L 11 AS 693/17 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 354/17 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 693/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Vorliegend kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Sanktionsbescheid.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 01.09.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die vollständige Minderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.06.2017 bis 31.08.2017.

Der Antragsteller (ASt) bezieht vom Antragsgegner (Ag) Alg II. Zuletzt wurden mit Bescheid vom 24.04.2017 für die Zeit von Juni bis November 2017 Leistungen iHv 601,83 EUR monatlich (409 EUR Regelbedarf und 192,63 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung) bewilligt. Für die Zeit von April bis Juni 2016 war das Alg II des ASt im Hinblick auf vom Ag festgestellte Pflichtverletzungen um 30 vom Hundert (Bescheid vom 22.03.2016) und von Oktober 2017 bis Dezember 2017 um 60 vom Hundert (Bescheide vom 06.09.2016 und 07.09.2016) gemindert.

Nach einem Aktenvermerk des Ag vom 02.05.2017 habe einer seiner Mitarbeiter am 27.04.2017 den ASt aufgesucht und ihn in Arbeitskleidung und mit Arbeitsschuhen angetroffen. Ihm seien Inhalte und Anforderungen einer Maßnahme bei der Firma G. (G) erläutert worden. Wegen der Arbeitszeiten solle sich der ASt baldmöglichst mit G in Verbindung setzen. Der ASt teilte dem Ag am 30.04.2017 mit, ihm sei von G im Rahmen eines Telefongesprächs mitgeteilt worden, er müsse unbedingt Sicherheitsschuhe der neuen Bestimmung tragen. Insofern seien seine Arbeitsschuhe hierfür nicht geeignet. Auf dem Schreiben ist von einem Mitarbeiter des Ag vermerkt, dass G telefonisch am 02.05.2017 kontaktiert worden sei. Dabei sei der Maßnahmebeginn und das Thema "Arbeitsschuhe" besprochen worden.

Am 02.05.2017 bot der Ag dem ASt sodann schriftlich eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei G vom "03.03.2017" bis zum "05.03.2017" an. Der Inhalt der Maßnahme sei die Mitarbeit im gewerblichen Bereich der G in Vollzeit. Der ASt solle sich am 03.05.2017 spätestens um 7:30 Uhr bei G vor Ort melden. Die weiteren Zeiten der Maßnahme würden vor Ort kommuniziert. Zur Maßnahme seien die am 27.04.2017 im Rahmen des Hausbesuches in Augenschein genommenen Schuhe und die getragene Arbeitskleidung ausreichend. Sollten im Laufe der Maßnahme zur Unfallverhütung andere Schuhe erforderlich sein, würden diese durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Dem Schreiben war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt, in der ua auf den vollständigen Wegfall des Alg II für den Fall des Nichtantritts oder Abbruchs der Maßnahme bzw des Anlassgebens zum Abbruch der Maßnahme hingewiesen wurde.

Nach einem Vermerk des Ag vom 05.05.2017 über einen Telefonkontakt mit G am 03.05.2017 habe G angegeben, der ASt sei nicht pünktlich erschienen und habe zur Gesprächseröffnung auf die Notwendigkeit von Sicherheitsschuhen und eine Mitteilung an die Berufsgenossenschaft hingewiesen. Nachdem der ASt mitgeteilt habe, er habe das Gespräch zur Beweisführung aufgezeichnet, sei er von G zum Verlassen des Betriebs aufgefordert worden. Nach einem weiteren Vermerk des Ag vom 05.05.2017 über einen Telefonkontakt mit dem ASt am 03.05.2017 habe dieser die Angaben des G bestätigt und wolle mit den Aufzeichnungen Anzeige erstatten, da ihm keine Sicherheitsschuhe zur Verfügung gestellt worden seien. Der ASt selbst führte in einer schriftlichen Stellungnahme aus, G habe gesagt, er müsse als Praktikant keine Sicherheitsschuhe tragen. Eine Aufnahme des Praktikums sei ihm deshalb nicht möglich gewesen. Ausweislich eines Vermerks des Ag vom 22.05.2017 über ein Gespräch mit G am 19.05.2017 kenne G die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften. Arbeitsschuhe würden im Betrieb vorgehalten, wenn auch nicht in jeder Schuhgröße. Der ASt habe sich auch nicht zuvor mit G in Verbindung gesetzt. Zu Beginn der Maßnahme habe der ASt immer wieder das Gespräch auf den Arbeitsschutz gelenkt. Er habe auf seine Tonbandaufzeichnungen und eine Anzeige bei der Berufsgenossenschaft hingewiesen, worauf G ihn zum Verlassen des Betriebsgeländes aufgefordert habe.

