Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AS 1374/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 2470/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.06.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beim Sozialgericht Karlsruhe anhängig gewesene Klageverfahren mit dem Az. S 16 AS 2427/16 durch Rücknahme der Klage beendet worden ist.
Die Klägerin und deren minderjährigen Kinder S. und B. stehen beim Beklagten im laufenden Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Klägerin bezog in der Zeit von November 2015 bis Mai 2016 Einkommen in wechselnder Höhe aus verschiedenen Beschäftigungen, wobei der Beklagte die Leistungsbewilligung jeweils nach Erhalt der Lohnabrechnung angepasst hat.
Der Beklagte bewilligte der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 02.11.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit von November 2015 bis Mai 2016. Für November 2015 bewilligte der Beklagte 1.270,87 EUR, für Dezember 2015 300,87 EUR und für Januar bis Mai 2016 299,86 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 12.11.2015 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung auf 990,88 EUR für Dezember 2015 und für die Zeit von Januar 2016 bis Mai 2016 auf 989,87 EUR. Der Beklagte ging insoweit von einem geringeren Einkommen der Klägerin aus.
Mit Änderungsbescheid vom 30.11.2015 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für die Zeit von Januar 2016 bis Mai 2016 auf 1.025,89 EUR.
Am 16.11.2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 03.11.2015 ein.
Während des laufenden Widerspruchsverfahrens änderte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 21.12.2015 die Höhe der Leistungsbewilligung für die Zeit von Februar 2016 bis Mai 2016 auf 1.305,89 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 14.01.2016 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für Januar 2016 auf 1.208,32 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 17.02.2016 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für Februar 2016 auf 1.215,77 EUR und für die Zeit von März bis Mai 2016 auf 765,89 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 21.03.2016 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für März 2016 auf 990,51 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 11.04.2016 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für April 2016 auf 676,19 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 20.05.2016 schließlich änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für Mai 2016 auf 1.305,89 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2016 wies der Beklagte den Widerspruch vom 16.11.2015 gegen den Änderungsbescheid vom 03.11.2015 als unbegründet zurück. Der Widerspruch sei zulässig, aber nach Erlass des Änderungsbescheides vom 17.11.2015 nicht mehr begründet.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.07.2016 unter dem Az.: S 16 AS 2427/16 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und eine Überprüfung der Zahlung ab November 2015 beantragt.
Während des laufenden Gerichtsverfahrens hat der Beklagte am 22.07.2016 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen, mit dem er von der Klägerin für Mai 2016 überzahlte Leistungen in Höhe von 513,03 EUR sowie von den Kindern der Klägerin 212,64 EUR bzw. 99,34 EUR (Gesamtforderung: 825,01 EUR) zurückforderte. Einen hiergegen erhobenen Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 15.08.2016 eine weitere Klage zum SG erhoben, die unter dem Az.: S 16 AS 2766/16 geführt wurde.
Das SG hat in beiden genannten Verfahren am 31.01.2017 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. In der der Niederschrift vom 31.01.2017 wird ausgeführt: "Die Klägerin erklärt: Ich nehme die Klagen mit den Az.: S 16 AS 2427/16 und S 16 AS 2766/16 zurück. - vorgespielt und von der Klägerin genehmigt -". Die Niederschrift wurde am 03.02.2017 an die Klägerin übersandt.
Mit Schriftsatz vom 27.03.2017 hat die Klägerin gegenüber dem SG vorgetragen, sie habe die "Klage nicht in dieser Form zurückgenommen" und sei damit nicht einverstanden. Es sei mündlich eine Rückzahlung von 825,01 EUR vereinbart worden, jetzt habe sie aber weitere Rückzahlungsaufforderungen von der Beklagten erhalten.
Mit Schreiben vom 03.04.2017 hat die Klägerin eine "Beschwerde gegen das Sozialgericht Karlsruhe in der Sache Aktenzeichen: S 16 AS 2427/16 und S 16 AS 2766/17" beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und vorgetragen, mit der Niederschrift vom 31.01.2017 sei sie nicht einverstanden und möchte "die Klage wieder aufnehmen lassen". Das LSG hat dieses Schreiben zuständigkeitshalber an das SG weitergeleitet.
Das SG hat das bisher unter dem Az.: S 16 AS 2427/16 geführte Verfahren (gegen die Höhe der Leistungsbewilligung) unter dem Az.: S 16 AS 1347/17 fortgeführt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2017 hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, im Monat Mai 2016 lediglich 712,25 EUR als Einkommen anzurechnen. Mit Urteil vom 14.06.2017 hat das SG festgestellt, dass das Verfahren S 16 AS 2427/16 durch Klagerücknahme am 31.01.2017 beendet wurde. Dieses Urteil ist der Klägerin am 22.06.2017 zugestellt worden.
