L 32 AS 3316/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 AS 22877/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 3316/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2014 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 26. Januar 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Mai 2011 und des Bescheides vom 29. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2011 verurteilt, der Klägerin weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 18. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2010 von 87,98 Euro und für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2011 von 204,93 Euro monatlich, mithin insgesamt von 702,77 Euro zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu 46 v. H. zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 204,93 Euro monatlich für die Zeit vom 18. Dezember 2010 bis 31. Juli 2011.

Die im März 1962 geborene Klägerin und S D schlossen mit der Grundstücksgemeinschaft Gstraße am 28. November 1990 einen Mietvertrag über eine Wohnung in der Gstraße in B mit einer Wohnfläche von 72,13 qm in einem Gebäude mit beheizbarer Grundfläche von 1.668 qm, die mittels Heizöls beheizt wird und die zur Aufbereitung des Warmwassers mit einem Durchlauferhitzer ausgestattet ist. Der Mietvertrag sieht eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten vor, wenn seit Überlassung des Wohnraums zehn Jahre vergangen sind

Mit Schreiben vom 23. März 2004 erklärten die Klägerin und S D gegenüber der Grundstücksgemeinschaft Gstraße, dass S D ab dem 1. April 2004 aus dem Mietvertrag entlassen werde und ab diesem Zeitpunkt von allen Rechten und Pflichten, die ab diesem Zeitpunkt entstünden, enthoben sei.

Mit Bescheid vom 17. September 2008 hatte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. März 2009 bis 31. August 2009 in Höhe von 946,35 Euro monatlich, dabei 595,35 Euro für Unterkunft und Heizung, bewilligt. Nachdem der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 27. August 2009 mitgeteilt hatte, dass ab dem 1. September 2009 als Kosten der Unterkunft inklusive Heiz- und Betriebskosten nur noch 378 Euro als angemessen berücksichtigt würden, hatte er der Klägerin zunächst mit Bescheid vom 15. September 2009 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 28. Februar 2009 in Höhe von 697 Euro monatlich, dabei 378 Euro für Unterkunft und Heizung, gewährt. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem vorgebracht worden war, die Klägerin sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, eine andere Wohnung zu suchen, hatte er mit den beiden Bescheiden vom 12. November 2009 die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 595,35 Euro monatlich festgesetzt.

Mit Schreiben vom 12. November 2009 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er sei angehalten, die Höhe der Mietkosten daraufhin zu überprüfen, ob sie angemessen seien. Als abstrakte Richtgröße für angemessene Bruttowarmmieten (inklusive Heizungskosten) gälten bei einem Einpersonenhaushalt 378 Euro. Es wurde darauf hingewiesen, dass Maßnahmen zur Senkung der Wohnungskosten (allerdings) in der Regel bei Vorliegen von - in diesem Schreiben im Einzelnen genannten - Sachverhalten nicht verlangt würden. Im Übrigen könnten die Richtwerte in besonderen Einzelfällen insbesondere bei einer längeren Wohndauer (mindestens 15 Jahre) um bis zu 10 Prozent überschritten werden. Die Klägerin erhielt Gelegenheit, sich dazu unter Beifügung gegebenenfalls entsprechender Nachweise zu äußern.

Die Klägerin machte daraufhin eine längere Wohndauer (mindestens 15 Jahre) geltend.

Mit Schreiben vom 25. November 2009, der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 27. November 2009 zugestellt, teilte der Beklagte der Klägerin mit, bei der Ermittlung der individuellen Mietobergrenze sei berücksichtigt worden, dass sie die Wohnung länger als 15 Jahre bewohne, woraus sich eine individuelle Mietobergrenze in Höhe von 415,80 Euro ergebe. Die Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft überstiegen den angemessenen Umfang, so dass die Klägerin ihre derzeitigen Kosten der Unterkunft künftig senken müsse. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft würden jedoch solange übernommen, wie es der Klägerin nicht möglich sei, durch einen Wohnungswechsel oder auf die (dort im Einzelnen) beschriebene Art die Kosten für die Unterkunft zu senken. Diese Zusage gelte jedoch nicht länger als sechs Monate nach Zugang dieses Schreibens bzw. bis zu einem vorherigen Ende der Hilfebedürftigkeit. Nach Ablauf dieser Frist würden die Kosten der Unterkunft nur noch in der angemessenen Höhe berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 22. März 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20. April 2010 und vom 2. Juni 2010 hatte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2010 bis 31. August 2010 unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung zunächst von 595,51 bzw. 595,35 Euro und ab 1. Juni 2010 von 415,80 Euro bewilligt. Mit Bescheid vom 8. Juli 2010 war die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung vom 1. August 2010 mit der Begründung einer eigenen Abmeldung aufgehoben worden.

Mit Wirkung vom 15. November 2010 wurde die Klägerin in der Praxis der Arbeitgeberin Dr. S als medizinische Fachangestellte mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.470 Euro befristet auf zwei Jahre eingestellt. Nach Eintritt von Arbeitsunfähigkeit ab 17. Dezember 2010 wurde das Arbeitsverhältnis mit Kündigung der Arbeitgeberin vom 17. Dezember 2010 mit sofortiger Wirkung fristlos gekündigt. Die Klägerin bezog aus diesem Arbeitsverhältnis ein Nettogehalt am 25. November 2010 von 569,07 Euro und am 29. Dezember 2010 von 604,65 Euro. Mit Schreiben vom 3. Januar 2011 teilte die N BKK der Klägerin mit, dass ein Krankengeldanspruch nicht bestehe.

Zum 1. Januar 2011 erhöhte sich die Gesamtmiete von bisher 601,98 Euro (427,73 Euro Nettokaltmiete, 149,25 Euro Betriebskostenvorauszahlung, 25,00 Euro Heizkostenvorauszahlung) auf 620,73 Euro (446,48 Euro Nettokaltmiete, 149,25 Euro Betriebskostenvorauszahlung, 25,00 Euro Heizkostenvorauszahlung).

Mit Bescheid vom 26. Januar 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin auf deren am 7. Januar 2011 eingegangenen Antrag, mit dem ein Bezugsbeginn zum 18. Dezember 2010 beansprucht wurde, Leistungen nach dem SGB II vom 7. Januar 2011 bis 31. Juli 2011, dabei vom 1. Januar 2011 bis 31. Januar 2011 von 645,67 Euro (299,17 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts, 346,50 Euro für Unterkunft und Heizung) und vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 in Höhe von 774,80 Euro monatlich (359 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts, 415,80 Euro für Unterkunft und Heizung).

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin unter Hinweis auf § 16 Abs. 2 SGB I Leistungen ab 18. Dezember 2010 und die Gewährung der Kosten der Unterkunft unter Hinweis darauf, dass nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R die Deckelung der Miete gemäß der AV-Wohnen rechtswidrig sei, in vollständiger Höhe geltend.

Am 31. März 2011 zeigte die Klägerin an, dass sie zum 1. April 2011 eine Beschäftigung als Arzthelferin mit einem Brutto- und Nettoentgelt von 400 Euro monatlich ab 1. Mai 2011 aufnehmen werde.

Mit Änderungsbescheid vom 3. Mai 2011 setzte der Beklagte die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 7. Januar 2011 bis 31. Januar 2011 auf 649,83 Euro (303,33 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts, 346,50 Euro für Unterkunft und Heizung), vom 1. Februar 2011 bis 30. April 2011 auf 779,80 Euro monatlich (364 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts, 415,80 Euro für Unterkunft und Heizung) und vom 1. Mai 2011 bis 31. Juli 2011 auf 539,80 Euro monatlich (124 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts, 415,80 Euro für Unterkunft und Heizung) fest.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 18. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2010 in Höhe von 192,94 Euro (ausschließlich für Unterkunft und Heizung) und vom 1. Januar 2011 bis 31. Januar 2011 von 779,80 Euro (364 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts, 415,80 Euro für Unterkunft und Heizung).

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Die Angemessenheit der Unterkunftskosten richte sich nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II vom 7. Juni 2005 (AV-Wohnen), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 10. Februar 2009). Nach diesen Vorschriften dürfe die Bruttowarmmiete einer Wohnung für einen Einpersonenhaushalt einen Betrag von monatlich 378 Euro nicht übersteigen. Dieser Richtwert könne bei bestehendem Wohnraum in besonders begründeten Einzelfällen um bis zu 10 Prozent überschritten werden. Im Falle der Klägerin liege aufgrund der längeren Wohndauer ein besonders begründeter Einzelfall vor, so dass Unterkunftskosten in Höhe von maximal 415,80 Euro angemessen seien. Mit Schreiben vom 25. November 2009 sei die Klägerin aufgefordert worden, entsprechend den oben genannten Vorgaben die Unterkunftskosten auf den angemessenen Umfang zu senken.

