L 1 KR 211/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 557/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 211/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. In den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung ist beim so genannten unmittelbaren Behinderungsausgleich auch eine kostenaufwändige Versorgung dann eingeschlossen, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet der von dem Versicherten auch konkret nutzbar ist.

2. Handelt es sich um technische Verbesserungen eines Hilfsmittels, die zu wesentlichen Gebrauchsvorteilen führen, die der Versicherte auch nutzen kann, kann dieser von der Krankenkasse nicht darauf verwiesen werden, zunächst über einen längeren Zeitraum das technisch unterlegenere, aber kostengünstigere Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich einzusetzen.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Mai 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2013 und der Bescheid vom 12. November 2013 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten der Umversorgung einer Oberschenkelprothese mit C-Leg-Prothesensystem in eine Oberschenkelprothese nach dem EX. Prothetic System von E. i.H.v. 26.196,87 EUR nebst Zinsen i.H. von 4 Prozentpunkten hieraus seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für den Umbau einer Oberschenkelprothese mit C-Leg-Prothesensystem in eine Oberschenkelprothese nach dem EX. Prothetic System von E. (EX-Kniegelenk) i.H.v. 26.196,87 EUR.

Bei dem 1935 geborenen Kläger besteht ein Z.n. dem Verlust des Unterschenkels im li. Kniegelenk (Kniegelenkexartikulation im April 2012) infolge eines Sportunfalls. Aufgrund der ärztlichen Verordnung von Dr. F. wurde der Kläger nach der Interimsversorgung im Juli 2012 mit einer Oberschenkelprothese mit C-Leg-Prothesensystem zu Lasten der Beklagten versorgt (Kostenzusage durch die Beklagte i.H.v. 28.738,23 EUR am 13. November 2012). Ende Juli 2012 und Anfang Mai 2013 erfolgte durch das Sanitätshaus G. jeweils für ca. 1 Woche eine Probeversorgung mit dem EX-Kniegelenk.