Mit Bescheid vom 23.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2017 stellte der Ag den vollständigen Wegfall des Alg II beim ASt für die Zeit vom 01.06.2017 bis zum 31.08.2017 fest und hob den Bewilligungsbescheid vom 24.04.2017 insoweit auf. Der ASt habe bei Maßnahmebeginn G unterstellt, seine Pflichten zum Arbeitsschutz zu verletzen. Er habe dies durch Gesprächsaufzeichnungen zur Anzeige bringen wollen und damit durch sein Verhalten das Zustandekommen der Maßnahme vereitelt. Er sei darüber informiert worden, dass für die Gewährleistung des Arbeitsschutzes der Arbeitgeber verantwortlich sei, und habe dem Arbeitgeber keine Gelegenheit gegeben, ihn über die Umsetzung dieser Verantwortung zu informieren. Durch seine Art der Gesprächsführung habe er ein informatives Gespräch zum Arbeitsschutz und den Beginn der Maßnahme verhindert. Ein wichtiger Grund sei nicht gegeben. Dagegen hat der ASt Klage (S 15 AS 122/17) beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben, über die nach Aktenlage bislang nicht entschieden worden ist.

Bereits am 11.08.2017 hat der ASt beim SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt. Es seien insbesondere auch die in Bezug auf Wohnung und Heizung bestehenden Zahlungsrückstände für die Zeit der festgesetzten Sperre auszugleichen. Er habe zu Maßnahmebeginn nur die Eckdaten erfragen wollen. Wahrheitsgemäß habe er darauf hingewiesen, dass er mit Lkw und Anhängern bisher keine praktischen Erfahrungen habe. Ferner habe er wissen wollen, in welcher Höhe ein Lohn gezahlt werde. Er leide zudem unter psychischen Problemen und fühle sich verfolgt. Es drohe eine Kündigung der Wohnung.

Auf Anfrage des SG hat G mitgeteilt, der ASt sei am 03.05.2017 zwischen 7:05 und 7:10 Uhr in die Firma gekommen und habe sich im Büro gemeldet. Man habe ihm gesagt, er solle in der Werkstatt mithelfen, worauf er auf die Notwendigkeit von Arbeitsschuhen hingewiesen habe. Man habe ihn gefragt, ob er keine habe, worauf er gesagt habe, diese müssten ihm gestellt werden. So habe sich das Gespräch über eine kurze Weile hin aufgebauscht. Man habe ihm dann zum Ende des Gesprächs gesagt, wenn er keine Lust habe, einen Job zu bekommen, könne er auch gerne wieder gehen, er wisse wo die Tür sei. Der ASt habe darauf in seine Uhr gesprochen, dass der Gesprächsmittschnitt beendet sei, und das Büro verlassen.

Mit Beschluss vom 01.09.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Die überwiegenden Gründe sprächen gegen die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung. Zwar habe der ASt die Maßnahme angetreten, jedoch wegen einem übertriebenen Beharren auf der Zurverfügungstellung aktueller Sicherheitsschuhe Grund für deren Abbruch gegeben. Wäre er Arbeitnehmer, so hätte er keinesfalls alleine aufgrund des Fehlens solcher Schuhe die Arbeitstätigkeit einstellen dürfen. Diese arbeitsschutzrechtlichen Wertungen seien auch für Teilnehmer an einer Maßnahme heranzuziehen. Der ASt habe durch sein unangemessenes Verhalten ein deutliches Desinteresse an der Maßnahme gezeigt. Es habe auch keiner vorherigen Abmahnung bedurft.

Dagegen hat der ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Er habe die letzte Eingliederungsvereinbarung nicht unterschrieben, könne daher auch nicht dagegen verstoßen haben. Bei einer vollständigen Minderung des Alg II dürfe die Miete dennoch nicht einbehalten werden, da ihm sonst in Kürze die Wohnung gekündigt werde. So drohe die Kündigung zum 01.11.2017. Die Kündigung sei zum Ag geschickt worden. Der Ag hat hierzu ausgeführt, eine solche sei bei ihm nicht eingegangen. Auch ein Antrag auf Übernahme der Mietschulden sei nicht gestellt worden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des ASt gegen den Bescheid des Ag vom 23.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2017 im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Streitgegenstand ist vorliegend alleine die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.06.2017 bis zum 31.08.2017 infolge der Feststellung einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung, die der Ag mit Bescheid vom 23.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2017 verfügt hat. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage im Rahmen der Hauptsache würde der Sanktionsbescheid aufgehoben werden und der ASt könnte wieder die bereits bewilligten Leistungen auch für den Sanktionszeitraum beanspruchen.