Dagegen hat die Klägerin am 29. August 2011 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.

Sie hat erneut auf die Entscheidung des BSG hingewiesen. Eine Pauschalierung der Nettokaltmiete einschließlich der Betriebskosten sei unzulässig. Sie habe keinerlei Einfluss auf die Höhe der vom Vermieter umgelegten verbrauchsunabhängigen Nebenkosten und der vom Energieversorger festgelegten Brennstoffkosten. Es sei auch kein Schreiben des Beklagten vorhanden, welches sie auf die Absenkung der Kosten der Unterkunft hinweise. Ihr liege lediglich ein Schreiben vom 12. November 2009 vor. Ein Schreiben vom 25. November 2009 habe sie nicht erhalten. Ein derartiges Schreiben befinde sich nicht in ihren Unterlagen. Im fraglichen Zeitraum sei es ihr nicht sehr gut gegangen. Dadurch sei das Erinnerungsvermögen erheblich durch die persönlichen Probleme überlagert. Nach der Postzustellungsurkunde sei das Schreiben vom 25. November 2009 am 27. November 2009 in der Filiale 30 niedergelegt worden. Ein Nachweis zur Abholung liege nicht vor. Klar sei, dass der Klägerin das Schreiben vom 25. November 2009 nicht persönlich ausgehändigt worden sei. Die Zugangsfiktion greife nicht. Zudem habe sie sich nach Ablauf der sechs Monate nicht mehr im Leistungsbezug befunden. Sie habe mithin davon ausgehen dürfen, dass nach erneuter Beantragung von Leistungen im Dezember 2010 die Miete vollständig getragen werde. Die Unterbrechung des Leistungsbezuges sei länger als sechs Monate, nämlich von Mai 2010 bis Dezember 2010 gewesen. Sie habe keine Mitteilung über die Niederlegung erreicht. Im Zeitraum Mai 2010 bis Dezember 2010 habe sie gearbeitet und ihren Bedarf vollständig selbst gedeckt. Sie habe auch davon ausgehen dürfen, dass sie perspektivisch nicht in einen Leistungsbezug geraten würde, da sie als Arzthelferin einen Anschlussarbeitsvertrag gehabt habe und nicht davon auszugehen gewesen sei, dass der Arbeitsvertrag gekündigt werde. Sie habe nicht damit rechnen müssen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer nur kurzen Erkrankung beendet würde. Die Klägerin hat den Arbeitsvertrag mit Dr. HI vom 17. Mai 2010, das Kündigungsschreiben der Dr. H I vom 14. September 2010 und die Gehaltsabrechnungen für Mai 2010, Juni 2010, Juli 2010 und September 2010 vorgelegt.

Nach dem Arbeitsvertrag wurde die Klägerin mit Wirkung vom 17. Mai 2010 als Arzthelferin mit einem Bruttogehalt von 1.390 Euro monatlich bei Vereinbarung einer Probezeit auf unbestimmte Zeit eingestellt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde zum 30. September 2010 gekündigt.

Der Beklagte hat gemeint, aus der Entscheidung des BSG vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R ergebe sich nicht die Rechtswidrigkeit der Bewilligung der Unterkunfts- und Heizungskosten. Keinesfalls seien in der Konsequenz die vollen tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren. Vielmehr seien die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nach der vom BSG entwickelten Produkttheorie zu ermitteln. Danach ergäben sich sogar geringere angemessene Kosten als vom Beklagten bereits berücksichtigt würden. Nach dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) gelte das mit Postzustellungsurkunde zugestellte Schreiben vom 25. November 2009 als zugegangen. Es sei der Klägerin zuzurechnen, dass sie das Schreiben nicht abgeholt habe. Es sei in ihren Machtbereich gelangt. Der Zugang sei zu fingieren gewesen. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass nach einer kurzen Unterbrechung des Leistungsbezuges nicht erneut eine Sechsmonatsfrist beginne. Die Unterbrechung des Leistungsbezuges habe nur vom 1. August 2010 bis zum 17. Dezember 2010, mithin lediglich viereinhalb Monate betragen.

Mit Urteil vom 18. November 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Vor einer Absenkung auf die angemessenen Kosten sei dem Leistungsberechtigten zwar durch Information der Unangemessenheit die Möglichkeit einzuräumen, Maßnahmen zur Senkung seiner Mietkosten zu treffen. Eine solche Information als Voraussetzung der Begrenzung der Leistungen auf das angemessene Maß sei der Klägerin am 27. November 2009 ausweislich der Postzustellungsurkunde zugegangen. Eine Niederlegung und Benachrichtigung sei am 27. November 2009 erfolgt. Eine Rücksendung des Schriftstückes wegen Nichtabholung binnen drei Monaten sei nicht zu verzeichnen. Der Beweis der Unrichtigkeit der Urkunde sei nicht erbracht. Eine erneute Aufforderung zur Senkung der unangemessenen hohen Mietkosten habe auch nicht zu erfolgen gehabt. Die durch diese Information ausgelöste Obliegenheit des Leistungsempfängers könne entfallen, wenn eine Unterbrechung des Leistungsbezuges von einiger Dauer vorliege und der Leistungsberechtigte darauf habe vertrauen dürfen, die Kosten nachhaltig selbst tragen und deshalb von Maßnahmen zur Kostensenkung absehen zu können. Der Zeitraum von etwa viereinhalb Monaten sei indes nicht lang genug. Hieran habe auch der unbefristet abgeschlossene Arbeitsvertrag nichts geändert, da die Klägerin zumindest den Ablauf der Probezeit hätte abwarten müssen. Vorher habe sie jederzeit damit rechnen müssen, den Arbeitsplatz kurzfristig zu verlieren und wieder auf Grundsicherungsleistungen angewiesen zu sein. Die Höhe der angemessenen Kosten richte sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nach den AV-Wohnen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R); jedoch ergebe sich auch unter rechtlich beanstandungsfreier Berechnung kein höherer Anspruch. Für einen alleinlebenden Hilfebedürftigen sei unter Zugrundlegung des Ansatzes eines Projekts der Sozialrichter Berlins (vgl. Schifferdecker/Irgang, Silbermann, Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin – Ein Projekt von Richterinnen und Richtern des Sozialgerichts Berlin, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit Nr. 1/2010, S. 28 bis 42) eine Kaltmiete inklusive Betriebs-, aber ohne Heizkosten in Höhe von monatlich 308,50 Euro angemessen. Für die Monate Juni und Juli 2011 seien nach Bekanntgabe des neuen Berliner Mietspiegels im Amtsblatt für Berlin 2011, Nr. 22 vom 30. Mai 2011 ab Juni 2011 hierfür 322,50 Euro anzusetzen. Der Betrag von monatlich 25 Euro für Heizkosten überschreite den Grenzwert auf eine Beheizung mit Öl und einer Gebäudefläche mit mehr als 1.000 qm nicht, so dass dieser Betrag zu berücksichtigen sei. Es ergäben sich monatlich damit für Dezember 2010 (anteilig) bis Mai 2011 insgesamt maximal 333,50 Euro und für Juni und Juli 2011 maximal 347,50 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung. Da der Beklagte bereits 415,80 Euro gewährt habe, bestehe ein weitergehender Anspruch nicht. Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 3. Dezember 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Dezember 2014 eingelegte Berufung der Klägerin.