Am 26.06.2017 hat die Klägerin unter Benennung des Aktenzeichens S 16 AS 2427/16 Berufung eingelegt und dieser Berufung das Urteil S 16 AS 1374/17 beigefügt. Zur Begründung ihrer Berufung hat sie vorgetragen, "die Sachen die ihr vorgeworfen würden, würden nicht der Wahrheit entsprechen". Sie bitte um Aufhebung aller Zahlungsaufforderungen.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst), das Urteil des Sozialgerichtes Karlsruhe vom 14.06.2017 sowie sämtliche Zahlungsaufforderungen aufzuheben und das Verfahren S 16 AS 2427/16 fortzuführen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagte erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend und hält an seiner bislang vertretenen Auffassung fest.
Das SG hat das bisher unter dem Az.: S 16 AS 2766/16 geführte Verfahren (gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid) unter dem Az.: S 16 AS 1375/17 fortgeführt und mit (zwischenzeitlich rechtskräftigem) Urteil vom 14.06.2017 festgestellt, dass das Verfahren S 16 AS 2766/16 durch Klagerücknahme am 31.01.2017 beendet wurde.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 17.10.2017 (Klägerin) sowie 20.10.2017 (Beklagter) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann - nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben - ohne mündliche Verhandlung durch Urteil über die Berufung der Klägerin entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Absatz 1 Nummer 1 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist ausschließlich das Urteil des SG vom 14.06.2017 unter dem Az.: S 16 AS 1347/17, mit dem das SG festgestellt hat, dass das Verfahren S 16 AS 2427/16 durch Klagerücknahme am 31.01.2017 beendet wurde. Allein auf dieses Urteil hat die Klägerin in ihrer Berufungsschrift durch Benennung des Aktenzeichens S 16 AS 2427/16 Bezug genommen und dieses hat sie ihrer Berufungsschrift als Mehrfertigung beigefügt.
Das SG hat zutreffend festgestellt, dass das Verfahren S 16 AS 2427/16 durch Klagerücknahme beendet wurde. Die Klage mit dem S 16 AS 1347/17 war unzulässig. Das Verfahren S 16 AS 2427/16 ist durch die ausdrückliche Erklärung der Klägerin im Erörterungstermin vom 31.01.2017 durch Rücknahme erledigt worden (§ 102 Satz 2 des SGG). Es besteht keine Möglichkeit, dieses Verfahrens wieder aufzunehmen.
Unerheblich ist der Vortrag der Klägerin, sie sei bei der Rücknahmeerklärung davon ausgegangen, dass sich die Rückforderung auf den Betrag von 825,01 EUR beschränke, sie habe jetzt aber weitere Rückzahlungsaufforderungen von der Beklagten erhalten. Die Motivation, warum die Klägerin die Klage S 16 AS 2427/16 zurückgenommen hat, ist grundsätzlich ohne rechtliche Relevanz. Eine Anfechtung der Rücknahmeerklärung wegen eines derartigen (Motiv-)Irrtums kommt nicht in Betracht. Eine Rücknahmeerklärung ist als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und wegen Willensmängeln nicht anfechtbar (vgl. Lutz Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 102, Rn. 6). Die Grundsätze des materiellen Rechts über die Anfechtung wegen Irrtums und anderer Willensmängel nach den §§ 119 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind auf Prozesshandlungen im gerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.1961 - 2 RU 204/56 -, BSGE 14, 138, SozR Nr. 3 zu § 156 SGG; LSG Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2000 - L 16 P 53/99 -, juris.; Thüringer LSG, Urteil vom 16.01.2002 - L 6 RJ 596/01 -, juris, jeweils m.w.N.).
Eine Rücknahmeerklärung kann nur ausnahmsweise widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen. (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 102, Rn. 7c m.w.N.). Die Voraussetzungen, unter denen ein Verfahren wieder aufgenommen werden kann, sind in den §§ 179 und 180 SGG sowie über § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 579, 580 Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Es ist jedoch weder von der Klägerin behauptet noch sonst ersichtlich, dass einer der darin genannten Fälle hier vorliegt.
Die Rücknahmeerklärung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze oder wegen unzulässigen Drucks oder Drohungen durch das SG ungültig (vgl. hierzu Schmidt, a.a.O.). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das SG gegen grundlegende Verfahrensgesichtspunkte, insbesondere den Grundsatz des fairen Verfahrens, verstoßen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beim Sozialgericht Karlsruhe anhängig gewesene Klageverfahren mit dem Az. S 16 AS 2427/16 durch Rücknahme der Klage beendet worden ist.
