S 12 KA 300/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 300/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 48/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 12/20 R
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Ist ein Verfahren zur Änderung der Punktzahlobergrenze ohne Erfolg durchgeführt worden, so bleibt es bei der Verbindlichkeit der ursprünglich festgesetzten Obergrenze. Auf das Leistungsspektrum der Job-Sharing-Praxis oder dessen Veränderung kommt es im Rahmen einer Berichtigung wegen Überschreitens der Obergrenze nicht an.
2. Vertrauensschutz ist über die in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anerkannten Konstellationen hinaus nicht zu gewähren, insb. nicht durch eine Ausnahme von der honorarrechtlichen Fallzahlzuwachsbegrenzung, die keinen Zusammenhang zu dem Jobsharing sowie dem hierdurch bedingten Gesamtpunktzahlvolumen erkennen lässt.
Bemerkung
verb. m. S 12 KA 301, 302, 595 u. 596/16
1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird für das Verfahren mit Az.: S 12 KA 300/16 auf 168.626,04 EUR und nach der Abtrennung auf 34.104,01 EUR, für das Verfahren mit Az.: S 12 KA 595/16 auf 64.185,99 EUR und nach der Abtrennung auf 38.071,82 EUR, für das abgetrennte Verfahren mit Az.: S 12 KA 301/16 auf 60.907,26 EUR, für das abgetrennte Verfahren mit Az.: S 12 KA 302/16 auf 73.614,77 EUR und für das abgetrennte Verfahren mit Az.: S 12 KA 596/16 auf 26.114,17 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung wegen Überschreitung des Praxisumfangs im Rahmen eines sog. Job-Sharings für die Quartale IV/04 bis III/07 (6., 7. und 8. Leistungsjahr) in Höhe von 173.684,06 EUR brutto bzw. 168.626,04 EUR netto und für die Quartale IV/07 bis III/09 (9. und 10. Leistungsjahr) in Höhe von 66.332,23 EUR brutto bzw. 64.185,99 EUR, zusammen in Höhe von 240.016,29 EUR brutto bzw. 232.812,03 EUR netto.

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft. Herr A2 ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt seit 1995 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ließ mit Beschluss vom 29.09.1999 Frau Dr. med. A1 als Allgemeinärztin zur gemeinsamen vertragsärztlichen Tätigkeit mit Herrn A2 gem. § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V in Verbindung mit Abschnitt 4 Nr. 23a der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte zu. Herr A2 und Frau Dr. A1 hatten sich mit der Feststellung über die Punktzahlobergrenze mit Datum vom 24.06.1999 bereit erklärt. Darin wurde für das Quartal IV/97 ein Punktzahlvolumen von 955.676,5 Punkten, für das Quartal I/98 von 971.552,8 Punkten, für das Quartal II/98 von 944.626,6 Punkten und für das Quartal III/98 von 953.401,8 Punkten festgestellt. Mit weiterem Beschluss vom 29.09.1999 genehmigte der Zulassungsausschuss die gemeinsame vertragsärztliche Tätigkeit des Herrn Dr. A2 und der Frau Dr. med. A1 und legte er das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen entsprechend der Feststellung über die Punktzahlobergrenze mit Datum vom 24.06.1999 fest, jeweils zuzüglich 3 % des Fachgruppendurchschnitts des entsprechenden Vorjahresquartals.

Mit weiterem Beschluss vom 26.04.2005 gab der Zulassungsausschuss dem Antrag auf Genehmigung zur Beschäftigung der Allgemeinärztin Dr. med. C. als halbtagsangestellte Ärztin gem. § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V i. V. m. § 32b Ärzte-ZV statt. Der Zulassungsausschuss legte zur Beschränkung des Praxisumfangs aufgrund des Fachgruppendurchschnitts in den Quartalen IV/97 bis III/98, von dem er bereits im Beschluss vom 29.09.1999 ausgegangen war, ein quartalsbezogenes Grenzpunktzahlvolumen, welches bei der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen im Rahmen der Gemeinschaftspraxis für Herrn A2 nach Beschäftigung der angestellten Praxisärztin als Leistungsbeschränkung maßgeblich ist, wie folgt fest:

Jahresquartal Punktzahl der Fachgruppe 3 % der Punktzahl der Fachgruppe Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr
1 971.552,8 29.146,6 1.000.699,4
2 944.626,6 28.338,8 972.965,4
3 938.892,0 28.166,8 967.058,8
4 955.676,5 28.670,3 984.346,8

Ab dem 2. Leistungsjahr werde das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen entsprechend den Bestimmungen von Nr. 3.4 der Angestellten-Ärzte-Richtlinien durch die Kassenärztliche Vereinigung angepasst.

Frau Dr. med. A1 erhielt ab Oktober 2009 eine Vollzulassung, womit das Job-Sharing-Verhältnis beendet wurde. Sie ist seitdem mit einem halben Versorgungsauftrag zugelassen. Frau Dr. med. C. ist seitdem als halbtagsangestellte Ärztin ohne Job-Sharing-Verhältnis beschäftigt.

Die Klägerin beantragte unter Datum vom 30.05.2008 beim Zulassungsausschuss eine Erhöhung der Punktzahlobergrenzen unter Hinweis auf das Inkrafttreten des neuen EBM ab dem 01.01.2008, da in die Leistungsbewertung vor allem die Mehrwertsteuererhöhung eingearbeitet und der zugrundeliegende "kalkulatorische Arzt" erhöht worden sei. Durch die Erhöhung sei die alte Punktzahlobergrenze nicht mehr zutreffend. Antrag und Widerspruch blieben erfolglos. SG Marburg, Urt. v. 23.02.2011 - S 12 KA 605/10 - juris wies die Klage ab, LSG Hessen, Urt. v. 29.07.2015 - L 4 KA 20/11 - juris wies die Berufung, BSG, Beschl. v. 17.02.2016 - B 6 KA 64/15 B - juris die Nichtzulassungsbeschwerde zurück.

