 25; vgl. auch Blüggel in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 24 Rn. 93ff), fehlen jegliche Anhaltspunkte. Der Kläger bewohnt seine Wohnung seit 2008. Ein Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarf - wie vorliegend - ist von der Erstausstattung abzugrenzen. Solche Bedarfe sind nach der gesetzlichen Konzeption über den Ansparbetrag nach § 20 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 SGB II zu decken, bei einem unabweisbaren Bedarf notfalls über ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II (vgl. zum Ganzen: von Boetticher a.a.O. Rn. 26, Blüggel a.a.O. Rn. 94, 95). Ein solches begehrt der Kläger jedoch bislang nicht.

Die Kosten für das Attest vom 01.09.2015 in Höhe von 10,00 EUR sind ebenfalls nicht zu übernehmen, denn auch hierfür findet sich keine Rechtsgrundlage. Der Kläger hat dieses Attest zusammen mit seinem Antrag vom 03.09.2015 auf Kostenübernahme bezüglich der Matratze vorgelegt. Er ist hierzu vom Beklagten aber nicht aufgefordert worden (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alternative 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -SGB I-), wobei selbst dann eine Kostenerstattung nicht in Betracht käme (vgl. § 65a SGB I).

Die Klage auf Benennung eines Ortes für künftige Gespräche mit dem Beklagten stellt eine allgemeine Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG dar, da ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen braucht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12.Aufl., § 54 Rdnr. 41). Für eine solche allgemeine Leistungsklage fehlt es aber am Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. Keller a.a.O. Rdnr. 41b), so dass sie unzulässig ist. Beim Rechtsschutzbedürfnis ist auf die Frage abzustellen, ob angesichts der besonderen Umstände des Falls die Klageerhebung deshalb nicht erforderlich ist, weil der Kläger seine Rechte auf einfachere Weise verwirklichen kann oder die Klage aus anderen Gründen unnütz ist. Es fehlt ausnahmsweise, wenn unzweifelhaft ist, dass das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch, wenn das angestrebte Ziel auf einfachere Weise erreicht werden kann (vgl. zum Ganzen: Keller a.a.O. Vor § 51 Rdnr. 16a). Ziel des Begehrens des Klägers nach Benennung eines Ortes für künftige Gespräche ist die Möglichkeit, mit dem Beklagten (mündlich) in Kontakt zu treten. Dieses Ziel kann er jedoch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles auf einfachere Art und Weise erreichen, nämlich durch schriftliche Anmeldung. Zwar ist das erteilte Hausverbot, das der Kläger nicht angegriffen hat und das er auch nicht angreifen wollte, nicht mit der Einschränkung erteilt worden, dass ein Betreten des Dienstgebäudes des Beklagten nach Aufforderung oder schriftlicher Anmeldung möglich sei - die diesbezüglichen Ausführungen des Beklagten finden sich nicht im Verfügungssatz des erteilten Hausverbotes, sondern wurden lediglich als Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung erwähnt -, der Beklagte hat aber im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens zu erkennen gegeben, dass er für diese Fälle ein Betreten des Dienstgebäudes nicht als Verletzung des Hausverbotes ansehen würde; er hat damit aber einen Ort für künftige Gespräche bereits genannt, so dass dem Begehren des Klägers bereits entsprochen wurde. Zudem hat der Kläger die Erteilung des Hausverbotes durch sein unangemessenes Verhalten selbst herbeigeführt; er kann durch angemessenes Verhalten erreichen, das Dienstgebäude wieder betreten zu dürfen. Die Benennung eines Ortes für Gespräche mit dem Beklagten würde auch weder die rechtliche noch die wirtschaftliche Stellung des Klägers verbessern, denn er kann zu klärende Fragen mit dem Beklagten schriftlich, telefonische oder nach Anmeldung klären. Nach alldem bedarf es vorliegend nicht (mehr) der Inanspruchnahme des Gerichts, der Kläger kann das angestrebte Ergebnis auf einfachere Weise erreichen. Auf die Frage, ob es dem Kläger nur darum geht, die Ressourcen der Verwaltung und des Gerichts zu beanspruchen (vgl. Keller a.a.O. Vor § 51 Rdnr. 17c) braucht daher vorliegend nicht eingegangen zu werden.

Die vom Kläger monierte verspätete Entscheidung des SG über den Antrag auf Bewilligung von PKH - soweit vorliegend bisher überhaupt eine solche getroffen wurde - bzw. Nichteinhaltung von Ladungsfristen hat für die Entscheidung über die Berufung keine Bedeutung.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht erkennbar.
Rechtskraft
Aus
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