Die Klägerin und deren minderjährigen Kinder S. und B. stehen beim Beklagten im laufenden Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Klägerin bezog in der Zeit von November 2015 bis Mai 2016 Einkommen in wechselnder Höhe aus verschiedenen Beschäftigungen, wobei der Beklagte die Leistungsbewilligung jeweils nach Erhalt der Lohnabrechnung angepasst hat.
Der Beklagte bewilligte der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 02.11.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit von November 2015 bis Mai 2016. Für November 2015 bewilligte der Beklagte 1.270,87 EUR, für Dezember 2015 300,87 EUR und für Januar bis Mai 2016 299,86 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 12.11.2015 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung auf 990,88 EUR für Dezember 2015 und für die Zeit von Januar 2016 bis Mai 2016 auf 989,87 EUR. Der Beklagte ging insoweit von einem geringeren Einkommen der Klägerin aus.
Mit Änderungsbescheid vom 30.11.2015 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für die Zeit von Januar 2016 bis Mai 2016 auf 1.025,89 EUR.
Am 16.11.2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 03.11.2015 ein.
Während des laufenden Widerspruchsverfahrens änderte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 21.12.2015 die Höhe der Leistungsbewilligung für die Zeit von Februar 2016 bis Mai 2016 auf 1.305,89 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 14.01.2016 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für Januar 2016 auf 1.208,32 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 17.02.2016 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für Februar 2016 auf 1.215,77 EUR und für die Zeit von März bis Mai 2016 auf 765,89 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 21.03.2016 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für März 2016 auf 990,51 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 11.04.2016 änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für April 2016 auf 676,19 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 20.05.2016 schließlich änderte der Beklagte die Höhe der Leistungsbewilligung für Mai 2016 auf 1.305,89 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2016 wies der Beklagte den Widerspruch vom 16.11.2015 gegen den Änderungsbescheid vom 03.11.2015 als unbegründet zurück. Der Widerspruch sei zulässig, aber nach Erlass des Änderungsbescheides vom 17.11.2015 nicht mehr begründet.
Hiergegen hat die Klägerin am 20.07.2016 unter dem Az.: S 16 AS 2427/16 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und eine Überprüfung der Zahlung ab November 2015 beantragt.
Während des laufenden Gerichtsverfahrens hat der Beklagte am 22.07.2016 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen, mit dem er von der Klägerin für Mai 2016 überzahlte Leistungen in Höhe von 513,03 EUR sowie von den Kindern der Klägerin 212,64 EUR bzw. 99,34 EUR (Gesamtforderung: 825,01 EUR) zurückforderte. Einen hiergegen erhobenen Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 15.08.2016 eine weitere Klage zum SG erhoben, die unter dem Az.: S 16 AS 2766/16 geführt wurde.
Das SG hat in beiden genannten Verfahren am 31.01.2017 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. In der der Niederschrift vom 31.01.2017 wird ausgeführt: "Die Klägerin erklärt: Ich nehme die Klagen mit den Az.: S 16 AS 2427/16 und S 16 AS 2766/16 zurück. - vorgespielt und von der Klägerin genehmigt -". Die Niederschrift wurde am 03.02.2017 an die Klägerin übersandt.
Mit Schriftsatz vom 27.03.2017 hat die Klägerin gegenüber dem SG vorgetragen, sie habe die "Klage nicht in dieser Form zurückgenommen" und sei damit nicht einverstanden. Es sei mündlich eine Rückzahlung von 825,01 EUR vereinbart worden, jetzt habe sie aber weitere Rückzahlungsaufforderungen von der Beklagten erhalten.
Mit Schreiben vom 03.04.2017 hat die Klägerin eine "Beschwerde gegen das Sozialgericht Karlsruhe in der Sache Aktenzeichen: S 16 AS 2427/16 und S 16 AS 2766/17" beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und vorgetragen, mit der Niederschrift vom 31.01.2017 sei sie nicht einverstanden und möchte "die Klage wieder aufnehmen lassen". Das LSG hat dieses Schreiben zuständigkeitshalber an das SG weitergeleitet.
Das SG hat das bisher unter dem Az.: S 16 AS 2427/16 geführte Verfahren (gegen die Höhe der Leistungsbewilligung) unter dem Az.: S 16 AS 1347/17 fortgeführt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2017 hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, im Monat Mai 2016 lediglich 712,25 EUR als Einkommen anzurechnen. Mit Urteil vom 14.06.2017 hat das SG festgestellt, dass das Verfahren S 16 AS 2427/16 durch Klagerücknahme am 31.01.2017 beendet wurde. Dieses Urteil ist der Klägerin am 22.06.2017 zugestellt worden.