Die Beklagte setzte das Honorar der klägerischen Gemeinschaftspraxis in den streitbefangenen Quartalen wie folgt fest:
IV/04 I/05 II/05 III/05
Honorarbescheid vom 18.04.2005 26.07.2005 29.06.2006 12.08.2006
Nettohonorar gesamt in EUR 49.003,37 45.981,93 51.722,19 44.727,58
Bruttohonorar PK + EK in EUR 49.457,53 46.686,75 51.740,14 45.166,50
Fallzahl PK + EK 1.316 1.308 1.301 1.293

IV/05 I/06 II/06 III/06
Honorarbescheid vom 06.08.2007 20.01.2007 04.02.2007 17.03.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 52.727,38 50.209,33 49.719,97 47.006,64
Bruttohonorar PK + EK in EUR 53.550,85 50.689,00 50.160,99 47.718,72
Fallzahl PK + EK 1.388 1.400 1.293 1.247

IV/06 I/07 II/07 III/07
Honorarbescheid vom 18.04.2007 08.03.2008 17.10.2007 17.01.2008
Nettohonorar gesamt in EUR 59.880,80 56.051,38 60.532,55 54.357,68
Bruttohonorar PK + EK in EUR 60.676,50 56.460,88 61.663,17 55.062,67
Fallzahl PK + EK 1.414 1.481 1.413 1.293

IV/07 I/08 II/08 III/08
Honorarbescheid vom 14.05.2008 10.07.2008 28.10.2008 10.01.2009
Nettohonorar gesamt in EUR
Bruttohonorar PK + EK in EUR 67.044,43 54.135,10 51.711,07 44.955,91
Fallzahl PK + EK 1.491 1.520 1.452 1.381

IV/08 I/09 II/09 III/09
Honorarbescheid vom 30.03.2009 03.07.2009 12.10.2009 23.12.2009
Nettohonorar gesamt in EUR
Bruttohonorar PK + EK in EUR 54.687,03 62.924,77 59.092,10 58.615,58
Fallzahl PK + EK 1.509 1.635 1.490 1.423

Mit Bescheid vom 13.01.2009 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung für die streitbefangenen Quartale IV/04 bis III/05 – 6. Leistungsjahr - wegen Überschreitung des Praxisumfangs vor und forderte Honorar in Höhe von 34.991,60 EUR brutto bzw. nach Abzug anteiliger Verwaltungskosten (886,69 EUR) 34.104,01 EUR netto zurück. Mit zwei weiteren Bescheiden vom 13.01.2009 nahm sie eine entsprechende Honorarberichtigung für die streitbefangenen Quartale IV/05 bis III/06 7. Leistungsjahr - und die Quartale IV/06 bis III/07 – 8. Leistungsjahr - vor und forderte Honorar in Höhe von 62.769,64 EUR und 75.922,82 EUR brutto bzw. nach Abzug anteiliger Verwaltungskosten (1.862,38 EUR und 2.308,05) 60.907,26 EUR und 73.614,77 EUR netto zurück.

Hiergegen legte die Klägerin am 28.01.2009, 30.01.2009 und 28.01.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte sie aus, die Beklagte habe keine Transcodierung durchgeführt, obwohl es in dem Abrechnungszeitraum mehrere gravierende EBM-Änderungen und Änderungen in der Honorarverteilung gegeben habe. Ihr sei der Anpassungsfaktor nicht mitgeteilt worden. Diesen habe die Beklagte auch nicht quartalsweise gebildet. Ferner habe sie ihn so gebildet, dass sie lediglich die RLV-Punktzahlen der Fachgruppe zugrunde gelegt habe, obwohl alle Leistungen der Begrenzung unterzogen würden. Die durchgeführten HVV-Maßnahmen seien nicht berücksichtigt worden. Sie habe nicht die Punktwerte, die sie ihrer Berechnung zugrunde gelegt habe, mitgeteilt. Sie mache Vertrauensschutz geltend, da die Beklagte mit den Honorarbescheiden jeweils eine Überprüfung angekündigt habe, aber untätig geblieben sei. Fehlerhaft sei die Berechnung der Rückforderung. Sie bestreite die angegebenen Durchschnittspunktzahlen.

