L 4 AS 468/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 57 AS 2934/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 468/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Kläger für die Zeit von Oktober 2010 bis Februar 2011 sowie die Erstattung von Leistungen in Höhe von 775,60 Euro. Der am xxxxx 1966 geborene Kläger bildete mit seiner am xxxxx 1966 geborenen Ehefrau S. und den drei Kinder M. (geboren am xxxxx2003), B. (geboren am xxxxx2008) und I. (geboren am xxxxx2009) eine Bedarfsgemeinschaft und bezog laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten bzw. von dessen Rechtsvorgängerin (im Folgenden: Beklagter). Im streitbefangenen Zeitraum hatte kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft einen Mehrbedarf. Für Unterkunft und Heizung waren insgesamt 453,45 Euro monatlich aufzuwenden, die auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von je 90,69 Euro verteilt wurden. Der Kläger bezog Arbeitslosengeld in Höhe von 605,70 Euro monatlich, wovon der Beklagte nach Absetzung der Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro noch 575,70 Euro berücksichtigte. Für die drei Kinder wurde Kindergeld in Höhe von jeweils 184 Euro (M. und B.) bzw. 190 Euro (I.) monatlich gewährt, das der Beklagte jeweils als Kindeseinkommen berücksichtigte. Der Beklagte bewilligte dem Kläger für Oktober bis Dezember 2010 monatlich 218,86 EUR und für Januar und Februar 2011 monatlich 223,11 EUR, die auch ausgezahlt wurden. Grundlage des Leistungsbezugs für Oktober 2010 war der Bescheid vom 24. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 27. August 2010. Grundlage des Leistungsbezugs für November und Dezember 2010 war der Bescheid vom 1. Oktober 2010. Grundlage des Leistungsbezugs für Januar und Februar 2011 war der Bescheid vom 1. Oktober 2010 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 25. März 2011 und 31. Mai 2011. Am 4. Oktober 2011 teilte der frühere Arbeitgeber des Klägers dem Beklagten mit, der Kläger habe eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.796 Euro erhalten. Der Kläger sei vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Juli 2010 dort beschäftigt, aber ab September 2008 arbeitsunfähig gewesen. Der Bevollmächtigte bestätigte die Auszahlung der Urlaubsabgeltung an den Kläger am 2. September 2010. Laut Protokoll des Arbeitsgerichts Halle vom 29. Juni 2010 wurden damit 48 nicht in Anspruch genommene Urlaubstage des Klägers aus den Jahren 2009 und 2010 abgegolten. Mit Schreiben vom 28.11.2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er habe in der Zeit von September 2010 bis Februar 2011 Leistungen in Höhe von 2.748,14 Euro wegen der Urlaubsabgeltung zu Unrecht bezogen. Mit Bescheid vom 12. Januar hob er die Bescheide vom 24. März 2010, 27. August 2010, 1. Oktober 2010, 25. März 2011 und 31. Mai 2011 für die Zeit vom 1. September 2010 bis zum 28. Februar 2011 in Höhe von 962,30 Euro (Regelleistung 452, 68 Euro, Sozialgeld 264,84 Euro und Kosten der Unterkunft 244,78 Euro) auf und machte eine entsprechende Erstattungsforderung geltend. Der Betrag von 2.796 Euro sei als Einkommen auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen und auf 6 Monate zu verteilen. Er habe daher Einkommen erzielt, das zur Minderung des Anspruchs geführt habe (§ 48 Abs. 1. Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X). Die Leistungsbescheide für die Frau und die Kinder hob der Beklagte gesondert auf. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 13. Februar 2012 Widerspruch mit der Begründung, die Urlaubsabgeltung übersteige nicht das Schonvermögen des Klägers und müsse daher ohne Anrechnung bleiben. Am 29. Juli 2013 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. Januar 2012, in dem er, ohne dass sich der Umfang der Aufhebung und die Höhe der Erstattungsforderung insgesamt änderten, die Erstattungsforderung nach Monaten auflistete und zudem zwischen der Regelleistung und der Leistung für Unterkunft und Heizung unterschied. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2013 bezifferte der Beklagte den zu erstattenden Betrag auf 932,30 Euro und wies den Widerspruch des Klägers im Übrigen zurück. Er stützte seine Entscheidung auf § 48 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2 und 3 SGB X für die Zeit von September bis Oktober 2010 und auf § 45 Abs. 1 und 2 S. 3 Nr. 2 und 3 SGB X für die übrige Zeit. Die Erstattungsforderung stützte er auf § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X. Zur Begründung führte er aus, bei der Urlaubsabgeltung handele es sich um Einkommen. Als einmalige Einnahme sei sie gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II gleichmäßig auf sechs Monate aufzuteilen und monatlich mit einem Teilbetrag in Höhe von 466 EUR innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Die Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR monatlich sei bereits vom Arbeitslosengeld des Klägers abgezogen worden und nicht erneut in Abzug zu bringen. Weitere Absetzungsbeträge kämen nicht in Betracht. Der danach verbleibende Anspruch betrage für September bis Dezember 2010 61,16 Euro mit der Folge einer monatlichen Überzahlung von 157,70 Euro, für die Zeit danach (unter Berücksichtigung der ab 1. Januar 2011 höheren Kosten der Unterkunft von 477,38 Euro) monatlich 72,36 Euro, was zu einer monatlichen Überzahlung von 150,75 Euro führe. Der Kläger habe damit nicht nur seinen Anspruch minderndes Einkommen erzielt. Er könne sich auch nicht auf Vertrauen berufen, weil er den Erhalt der Urlaubsabgeltung zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt habe. Er habe erkennen können, dass dies ein mitzuteilender Umstand gewesen sei. Aus dem Merkblatt, das der Kläger erhalten habe, werde deutlich, dass jede Einnahme angezeigt werden müsse, nicht bloß Einnahmen aus Erwerbstätigkeit. Zudem habe sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass die Bewilligung von Leistungen rechtswidrig gewesen sei, weil sich sein Leistungsanspruch durch den Erhalt der Urlaubsabgeltung verringert habe. Der Kläger habe schließlich nichts vorgebracht, was sein Verschulden ausschließen würde, derartige Gründe seien auch sonst nicht ersichtlich. Weder für die Aufhebung der Bescheide nach § 48 SGB X noch für die Rücknahme der Bescheide nach § 45 SGB X habe Ermessen bestanden (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 und 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III). Am 16. September hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen und führt weiter aus, die Urlaubsabgeltung stelle eine zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II a.F. und müsse daher anrechnungsfrei bleiben. Da sie für zwei Jahre gezahlt worden sei, habe die Anrechnung jedenfalls ebenso über zwei Jahre zu erfolgen. Der Beklagte hat für seinen Klageabweisungsantrag auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. September 2015 hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid aufgehoben soweit er die Leistungen für September 2010 betraf und die Erstattungsforderung auf 774,60 Euro beschränkt. Mit Urteil vom 2. September 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der hinreichend bestimmte Bescheid des Beklagten sei formell und materiell rechtmäßig. Durch die Auszahlung der Urlaubsabgeltung sei nach dem Erlass des Bewilligungsbescheides vom 24. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27. August 2010 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, weil Einkommen erzielt worden sei, das zu einer Minderung des Anspruchs geführt habe, und die den Beklagten für Oktober 2010 berechtigt habe, den Bescheid nach § 40 Abs. 1 S 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m § 48 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 3 SGB X, § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III teilweise aufzuheben. Die Urlaubsabgeltung sei als einmalige Einnahme auf sechs Monate zu verteilen gewesen (§ 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB II) und entsprechend in Höhe von 466 Euro monatlich auf den Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen gewesen. Fehler bei der Bedarfsberechnung seien nicht ersichtlich. Als in der Anrechnung beschränkte zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 a Abs. 3 SGB II sei die Urlaubsabgeltung nicht zu werten, weil eine öffentlich-rechtliche Vorschrift zur zweckgerichteten Verwendung von