Sie meint, nicht zur Senkung ihrer Mietkosten verpflichtet gewesen zu sein. Es habe einer erneuten Aufforderung zur Senkung der Mietkosten bedurft, denn es habe eine Unterbrechung des Leistungsbezuges von einiger Dauer vorgelegen. Sie habe darauf vertrauen dürfen, die Mietkosten nachhaltig selbst tragen und deshalb von Maßnahmen zur Kostensenkung absehen zu können. Der Arbeitsvertrag als Arzthelferin sei unbefristet gewesen. Daran ändere auch die zweiwöchige Kündigungsfrist während der Probezeit nichts. S Dwohne seit dem 1. April 2004 nicht mehr in der Wohnung. Der Vermieter weigere sich, den Mietvertrag anzupassen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2014 aufzuheben sowie den Bescheid vom 26. Januar 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 3. Mai 2011 und vom 29. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2011 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 204,93 Euro, wobei für Dezember 2010 diese anteilig ab dem 18. Dezember 2010 zu berechnen sind, zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (Behelfsakte Band II, ), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid vom 26. Januar 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Mai 2011 und des Bescheides vom 29. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2011 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 702,77 Euro für die Zeit vom 18. Dezember 2010 bis 31. März 2011, nämlich von weiteren 87,98 Euro für Dezember 2010 und von jeweils 204,93 Euro für Januar bis März 2011. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft waren zwar auch in diesem Zeitraum nicht angemessen. Die Klägerin war jedoch ungeachtet der wirksamen Aufforderung zur Kostensenkung im Schreiben des Beklagten vom 25. November 2009 nicht in der Lage, diese Kosten für diesen Zeitraum zu senken. Eine Kündigung des bisherigen Mietverhältnisses, also die hier einzig erfolgversprechende Maßnahme, war ihr erst zum 1. April 2011 möglich und zumutbar, so dass der angefochtene Bescheid für die Zeit vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2011 hinsichtlich der bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung rechtmäßig ist. Eine Obliegenheit zur Kostensenkung bestand für sie erst nach Erhalt des Bescheids der Novitas BKK vom 3. Januar 2011.

Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II (also mindestens das 65. Lebensjahr) noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Gleiches galt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung (SGB II a. F.) für erwerbsfähige Hilfebedürftige. Die im März 1962 geborene Klägerin, die sich damit in den Grenzen der maßgebenden Lebensjahre befand, war erwerbsfähig. Dies zeigt die von ihr ausgeübte Beschäftigung. Die Klägerin hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war auch nach § 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig, denn sie konnte ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern. Der Senat verweist insoweit auf die jedenfalls bis zum 31. März 2011 zutreffenden Berechnungen in den angefochtenen Bescheiden.

Die Klägerin hatte damit Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II.

Dieser Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestand auch ab 18. Dezember 2010. Dem steht die erst am 7. Januar 2011 erfolgte Antragstellung nicht entgegen.

Nach § 37 Abs. 2 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (SGB II a. F.) galt: Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Treten die Anspruchsvoraussetzungen an einem Tag ein, an dem der zuständige Träger von Leistungen nach diesem Buch nicht geöffnet hat, wirkt ein unverzüglich gestellter Antrag auf diesen Tag zurück. § 37 Abs. 2 SGB II bestimmt seither: Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den 1. des Monats zurück.

Danach führt zwar die am 7. Januar 2011 erfolgte Antragstellung dazu, dass aufgrund dieses Antrages Leistungen ab dem 1. Januar 2011 erbracht werden konnten. Für einen früheren Leistungsbeginn bietet § 37 Abs. 2 SGB II damit keine Rechtsgrundlage.

Allerdings ordnet § 40 Abs. 3 SGB II an: § 28 SGB X gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistungen bindend geworden ist, nachzuholen ist.

§ 28 Satz 1 SGB X sieht vor: Hat ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist und wird diese Leistung versagt oder ist sie zu erstatten, wirkt der nunmehr nachgeholte Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin beanspruchte zunächst eine andere Sozialleistung, nämlich Krankengeld. Mit Bescheid der N BKK vom 3. Januar 2011 wurde ein Krankengeldanspruch abgelehnt. Bereits vor Ablauf des Monats des Eintritts seiner Bestandskraft, nämlich am 7. Januar 2011 holte die Klägerin den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nach.

Zum Umfang des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bestimmt § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II: Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. § 19 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (SGB II a. F.) bestimmte: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.

Der Senat hat allerdings ausschließlich über die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu entscheiden, denn nur deren Überprüfung ist beantragt. Die Beschränkung des Klagebegehrens ist zulässig, denn die Entscheidung über die Kosten der Unterkunft und Heizung stellt (auch weiterhin) eine von der übrigen Regelung im Bescheid über die Gewährung von Arbeitslosengeld II abtrennbare Verfügung im Sinne eines eigenständigen Verwaltungsaktes dar (BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R, Rdnr. 10, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 22 Nr. 78; BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, Rdnr. 18, abgedruckt in BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1).

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt: Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Die Ermittlung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung erfordert eine Einzelfallprüfung. Diese hat für die Unterkunftskosten und die Heizkosten getrennt zu erfolgen (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R, Rdnr. 18, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 23).

Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie festzustellen (grundlegend: BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 20, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3). Diese stellt auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard (als Summe von angemessener Kaltmiete je Quadratmeter und angemessenen kalten Betriebskosten) ab, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Der abstrakt angemessene Quadratmeterpreis für die Unterkunft (Bruttokaltmiete) setzt sich damit aus der Nettokaltmiete und den kalten Betriebskosten zusammen (BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 9/14 R, Rdnr. 33, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 22 Nr. 81).

Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist dabei in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: 1. ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. 2. ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. 3. ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. 4. sind zu der Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 15, zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 20, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 22 Nr. 42). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf. ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 20).

Anschließend ist - falls insofern Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine Wohnung zu dieser abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft auch tatsächlich angemietet werden kann. Soweit die Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft, also die von ihm zu zahlende Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten, die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft des Hilfebedürftigen übersteigen, sind erstere nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 13, m. w. N.).

Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen. Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) i. V. m. § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs. 4 WoFG (als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs. 2 WoBindG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 22, m. w. N.; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 17).

Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen. Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20. Oktober 1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum bis zu 60 qm überlassen werden. An diese Regelungen auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 SGB II anzuknüpfen. Die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl sind für die Auslegung des § 22 Abs. 1 SGB II unbeachtlich (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 22; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 18). Soweit die landesrechtlichen Bestimmungen an die Personenzahl in einem Haushalt anknüpfen, ist Ausgangspunkt für die Berechnung der Wohnfläche die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Insgesamt können Kosten der Unterkunft nur in einer Höhe beansprucht werden, wie sie Partnern in einer gemeinsamen Wohnung zustehen (so und wegen der Besonderheiten trotz Fortbestehens der Bedarfsgemeinschaft in Fällen eines nicht im Vorhinein auf unter sechs Monate beschränkten dauerhaften auswärtigen Aufenthalts: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 23).

Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Bei dem Vergleichsraum muss es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Maßgebender Gesichtspunkt kann damit die Ausrichtung des öffentliche Nahverkehrs auf ein bestimmtes Kerngebiet sein, das auch von den Randlagen aus in Fahrzeiten erreichbar ist, wie sie erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl. § 121 Abs. 4 Satz 2 SGB III), sofern innerhalb dieses Raumes auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren, vorhanden sind, sodass die Bildung eines engeren Vergleichsraums, die das Risiko der Gettoisierung in sich birgt, nicht erforderlich erscheint (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 24).

Für Hilfebedürftige innerhalb Berlins ist damit maßgeblicher Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 24; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 19).

Ausgehend von diesem räumlichen Vergleichsmaßstab bestimmt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) wie folgt: Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard. Die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen. Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 25, m. w. N.; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 21).

Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Wohnung ist nicht anhand der AV-Wohnen, bei denen es sich um bloße Verwaltungsvorschriften handelt, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten, zu bestimmen. Diese sind deswegen zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil sie eine Bruttowarmmiete (so Ziffer 3.2.1 Abs. 2 eine monatliche Bruttowarmmiete von 378,00 Euro für einen 1-Personen-Haushalt) ausweisen, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (so dazu ausdrücklich: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 26), ihnen also kein schlüssiges Konzept i. S. der Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 22).

Die angemessene Referenzmiete kann allerdings auf der Grundlage eines Mietspiegels ermittelt werden. Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben. Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl. Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist bei der Prüfung nach § 22 Abs. 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung für den Fall anzumieten wäre, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 27, m. w. N.).

Damit können der Berliner Mietspiegel 2009 (Amtsblatt für Berlin 2009, Nr. 27 vom 24. Juni 2009) und der Berliner Mietspiegel 2011 (Amtsblatt für Berlin 2011, Nr. 22 vom 30. Mai 2011) als qualifizierte Mietspiegel Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs. 1 SGB II sein.

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, es sei denn es liegt statistisch valides Material vor, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich den gesamten Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile hiervon - prägen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 28; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 24).

Solche Daten zu Bauklassen liegen für die Berliner Mietspiegel 2009 und 2011 nicht vor. Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne (Dusch)-Bad sowie andererseits oder kumulativ Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC)) gesondert aus. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte sowie die in den Fußnoten zur Mietspiegeltabelle ausgewiesenen Abschläge auf die Spalten 1, 3, 5 und 6 für weit unterdurchschnittliche Ausstattungen nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 29).

Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 107 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 30). Soweit sich insoweit weitergehende Schlüsse insbesondere aus den Grundlagendaten eines qualifizierten Mietspiegels ziehen lassen, können diese Daten zugrunde gelegt werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 31). Ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte dafür, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf. um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden. Ein solcher Mittelwert bietet die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei ist zulässigerweise dieser Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 32, unter Hinweis auf Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 26).

Die angemessene Nettokaltmiete ist also ausgehend davon unter Heranziehung der Grundlagendaten zum Berliner Mietspiegel 2009 (Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel – Endbericht zum Berliner Mietspiegel 2009, www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/de/download/mietspigel2009 endbericht.pdf) und der Grundlagendaten zum Berliner Mietspiegel 2011 (www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/de/downloads.shtml) aus den genannten verbliebenen Wohnungen (mit den jeweiligen Wohnflächen, Wohnlage einfach) ausgehend von den Mittelwerten zu ermitteln und ihrem Verhältnis zur Gesamtzahl der herangezogenen Wohnungen zu gewichten.

Die angemessene Nettokaltmiete beträgt mithin bei einer Wohnfläche von 40 qm bis unter 60 qm (Ein- und Zwei-Personen-Haushalt) 4,76 Euro/qm (Mietspiegel 2009) bzw. 4,91 Euro/qm (Mietspiegel 2011).

Neben der Nettokaltmiete sind auch die angemessenen Betriebskosten i. S. des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 33). Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs. 1 und 2 BGB i. V. m. der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufhebung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen (BetrKV; vom 25. November 2003, BGBl I 2346) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten i. S. des § 22 Abs. 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw. die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, Rdnr. 34; BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 28).

Zur Prüfung, ob in dem örtlichen Vergleichsraum eine Wohnung zu dieser abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft auch tatsächlich angemietet werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass beim Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels mit entsprechend wissenschaftlich gesicherten Feststellungen zum Wohnungsbestand davon ausgegangen werden kann, dass es eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis gibt. Diese Tatsachenvermutung kann aber erschüttert werden (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R, Rdnr. 29). Eine objektive Unmöglichkeit, eine Wohnung zu einem solchen angemessenen Quadratmeterpreis zu finden, hat das BSG grundsätzlich verneint, weil es in Deutschland derzeit keine allgemeine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum besteht (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 106/10 R, Rdnr. 30, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 22 Nr. 46 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R, abgedruckt in BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19). Dies gilt zumindest dann an, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und entweder der Durchschnittswert dieses Mietspiegels angewandt wird oder dem Mietspiegel Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 106/10 R, Rdnr. 30).

Die angemessenen kalten Betriebskosten sind daher ausgehend davon ebenfalls unter Heranziehung der Grundlagendaten zum Berliner Mietspiegel 2009 ( www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/de/download/mietspigel2009 endbericht.pdf, Tabelle 5) der Grundlagendaten zum Berliner Mietspiegel 2011(www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/de/downloads.shtml, Tabelle 5) aber mit allen Wohnflächen und allen Wohnlagen mit Ausnahme der bereits oben genannten Wohnungen, auf die Hilfebedürftige nicht verwiesen werden dürfen, zu ermitteln, denn für die kalten Betriebskosten weist die Tabelle 5 insoweit keine Differenzierung nach Wohnflächen und Wohnlage aus, und ihrem Verhältnis zur Gesamtzahl der herangezogenen Wohnungen zu gewichten.

Die angemessenen kalten Betriebskosten betragen mithin 1,41 Euro/qm (Mietspiegel 2009) bzw. 1,54 Euro/qm (Mietspiegel 2011).

Dies ergibt zusammen als angemessene Bruttokaltmiete 6,17 Euro/qm (Mietspiegel 2009) bzw. 6,45 Euro/qm (Mietspiegel 2011).

Daraus folgt für einen 1-Personen-Haushalt bei einer angemessenen Wohnfläche von 50 qm eine angemessene Bruttokaltmiete von 308,50 Euro (50 qm x 6,17 Euro) bzw. von 322,50 Euro (50 qm x 6,45 Euro/qm).

Demgegenüber betrug die Bruttokaltmiete für die Klägerin 595,73 Euro/qm.

Die Heizkosten waren im Unterschied dazu allerdings nicht unangemessen.

Der Anspruch auf Leistungen für die Heizung besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind.

Von unangemessen hohen Heizkosten ist auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, die den von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw. dem "Bundesweiten Heizspiegel" zu entnehmen sind. Solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung keine differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich zulassen, ist die Heranziehung eines Grenzwertes aus Gründen der Praktikabilität geboten. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der hohe Grenzwert der energiepolitischen Zielsetzung eines Heizspiegels zuwiderläuft. Solche Zielsetzungen sind im Anwendungsbereich des SGB II aber nach den gesetzgeberischen Vorgaben unbeachtlich (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R, Rdnr. 22, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 114, 1 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 69).

Dem Grenzwert aus einem (bundesweiten oder kommunalen) Heizkostenspiegel kommt nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze zu mit der Folge, dass bei unangemessen hohen Heizkosten die Aufwendungen für Heizung bis zu dieser Höhe, aber nur diese übernommen werden müssten. Auch diesem Wert liegt nämlich keine Auswertung von Daten zugrunde, die den Schluss zuließe, es handele sich insoweit um angemessene Kosten. Der Grenzwert markiert nicht angemessene Heizkosten, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist; das Überschreiten des Grenzwertes kann lediglich als Indiz für die fehlende Angemessenheit angesehen werden ("im Regelfall"). Dies hat im Streitfall zur Folge, dass es dem Leistungsberechtigten obliegt vorzutragen, warum seine Aufwendungen gleichwohl als angemessen anzusehen sind. Insofern führt das Überschreiten des Grenzwertes zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des Leistungsberechtigten dahin, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist. Lässt sich nicht feststellen, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind, treffen ihn die Folgen im Sinne der materiellen Beweislast (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R, Rdnr. 23, m. w. N.).

Der Grenzwert errechnet sich aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche (und nicht aus der Wohnfläche der konkret innegehabten Wohnung) und, wenn ein kommunaler Heizspiegel - wie vorliegend für Berlin - nicht existiert, den entsprechenden Werten der Spalte "zu hoch" für Heizöl, Erdgas bzw. Fernwärme des "Bundesweiten Heizspiegels", der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war. Bei Wohnungen, die mit einer Etagenheizung beheizt werden, erscheint es sachgerecht, zugunsten der Leistungsberechtigten den Wert für eine Gebäudefläche von 100 bis 250 qm zugrunde zu legen, weil diese den Verbrauchswerten einer Einzelheizanlage am nächsten kommen. Schließlich liegt nahe, für Energieträger, die im Heizspiegel nicht gesondert aufgeführt sind (Strom, Holz, Solarenergie o. ä.), den jeweils kostenaufwändigsten Energieträger des Heizspiegels vergleichend zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R, Rdnr. 25).

Maßgebend ist vorliegend der Bundesweite Heizspiegel 2010 vom 18. Mai 2010.

Der Grenzwert bei der Beheizung einer Wohnung mit Heizöl bei einer Gebäudefläche von über 1.000 qm liegt bei 12,10 Euro/qm/Jahr.

Daraus errechnen sich bei einer abstrakt angemessenen Wohnfläche von 50 qm für einen Ein-Personen-Haushalt 605 Euro/Jahr und mithin 50,42 Euro monatlich.

Demgegenüber betrug die Heizkostenvorauszahlung für die Klägerin 25,00 Euro monatlich und war somit nicht unangemessen.

Ungeachtet dessen waren jedoch die Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt unangemessen, so dass ein Anspruch der Klägerin lediglich in Höhe von 333,50 Euro (308,50 Euro angemessene Bruttokaltmiete und 25,00 Euro nicht unangemessene Heizkosten) bzw. in Höhe von 347,50 Euro (322,50 Euro angemessene Bruttokaltmiete und 25,00 Euro nicht unangemessene Heizkosten) besteht.

Diesen Anspruch erfüllte der Beklagte mit dem Bescheid vom 29. Juli 2011 und im Übrigen mit dem Bescheid vom 26. Januar 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Mai 2011, indem er für die Zeit vom 18. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2010 192,94 Euro und für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Juli 2011 415,80 Euro monatlich für Kosten der Unterkunft und Heizung - damit über das gebotene Maß hinaus - bewilligte.

Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von 601,98 Euro bzw. ab 1. Januar 2011 von 620,73 Euro waren allerdings vorübergehend, nämlich für die Zeit vom 18. Dezember 2010 bis 31. März 2011, anzuerkennen.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II gilt: Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Diese Vorschrift begründet eine Obliegenheit des Leistungsberechtigten zur Kostensenkung, wenn die tatsächlichen Kosten höher als die angemessenen Kosten sind (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr. 30, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19). Kostensenkungsmaßnahmen sind dem Leistungsberechtigten aber nur dann subjektiv möglich, wenn er Kenntnis von dieser Obliegenheit hat. Bevor er nicht von dem zuständigen Leistungsträger darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass nach dessen Auffassung die tatsächlichen Aufwendungen der gemieteten Wohnung unangemessen hoch sind, ist es ihm subjektiv nicht möglich, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen. Dem steht nicht entgegen, dass § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II kein Erfordernis einer Kostensenkungsaufforderung enthält, denn der Hinweis auf die Rechtslage hat allein Aufklärungs- und Warnfunktion. Bezweckt werden soll damit, dass der Leistungsberechtigte Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft erhält. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II normiert damit keine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht des Beklagten über die Obliegenheiten des Leistungsempfängers bei der Suche nach einer anderen, angemessenen Unterkunft. Die Vorschrift stellt auch keine sonstigen erhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen an diese Erklärung. Allerdings erfordert die Aufklärungs- und Warnfunktion, dass zumindest die Angabe des angemessenen Mietpreises erfolgt, da dieser nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit ist. Diese Mindestanforderung an die Kostensenkungsaufforderung folgt aus der der Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II auch innewohnenden Schutzfunktion. Mit der Zumutbarkeitsregelung soll verhindert werden, dass der Leistungsberechtigte sofort bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Ihm soll eine Übergangszeit verbleiben, in der er sich um Kostensenkungsmaßnahmen bemühen kann. Ist ein Umzug erforderlich, etwa um eine Wohnung zu einem angemessenen Mietpreis anzumieten, besteht eine "Schonzeit" nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II von in der Regel längstens sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 19/09 R, Rdnrn. 15 und 16, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 28). Die Sechs-Monatsfrist ist jedoch kein starrer Zeitraum; vielmehr sind Abweichungen nach oben und nach unten zulässig, wie schon dem Wortlaut der Norm zu entnehmen ist (BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R, Rdnr. 20, zitiert nach juris; abgedruckt in SozR 4 4200 § 22 Nr. 67).

Dabei ist ohne Belang, dass die Kostensenkungsaufforderung lediglich auf eine nach Ansicht des Leistungsträgers als angemessen erachtete Bruttowarmmiete hinweist, ohne zwischen Grundmiete, "kalten" Nebenkosten und Heizkosten zu differenzieren, und ob die genannte Mietobergrenze sachlich-inhaltlich richtig ist, denn der Streit darüber, ob die vom Leistungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage auszutragen, welche Aufwendungen i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessen sind (BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 41/08 R, Rdnrn 33 und 34, m. w. N.,zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr 40). Allein die objektive fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete führt nur dann zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung mit einem Ausnahmefall, wenn dadurch bewirkt wird, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige seine Suche auf Grund der unzutreffenden Angabe in wesentlichem Umfang beschränkt (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr 40).

Ein Erfordernis zur nochmaligen Information über die Unangemessenheit der Aufwendungen und die Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung besteht ausnahmsweise nur dann, wenn ein objektiver Beobachter auf Empfängerseite bei verständiger Würdigung des Sachverhalts aus einem Verhalten des Leistungsträger hätte schließen dürfen, dass sich der Leistungsträger an eine zuvor erteilte Information nicht mehr festhalten lassen will (BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 41/08 R, Rdnr 35). Sind dem Leistungsberechtigten die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, bedarf es nicht einmal der Aufklärung (BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 10/06 R, Rdnr 29, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2).

Zwar kann bei der Suche von Alternativwohnungen "nichts Unmögliches oder Unzumutbares" verlangt werden. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sieht jedoch selbst bei Vorliegen von "Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit" vor, dass "in der Regel" spätestens nach sechs Monaten nur noch die Aufwendungen in Höhe der angemessenen Kosten erstattet werden sollen (Regelfall). Damit soll die Übernahme abstrakt überhöhter Kosten der Unterkunft die Ausnahme bleiben, so dass strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit zu stellen sind. Zu den besonderen Gründen, die es ausnahmsweise unzumutbar erscheinen lassen, das nähere Umfeld oder gar die aktuell genutzte Wohnung zu verlassen (sog subjektiver Unzumutbarkeit) rechnen insbesondere grundrechtsrelevante Sachverhalte oder Härtefälle. Dazu gehört etwa die Rücksichtnahme auf das soziale und schulische Umfeld minderjähriger schulpflichtiger Kinder, die möglichst nicht durch einen Wohnungswechsel zu einem Schulwechsel gezwungen werden sollten; ebenso kann auf Alleinerziehende Rücksicht genommen werden, die zur Betreuung ihrer Kinder auf eine besondere Infrastruktur angewiesen sind, die bei einem Wohnungswechsel in entferntere Ortsteile möglicherweise verloren ginge und im neuen Wohnumfeld nicht ersetzt werden könnte. Ähnliches kann für behinderte oder pflegebedürftige Menschen bzw. für die sie betreuenden Familienangehörigen gelten, die zur Sicherstellung der Teilhabe behinderter Menschen ebenfalls auf eine besondere wohnungsnahe Infrastruktur angewiesen sind. Auch Krankheit kann dazu zählen, soweit ein Verbleiben in der bisherigen Wohnung aus medizinischen Gründen erforderlich und ein Umzug schlechthin ausgeschlossen ist. Demgegenüber können insbesondere alleinstehende erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die solche oder ähnliche Gründe nicht haben, den Tatbestand der subjektiven Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen kaum erfüllen (BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 41/08 R, Rdnrn 36 und 37; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnrn 32 und 35).

Eine objektive Unmöglichkeit, eine andere angemessene Unterkunft zu erlangen, liegt in der Regel (abgesehen in seltenen Ausnahmefällen) nicht vor, denn in Deutschland gibt es derzeit keine allgemeine Wohnungsnot (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, Rdnr 36).

Ausgehend davon genügt das Schreiben des Beklagten vom 25. November 2009, das der Klägerin auch zugegangen ist, den Anforderungen an eine Mitteilung zur Kostensenkung.

Nach der Postzustellungsurkunde wurde der Klägerin das Schreiben vom 25. November 2009 am 27. November 2009 zugestellt.

Die Vorschriften über die förmliche Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde sind gewahrt.

Nach § 3 VwZG gilt: Soll durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, übergibt die Behörde der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde (Abs. 1). Für die Ausführung der Zustellung gelten die §§ 177 bis 182 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Im Fall des § 181 Abs. 1 ZPO kann das zuzustellende Dokument bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden oder bei der Behörde, die den Zustellungsauftrag erteilt hat, wenn sie ihren Sitz an einem der vorbezeichneten Orte hat. Für die Zustellungsurkunde, den Zustellungsauftrag, den verschlossenen Umschlag nach Abs. 1 und die schriftliche Mitteilung nach § 181 Abs. 1 Satz 3 ZPO sind die Vordrucke nach der Zustellungsvordruckverordnung zu verwenden (Abs. 2).

Die in Bezug genommenen Vorschriften der ZPO bestimmen u. a. Folgendes:

Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Wohnung beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner zugestellt werden (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 ZPO).

Ist die Zustellung nach § 180 ZPO nicht ausführbar, kann das zuzustellende Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden. Wird die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt, ist das zuzustellende Schriftstück am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle niederzulegen. Über die Niederlegung ist eine schriftliche Mitteilung auf dem vorgesehenen Formular unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn das nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung anzuheften. Das Schriftstück gilt mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 181 Abs. 1 ZPO). Das niedergelegte Schriftstück ist drei Monate zur Abholung bereitzuhalten. Nicht abgeholte Schriftstücke sind danach an den Absender zurückzusenden (§ 181 Abs. 2 ZPO).

Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 177 bis 181 ZPO ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418 ZPO (§ 182 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO).