Die Beklagte verband alle drei Widerspruchsverfahren und wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2012 die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Festsetzung der Punktzahlvolumina auf der Grundlage der Quartale IV/1997 bis III/1998 sei bestandskräftig und für sie bindend. Die Rechenformel für den Anpassungsfaktor laute: Quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis geteilt durch den quartalsbezogenen Punktzahlvolumendurchschnitt der jeweiligen Fachgruppe ergibt den quartalsbezogenen Anpassungsfaktor. Sie stelle die Grundlage zur Ermittlung der Gesamtpunktzahlvolumina für die Folgejahre dar. Der jeweilige Anpassungsfaktor werde ab dem zweiten Leitungsjahr mit dem Punktzahlvolumendurchschnitt der Fachgruppe multipliziert und ergebe die quartalsbezogene Obergrenze für die Praxis. Auf Grund dessen nehme jede Job-Sharing-Praxis an insgesamt das Abrechnungsvolumen erhöhenden EBM-Änderungen teil, soweit hiervon die Fachgruppe betroffen sei. Eine gesonderte Transkodierung im Rahmen der Einführung des EBM 2005 auf Grund der "dynamischen" Anpassung an den Fachgruppendurchschnitt sei nicht erforderlich. Der Anpassungsfaktor sei auf Grund der quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina für die Quartale IV/99 bis III/00 (1. Leistungsjahr) einerseits und der quartalsbezogenen Punktzahlvolumendurchschnitte der Fachgruppe für die Quartale IV/97 bis III/98 berechnet. In beiden Zeiträumen habe der EBM 1996 gegolten, so dass EBM-bedingte Verwerfungen nicht vorlägen. Die rückwirkende Mitteilung der Anpassungsfaktoren führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Honorarrückforderung. Steuerungsfunktion komme allein der Obergrenze zu. Vertrauensschutzgesichtspunkte stünden der Rückforderung nicht entgegen. Bei der Klägerin liege im ersten, zweiten und fünften Leistungsjahr jeweils ein Unterschreiten der Leistungsbegrenzung sowie im dritten Leistungsjahr eine geringe Überschreitung in Höhe von 1.746,73 Euro und im vierten Leistungsjahr eine Überschreitung von 15.524,71 Euro vor, so dass auch durch ihr Untätigbleiben in Bezug auf die vorangegangenen Leistungsjahre kein Vertrauenstatbestand gesetzt worden sei. Schließlich würde etwaiges Vertrauen spätestens mit Bekanntgabe der Rückforderungsbescheide für das sechste bis achte Leistungsjahr entfallen sein.

Hiergegen hat die Klägerin am 05.10.2012 die Klage zum Az.: S 12 KA 494/12 erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 09.10.2012 die Verfahren bzgl. der Leistungsjahre sieben und acht mit den Az.: S 12 KA 511 und 512/12 abgetrennt. Auf Antrag der Beteiligten hat die Kammer alle drei Verfahren wegen des Verfahrens bzgl. der Änderung der Punktzahlobergrenze mit Beschluss vom 17.06.2014 zum Ruhen gebracht. Auf Antrag der Beklagten hat nach der Entscheidung des LSG vom 29.07.2015 die Kammer die Verfahren mit Verfügung vom 06.10.2015 unter den Az.: S 12 KA 468, 469 und 470/15 wieder aufgerufen und auf Antrag der Beteiligten wegen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens vor dem BSG mit Beschluss vom 08.01.2016 erneut zum Ruhen gebracht und auf Antrag der Beklagten mit Verfügung vom 28.07.2016 unter den Az.: S 12 KA 300, 301 und 302/16 wieder aufgerufen.

Mit Bescheid vom 05.10.2009 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung für die streitbefangenen Quartale IV/07 bis III/08 – 9. Leistungsjahr - wegen Überschreitung des Praxisumfangs vor und forderte Honorar in Höhe von 39.249,30 EUR brutto bzw. nach Abzug anteiliger Verwaltungskosten (1.177,48 EUR) 38.071,82 EUR netto zurück. Mit Bescheid vom 19.05.2010 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung für die streitbefangenen Quartale IV/08 bis III/09 – 10. Leistungsjahr - wegen Überschreitung des Praxisumfangs vor und forderte Honorar in Höhe von 27.082,93 EUR brutto bzw. nach Abzug anteiliger Verwaltungskosten (968,76 EUR) 26.114,17 EUR netto zurück.

Hiergegen legte die Klägerin am 19.10.2009 und 01.06.2010 Widerspruch mit weitgehend gleicher Begründung wie zu den vorherigen Leistungsjahren ein.

Die Beklagte verband beide Widerspruchsverfahren und wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2012 die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung machte sie weitgehend identische Ausführungen wie zu den Vorjahren.

Hiergegen hat die Klägerin am 05.10.2012 zum Az.: S 12 KA 506/12 die Klage erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 09.10.2012 das Verfahren bzgl. des zehnten Leistungsjahres (Quartale IV/08 bis III/09) unter dem Az.: S 12 KA 513/12 abgetrennt. Die Kammer hat auf Antrag der Beteiligten im Hinblick auf das Verfahren bzgl. der Punktzahlobergrenze beide Verfahren mit Beschluss vom 04.02.2013 zum Ruhen gebracht. Auf Antrag der Klägerin wurden die Verfahren mit Verfügung vom 14.10.2016 wieder unter den Az.: S 12 KA 595 und 596/16 aufgerufen.