Unter dem 14. August 2012 beantragte das Sanitätshaus G. für den Kläger unter Beifügung einer ärztlichen Verordnung von Dr. F. vom 10. August 2012 und einem Kostenvoranschlag vom 15. August 2012 über 45.965,49 EUR bei der Beklagten eine Beinprothesenversorgung mit dem EX-Kniegelenk. Zur Begründung wies es darauf hin, dass der Kläger täglich eine Wegstrecke von ca. 500 Metern zurücklege und bis zu 50 Treppenstufen bewältige. Der Kläger lebe in einer hügeligen Umgebung, sodass er täglich Schrägen und Rampen bewältigen müsse. In der von ihm bewohnten Doppelhaushälfte mit 2 Etagen sei zudem kein Fahrstuhl vorhanden. Der Kläger sei körperlich sehr aktiv, betreibe Sport und lebe von Oktober/November bis April seit Jahren in seiner Ferienwohnung auf Teneriffa. Die einwöchige Probeversorgung des Klägers mit dem EX-Kniegelenk Ende Juli 2012 habe gezeigt, dass es unter Verwendung des EX Kniegelenks zu einer Erhöhung der Sicherheit, einer deutlichen Entlastung der Gegenseite, einer Verbesserung des harmonischen Gangbildes sowie zu einer deutlichen Verbesserung der Geh- bzw. Stehfähigkeit u.a. bei den folgenden Verrichtungen komme: Treppauf-Gehen, Übersteigen von Hindernissen, Stehen auf ebenem und schrägem Untergrund, Gehen auf der Schräge, Rückwärts-Gehen, Tragen von Gegenständen. Diese Verbesserungen wirkten sich wesentlich sowohl bei der Mobilität des Klägers als auch beim Einkaufen, bei der persönlichen Hygiene und beim Ankleiden, bei sportlichen Aktivitäten und im allgemeinen Sozialleben aus. Die Beklagte gab ein sozialmedizinischen Gutachten bei dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Auftrag. Dr. H., Arzt für Orthopädie-Rheumatologie, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Chirotherapie, Sportmedizin, Physikalische Therapie und Sozialmedizin, und C. J., Orthopädie-Mechaniker-Meister, kamen in ihrem Gutachten vom 23. Oktober 2012 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 1. Oktober 2012, bei der sich dieser mit einer Interimsprothese mit C-Leg System vorstellte, zu dem Ergebnis, dass der Kläger mit einer Prothese mit C-Leg System im Rahmen der weiteren Nutzung des Prothesengebrauchs eine ausreichende und sichere Gehfähigkeit im Rahmen des Mobilitätsgrades III (freies, sicheres Gehen innerhalb und außerhalb des Hauses ohne die Verwendung weiterer Hilfsmittel) erreichen könne, obwohl er aufgrund des zurückliegenden relativ kurzen Zeitraumes nach der Amputation bisher noch kein routinierter Prothesenträger sei. Das EX-Kniegelenk sei ein auf dem Markt neu eingeführtes mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk. Klinische Studien mit entsprechender Evidenz, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber den bisher auf dem Markt befindlichen mikroprozessorgesteuerten Prothesensystemen belegten, lägen zur Zeit nicht vor. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2012 lehnte die Beklagte eine Versorgung des Klägers mit dem EX-Kniegelenk ab. Ein erheblicher Gebrauchsvorteil sei durch ein EX-Prothesengelenk nicht zu erwarten. Alternativ sei die Versorgung mit einem C-Leg-Kniegelenk ausreichend. Auf den Widerspruch des Klägers vom 6. November 2012 veranlasste die Beklagte eine erneute sozialmedizinische Begutachtung des Klägers durch den MDK. Dr. H. und der Orthopädie-Mechaniker-Meister J. kamen nach einer erneuten Untersuchung des Klägers am 11. März 2013, bei der sich dieser mit einem EX-Kniegelenk vorstellte, zu dem Ergebnis, dass unverändert die Versorgung mit einem C-Leg als sachgerechte Versorgung im konkreten Einzelfall angesehen werden könne. Eine wesentliche Verbesserung des Gehvermögens unter der Verwendung des EX-Kniegelenkes erscheine nicht möglich. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 25. Juli 2013 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Mit Beschluss vom 6. August 2013 hat sich das Sozialgericht Frankfurt am Main für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Darmstadt verwiesen. Zur Begründung hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er als Rentner sportlich aktiv am Leben teilnehme (z.B.: Wanderungen, Golf, Gartenarbeit) und bei guter prothetischer Versorgung dem Mobilitätsgrad III (Gehvermögen im Außenbereich nicht eingeschränkt) zuzuordnen sei. Mit der vorhandenen C-Leg Versorgung komme es wiederkehrend zu Gang- und Standunsicherheiten, insbesondere im häuslichen Umfeld. So bereite ihm das Treppensteigen mit dem C-Leg Schwierigkeiten, er bleibe an Bodenhindernissen wie z.B. Teppichkanten oder der Balkonschwelle mit dem Prothesenfuß hängen und im Außenbereich bereiteten ihm Bordsteinkanten oder Wurzeln Probleme. Das EX-Kniegelenk weise im Vergleich zu anderen mikroprozessorgesteuerten Kniegelenken für ihn wesentliche Gebrauchsvorteile auf, die von dem Leistungserbringer bei der Probeversorgung dokumentiert worden seien. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass vorliegend eine Versorgung des Klägers mit einem EX-Kniegelenk nicht in Betracht komme, festgehalten. Dass der Kläger nach einer erst dreiwöchigen Versorgung mit dem C-Leg-Kniesystem und einer einwöchigen Probeversorgung mit dem EX-Kniegelenk Ende Juli 2012 wesentliche Gebrauchsvorteile bei einer Versorgung mit dem EX-Kniegelenk sehe, überzeuge nicht. Der Kläger sei mit der Versorgung noch gar nicht vollständig vertraut gewesen, habe die technischen Vorteile demnach noch gar nicht umsetzen können und könne bei längerem Prothesengebrauch mit dem C-Leg-Kniesystem eine ausreichende und sichere Gehfähigkeit im Rahmen des Mobilitätsgrades III erreichen. Der Kläger sei mit der aktuellen Prothese auf einem hohen Stand der Technik versorgt. Signifikante Gebrauchsvorteile durch das gewünschte EX-Kniegelenk seien aufgrund der erhobenen Untersuchungsbefunde nicht abzuleiten. Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln sei das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Inwieweit die nähere Umgebung des Klägers bzw. seine längeren Aufenthalte auf Teneriffa (hügeliges Gelände, mehr als 200 Stufen zu überwinden) bei einer Versorgung mit der beantragten Beinprothese überhaupt Berücksichtigung finden könne, sei fraglich, da das Bundessozialgericht in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht habe, dass die unmittelbaren Wohnverhältnisse und die Wohnumgebung keine Rolle bei der Wahl der Hilfsmittelversorgung spielen könnten. Eine CE-Kennzeichnung des EX-Kniegelenkes finde sich zudem nicht im Internet, sodass Sicherheit und Funktionstauglichkeit des neuen Systems durch entsprechende Studien nachzuweisen seien. Mit Bescheid vom 12. November 2013 hat die Beklagte dem Umbau der bewilligten Beinprothese mit einem C-Leg-Kniegelenk auf ein EX-System zugestimmt. Die Kosten (Differenz aus dem Erstattungsbetrag für das C-Leg und dem EX-Kniegelenk) müsse der Kläger aus eigenen Mitteln tragen. Am 19. November 2013 erfolgte die Umversorgung des Klägers (Rechnung des Sanitätshauses G. vom 19. November 2013 i.H.v. 26.196,87 EUR, die der Kläger am 25. November 2013 beglich).