Urlaubsabgeltungen nicht existiere. Eine Zweckbestimmung sei in der Regel nicht einmal privatrechtlich vorgegeben. Mangels Weitergeltungsanordnung (§ 77 SGB II) könne die vom Kläger zu Grunde gelegte Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II in der bis zum 31. März 2011 gültigen Fassung in Anbetracht des Datums der Entscheidung über den Widerspruch im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen. Ein Ermessen des Beklagten über die Aufhebung und Rückforderung sei gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht eröffnet gewesen. Die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei eingehalten worden. Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für die Zeit von November 2010 bis Februar 2011 habe der Beklagte auf § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 3 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 SGB X, § 330 Abs. 2 SGB III stützen können. Der Bescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide sei von Anfang rechtswidrig gewesen, weil dem Kläger die Urlaubsabgeltung schon zugeflossen und soweit ersichtlich nicht verbraucht gewesen sei, als der Bescheid erlassen wurde. Die unterlassene Angabe der Urlaubsabgeltung im Weiterbewilligungsantrag vom 29. September 2011 sei als grob fahrlässiges Fehlverhalten zu bewerten. Auch hier habe gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.Vm. § 330 Abs. 2 SGB III kein Ermessen im Hinblick auf die Rücknahme der Bewilligungsentscheidung bestanden. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei eingehalten. Die Aufhebung des Änderungsbescheides vom 29. März 2011 gehe ins Leere, weil dort allein die hier nicht streitgegenständlichen Leistungen für April 2011 geregelt worden seien. Mangels vollständiger Leistungsaufhebung sei eine beschränkte Aufhebung der Kosten der Unterkunft nicht in Betracht gekommen (§ 40 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB II). Gegen das am 30. September 2015 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Hamburg hat der Kläger am 30. Oktober 2015 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Klageverfahren und führt weiter aus, eine Anrechnung könne, wenn überhaupt, nur unter Berücksichtigung von Freibeträgen erfolgen wie dies auch für einen Arbeitnehmer im bezahlten Urlaub, der zugleich SGB II-Leistungen erhalte, gelte. Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Januar 2009 (EuGH Große Kammer – C 350/06, C 520/06), dass der Anspruch auf bezahlten Resturlaub auch bei Verfall nach nationalem Recht nicht erlöschen dürfe, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig gewesen sei und deshalb den Urlaub nicht habe antreten können, sei der Zweck des Urlaubs, sich zu entspannen und Zeit mit der Familie zu verbringen, betont worden. Dadurch werde zugleich die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers kompensiert. Diese Umstände seien geeignet, den Einkommenstatbestand zu negieren. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. September 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2013 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses aufzuheben. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er hält das Urteil für zutreffend. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter als Einzelrichter nach § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2017 gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht durfte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben. Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 143, 144 SGG sowie form- und fristgemäß (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn der Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf das Urteil des Sozialgerichts. Insbesondere ist das Sozialgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Urlaubsabgeltung nicht dem Vermögen zuzurechnen ist, sondern Einkommen darstellt. Das folgt daraus, dass es für die Zuordnung einer Einnahme in Geld zu Einkommen oder zu Vermögen allein darauf ankommt, ob sie dem Empfänger vor der Antragstellung beim Grundsicherungsträger (dann Vermögen) oder danach (dann Einkommen) zufließt (vgl. zur Zuflusstheorie BSG, Urteile vom 30.7.2008 – B 14/7b AS 12/07 R und B 14 