Zur Begründung ihrer Klagen trägt die Klägerin vor, ihr sei Vertrauensschutz zuzubilligen, weil die Beklagte nach Abschluss eines Leistungsjahres die Rückforderung nicht festgesetzt habe. Es dürfe nach BSG vom 03.02.2010 – B 6 KA 22/09 B – nur ein "kleiner Anteil" vom Honorar zurückgefordert werden. Nach der Arztrechnung erhielten sie nur quotierten Anteil an ihren erwirtschafteten und abgerechneten Punkten. Mit weiteren Kürzungen müsse sie daher nicht rechnen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Beklagte einerseits auf die Bestandskraft des Zulassungsbescheides, der die Gesamtpunktzahlbegrenzung normiere, berufe, andererseits aber das angeforderte Honorar auszahle, ohne eine Begrenzung auf die Gesamtpunktzahl hin durchzuführen. Die Höhe des Rückforderungsbetrages sei nicht nachvollziehbar. Sie bestreite die Richtigkeit der Berechnung. Die Beklagte müsse auch die Zusammensetzung der Fachgruppe darstellen. Es sei offen zu legen, wann die Abrechnung der Fachgruppe insgesamt bestandskräftig geworden sei. Es müsse nachgewiesen werden, dass alle abgerechneten Punktzahlen der Fachgruppe bei der Berechnung des Gesamtpunktzahlvolumens bzw. des Begrenzungsfaktors berücksichtigt worden seien. Nach ihren Informationen seien lediglich die RLV-Daten zu Grunde gelegt worden. Im Berechnungsbogen sei nicht das von ihr tatsächlich abgerechnete Punktzahlvolumen berücksichtigt worden. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2016 führt sie ergänzend aus, sie sei weiterhin der Auffassung, eine Transkodierung hätte durchgeführt werden müssen und die Beklagte habe durch ihre quartalsweisen Schreiben einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die rechtzeitige Mitteilung des Anpassungsfaktors hätte ihr die Möglichkeit gegeben, festzustellen, dass sie alleine nicht in der Lage sei, die Entwicklung des gesamten Punktzahlvolumens der Praxis zu berechnen und sie hätte zumindest die Möglichkeit gehabt, sich die Hilfe bei der KV oder in sonstiger Weise zu suchen. Nach wie vor hegt sie Zweifel an der Korrektheit der Bildung dieses Anpassungsfaktors. Ihre Arbeits- und Abrechnungsweise weiche immer schon so von derjenigen der Fachgruppe ab, dass die Änderungen der verschiedenen EBM Reformen (EBM 2005, EBM 2008) in ihrem Falle nicht durch die Anwendung des Anpassungsfaktors aufgegangen oder ausreichen berücksichtigt worden sein. Sie hätten bisher vorgetragen, dass sich aus allen Frequenzstatistiken ihre Praxisbesonderheiten ergäbe, nämlich das Abweichen ihres Leistungsspektrums von der Fachgruppe. Es ginge insb. um die Gesprächsziffern, sie hätten eine sog. Sprechpraxis. Herr A2 sei Arzt und Psychotherapeut und der Gesprächsschwerpunkt präge von Beginn an bis zum Ende seiner Praxistätigkeit als Allgemeinarzt sein Leistungs- und Abrechnungsbild, obwohl er im Übrigen auch das gesamte Spektrum eines Allgemeinarztes (Impfungen, Prävention, Labor u.s.w.) abbilde.

Die Klägerin beantragt,
die drei Bescheide vom 13.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 und die Bescheide vom 05.10.2009 und 19.05.2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.

Sie trägt vor, hinsichtlich des Vertrauensschutzes berufe sich die Klägerin auf ein nicht rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts Marburg, es sei noch ein Berufungsverfahren anhängig. Im Urteil des Sozialgerichts habe die Klägerin über 28 Quartale hinweg die Schreiben über eine evtl. noch folgende Prüfung erhalten. Im Fall der Klägerin gehe es über einen Zeitraum von zwei Jahren und fünf Monaten. Allein von daher müsse Vertrauensschutz bereits ausscheiden. Das LSG Hessen habe den noch von der Vorinstanz angenommenen Vertrauensschutz explizit nicht bestätigt. Dies ergebe sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung, in der das Verfahren durch Vergleich beendet worden sei. Der Klägerin sei auch die Problematik bekannt gewesen. Sie habe auch einen Antrag auf Erhöhung der Gesamtpunktzahlvolumina wegen der stetig wachsenden Patientenzahl gestellt (Verfahren zum Az.: S 12 KA 605/10). Im Beschluss des BSG zum Az.: B 6 KA 22/09 B gehe es um eine sachlich-rechnerische Richtigstellung auf Grund einer speziellen Honorarabstaffelung, also eine Honorarbegrenzungsmaßnahme. Die Regelungen des Job-Sharings begrenzen aber nur den Leistungsumfang an sich und nicht das Honorar und zwar unabhängig davon, wie ihm deshalb eine Vergütung gezahlt werde. Diese Begrenzung orientiere sich einzig an der Bedarfsplanung der vertragsärztlichen Versorgung. Die Beschränkungen des Leistungs- bzw. Honorarvolumens innerhalb eines Job-Sharings umfassen grundsätzlich das gesamte Leistungsspektrum. Dies bedeutet, dass die Berechnung auch diejenigen Leistungen aufzunehmen seien, die einer Budgetierung nicht unterlägen oder nicht Bestandteil des Regelleistungsvolumens seien. Die Bedarfsplanungsrichtlinie gebe die Berechnung des Anpassungsfaktors vor. Ab dem zweiten Leistungsjahr erfolge durch den Anpassungsfaktor eine dynamische Ankoppelung des Leistungsvolumens an die Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts. Damit flössen Änderungen des EBM oder anderer vertraglicher Grundlagen zwangsläufig in die jährlich anstehende Neuberechnung des maßgeblichen Gesamtpunktzahlvolumens ein. Im Übrigen verweise sie auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden. Im Verfahren zur Neufestsetzung der Punktzahlobergrenze hätten sich die Gerichte eingehend mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt. Dieses Verfahren sei rechtskräftig abgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 10.07.2017 angehört. Die Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Die Klagen sind zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klagen sind aber unbegründet. Die drei Bescheide vom 13.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 und die Bescheide vom 05.10.2009 und 19.05.2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012, sind rechtmäßig und waren nicht aufzuheben. Die Klagen waren daher abzuweisen.