§ 418 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO ordnen an: Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 ZPO bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

Nach der Postzustellungsurkunde wurde versucht, das Schriftstück im verschlossenen Umschlag der Klägerin zu übergeben. Weil auch die Einlegung in einen Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung nicht möglich war, wurde das Schriftstück bei der hierfür bestimmten Stelle, und zwar in der Niederlegungsstelle Filiale 30, Gstraße, B, niedergelegt. Die schriftliche Mitteilung über die Niederlegung wurde in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben, nämlich im Briefkasten.

Die Ersatzzustellung nach § 180 ZPO durch Einlegen in den Briefkasten unterscheidet sich von der Ersatzzustellung nach § 181 ZPO durch Niederlegung dadurch, dass erstgenannte Art der Zustellung nur erfolgen kann, wenn es sich bei der Einrichtung, in die gewöhnliche Briefe einzulegen sind, um eine sichere Aufbewahrung in einem ordnungsgemäßen Zustand handelt, insbesondere das Behältnis verschlossen ist (Häublein in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 180 Rdnr. 5, § 181 Rdnr. 7).

Nach § 418 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO erbringt die Zustellungsurkunde, die danach eine öffentliche Urkunde ist, den vollen Beweis der in ihre bezeugten Tatsachen (BSG, Beschluss vom 27. Januar 2005 – B 7a/7 AL 194/04 B, zitiert nach juris; Bundesfinanzhof – BFH, Beschluss vom 25. März 2010 – V B 151/09, zitiert nach juris, unter Hinweis insbesondere auf Bundesverfassungsgericht – BVerfG, Beschluss vom 03. Juni 1991 – 2 BvR 511/89, abgedruckt in NJW 1992, 224).

Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden (BSG, Beschluss vom 27. Januar 2005 – B 7a/7 AL 194/04 B; BFH, Beschluss vom 14. August 2012 – VII B 108/12, zitiert nach juris; BFH, Beschluss vom 14. März 2012 – V B 89/11; Bundesverwaltungsgericht – BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 1986 – 4 CB 8/86, abgedruckt in NJW 1986, 2127). Ist eine Tatsache nach § 418 Abs. 1 ZPO bewiesen, so kann sie nur dadurch erfolgreich widerlegt werden, dass ein Sachverhalt vorgetragen und bewiesen wird, der zur Überzeugung des Gerichts jede Möglichkeit ihrer Richtigkeit ausschließt. Der erforderliche Gegenbeweis ist substantiiert anzutreten (BVerfG, Beschluss vom 03. Juni 1991 – 2 BvR 511/89). Da ein derartiger Beweisantritt den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufes verlangt, muss ein Beweisantritt derart substantiiert geschehen, dass nach dem Vorbringen des Beteiligten eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen dargelegt wird. Es müssen deshalb Umstände dargetan werden, die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind (BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 1986 – 4 CB 8/86). Zum Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen genügt es daher nicht, die Tatsache pauschal zu bestreiten. Auch im Rahmen des Ermittlungsgrundsatzes ist der Gegenbeweis nur durch qualifiziertes Bestreiten herbeizuführen, in dem die in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen nicht nur in Abrede gestellt, sondern ihre Unrichtigkeit verständlich geltend gemacht werden. Der Gegenbeweis ist darauf gerichtet, der Postbedienstete habe mit dem Ausfüllen der Postzustellungsurkunde eine Falschbeurkundung vorgenommen. Das Erfordernis qualifizierten Bestreitens ergibt sich unmittelbar aus dem Sinnzusammenhang der Regelungen des § 418 Abs. 1 und 2 ZPO. Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde würde weitgehend entwertet, wenn schon schlichtes Bestreiten eine Amtsermittlungspflicht im Rahmen des § 418 Abs. 2 ZPO auslöste. Auch wenn die Regelung über den Gegenbeweis Parteiaktivität im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes impliziert und im sozialgerichtlichen Verfahren die entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln sind (§ 103 SGG), schließen die grundsätzlichen Unterschiede der Verfahrensarten (§ 202 SGG) das Erfordernis qualifizierten Bestreitens zur Widerlegung der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen nicht aus. Abgesehen von der Beweiskraft der Postzustellungsurkunde und der Eigenart eines Gegenbeweises wäre es nicht sachgerecht, Gerichte und Behörden mit der Sachaufklärung über Umstände zu belasten, die einem Verfahrensbeteiligten unmittelbar zugänglich sind, weil sie seine eigenen Angelegenheiten betreffen. Durch eine substantiierte Darstellung des Empfangs der Post wird die Prüfung eröffnet, ob der Postbedienstete eine Falschbeurkundung vorgenommen hat (BSG, Beschluss vom 28. September 1998 – B 11 AL 83/98 B, abgedruckt in SozR 3-1750 § 418 Nr. 1; wegen des Nichtausreichens eines bloßen Bestreitens vgl. auch BSG, Beschluss vom 27. Januar 2005 – B 7a/7 AL 194/04 B; BFH, Beschluss vom 14. August 2012 – VII B 108/12, zitiert nach juris; BFH, Beschluss vom 14. März 2012 – V B 89/11; BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 1986 – 4 CB 8/86).

Das Vorbringen der Klägerin genügt nicht den Anforderungen eines qualifizierten Bestreitens. Sie hat lediglich vorgetragen, weder das Schreiben vom 25. November 2009 noch eine Mitteilung darüber, dass dieses Schreiben in der Niederlegungsstelle Filiale 30, Gstraße in Bniedergelegt worden sei, erhalten zu haben. Damit stellt sie lediglich die in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen in Abrede. Fehlt es somit am Erfordernis eines qualifizierten Bestreitens, besteht keine Pflicht zur weiteren Amtsermittlung, so dass auch zur vollen Überzeugung des Senats feststeht, dass das Schreiben vom 25. November 2009 der Klägerin zugegangen ist.

Das Schreiben vom 25. November 2009, mit dem die Klägerin darüber informiert wurde, dass ihre Kosten für Unterkunft und Heizung die angemessenen Kosten übersteigen, so dass sie diese Kosten senken muss, genügt den Anforderungen an eine Kostensenkungsaufforderung mit der erforderlichen Aufklärungs- und Warnfunktion. Der Beklagte hatte zudem in diesem Schreiben angekündigt, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft längstens bis sechs Monate nach Zugang dieses Schreibens berücksichtigt werden. Dementsprechend hatte er mit Änderungsbescheid vom 2. Juni 2010 für die Zeit ab 1. Juni 2010 lediglich die nach seiner Ansicht angemessenen Kosten (415,80 Euro) übernommen. Mit diesem Änderungsbescheid verwirklichte sich die Aufklärungs- und Warnfunktion im Schreiben des Beklagten vom 25. November 2009 für die Klägerin bereits konkret für Leistungszeiträume in der Vergangenheit. Der Beklagte hat nachfolgend durch kein entsprechendes Verhalten deutlich gemacht, dass er inzwischen bezüglich der Beurteilung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung anderer Ansicht geworden sei. In den tatsächlichen Verhältnissen der Klägerin traten seit dem Schreiben des Beklagten vom 25. November 2009 auch keine wesentlichen Änderungen bezüglich der Unterkunft, wie eine Änderung der Bewohnerzahl (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R, Rdnr. 19) oder wie eine Änderung der Wohnungsgröße, den maßgeblichen unterkunftsbezogenen Kriterien für die Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete, ein, die objektiv oder auch aus Sicht der Klägerin eine grundsätzliche Neubewertung der Angemessenheit hätte rechtfertigen können. Aus dem bloßen Zeitablauf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung kann jedenfalls dann nichts hergeleitet werden, wenn der Leistungsträger nicht erkennbar gemacht hat, dass er an der Kostensenkungsaufforderung nicht mehr festhält (BSG, Urteil vom 16. April 2016 – B 14 AS 28/12 R, Rdnr. 41).

Im Übrigen war die Klägerin bereits durch das Schreiben vom 27. August 2009, in dem mitgeteilt worden war, dass ab dem 1. September 2009 als Kosten der Unterkunft inklusive Heiz- und Betriebskosten nur noch 378 Euro als angemessen berücksichtigt würden, und durch das Schreiben vom 12. November 2009, in dem mitgeteilt worden war, dass als abstrakte Richtgröße für angemessene Bruttowarmmieten (inklusive Heizungskosten) bei einem Einpersonenhaushalt 378 Euro gälten, bekannt, dass sie wegen Überschreitens der Angemessenheitsgrenze die Obliegenheit zur Kostensenkung trifft. Aufgrund eines Widerspruchs der Klägerin blieb zwar das erstgenannte Schreiben zunächst wegen der vorgebrachten gesundheitlichen Gründe ohne Folgen für die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Gegenüber dem zweitgenannten Schreiben trug die Klägerin den Sachverhalt einer längeren Wohndauer (mindestens 15 Jahre) vor, von dem sie nach dem Inhalt dieses Schreiben wusste, dass dieser Sachverhalt von einer Kostensenkungsmaßnahme nur entbindet, wenn damit der vom Beklagten als angemessen erachtete Betrag von 378 Euro um nicht mehr als 10 Prozent, also um nicht mehr als insgesamt 415,80 Euro, überschritten wird. Demgegenüber betrugen die tatsächlichen (nach dem Bescheid vom 12. November 2009 übernommenen) Kosten der Unterkunft und Heizung seinerzeit 595,35 Euro.