AS 43/07 R). Dass der Anspruch auf die Einnahme in Geld in einem Arbeitsverhältnis wurzelt, das vor dem Leitungsbezug bestand, ist dabei nicht von Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 18.2.2010 – B 14 AS 86/08 R zu einer Abfindung aus einem arbeitsrechtlichen Vergleich). Die Frage, ob die Urlaubsabgeltung als zweckbestimmte Einnahme privilegiert und damit von der Anrechnung ausgeschlossen ist, war anhand des zum Zeitpunkt des Zuflusses geltenden Rechts zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2016 – B 14 AS 53/15 R), so dass jede – also insbesondere auch eine privatrechtliche Zweckbestimmung – nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ausreichend gewesen wäre. Eine insoweit allein relevante Zweckbestimmung, die sich nicht auf den Zuwendungsgrund, sondern auf die Verwendung des Geldes richtet (vgl. BSG, Urteil vom 18.2.2010 - 14 AS 86/08 R), – hierauf hat das Sozialgericht zu Recht hingewiesen – liegt allerdings bei solcherart Arbeitgeberleistungen in der Regel nicht vor (vgl. BSG a.a.O. zu Einkünften aus der Nacherfüllung von arbeitsrechtlichen Ansprüchen; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.8.2013 – L 5 AS 729/13 B ER zur Urlaubsabgeltung; Brühl, LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 11 Rn. 68 zu Arbeitgeberleistungen) und ist auch hier nicht ersichtlich. Das Berufungsvorbringen des Klägers gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung. Von dem Einkommen waren keine weiteren Abzüge, insbesondere als Freibeträge nach §§ 11 Abs. 2 Nr. 6, 30 SGB II (in der jeweils bis 31.12.2010 geltenden Fassung) vorzunehmen. Mit der Regelung über Freibeträge soll für den Empfänger von Grundsicherungsleistungen ein finanzieller Anreiz zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit dadurch geschaffen werden, dass ihm – durch eine nur teilweise Anrechnung des Erwerbseinkommens – mehr Geld verbleibt als einem nicht erwerbstätigen Leistungsempfänger (vgl. Birk, LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 30 Rn. 1). Schon diese Zwecksetzung begründet Zweifel an einer Absetzbarkeit der Freibeträge von der Urlaubsabgeltung, weil der Kläger zum Zeitpunkt des Zuflusses des Geldbetrages nicht mehr erwerbstätig war. Darüber hinaus dürfte die Urlaubsabgeltung im vorliegenden Fall nicht dem Erwerbseinkommen, sondern den Lohnersatzleistungen zuzurechnen sein, von denen Freibeträge grundsätzlich nicht abzusetzen sind (vgl. Birk a.a.O. Rn. 5). Die Zahlung ist nämlich nicht verknüpft mit einer tatsächlichen Arbeitsleistung des Klägers unter Verzicht auf seinen Urlaubsanspruch, sondern beruht im Vorliegenden auf dem Umstand, dass der Kläger seinen Urlaub nur deshalb nicht in Anspruch genommen hat, weil er seit September 2008 arbeitsunfähig war. Diese besondere Bewertung des unverschuldeten Verlusts eines Urlaubsanspruchs wegen Arbeitsunfähigkeit kommt auch in der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des EuGH zum Ausdruck. Danach steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 nationalen Regelungen über den Verlust von Urlaubsansprüchen bei Ende eines Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen, vorausgesetzt der Arbeitnehmer hatte tatsächlich die Möglichkeit, den bezahlten Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen (EuGH, Entscheidung vom 20.1.2009 – C-350/06, C-520/06 Rn. 43). Nicht vereinbar mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 sind nationale Regelungen jedoch dann, wenn sie den Verlust des Urlaubsanspruchs auch dann eintreten lassen, wenn der Arbeitnehmer den Jahresurlaub aus Krankheitsgründen tatsächlich nicht in Anspruch nehmen konnte (EuGH, a.a.O. Rn. 52). Als Ausgleich für einen dergestalt unverschuldeten Verlust des Urlaubs ist dem Arbeitnehmer in Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 eine finanzielle Vergütung zu gewähren (EuGH, a.a.O. Rn. 56). Allerdings ist damit hinsichtlich der Bewertung dieser finanziellen Vergütung im nationalen System der Grundsicherungsleistungen keinerlei Aussage getroffen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache. Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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