Am 26.06.2017 hat die Klägerin unter Benennung des Aktenzeichens S 16 AS 2427/16 Berufung eingelegt und dieser Berufung das Urteil S 16 AS 1374/17 beigefügt. Zur Begründung ihrer Berufung hat sie vorgetragen, "die Sachen die ihr vorgeworfen würden, würden nicht der Wahrheit entsprechen". Sie bitte um Aufhebung aller Zahlungsaufforderungen.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst), das Urteil des Sozialgerichtes Karlsruhe vom 14.06.2017 sowie sämtliche Zahlungsaufforderungen aufzuheben und das Verfahren S 16 AS 2427/16 fortzuführen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagte erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend und hält an seiner bislang vertretenen Auffassung fest.
Das SG hat das bisher unter dem Az.: S 16 AS 2766/16 geführte Verfahren (gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid) unter dem Az.: S 16 AS 1375/17 fortgeführt und mit (zwischenzeitlich rechtskräftigem) Urteil vom 14.06.2017 festgestellt, dass das Verfahren S 16 AS 2766/16 durch Klagerücknahme am 31.01.2017 beendet wurde.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 17.10.2017 (Klägerin) sowie 20.10.2017 (Beklagter) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann - nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben - ohne mündliche Verhandlung durch Urteil über die Berufung der Klägerin entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Absatz 1 Nummer 1 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist ausschließlich das Urteil des SG vom 14.06.2017 unter dem Az.: S 16 AS 1347/17, mit dem das SG festgestellt hat, dass das Verfahren S 16 AS 2427/16 durch Klagerücknahme am 31.01.2017 beendet wurde. Allein auf dieses Urteil hat die Klägerin in ihrer Berufungsschrift durch Benennung des Aktenzeichens S 16 AS 2427/16 Bezug genommen und dieses hat sie ihrer Berufungsschrift als Mehrfertigung beigefügt.
Das SG hat zutreffend festgestellt, dass das Verfahren S 16 AS 2427/16 durch Klagerücknahme beendet wurde. Die Klage mit dem S 16 AS 1347/17 war unzulässig. Das Verfahren S 16 AS 2427/16 ist durch die ausdrückliche Erklärung der Klägerin im Erörterungstermin vom 31.01.2017 durch Rücknahme erledigt worden (§ 102 Satz 2 des SGG). Es besteht keine Möglichkeit, dieses Verfahrens wieder aufzunehmen.
Unerheblich ist der Vortrag der Klägerin, sie sei bei der Rücknahmeerklärung davon ausgegangen, dass sich die Rückforderung auf den Betrag von 825,01 EUR beschränke, sie habe jetzt aber weitere Rückzahlungsaufforderungen von der Beklagten erhalten. Die Motivation, warum die Klägerin die Klage S 16 AS 2427/16 zurückgenommen hat, ist grundsätzlich ohne rechtliche Relevanz. Eine Anfechtung der Rücknahmeerklärung wegen eines derartigen (Motiv-)Irrtums kommt nicht in Betracht. Eine Rücknahmeerklärung ist als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und wegen Willensmängeln nicht anfechtbar (vgl. Lutz Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 102, Rn. 6). Die Grundsätze des materiellen Rechts über die Anfechtung wegen Irrtums und anderer Willensmängel nach den §§ 119 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind auf Prozesshandlungen im gerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.1961 - 2 RU 204/56 -, BSGE 14, 138, SozR Nr. 3 zu § 156 SGG; LSG Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.2000 - L 16 P 53/99 -, juris.; Thüringer LSG, Urteil vom 16.01.2002 - L 6 RJ 596/01 -, juris, jeweils m.w.N.).
Eine Rücknahmeerklärung kann nur ausnahmsweise widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen. (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 102, Rn. 7c m.w.N.). Die Voraussetzungen, unter denen ein Verfahren wieder aufgenommen werden kann, sind in den §§ 179 und 180 SGG sowie über § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 579, 580 Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Es ist jedoch weder von der Klägerin behauptet noch sonst ersichtlich, dass einer der darin genannten Fälle hier vorliegt.
Die Rücknahmeerklärung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze oder wegen unzulässigen Drucks oder Drohungen durch das SG ungültig (vgl. hierzu Schmidt, a.a.O.). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das SG gegen grundlegende Verfahrensgesichtspunkte, insbesondere den Grundsatz des fairen Verfahrens, verstoßen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht erfüllt sind.
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