Das Sozialgericht hat Befundberichte bei dem Cardioangiologischen Centrum Bethanien vom 1. September 2014 und der Hausärztin des Klägers, Dr. F., vom 22. September 2014 eingeholt und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2015 die Klage mit Urteil vom 27. Mai 2015 abgewiesen. Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers bezüglich des Umbaus der Oberschenkelprothese mit C-Leg-Prothesensystem in eine Oberschenkelprothese mit EX-Kniegelenk i.H.v. 26.196,87 EUR komme nicht in Betracht, da die von der Beklagten angebotene und über das Sanitätshaus G. auch ausgelieferte Prothese mit C-Leg-Kniegelenksystem sowohl als angemessene als auch medizinisch ausreichende Versorgung anzusehen sei. Vorliegend handele es sich zwar bei der Prothesenversorgung um einen so genannten unmittelbaren Behinderungsausgleich und die Kammer gehe auch entgegen der Beklagten davon aus, dass das vom Kläger gewünschte EX-Kniegelenk-System als Weiterentwicklung des so genannten C-Leg-Kniegelenksystems weitere Gebrauchsvorteile biete. Diese könne der Kläger jedoch tatsächlich aufgrund seiner gesundheitlichen Situation (z.B. Aufhebung der Innenrotation der rechten Hüfte bei O-Bein-Stellung, beidseitige arterielle Verschlusskrankheit mit leichter bis mittelgradiger ulzeröser AFC-Stenose rechts, paroxysmales Vorhofflimmern bei Mehrfach-Bypass-Operationen und Darm-Teilentfernung) nicht nutzen, wobei die Kammer mit allen Ärzten und Gutachtern übereinstimme, dass der Kläger aufgrund seiner für sein Alter bemerkenswerten Physis und Beweglichkeit und seiner hohen Motivation mit einer Prothese mit computergesteuertem Kniegelenksystem auszustatten sei. Den Nachweis, dass der Kläger die Vorteile des EX-Kniegelenksystems tatsächlich nutzen könne, habe dieser nicht führen können. Bei der Probeversorgung Ende Juli 2012 habe er angesichts der lediglich dreiwöchigen Nutzung des C-Leg-Systems dessen Gebrauchsvorteile noch nicht erfahren können. Die von dem Sanitätshaus G. mitgeteilten Ergebnisse der einwöchigen Probeversorgung seien insoweit nicht belastbar, da sie mehr oder weniger abstrakt und ohne Bezug zu den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers aufgeführt würden. Auch bei der Untersuchung durch den MDK im März 2013 habe ein flotter Gang durch den Kläger weiterhin nicht mit der erforderlichen Sicherheit vorgeführt werden können. Auch habe der Kläger selbst berichtet, im Außenbereich mit der EX Kniegelenksprothese weiterhin rechts eine Gehhilfe zu verwenden.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 6. Juli 2015 zugestellte Urteil hat dieser am 9. Juli 2015 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung darauf hingewiesen, dass er im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung des EX-Kniegelenkes Anspruch auf eine Versorgung mit diesem Hilfsmittel gehabt habe. Noch zu Beginn des Klageverfahrens sei er mit einer Prothese mit C-Leg Kniegelenk ebenfalls des Herstellers E. versorgt gewesen, welches quasi das Vorgängermodell zu dem nun streitigen EX-Kniegelenk darstelle. Die grundsätzliche Übernahmefähigkeit des streitigen Hilfsmittels sei in der Rechtsprechung im Bereich der hier gegebenen unmittelbaren Hilfsmittelversorgung bereits festgestellt worden. Das streitgegenständliche Hilfsmittel verfüge über zahlreiche Funktionen, die ihn in die Lage versetzten, seine Behinderung weiter auszugleichen und er könne von diesen auch konkret profitieren. Dies betreffe z.B. die Verbesserung des Laufens mit einer Erweiterung der möglichen Gehstrecke sowie das verbesserte Treppensteigen und die Entlastungsfunktion der Prothese in der Standphase sowie die Bremsfunktion bei Rückschritten. Das Sozialgericht setze sich in seiner Entscheidung nicht ausreichend mit den jeweiligen Funktionseigenschaften des C-Leg und des EX-Kniegelenks auseinander und konstruiere eine den Befundberichten und den MDK-Gutachten nicht zu entnehmende Kontraindikation. Durch die Nutzung der Prothese habe er bewiesen, dass er von diesem Hilfsmittel im Sinne eines weitest gehenden Behinderungsausgleichs profitieren könne.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2013 und des Bescheides vom 12. November 2013 zu verurteilen, ihm die Kosten der Umversorgung einer Oberschenkelprothese mit C-Leg-Prothesensystem in eine Oberschenkelprothese nach dem EX. Prothetic System von E. i.H.v. 26.196,87 EUR nebst Zinsen i.H. von 4 Prozentpunkten seit dem 1. Dezember 2013 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Voraussetzung für eine Versorgung mit dem EX-Kniegelenk sei, dass es wesentliche Gebrauchsvorteile biete und der Kläger körperlich und psychisch in der Lage sei, die Gebrauchsvorteile der neuen Oberschenkelprothese zu nutzen. Der Nachweis eines Gebrauchsvorteils fehle vorliegend vollständig. In den von dem Kläger angeführten anderweitigen sozialgerichtlichen Verfahren seien die Kläger jeweils über Jahre mit dem C-Leg-System versorgt worden, bevor die Umversorgung auf das EX-Kniegelenk beantragt worden sei. Dies sei kein Vergleich zu der kurzfristigen Versorgung des Klägers mit dem C-Leg im vorliegenden Verfahren. Die Vorteile des C-Leg, geschweige denn Vorteile oder Nachteile gegenüber einer EX-Kniegelenkversorgung, habe der Kläger bei einer Probezeit von 3 Wochen nicht erfahren können. Es werde nicht angezweifelt, dass der Kläger nunmehr die EX-Knieprothese mühelos nutzen könne. Ein Vergleich mit der C Leg-Versorgung könne jedoch nicht vorgenommen werden. Ansonsten müsse sich jeder Patient fragen, aus welchen Gründen die C-Leg-Versorgung überhaupt beantragt werden solle, wenn die EX-Versorgung so viel mehr an Vorteilen bedeute. Die Versorgung mit der EX-Knieprothese sei zudem bereits im Jahre 2012 erfolgt. Entscheidend für eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung sei der Mobilitätsgrad des Prothesenempfängers, der im Zeitpunkt der Anpassung und des Kaufes bei dem Kläger zwischen dem Mobilitätsgrad 2 und 3 gelegen habe. Eine EX-Versorgung stelle damit eine Überversorgung des Klägers da. Die Tatsache, dass der Kläger nach nahezu 5 Jahren die Gebrauchsvorteile des EX-Kniegelenks nutzen könne, könne für die Beurteilung des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nicht herangezogen werden.