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört u. a. auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen.

Nach den hier noch bis zum Quartal I/07 maßgeblichen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte) vom 9. März 1993 (BAnz. Nr. 110 a vom 18. Juni 1993), zuletzt geändert am 21. Februar 2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006, S. 2541, die ab 01. April 2007 durch die in den hier maßgeblichen Bestimmungen unveränderte Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie) in der Neufassung vom 15. Februar 2007, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2007, S. 3491, in Kraft getreten am 1. April 2007, zuletzt geändert am 19. Februar 2009, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2009 (Nr. 70), S. 1655, in Kraft getreten am 13. Mai 2009) (im Folgenden: BedarfsplRL-Ä) abgelöst wurde, die regelungstechnisch Nrn. durch §§ ersetzt, legt der Zulassungsausschuss vor der Zulassung des Antragstellers in einer verbindlichen Feststellung zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der Grundlage der gegenüber dem Vertragsarzt (den Vertragsärzten) in den vorausgegangenen mindestens vier Quartalen ergangenen Abrechnungsbescheiden quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumina fest, welche bei der Abrechnung der ärztlichen Leistungen im Rahmen der Gemeinschaftspraxis von dem Vertragsarzt sowie dem Antragsteller nach seiner Zulassung gemeinsam als Leistungsbeschränkung maßgeblich sind (Obergrenze). Diese Gesamtpunktzahlvolumina sind so festzulegen, dass die in einem entsprechenden Vorjahresquartal gegenüber dem erstzugelassenen Vertragsarzt anerkannten Punktzahlanforderungen um nicht mehr als 3 v. H. überschritten werden. Das Überschreitungsvolumen von 3 v. H. wird jeweils auf den Fachgruppendurchschnitt des Vorjahresquartals bezogen. Das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen (Punktzahlvolumen zuzüglich Überschreitungsvolumen) wird nach Nr. 23f BedarfsplRL-Ä durch die Kassenärztliche Vereinigung angepasst. Bei Internisten ist zur Ermittlung des Fachgruppendurchschnittes auf die Entscheidung des bereits zugelassenen Vertragsarztes zur hausärztlichen oder fachärztlichen Versorgung abzustellen. Im Übrigen gilt für Anpassungen Nr. 23e. Außergewöhnliche Entwicklungen im Vorjahr, wie z. B. Krankheit eines Arztes, bleiben außer Betracht; eine Saldierung von Punktzahlen innerhalb des Jahresbezugs der Gesamtpunktzahlen im Vergleich zum Vorjahresvolumen ist zulässig. Der Zulassungsausschuss trifft seine Festlegungen auf der Grundlage der ihm durch die Kassenärztliche Vereinigung übermittelten Angaben (Nr. 23c BedarfsplRL-Ä).

Sowohl für die Berechnung des Ausgangspunktzahlvolumens als auch des Vergleichspunktzahlvolumens nach Nr. 23c BedarfsplRL-Ä ist das im Zeitpunkt der Abrechnung jeweils geltende Berechnungssystem für die vertragsärztlichen Leistungen maßgeblich. Auf Antrag des Vertragsarztes sind die Gesamtpunktzahlvolumina neu zu bestimmen, wenn Änderungen des EBM oder vertragliche Vereinbarungen, die für das Gebiet der Arztgruppe maßgeblich sind, spürbare Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen haben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen oder die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können eine Neuberechnung beantragen, wenn Änderungen der Berechnung der für die Obergrenzen maßgeblichen Faktoren eine spürbare Veränderung bewirken und die Beibehaltung der durch den Zulassungsausschuss festgestellten Gesamtpunktzahlvolumina im Verhältnis zu den Ärzten der Fachgruppe eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung/Benachteiligung darstellen würde (Nr. 23e BedarfsplRL-Ä).

Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass die Festsetzung mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 26.04.2005, der bestandskräftig geworden ist, für alle Beteiligten und das Gericht bindend erfolgt (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE 114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 11, juris Rdnr. 15; BSG v. 28.08.2013 - B 6 KA 50/12 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 12, juris Rdnr. 19; BSG; Urt. v. 28.08.2013 - B 6 KA 17/13 R - USK 2013-115, juris Rdnr. 16; LSG Hessen, Urt. v. 12.12.2007 - L 4 KA 62/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. vom 28.01.2009 B 6 KA 17/08 B - BeckRS 2009, 54018). Mit der bestandskräftigen Festsetzung durch den Zulassungsausschuss ist die Punktzahlenobergrenze festgelegt. Eine Änderung der Punktzahlobergrenze kann nur durch die Zulassungsgremien, auch rückwirkend, erfolgen (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.2012 - B 6 KA 1/12 R - SozR 4-2500 § 101 Nr. 14, juris Rdnr. 26 f.; BSG, Urt. v. 15.07.2015 - B 6 KA 26/14 R - SozR 4-2500 § 101 Nr. 18, juris Rdnr. 17 ff. u. 27). Dieses Verfahren zur Änderung der Punktzahlobergrenze hat die Klägerin auch durch die gerichtlichen Instanzen bis zum Bundessozialgericht ohne Erfolg durchgeführt, so dass es bei der Verbindlichkeit der ursprünglich festgesetzten Obergrenze verblieben ist. Auf das Leistungsspektrum der Klägerin oder dessen Veränderung kommt es daher in Bezug auf die Obergrenze nicht an.