Die Klage gegen den Bescheid vom 23.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2017 hat nicht bereits selbst aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 Satz 1 SGG. Diese tritt vorliegend nicht ein, da sich Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt bzw die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt (§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG iVm § 39 Nr 1 SGB II). In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, § 86b Abs 1 Nr 2 SGG. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse des ASt an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist.

Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist (vgl bereits Beschluss des Senats vom 18.11.2008 - L 11 B 948/08 AS ER). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 86b Rn 12c). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl zum Ganzen: Keller aaO Rn 12f; Beschluss des Senats aaO).

Vorliegend sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens derzeit nicht abschätzbar. Es ist offen, ob der Ag zu Recht den vollständigen Wegfall des Anspruchs auf Alg II für die Zeit vom 01.06.2017 bis zum 31.08.2017 festgestellt und die Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum aufgehoben hat.

Nach § 31a Abs 1 Satz 3 SGB II entfällt nach jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II das Alg II vollständig. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde und nicht der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt (§ 31a Abs 1 Satz 4 und 5 SGB II). Bereits mit den Bescheiden vom 23.03.2016, 06.09.2016 und 07.09.2016 wurden Pflichtverletzungen des Klägers mit Sanktionszeiträumen vom 01.04.2016 bis 01.06.2017 bzw 01.10.2016 bis 31.12.2016 festgestellt.

Eine weitere wiederholte Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres im Hinblick auf das Verhalten des ASt gegenüber G bei Aufnahme der dortigen Maßnahme kann jedoch nicht sicher festgestellt werden. Gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und Satz 2 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie - ohne einen wichtigen Grund zu haben - trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis, eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben. Das SG hat zutreffend ausgeführt, der ASt habe die Maßnahme angetreten. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Ausführungen von G gegenüber dem SG, wonach der ASt zwischen 7:05 und 7:10 Uhr am Tag des vorgesehenen Maßnahmebeginns bei G erschienen ist.

Offen ist derzeit aber, ob die vom Ag angebotene Maßnahme zumutbar gewesen ist. Nach § 10 Abs 3 SGB II gelten für die diesbezügliche Beurteilung bei Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit die Anforderungen in § 10 Abs 1 und 2 SGB II für eine zumutbare Arbeit entsprechend. Der Maßnahme könnte ein sonstiger wichtiger Grund iSv § 10 Abs 1 Nr 5 SGB II entgegenstehen. Nach § 3 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Hierzu könnte auch das Zurverfügungstellen von Sicherheitsschuhen zählen, da Kosten für Maßnahmen nach dem ArbSchG nicht den Beschäftigten auferlegt werden dürfen. Unzweifelhaft dürfte nach den Stellungnahmen des ASt, der G und den Aktenvermerken des Ag die Frage der Sicherheitsschuhe zwischen G und dem ASt bei Maßnahmebeginn diskutiert worden sein. Anders als das SG geht der Senat davon aus, dass es dem ASt nicht zumutbar ist, eine Maßnahme zu beginnen oder fortzusetzen, wenn ihm nicht die für die Durchführung der Maßnahme notwendigen Sicherheitsschuhe zur Verfügung stehen. Eine Gesundheitsgefährdung muss er insoweit unabhängig davon nicht in Kauf nehmen, ob einem Arbeitnehmer ein Leistungszurückbehaltungsrecht zustehen könnte oder nicht. Nach dem Maßnahmeangebot sollte der ASt im gewerblichen Bereich der G tätig werden. Eine ausreichende Gefährdungsbeurteilung des Maßnahmeplatzes ist nicht dokumentiert und bedarf erst noch weiterer Ermittlungen in einem Hauptsacheverfahren. Dass in diesem Bereich Sicherheitsschuhe nötig sind, kann nicht ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf die Aktenvermerke des Ag über Besprechungen im Vorfeld der Maßnahme dürfte dies überwiegend wahrscheinlich sein.

Unklar und im Hauptsacheverfahren aufzuklären ist jedoch, ob der ASt über ausreichende Sicherheitsschuhe verfügte, ob die konkrete Tätigkeit das Tragen solcher Schuhe gegebenenfalls doch nicht erforderlich gemacht hätte oder ob G dem ASt notwendige Sicherheitsschuhe angeboten hat. Gleiches gilt für den konkreten Gesprächsablauf zwischen G und dem ASt. Nach den Angaben des G gegenüber dem SG habe sich das Gespräch aufgebauscht. Hier bedarf es der Aufklärung, ob der ASt möglicherweise zu Recht - weil zum Arbeitsschutz notwendig und keine ausreichenden eigenen Schuhe zur Verfügung standen - das Bereitstellen von Sicherheitsschuhen durch G begehrt hat, und sich G alleine darüber geärgert und von sich aus konkludent die Maßnahme beendet hat. Unklar und von G gar nicht angesprochen ist die Frage, ob der ASt auch auf Einschränkungen bezüglich des Fahrens von Lkw und mit Anhänger hingewiesen hat und ob dies Anlass für etwaige Konsequenzen war. Die Aufzeichnung des Gesprächs mit G durch den ASt selbst dürfte nach der schriftlichen Stellungnahme der G gegenüber dem SG nicht der Grund für die Beendigung der Maßnahme gewesen sein.

Im Hinblick auf die wegen der offenen Erfolgsaussicht vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung muss zwischen den Leistungen für den Regelbedarf und denen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung differenziert werden. Soweit es um den Regelbedarf geht, ist ein überwiegendes Interesse des ASt nicht erkennbar. Der Sanktionszeitraum betraf die Zeit vom 01.06.2017 bis 31.08.2017 und ist bereits abgelaufen. Es bestand die Möglichkeit den existenziellen Bedarf durch die vom Ag angebotenen Gutscheine zu sichern. Dass hier noch eine Beeinträchtigung gravierend fortwirkt, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Damit ist der gesetzlichen Wertung des § 39 Nr 1 SGB II der Vorzug zu geben. Eine aufschiebende Wirkung ist insoweit nicht anzuordnen.

In Bezug auf die Leistungen für Bedarfe der Unterkunft und Heizung kann unter Umständen anderes gelten. Durch die Nichtgewährung der entsprechenden Leistungen infolge einer vollständigen Leistungsminderung kann der Fall eintreten, dass es dem Leistungsberechtigten nicht möglich ist, die Mietzinsforderung des Vermieters zu bedienen und es kann zu Mietrückständen kommen. In Konsequenz könnte dann sogar der Verlust der Wohnung durch eine Kündigung des Vermieters drohen (§ 543 Bürgerliches Gesetzbuch). Auch ist bei Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht erst abzuwarten, bis tatsächlich eine Räumungsklage vom Vermieter anhängig gemacht wird (vgl dazu auch BVerfG, Beschluss vom 01.08.2017 - 1 BvR 1910/12).

Vorliegend ist jedoch nicht nachgewiesen oder ersichtlich, in welchem Umfang der ASt seinen Mietzinszahlungspflichten im Sanktionszeitraum nicht nachgekommen ist. Eine (drohende) Kündigung wurde bislang lediglich vom ASt behauptet. Ein angeblich an den Ag übersandter Nachweis ist nicht in den Akten und wurde nach Auskunft des Ag dort nicht vorgelegt. Zudem ist beim ASt auch für die Folgezeit von September bis November 2017 mit Bescheid vom 08.08.2017 der vollständige Wegfall des Leistungsanspruchs festgestellt und die Leistungsbewilligung insofern aufgehoben worden. Damit könnte die einstweilige Nachzahlung der Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Bezug auf den vorliegenden Sanktionszeitraum von Juni bis August 2017 eventuell nicht dazu führen, dass die Mietrückstände beim Vermieter vollständig getilgt würden. Schließlich besteht für den ASt im Hinblick auf die Mietrückstände die Möglichkeit beim Ag deren (ggf darlehensweise) Übernahme nach § 22 Abs 8 SGB II zu beantragen. Nach Auskunft des Ag wurde ein solcher Antrag bislang nicht gestellt. Damit überwiegen auch in Bezug auf die von der Sanktion betroffenen Leistungen für Bedarfe der Unterkunft und Heizung im Zeitraum von Juni bis August 2017 nicht die Interessen des ASt an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage und es ist der gesetzlichen Wertung des § 39 Nr 1 SGB II der Vorzug zu geben. Eine aufschiebende Wirkung ist diesbezüglich nicht anzuordnen.

Damit war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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