Der Senat hat ein Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Dr. K., eingeholt, welches dieser dem Senat am 14. Juli 2017 vorgelegt hat. Dr. K. kommt im Rahmen seines Gutachtens vom 13. Juli 2017, das auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 29. Juni 2017 basiert, zu dem Ergebnis, dass die Versorgung des Klägers mit der EX-Prothese die einzige Möglichkeit darstelle, um die bei dem Kläger aufgrund der bestehende Amputation des linken Unterschenkels (Kniegelenkexartikulation) bestehende Behinderung nahezu vollständig auszugleichen. Im Weiteren hat der Senat bei dem Leistungserbringer, dem Sanitätshaus G., eine Auskunft eingeholt, welches dieses dem Senat am 26. Oktober 2017 vorgelegt hat.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen nimmt der Senat auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug, die Gegenstand der Entscheidung waren.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat im schriftlichen Verfahren, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die zulässige Berufung ist auch im Wesentlichen begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht mit Urteil vom 27. Mai 2015 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2013 und der Bescheid vom 12. November 2013 sind insoweit rechtswidrig als sie die Versorgung des Klägers zu Lasten der Beklagten mit dem EX-Kniegelenk ablehnen und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der Kosten der Umversorgung einer Oberschenkelprothese mit C-Leg-Prothesensystem in eine Oberschenkelprothese nach dem EX. Prothetic System von E. i.H.v. 26.196,87 EUR.

Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beklagte ist § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. u.a.: Urteile vom 7. November 2006, B 1 KR 24/06 R und vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12 R – juris -). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (sog. Wirtschaftlichkeitsgebot, vgl.: § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 SGB V).

Die Leistungsablehnung war rechtswidrig, da die EX-Prothese zum Behinderungsausgleich erforderlich und auch individuell geeignet ist.

Im Bereich des hier betroffenen unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Gehen - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX), weil die Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 6. September 2004, B 3 KR 20/04 R – C-Leg II – juris-). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine kostenaufwändige Versorgung, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (Bundessozialgericht, Urteile vom 6. Juni 2002, B 3 KR 68/01 R – C-Leg I -; vom 6. September 2004, B 3 KR 20/04 R – C-Leg II – und vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12 R; Sozialgericht Aachen, Urteil vom 17. November 2015, S 13 KR 331/14 für das EX-Gelenksystem – juris -). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels oder lediglich ästhetische Vorteile bieten. Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen (nur am Rand des Alltagslebens) zum Tragen kommen oder einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl. hierzu ausführlich: Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12 R – juris -).

Die Versorgung mit einem EX-Kniegelenk kann der Kläger vorliegend beanspruchen, da er nach der ärztlichen Einschätzung im Alltagsleben durch die Versorgung mit dem EX-Kniegelenk im Verhältnis zur Versorgung mit dem C-Leg deutliche Gebrauchsvorteile hat, die er nach seinen körperlichen und geistigen Voraussetzungen und nach seiner individuellen Lebensgestaltung auch nutzen kann. Hierbei stützt sich der Senat wesentlich auf das Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 13. Juli 2017, das aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 29. Juni 2017 beruht. Ausführlich und für den Senat nachvollziehbar weist Dr. K. darauf hin, dass zunächst wesentliche technische Unterschiede bei der Verwendung des EX-Systems in den Aktivitäten des täglichen Lebens gegenüber dem C-Leg-System bestehen. So sind vor allem das Übersteigen von Hindernissen, das Stehen auf schrägem Untergrund, das Hinauf- und Hinabgehen einer Treppe im alternierenden Schritt, das alternierende Rückwärtsgehen und das Stehen auf ebenem Untergrund ohne Umprogrammierung oder Abschalten der Stehfunktion Funktionen, die ausschließlich mit der EX-Prothese möglich sind. Auch im Bereich des Gehens von längeren Strecken, beim Gehen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und beim Aussteigen aus dem Pkw ergeben sich den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. K. zu Folge bei einer vergleichenden Betrachtungsweise deutliche Gebrauchsvorteile bei der Verwendung des EX-Kniegelenks. So ist es zum Beispiel durch ein physiologisches Gangbild und die Verbesserung der Umschaltstrategien von der Stand- in die Schwungphase bei dem EX-Kniegelenk unproblematisch, die verschiedenen Geschwindigkeiten zu erzielen. Ermöglicht wird dies nach Dr. K. durch eine technische Ausweitung. Während beim C Leg die Steuerung der Schwung- und der Standphase bzw. des Winkels des Kniegelenks unter der Belastung nur durch drei Sensoren vorgenommen wird, wird in der EX-Prothese mit neun Signalen gearbeitet. Vor allem die Messung des Kniemoments ermöglicht es nach Dr. K., dass der Kraftvektor der Bodenreaktionskraft genau berechnet werden kann, was seinerseits zu einer exakten und sicheren Auslösung der Schwungphase führt. Ausgehend von der körperlichen Untersuchung des deutlich jünger wirkenden Klägers ("völlig freies, völlig normales Gangbild mit normaler Schrittweite und normaler Gehgeschwindigkeit unter Verwendung der