Eine Leistungsausweitung, unabhängig vom Inhalt der Leistungen, kann nicht erfolgen (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 12.12.2007 - L 4 KA 62/06 - juris, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 28.01.2009 - B 6 KA 17/08 B - BeckRS 2009, 54018). Die durch den Zulassungsausschuss festgelegte Beschränkung des Leistungs- bzw. Honorarvolumens bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte Leistungsspektrum. Dies gilt auch für Leistungen, die nicht aus der Gesamtvergütung an die Vertragsärzte verteilt werden und die deshalb nicht den im Honorarverteilungsvertrag enthaltenen Regelungen zur Mengenbegrenzung unterliegen, also auch für extrabudgetär vergütete Leistungen für ambulantes Operieren (vgl. BSG v. 28.01.2009 - B 6 KA 17/08 B - BeckRS 2009, 54018, Rdnr. 10 f.). Die geltenden Regelungen bieten keinen Ansatzpunkt dafür, Abrechnungsobergrenzen an den Budgets auszurichten, die dem Vertragsarzt gemäß den Honorarverteilungsregelungen jeweils zur Verfügung stehen (vgl. BSG, Urt. v. 31.08.2011 - B 6 KA 1/11 R - BeckRS 2012, 67832, Rdnr. 7; so auch bereits die Vorinstanz LSG Sachsen, Urt. v. 22.09.2010 - L 1 KA 7/09 - juris Rdnr. 43 ff.; aus der Instanzenpraxis s. ferner SG Marburg, Urt. v. 05.12.2012 - S 12 KA 636/11 - juris Rdnr. 59 ff., Berufung insoweit zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urt. v. 29.06.2016 L 4 KA 1/13 - unveröff.).

Eine Leistungsausweitung ist, solange die Obergrenze nicht geändert wird, einer Job-Sharing-Praxis nur im Rahmen der 3-%-Grenze bzw. im Rahmen der Erhöhung durch den sog. Anpassungsfaktor möglich. Das Landessozialgericht Hessen (Urt. v. 12.12.2007 - L 4 KA 62/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. vom 28.01.2009 - B 6 KA 17/08 B - BeckRS 2009, 54018) hat bereits dargelegt, dass ein Vertragsarzt nicht mit dem Vortrag, es sei ihm weder möglich noch zumutbar gewesen, den Umfang seiner allgemeinen ärztlichen Tätigkeit zu verringern, gehört werden kann. Selbstverständlich sei er immer zu Behandlungen von Notfällen verpflichtet. Gleichwohl habe er die Möglichkeit, den Umfang seiner ärztlichen Tätigkeit zu steuern. Eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Ärzten liege nicht vor. Denn allein die Leistungsobergrenze aufgrund der Job-Sharing-Partnerschaft schließt weitergehende Honoraransprüche aus. Von daher ist es unerheblich, ob die Leistungssteigerung auf einer ausgeprägten Patientennachfrage beruhte.

Die Gesamtpunktzahlvolumina zur Beschränkung des Praxisumfangs folgen der Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts durch Festlegung eines quartalsbezogenen Prozentwertes (Anpassungsfaktor). Die Anpassungsfaktoren werden im ersten Leistungsjahr von der Kassenärztlichen Vereinigung errechnet. Die dafür maßgebliche Rechenformel lautet: PzVol (Quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis)./. PzFg (Quartalsbezogener Punktzahlvolumendurchschnitt der jeweiligen Fachgruppe ) = Fakt (Quartalsbezogener Anpassungsfaktor). Sie stellen die Grundlage zur Ermittlung der Gesamtpunktzahlvolumina für die Folgejahre dar. Der jeweilige Anpassungsfaktor wird ab dem zweiten Leistungsjahr mit dem Punktzahlvolumendurchschnitt der Fachgruppe multipliziert und ergibt die quartalsbezogene Obergrenze für die Praxis (die Saldierungsregelung nach Nr. 23c Satz 6 bzw. § 23c Satz 6 BedarfsplRL-Ä bleibt hiervon unberührt). Die Kassenärztliche Vereinigung teilt dem Vertragsarzt die für ihn verbindlichen Anpassungsfaktoren mit (§ 23f BedarfsplRL-Ä).

Damit können die ab dem zweiten Leistungsjahr maßgeblichen Gesamtpunktzahlvolumina erst nach Abschluss der Honorarverteilung für das letzte Quartal des jeweiligen Leistungsjahrs errechnet werden.

Die Berechnung des Anpassungsfaktors setzt aber voraus, dass das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis und der quartalsbezogene Punktzahlvolumendurchschnitt der jeweiligen Fachgruppe jedenfalls dann gleichen Zeiträumen entnommen werden müssen, wenn wesentliche Umstrukturierungen im EBM vorgenommen werden. Fehlt es an solchen Veränderungen, so trägt einem allgemeinen Wachstum im Regelfall der Zuschlag von 3 % Rechnung. Bei einer "Ungleichzeitigkeit" ist auch eine Anpassung für das erste Leistungsjahr erforderlich (vgl. SG Marburg, Urt. v. 10.11.2010 - S 12 KA 841/09 - juris). Eine solche "Ungleichzeitigkeit" ist aber zwischen den Aufsatzquartalen IV/97 bis III/98 und dem Beginn der Job-Sharing-Gemeinschaft im Quartal III/99 nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Im Übrigen werden Veränderungen des EBM hinreichend vom Anpassungsfaktor erfasst, so dass es auf eine Transcodierung nicht ankommt. Fehler bei der Berechnung des Anpassungsfaktors sind nicht ersichtlich. Sie werden von der Klägerin nur allgemein behauptet. Von daher brauchte die Kammer dem nicht weiter nachzugehen.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Aufgrund des Job-Sharing-Verhältnisses war der Klägerin das Bestehen einer Leistungsbegrenzung grundsätzlich bekannt und musste sie davon ausgehen, dass eine darüber hinausgehende Leistungsvermehrung nicht möglich war.