Für die Ansicht der Klägerin, es habe einer erneuten Aufforderung zur Mietkostensenkung bedurft, wenn, wie vorliegend, eine Unterbrechung des Leistungsbezuges von einiger Dauer vorgelegen und der Leistungsberechtigte habe darauf vertrauen dürfen, die Mietkosten nachhaltig selbst tragen und deshalb von Maßnahmen zur Kostensenkung absehen können, findet sich weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des BSG ein Anhalt. So hat das BSG, wie oben bereits ausgeführt, eine "Schonzeit" nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II von in der Regel längstens sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 19/09 R, Rdnrn. 15 und 16, m. w. N.) abhängig gemacht. Die u. a. vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 18. Mai 2009 – L 9 AS 529/09 B ER, Rdnr. 15; so wohl auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Juni 2010 – L 19 AS 377/10 B ER, Rdnr. 23, zitiert nach juris) als maßgeblich angesehene Frage, ob der Leistungsberechtigte nach dem Ende des Leistungsbezuges mit dem erneuten Eintritt in den Leistungsbezug hat rechnen müssen oder nicht, hat mit der Warn- und Aufklärungsfunktion der Kostensenkungsaufforderung nichts zu tun. Die mit einer Kostensenkungsaufforderung beim Leistungsberechtigten bewirkte Erkenntnis, dass seine Kosten der Unterkunft und Heizung nicht angemessen sind, hängt nicht davon ab, ob er erwarten konnte oder nicht, erneut Bezieher von Leistungen nach dem SGB II zu werden. Durch eine solche Erwartung wird der Leistungsberechtigte nicht in den Zustand der Unkenntnis über die Angemessenheit der Kosten zurückversetzt. Die Erkenntnis, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung unangemessen sind, steht dementsprechend nicht in Abhängigkeit zu der Erwartung, ob ein wiederholter Leistungsbezug nach dem SGB II eintritt oder nicht. Ungeachtet dessen ist auch nicht ersichtlich, weswegen eine Zeitdauer von jedenfalls mehr als einem Jahr ohne Leistungsbezug (so Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, a. a. O) oder eine andere geringere bestimmte Zeitdauer eine rechtlich erhebliche Zäsur darstellen soll. Angesichts dessen vermag der Senat nicht zu erkennen, dass ohne eine wesentliche Änderung bei den unterkunftsbezogenen Kriterien, die für die Beurteilung der Angemessenheit der Bruttokaltmiete maßgebend sind, eine wirksame Kostensenkungsaufforderung allein durch Zeitablauf seine Bedeutung im Sinne einer Aufklärungs- und Warnfunktion verloren haben könnte.

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Prüfung der Obliegenheit der Kostensenkung ist hier der 18. Dezember 2010 als Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums. Denn vor diesem Zeitpunkt sind Bescheide des Beklagten nicht im Streit. Allerdings war die Klägerin zu diesem Zeitpunkt zur Kostensenkung noch nicht verpflichtet.

Nachdem sich die Klägerin selbst ab 1. August 2010 aus dem Leistungsbezug abgemeldet und die Beklagte der Abmeldung mit Bescheid vom 8. Juli 2010 Rechnung getragen hatte, traf die Klägerin eine Obliegenheit zur Kostensenkung (erst) seit ein erneuter Leistungsbezug für sie absehbar war. Dies war es nach Erhalt des Bescheids der Novitas BKK vom 3. Januar 2011.

Im Einzelnen:

Eine Obliegenheit des Leistungsberechtigten zur Kostensenkung besteht nicht für die Zeiten, in denen der Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB II bezieht. Diese Obliegenheit hat vielmehr ihre Anknüpfung allein im Leistungsbezug. Solange damit ein (künftiger) Leistungsberechtigter nicht auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen ist, ist er nicht gehalten, nur auf die bloße Möglichkeit hin, wieder in den Bezug von Arbeitslosengeld II zu geraten, seine Wohnung aufzugeben. Die Obliegenheit ist auf denjenigen beschränkt, der die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt und den nach § 37 Abs. 1 SGB II erforderlichen Antrag stellt, denn nur durch den Antrag begibt sich ein Leistungsberechtigter in das System des SGB II und auch nur nach der Antragstellung bzw. mit Leistungsbeginn unterliegt er dessen Regeln, und zwar auch derjenige, der zum Zeitpunkt der Erstantragstellung bzw. zu Leistungsbeginn bereits eine Wohnung gemietet hatte, hinsichtlich der Kosten dieser Wohnung. Mit der Übernahme der nur angemessenen Mietkosten muss dieser Leistungsberechtigte zwar nicht sogleich rechnen. Dies gilt jedoch nicht, wenn er bereits eine wirksame Kostensenkungsaufforderung erhalten hat und daher "bösgläubig" bezüglich der unangemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 19/09 R, Rdnr. 19). Mithin darf also der (künftige) Leistungsberechtigte, der bereits eine wirksame Kostensenkungsaufforderung erhalten hat, mit Kostensenkungsmaßnahmen nicht zuwarten, wenn ein erneuter Leistungsbezug absehbar ist. Ist ein erneuter Leistungsbezug abzusehen, so hat der (künftige) Leistungsberechtigte seine mit Antragstellung bzw. mit Leistungsbeginn eintretende Obliegenheit nur dann erfüllt, wenn er das ihm Mögliche und Zumutbare zur Kostensenkung so rechtzeitig unternommen hat, dass bei Beginn des Leistungsbezuges die Kosten der Unterkunft und Heizung angemessen sind. Ein Recht, die "Schonzeit" von in der Regel längstens sechs Monaten auszuschöpfen, besteht nicht, da, wie oben bereits dargelegt (BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R, Rdnr. 20), die Sechs-Monatsfrist Abweichungen nach oben und nach unten zulässt. Die Sechs-Monatsfrist ist nach der Rechtsprechung ohnehin nicht an den Beginn (und die Dauer) des Bezuges von Arbeitslosengeld II, sondern an den Zeitpunkt der Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen geknüpft.

Soweit als Kostensenkungsmaßnahme ein Wohnungswechsel als geboten in Betracht kommt, hat der (zukünftige) Leistungsberechtigte dabei die Kündigungsfristen zu beachten.

§ 573c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt: Die Kündigung ist spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate. Eine zum Nachteil des Mieters von § 573c Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung ist nach § 573c Abs. 4 BGB unwirksam.

Die im Mietvertrag vom 28. November 1990 getroffene Vereinbarung, wonach die Kündigungsfrist 12 Monate beträgt, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 10 Jahre vergangen sind, ist damit zu Lasten der Klägerin wegen letztgenannter Regelung unwirksam, so dass das Mietverhältnis mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden konnte.

Nach Art. 229 § 3 Abs. 10 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ist § 573c Abs. 4 BGB (zwar) nicht anzuwenden, wenn die Kündigungsfristen vor dem 1. September 2001 durch Vertrag vereinbart worden sind. Für Kündigungen, die ab dem 1. Juni 2005 zugehen, gilt dies (jedoch) nicht, wenn die Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB in der bis zum 1. September 2001 geltenden Fassung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart worden sind.

Letztgenannte Regelung trifft auf den Mietvertrag vom 28. November 1990 zu. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Mietvertrag vom 28. November 1990 enthält solche vorformulierten Vertragsbedingungen, insbesondere bezüglich der Kündigungsfristen.