EX-Prothese, freies Aufstehen von Stuhl und Liege, völlig freie Bewegung im Knie- bzw. Sprunggelenk, lediglich diskrete Einschränkung der Hüftgelenke bds. und lediglich bei der Außen- und Innenrotation, körperliche und geistiger Belastungsstand eines etwa 60-Jährigen") kommt Dr. K. für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis, dass dieser aufgrund seiner körperlichen und geistigen Voraussetzungen unter Berücksichtigung seiner Vorerkrankungen und seiner persönlichen Lebensgestaltung in der Lage ist, die festgestellten Gebrauchsvorteile, die unmittelbar das Gehen und Stehen selbst im Sinne des unmittelbaren Behinderungsausgleichs betreffen, auch zu nutzen. Die Versorgung mit dem EX Kniegelenk ist nach Dr. K. alternativlos, was bereits dadurch deutlich wird, dass der Kläger mit dieser in die Mobilitätsstufe 4 (höchste Stufe) einzuordnen ist und bei einer Versorgung mit der C-Leg-Prothese nach Dr. K. in der Mobilitätsklasse 2 bis 3 verbleibt (II: eingeschränkter Außenbereichsgeher; III: uneingeschränkter Außenbereichsgeher). Dr. K. verfügt nach der Auffassung des Senats durch die Tätigkeit als Leitender Arzt einer Rehabilitationseinrichtung, in der auch Prothesenversorgungen vorgenommen werden, über die erforderlichen Kenntnisse und die notwendige Erfahrung, die Gebrauchsvorteile verschiedener hochtechnischer Gelenksysteme und ihre Nutzbarkeit für den Kläger beurteilen zu können.

Handelt es sich aber im vorliegenden Fall gerade um, wie oben ausführlich dargestellt, technische Verbesserungen des Hilfsmittels bei einem unmittelbaren Behinderungsausgleich, die zu wesentlichen Gebrauchsvorteilen führen, geht der Einwand der Beklagten, der Kläger habe die technischen Vorteile des C-Legs noch nicht ausreichend kennenlernen können bzw. könne eine solche Versorgung erst nach einer u.U. jahrelangen Verwendung eines C-Legs beanspruchen, fehl. Soweit die Beklagte ausführt, dass nach den Feststellungen der MDK-Gutachten eine bestmögliche Versorgung des Klägers entsprechend seinen Fähigkeiten mit dem C-Leg gewährleitet sei, verkennt diese, dass diese Auffassung wesentlich auf einer kritischen Einschätzung des EX-Kniegelenks durch die MDK-Gutachter beruht, die eine klinische Evidenz der wesentlichen Gebrauchsvorteile des EX-Kniegelenks gegenüber dem C-Leg vermissten. Bereits bei der MDK-Untersuchung am 11. März 2013 konnte der Kläger zudem ausweislich der Gutachter mit dem EX-Kniegelenk Verbesserungen beim Gehen vorführen (Wechsel der Geschwindigkeiten, alternierendes Trepp-ab-Gehen, Hinauf- und Hinabgehen schräger Ebenen usw.), die nach Dr. K. wesentlich die Gebrauchsvorteile der EX-Prothese betreffen. Die von dem Sozialgericht benannten Gesundheitsstörungen, die den Kläger nicht befähigen würden, die Gebrauchsvorteile des EX-Kniegelenks zu nutzen, sind weder von den behandelnden Ärzten des Klägers noch den MDK Gutachtern in Korrelation zu der Versorgung des Klägers mit dem EX-Kniegelenk beschrieben worden. Zudem geht das Sozialgericht in seiner Begründung bei der Beurteilung der Begutachtung durch den MDK am 11. März 2013 von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Der Kläger stellte sich dort ausweislich des MDK Gutachtens vom 2. April 2013 mit dem EX-Kniegelenk vor und berichtete, bei der Verwendung des C-Leg im Außenbereich weiterhin auf eine Gehhilfe angewiesen zu sein. Soweit die Beklagte nun vorträgt, der Kläger sei bereits 2012 mit dem EX Kniegelenk versorgt worden, ist dies für den Senat den eigenen Angaben der Beklagten und der Auskunft des Leistungserbringers zufolge, nicht nachvollziehbar. "Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung im Weiteren nicht schon mit deren Auswahl oder Erprobung. Die Auswahl und Erprobung ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung, für die vorliegend keine Anhaltspunkte erkennbar sind, als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (Bundessozialgericht, Urteile vom 3. August 2006, B 3 KR 24/05 R und vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12 R – juris -).