Die Beklagte hat allen quartalsmäßig ergehenden Honorarbescheiden ein Schreiben beigefügt, in dem sie u. a. ausführte: "Die Prüfung, ob die im Bescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte angegebenen maximalen Punktzahlobergrenzen eingehalten worden sind, erfolgt jeweils bezogen auf ein Leistungsjahr. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich Überschreitungen mit möglichen Unterschreitungen jeweils innerhalb eines (Jahres-)Blocks von vier aufeinanderfolgenden Quartalen ausgleichen. Anbei erhalten Sie Ihre Honorarunterlagen des o. g. Quartals vorbehaltlich eventueller Honorarrückforderungen durch die Job-Sharing-Berechnung. Bezüglich der Prüfung ihrer Abrechnung im Hinblick auf die Einhaltung der Punktzahlobergrenze im Rahmen des Job-Sharings werden wir Sie jeweils nach Ablauf eines kompletten Leistungsjahres mit einem gesonderten Schreiben informieren."

Soweit die Kammer in ihrem Urteil vom 09.09.2010 - S 12 KA 126/10 -, Berufungsverfahren beim LSG Hessen - L 4 KA 71, 72 u 73/10 - vergleichsweise am 26.11.2014 beendet) aufgrund dieser Schreiben Vertrauensschutz in einem Einzelfall zugebilligt hat, hat sie wesentlich darauf abgestellt, dass die Beklagte gerade trotz Ankündigung einer Überprüfung über Jahre hinweg untätig geblieben war. Im Fall der dortigen Klägerin lagen jedenfalls wenigstens auch im dritten und vierten Leistungsjahr nicht unerhebliche Überschreitungen der Leistungsbegrenzung vor, die die Beklagte nicht zu einer Rückforderung veranlasst hatten, bzw. es war bei einer Überprüfung dann wegen Überschreitens der vierjährigen Verjährungsfrist eine Rückforderung nicht mehr möglich. Damit habe die Beklagte auch für die Job-Sharing-Praxis einen Vertrauenstatbestand gesetzt, als sie eine – letztlich unmittelbare – Prüfung nach Ablauf eines kompletten Leistungsjahres angekündigt habe. Soweit die Beklagte aber dann untätig geblieben sei, habe sich das Vertrauen bilden können, die Prüfung der Beklagten habe ergeben, dass eine Leistungsüberschreitung nicht vorliege oder aber die Beklagte werde von einer Rückforderung absehen. Dies gelte insb. für die Klägerin, die über Jahre bzw. 28 Quartale hinweg solche Schreiben erhalten habe, ohne dass eine weitere Reaktion der Beklagten erfolgt sei. Ein genereller Vertrauensschutz kann daraus nicht abgeleitet werden (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 02.03.2013 - S 12 KA 833/11 - juris Rdnr. 47 f.).

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, in jenem Fall habe die Klägerin über 28 Quartale hinweg die Schreiben über eine evtl. noch folgende Prüfung erhalten, hier gehe es aber über einen Zeitraum von zwei Jahren und fünf Monaten.

Im Übrigen ist Vertrauensschutz über die in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anerkannten Konstellationen hinaus nicht zu gewähren, insb. nicht durch eine Ausnahme von der honorarrechtlichen Fallzahlzuwachsbegrenzung, die keinen Zusammenhang zu dem Jobsharing sowie dem hierdurch bedingten Gesamtpunktzahlvolumen erkennen lässt (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.2013 - B 6 KA 43/12 R BSGE 114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 11, juris Rdnr. 22 ff.; BSG, Urt. v. 28.08.2013 - B 6 KA 50/12 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 12, juris Rdnr. 21 ff.; BSG, Urt. v. 28.08.2013 - B 6 KA 17/13 R - USK 2013-115, juris Rdnr. 19 ff.).

Durch die Schreiben hat die Beklagte keinen Vertrauenstatbestand dadurch gesetzt, dass sie der Klägerin angekündigt hat, diese bezüglich der Prüfung ihrer Abrechnung im Hinblick auf die Einhaltung der Punktzahlobergrenzen jeweils nach Ablauf eines kompletten Leistungsjahrs mit gesondertem Schreiben zu informieren, diese Information vor der sachlich-rechnerischen Berichtigung aber nicht erfolgt ist. Hieraus sowie aus der Nichtberücksichtigung der Punktzahlobergrenze bei der Honorarberechnung konnte die Klägerin nicht folgern, dass die Punktzahlbegrenzung von der Kassenärztlichen Vereinigung aufgehoben worden wäre. Die Klägerin kannte die Festsetzungen des Zulassungsausschusses, die Abgabe einer entsprechenden Verpflichtungserklärung war nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V Voraussetzung für die Genehmigung des Jobsharing. Die Beklagte hat auch keinen Vertrauenstatbestand dadurch geschaffen, dass sie die Klägerin nicht auf die erforderliche Antragstellung bei dem Zulassungsausschuss hingewiesen oder die Anpassungsfaktoren nicht mitgeteilt hat (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 29.06.2016 - L 4 KA 1/13 - unveröff.).

Von daher war der Klägerin im Hinblick auf die genannten Schreiben kein Vertrauensschutz zuzubilligen.

Die Beklagte war zur Rückforderung auch nicht wegen Überschreitens einer Ausschlussfrist gehindert. Es gilt die vierjährige Ausschlussfrist. Die Ausschlussfrist beginnt in allen Fällen der Richtigstellung von Honorarbescheiden mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr. 4, juris Rdnr. 60 m.w.N.). Diese Frist war nicht abgelaufen, was insoweit auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist.

Nicht zu beanstanden war auch die Berechnung der Honoraranforderung. Eine fehlerhafte Berechnung ist nicht zu erkennen.

Nicht zu beanstanden war ferner die Berechnung des praxisbezogenen Punktwerts, mit der die zunächst in Punkten festgestellte Leistungsüberschreitung in Euro-Beträge umgerechnet wurde. Zutreffend hat die Beklagte einen durchschnittlichen Punktwert ermittelt. Das ist der Punktwert, mit dem letztlich die Leistungen des Klägers vergütet wurden. Es besteht kein Anspruch darauf, dass zunächst die - im Rahmen der Honorarberechnung - geringer vergüteten Leistungen als Maßstab genommen werden. Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen bleibt der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumens ergeben hat. Es erfolgt keine Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten Punktzahlvolumens. Eine andere Berechnungsweise kann in Ausnahmefällen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Betracht kommen (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 - B 6 KA 62/07 R - BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 7). Ein solcher Ausnahmefall setzt aber voraus, dass die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information o. ä. seitens der Kassenärztlichen Vereinigung mit verursacht wurde. Ein derartiger Sonderfall ist auch dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Arzt in offenem Dissens mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Gebührennummer ansetzt, weil er die Frage ihrer Abrechenbarkeit einer gerichtlichen Klärung zuführen will (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 B 6 KA 62/07 R - BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 7, juris Rdnr. 27 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. In diesem Sinne handelt es sich auch nicht um eine fehlerhafte Abrechnung einzelner Leistungen und kann die Leistungsüberschreitung erst nachträglich festgestellt werden. Im Übrigen dienen Budgetierungsmaßnahmen nur - neben ihrer Steuerungsfunktion - der Berechnung des Honorars, bedeuten aber keine Wertigkeit der einzelnen Leistungen. Der tatsächliche Wert der Leistung kann nur praxisbezogen mit Hilfe des praxisindividuellen Punktwerts berechnet werden.

Soweit die Beklagte einen durchschnittlichen Punktwert für das jeweilige Leistungsjahr aus den Punktwerten aller Quartale und ohne Gewichtung ermittelt, ist dies, wenn auch nicht ohne Bedenken, nicht zu beanstanden (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 05.12.2012 - S 12 KA 636/11 - juris Rdnr. 64, insoweit bestätigt durch die Berufungsentscheidung LSG Hessen, Urt. v. 29.06.2016 - L 4 KA 1/13 - unveröff.; SG Marburg, Gerichtsb. v. 05.01.2015 - S 12 KA 332/13 - juris Rdnr. 43 ff.).

Die Bedenken beruhen darauf, dass eine sachlich-rechnerische Berichtigung quartalsweise erfolgt, weshalb der Berichtigungsbetrag anhand des jeweils neu zu berechnenden praxisindividuellen Quartalspunktwerts zu ermitteln ist. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Kassenärztlichen Vereinigung, die Überschreitungen innerhalb eines Leistungsjahres zu saldieren (§ 23c Satz 7 BedarfsplRL-Ä), kann sie von einer quartalsweisen Berechnung absehen. Dies gilt aufgrund des Gleichbehandlungsgebots auch in den Fällen, in denen eine Überschreitung in allen Quartalen eines Leistungsjahrs vorliegt.

Die Beklagte saldiert alle Über- und Unterschreitungen eines Leistungsjahres und errechnet den Kürzungsbetrag aus dem Produkt der Summe aller Über- und Unterschreitungen und dem durchschnittlichen Punktwert. Alternativ wäre eine quartalsweise Aufteilung der Überschreitung auf die Quartale mit Überschreitung möglich, entweder gleichmäßig oder in Relation zum Abrechnungs- oder Überschreitungsvolumen, und eine anschließende quartalsweise Ermittlung der Berichtigungsbeträge. Auch bei Ermittlung des durchschnittlichen Punktwerts könnte eine Gewichtung nach dem maßgeblichen Punktzahlvolumen in den einzelnen Quartalen erfolgen. Eine wirklich exakte Ermittlung des Punktwerts ist bei jährlicher Betrachtung allerdings in keinem Fall zu erzielen. Von daher ist mangels rechtlicher Vorgaben der Beklagten ein - wenn auch geringer - Ermessensspielraum bei der Ermittlung des durchschnittlichen Punktwerts dann zuzubilligen, wenn die Ermittlung der Honorarrückforderung für das gesamte Leistungsjahr erfolgt, und zwar unabhängig davon, ob im betreffenden Leistungsjahr tatsächlich auch eine Unterschreitung vorlag. Im Übrigen führen andere Berechnungswege, wie der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist, in denen die Beklagte auf Anfrage Vergleichsberechnungen vorgelegt hat, zu Abweichungen, die allenfalls im Prozentbereich liegen und im Einzelfall sich auch zu Lasten des Vertragsarztes auswirken können (s. bereits SG Marburg, Urt. v. 05.12.2012 S 12 KA 636/11-, Rdnr. 64).

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Der Streitwert war aus dem Kürzungsbetrag für das jeweilige Leistungsjahr zu ermitteln.
Rechtskraft
Aus
Saved