Eine Kündigung des Mietverhältnisses wäre der Klägerin nach Erhalt des Bescheides der N BKK vom 3. Januar 2011 zumutbar gewesen. Mit Erhalt dieses Bescheides war für die Klägerin ein erneuter Leistungsbezug absehbar, wie ihr am 7. Januar 2011 gestellter Antrag zeigt. Der zwischen der Klägerin und Dr. am 17. Mai 2010 abgeschlossene Arbeitsvertrag, mit dem die Klägerin mit Wirkung vom 17. Mai 2010 als Arzthelferin mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.390 Euro unter Vereinbarung einer sechsmonatigen Probezeit unbefristet eingestellt worden war, war durch die Arbeitgeberin Dr. I mit Schreiben vom 14. September 2010 zum 30. September 2010 gekündigt worden. Der mit Wirkung vom 15. November 2010 mit Dr. S unter Vereinbarung einer Probezeit befristet auf zwei Jahre geschlossene Arbeitsvertrag vom 15. November 2010, mit dem die Klägerin als medizinische Fachangestellte mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.470 Euro eingestellt worden war, war durch die Arbeitgeberin Dr. S mit Schreiben vom 17. Dezember 2010 fristlos mit sofortiger Wirkung gekündigt worden. Die zum 17. Dezember 2010 eingetretene Arbeitsunfähigkeit führte nach dem Bescheid der N BKK vom 3. Januar 2011 zu keinem Krankengeldanspruch, so dass damit für die Klägerin erkennbar ein erneuter Leistungsbezug in Betracht kam.

Eine Kündigung des Mietverhältnisses hätte damit gegenüber dem Vermieter bis zum 3. Februar 2011 erfolgen können, so dass diese Kündigung zum 1. April 2011 wirksam geworden wäre.

Die Kündigung hätte zwar der Mitwirkung des S D bedurft, denn dieser war und ist nach dem Mietvertrag vom 28. November 1990 Mitmieter dieser Wohnung. Daran hat die Erklärung des SD und der Klägerin im Schreiben vom 23. März 2004 gegenüber dem Vermieter nichts geändert, denn dieser Mietvertrag kann nur durch übereinstimmende Willenserklärung aller an diesem Mietvertrag Beteiligten, also insbesondere des Vermieters, geändert werden. Zu einer solchen Änderung des Mietvertrages durch Entlassung des S D aus dem Mietverhältnis ist es jedoch, wie die Klägerin im Berufungsverfahren einräumt, mangels Weigerung des Vermieters nicht gekommen.

Eine Zustimmung des S D zur Kündigung lag bereits vor. Sie ergibt sich aus der Erklärung vom 23. März 2004; einer weiteren Zustimmung bedurfte es nicht. In dieser Erklärung vom 23. März 2004 erklärte S D, ab dem 1. April 2004 aus dem Mietvertrag mit Enthebung von allen Rechten und Pflichten entlassen zu werden. Diese Erklärung beinhaltet zugleich seine Zustimmung zu einer Kündigung durch die Klägerin, da damit die gleiche Rechtsfolge, die Beendigung des Mietverhältnisses zwischen ihm und dem Vermieter bewirkt wird.

Einen besonderen Grund, der es ausnahmsweise hat unzumutbar erscheinen lassen, die Wohnung zu verlassen, hat die Klägerin nicht geltend gemacht; ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Eine objektive Unmöglichkeit, eine andere angemessene Unterkunft zu erlangen, ist gleichfalls nicht dargetan. Die Klägerin trägt nicht einmal vor, eine solche Unterkunft überhaupt gesucht zu haben.

Die Anerkennung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von 620,73 Euro monatlich über den 31. März 2011 hinaus, scheidet damit aus.

Eine andere Maßnahme zur Kostensenkung als ein Wohnungswechsel ist für die Zeit bis zum 31. März 2011 nicht als erfolgversprechend ersichtlich. Der Beklagte verwies zwar in seinem Schreiben vom 25. November 2009 auch auf die Möglichkeit, unterzuvermieten und mit dem Vermieter über eine reduzierte Miete zu verhandeln. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dies versucht zu haben. Dies ist vorliegend jedoch unerheblich. Die Wohnung, die über zwei Zimmer und eine Kammer verfügt, hat lediglich eine Küche und eine Toilette mit Bad/Dusche. Ob eine Untervermietung auch bei gemeinsamer Nutzung von Küche, Bad und Toilette noch zumutbar ist, erscheint zweifelhaft (Luik in Eicher, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommentar, 3. Auflage, § 22 Rdnr. 119). Jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass ein entsprechendes Bemühen der Klägerin ab Januar 2011 dazu geführt haben könnte, eine Kostensenkung bereits vor dem 1. April 2011 zu erreichen. Eine Neuverhandlung der Miete erscheint von Beginn an aussichtslos, nachdem die Miete gerade erst zum 1. Januar 2011 erhöht worden war.

Schließlich kommt nicht in Betracht, die Klägerin darauf zu verweisen, die über die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung hinaus anfallenden Kosten von S D zu verlangen. S D ist zwar als Mitmieter der Wohnung weiterhin verpflichtet, die Miete nebst Betriebskosten- und Heizkostenvorauszahlung zusammen mit der Klägerin als Gesamtschuldner (§ 431 BGB) zu tragen. Sofern die Klägerin die ausstehende Gesamtmiete nicht (vollständig) zahlt, kann der Vermieter den (Rest)Betrag dieser Gesamtmiete von SD beanspruchen. Aufgrund der Erklärung vom 23. März 2004 hat allerdings die Klägerin gegenüber S D keinen Anspruch auf eine Übernahme dieser Kosten. Diese Erklärung entfaltet zwar, wie oben dargelegt, gegenüber dem Vermieter keine Wirkung. Im Verhältnis zwischen der Klägerin und S D bedeutet jedoch die insoweit auch zwischen ihnen getroffene Vereinbarung, dass SD ab dem 1. April 2004 (aus dem Mietvertrag entlassen wird und insbesondere) von allen Rechten und Pflichten, die ab diesem Zeitpunkt entstehen, enthoben wird, dass die Klägerin gegenüber S D alle Pflichten aus dem Mietvertrag trägt und ihn insoweit gegenüber dem Vermieter von Verbindlichkeiten freistellt.

Die Klägerin hat damit für die Zeit vom 18. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2010 ausgehend von einer Gesamtmiete von 601,98 Euro (und nicht wie von ihr gefordert von 620,73 Euro, denn die Mieterhöhung auf diesen Betrag erfolgte erst zum 1. Januar 2011) 280,92 Euro (601,98 Euro x 14 Tage: 30 Tage) zu beanspruchen.

Eine Warmwasserkostenpauschale ist hierbei nicht in Abzug zu bringen. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst zwar nach § 20 Abs. 1 SGB II a. F. insbesondere die Haushaltsenergie, ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, so dass Kosten der Warmwassererzeugung, soweit sie in der Gesamtmiete enthalten sind, nicht zusätzlich berücksichtigt werden können. Diese Warmwasserkostenpauschale betrug ab Juli 2009 6,47 Euro (wegen der Höhe vergl. grundlegend: BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 15/07 R Rdnrn. 24 bis 26, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 5: 6,22 Euro vervielfältigt mit der jeweiligen Dynamisierung der Regelleistung, also um 0,58 v. H. zum 1. Juli 2007 auf 6,26 Euro, um 1,14 v. H. zum 1. Juli 2008 auf 6,33 Euro und um 2,23 v. H ...zum 1. Juli 2009 auf 6,47 Euro). Die Kosten der Warmwassererzeugung sind jedoch nicht im Mietvertrag vom 28. November 1990 enthalten. Nach dem von der Klägerin erstinstanzlich vorgelegten Schreiben der Hausverwaltung ihres Vermieters vom 30. Oktober 2015 ist die Wohnung mit einem Durchlauferhitzer ausgestattet, womit die Klägerin ihr Warmwasser bereitet (also mit Strom; so auch ihre Angabe in der Anlage KdU ihres Antrages vom 7. Januar 2011).

Die Klägerin hat außerdem Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2011 in Höhe von 620,73 Euro monatlich.

Demgegenüber wurden der Klägerin für die Zeit vom 18. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2010 192,94 Euro gewährt, so dass ein Anspruch von 87,98 Euro verbleibt. Für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2011 wurden ihr 415,80 Euro monatlich gewährt, so dass ein Restanspruch von 204,93 Euro monatlich, mithin 614,79 Euro verbleibt. Damit stehen insgesamt noch 702,77 Euro zu.

Die Berufung hat daher teilweise Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits. Sie berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrem Begehren auf Zahlung von insgesamt 1.531,24 Euro (96,73 Euro für Dezember 2010 und 1.434,51 Euro für Januar bis Juli 2011) nur im Umfang von 702,77 Euro erfolgreich ist.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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