Das streitgegenständliche Hilfsmittel verfügt über eine CE-Kennzeichnung (https://www.rehadat-hilfsmittel.de xxxxxxxxxxxxxxx; vgl. zur Notwendigkeit hierzu auch: Bundessozialgericht, Urteile vom 6. Juni 2002, B 3 KR 68/01 R – C-Leg I - und vom 6. September 2004, B 3 KR 20/04 R – C-Leg II – juris -).

Soweit der Kläger eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) im Berufungsverfahren beansprucht, handelt es sich um Nebenforderungen im Sinne des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG, sodass in der Geltendmachung dieser Nebenforderung keine Klageänderung zu sehen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 6. Februar 2003, B 7 AL 72/01 R – juris -; Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, SGG, Kommentar, 2. Auflage 2014, § 99 Rdnr. 11).

Der Kläger hat Anspruch auf Verzinsung seiner Erstattungsforderung ab dem 1. Januar 2014 in Höhe von 4 Prozentpunkten.

Die Verzinsung der Erstattungsforderung richtet sich nach § 44 Absatz 1 SGB I. Danach sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V unterfällt dem Anwendungsbereich von § 44 SGB I. Diese Vorschrift erfasst alle Sozialleistungen, die in der Zahlung eines Geldbetrages bestehen. Auch wenn der Erstattungsanspruch an die Stelle einer Dienst- oder Sachleistung tritt, ist er auf eine Geldleistung gerichtet. Die Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs entspricht auch dem Zweck des § 44 Abs. 1 SGB I, die Nachteile verspäteter Zahlung auszugleichen und die Rechtsstellung des Einzelnen zu stärken, indem sie die sozialrechtlichen Ansprüche weitgehend den schuldrechtlichen Ansprüchen angleicht (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Dezember 2009, Az. L 1 KR 5/09 – juris -; Rolfs in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch I, Kommentar, Stand: 7/14, § 44 Rdnr. 8; Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 44 SGB I, Rdnr. 14). Der Kostenerstattungsanspruch war unter Anwendung von §§ 40, 41 SGB I im November 2013 fällig. Denn der Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V entsteht in dem Moment, in dem der ursprüngliche Sachleistungs- in einen Geldleistungsanspruch umgewandelt wird, mithin von dem Tage an, an dem die Lieferung der begehrten Sachleistung an den Versicherten erfolgt. Dies war hier ausweislich der vorgelegten Rechnung des Sanitätshauses G. am 19. November 2013 (Zahlung durch den Kläger am 25. November 2013) der Fall. Entgegen der Auffassung des Klägers begann die Verzinsung damit jedoch nicht bereits am 1. Dezember 2013 sondern erst am 1. Januar 2014. Denn ausweislich des eindeutigen Wortlautes des § 44 Abs. 1 SGB I ist nach Ablauf eines Kalendermonates nach Eintritt der Fälligkeit zu verzinsen und nicht nach Ablauf des Kalendermonates.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved