Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 402/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 443/17 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Berufung ist nicht wegen Verletzung der Amtsermittlungspflicht zuzulassen, wenn nach der rechtlichen Würdigung des Sozialgerichts weitere Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts nicht veranlasst sind.
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 8. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im Klageverfahren war die Absenkung der Leistungen des Klägers und Beschwerdeführers nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von Februar bis April 2017 streitig.
Der 1979 geborene Kläger bezieht mit seiner in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau und den 2002 und 2006 geborenen Töchtern M. und J. vom Beklagten und Beschwerdegegner ergänzende Leistungen nach dem SGB II. Im streitgegenständlichen Zeitraum erhielt er einen Regelbedarf von 368 EUR monatlich (vorläufige Bewilligung zuletzt mit Änderungsbescheid vom 26.11.2016).
Seit Oktober 2015 war ein Gespräch des Beklagten mit dem Kläger nicht mehr zustande gekommen. Er hatte seither Meldetermine im Februar, März, April, Mai, Juni und Juli 2016 nicht wahrgenommen und Arbeits- oder Wegeunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt.
Der Beklagte lud den Kläger mit Schreiben vom 04.10.2016 zu einem Gespräch über seine aktuelle berufliche Situation am Mittwoch, den 19.10.2016, 11.15 Uhr ein, belehrte ihn über die Folgen bei Nichterscheinen ohne wichtigen Grund und wies für den Krankheitsfall darauf hin, dass die Vorlage einer einfachen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht als wichtiger Grund für sein Nichterscheinen zum Meldetermin anerkannt werde. Wenn er den Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen könne, sei eine Bescheinigung seines Arztes vorzulegen, aus der hervorgeht, dass er aus gesundheitlichen Gründen den Termin nicht wahrnehmen könne. Sollten für diese Bescheinigung Kosten entstehen, würden diese im Umfang von 5,36 EUR übernommen.
Der Kläger erschien am 19.10.2016 nicht beim Beklagten und gab am 17.10.2016 als Grund hierfür an, dass er seit 17.10.2016 arbeitsunfähig erkrankt sei. Er reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Folgebescheinigung) des Dr. M. vom 17.10.2016 ein, mit der Arbeitsunfähigkeit vom 11.07.2016 bis zum 30.10.2016 bestätigt wurde.
Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 09.11.2016) minderte der Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2017 das Arbeitslosengeld II des Klägers (Regelbedarf) für die Zeit vom 01.02.2017 bis 30.04.2017 um 36,80 EUR monatlich. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger die Meldepflicht verletzt habe. Er sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zum Meldetermin am 19.10.2016 ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Die Vorlage einer einfachen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne nicht als wichtiger Grund für das Nichterscheinen anerkannt werden. Eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bedeute nicht zwingend, dass er nicht in der Lage sei, einen Meldetermin wahrzunehmen, worauf im Einladungsschreiben aufmerksam gemacht worden sei. Vielmehr bedürfe es einer Bescheinigung des Arztes, aus der hervorgehe, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen gehindert gewesen sei, den Termin wahrzunehmen. Eine solche Bescheinigung sei nicht vorgelegt worden.
Mit Widerspruch vom 09.02.2017 wurde geltend gemacht, dass die Meldeaufforderung wegen der nicht ausreichend verständlichen Rechtsbehelfsbelehrung formell unwirksam sei und außerdem ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen vorgelegen habe, weil eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt worden sei. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2017 zurück. Die Einladung sei formell nicht zu beanstanden. Ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen des Klägers sei nicht nachgewiesen. Er sei im Einladungsschreiben darüber informiert worden, dass eine sog. Wegeunfähigkeitsbescheinigung erforderlich sein würde, die darlegt, dass er z.B. wegen Bettlägerigkeit nicht fähig sei, zum Jobcenter zu fahren und dort einen Meldetermin wahrzunehmen. Der Kläger werde nicht immer mit dem Erfordernis einer Wegeunfähigkeitsbescheinigung eingeladen. Seit Oktober 2015 sei ein Gespräch mit ihm wegen Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht möglich gewesen. Dem Beklagten bleibe daher überhaupt keine andere Wahl als eine Wegeunfähigkeitsbescheinigung zu fordern. Eine Vorsprache sei dringend angezeigt, da der gesundheitliche Zustand des Klägers offensichtlich einer Klärung und Unterstützung bedürfe.
Mit der dagegen am 10.04.2017 zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 12.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2017 beantragt und dies damit begründet, dass die Meldeaufforderung formell unwirksam sei, weil die Rechtsbehelfsbelehrung in kleinerer Schrift und ohne wesentliche Absätze verfasst worden sei. Im Übrigen sei die in §§ 31a, 31b SGB II normierte Regelung über die Kürzung des Arbeitslosengelds II bei Pflichtverstößen des Leistungsbeziehers wegen Verstoßes gegen die Sozialstaatlichkeit und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz - GG), gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. Satz 1 GG) verfassungswidrig. Durch die Sanktion werde die Existenz der ganzen Familie gefährdet, was grundgesetzlich sehr bedenklich sei. Es werde angeregt, die Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Gotha vom 26.05.2015 auszusetzen.
Wie das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung am 08.05.2017 erfahren hat, ist der Kläger nach einem am 11.04.2017 erstatteten ärztlichen Gutachten vorübergehend voll erwerbsgemindert. Er sei am 11.04.2017 untersucht worden, eine rückwirkende Beurteilung sei nicht vorgenommen worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mitgeteilt, dass nicht bekannt sei, warum der Kläger eine Wegeunfähigkeitsbescheinigung nicht vorgelegt habe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.05.2017 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die streitgegenständlichen Bescheide nicht zu beanstanden seien, weil die Voraussetzungen für die Minderung des Arbeitslosengelds vorlägen. Mit der Einladung sei ein legitimer Gesprächszweck verfolgt worden, zumal das letzte Gespräch mit dem Kläger annähernd ein Jahr zurückgelegen habe. Es habe ein ausreichendes Interesse an einer aktuellen Einschätzung der weiteren beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten bestanden. Die Rechtsfolgenbelehrung sei konkret, richtig, verständlich und vollständig gewesen. Ein wichtiger Grund für das auch vorwerfbare Fernbleiben sei nicht belegt. Es sei nur eine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen. Daraus könne nicht auf die Reise- bzw. Wegeunfähigkeit geschlossen werden. Dies zeige sich auch daran, dass zuvor im Juni 2016 vom Hausarzt Reiseunfähigkeit bescheinigt worden sei, diesmal aber nicht. Das Gericht sei auch nicht von der Verfassungswidrigkeit der Sanktionsregelungen in § 32 SGB II überzeugt. Es bestehe kein Grund für eine Unterbrechung des Verfahrens. Gründe für die Zulassung der Berufung würden nicht bestehen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12.05.2017 zugestellt worden.
Der Kläger hat am 09.06.2017 Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil vom 08.05.2017 einlegen lassen.
Er hat unter Berufung auf § 144 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einen Verfahrensfehler gerügt, der auf einer Verletzung des § 121 SGG beruhe. Der Sachverhalt sei noch nicht ausreichend erforscht worden. Aufgrund der langen Krankengeschichte des Klägers sei ohne Einholung eines weiteren Gutachtens nicht abschließend beurteilbar gewesen, ob beim Kläger schon am 19.10.2016 eine volle Erwerbsminderung vorgelegen hat. Da das Gespräch die aktuelle berufliche Situation des Klägers zum Gegenstand haben sollte, hätte es bei einer Erwerbsminderung bereits am 19.10.2016 nicht zielführend geführt werden können mit der Konsequenz, dass dem Kläger keine Folgen wegen Nichterscheinens hätten erwachsen dürfen. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Erstgericht bei ordnungsgemäßer Ausforschung des Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Im Übrigen sei auch die mit einer Arbeitsunfähigkeit regelmäßig verbundene Vermutung, dass ein Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden könne, im Streitfall von den Sozialgerichten zu überprüfen (BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 4 AS 27/10). Das Erstgericht habe sich gedrängt sehen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären.
Außerdem sei die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Es liege noch keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vorlage des Sozialgerichts Gotha vom 02.08.2016 zur generellen Frage der Sanktionen gemäß § 32 Abs. 2 SGB II vor. Höchstrichterlich zu klären wäre auch die Frage, ob die Aufforderung zur Vorlage einer Reiseunfähigkeitsbescheinigung nicht unverhältnismäßig sei. Bislang sei offen, wann eine Reiseunfähigkeitsbescheinigung notwendig sei.
Der Kläger beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 08.05.2017 zuzulassen.
Der Beklagte hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere auch form- und fristgerecht erhoben worden (§ 145 Abs. 1 SGG), aber nicht begründet.
Die Berufung bedarf der Zulassung, da es sich um eine Klage handelt, die eine Geldleistung bzw. einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft und der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Ziel der Klage gegen den Bescheid vom 12.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2017 war die Aufhebung der vom Beklagten für die Monate Februar bis April 2017 verhängten Sanktion in Höhe von monatlich 36,80 EUR und insgesamt in Höhe von 112,20 EUR.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung(§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) noch weicht das Urteil des Sozialgerichts von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) noch liegt ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht schon dann vor, wenn eine Rechtssache für den Betroffenen große Bedeutung hat. Die Streitsache muss vielmehr eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt nicht. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein. Hier kommt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in Betracht, auch nicht hinsichtlich der vom Kläger aufgeworfenen Fragen, wann eine Reiseunfähigkeitsbescheinigung notwendig ist und ob die Aufforderung zur Vorlage einer solchen Bescheinigung unverhältnismäßig ist. Insoweit handelt es sich allenfalls um die Klärung von Tatsachenfragen mit verallgemeinerungsfähigen Auswirkungen, was aber als Begründung für die Zulassung der Berufung nicht ausreicht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 28 f. m.w.N.).
Weiter teilt der Senat nicht die Einschätzung des Klägers, dass die Sanktionsregelungen des § 32 SGB II verfassungswidrig sein könnte. Ebenso wenig liegt insoweit eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor. Wie das Bundessozialgericht zu Recht bereits entschieden hat, bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine auf §§ 32, 31a Abs. 3, 31b SGB II gestützte Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II. Das auf Konkretisierung durch den Gesetzgeber angelegte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG) bedingt nicht, dass die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 19/14 R, Juris Rn. 50 ff., im Anschluss an Bayer. LSG, Urteil vom 24.10.2012, L 16 AS 199/12). Soweit von Seiten des Klägers die Verfassungswidrigkeit des § 32 SGB II auch auf Art. 12 Abs. 1 GG und auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gestützt wird, ist dies aus Sicht des Senats abwegig und keinesfalls klärungsbedürftig.
Keinen Erfolg hat die Rüge des Klägers, dass die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG wegen einer Verletzung des § 121 SGG zuzulassen ist. Gemäß § 121 Satz 1 SGG erklärt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung nach genügender Erörterung der Streitsache für geschlossen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann das Gericht die Wiedereröffnung beschließen. Ein diesbezüglicher Verfahrensmangel könnte bei Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs vorliegen, etwa dergestalt, dass ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend zu Wort gekommen ist. Es ist aber weder dargelegt worden noch sonst erkennbar, dass in der mündlichen Verhandlung die Beteiligten nicht in ausreichender Weise gehört worden wären.
Nicht stichhaltig ist auch die Rüge eines Verfahrensfehlers gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG, soweit darauf abgestellt wird, dass das Sozialgericht den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht habe und sich habe gedrängt fühlen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Geltend gemacht wird damit sinngemäß eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 SGG, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht Ermittlungen unterlässt, die es von seiner Rechtsauffassung ausgehend hätte anstellen müssen (vgl. Leitherer a.a.O. § 103 Rn. 5, 20). Der Verfahrensmangel muss nicht nur vorliegen, sondern auch geltend gemacht werden. Die Tatsachen, die den Mangel ergeben, müssen genau angegeben werden (Leitherer a.a.O. § 144 Rn. 36).
Klägerseits wird argumentiert, dass das Gericht ein weiteres Gutachten zur Klärung der Frage der Erwerbsfähigkeit am Tag des Meldetermins (19.10.2016) hätte einholen müssen. Das vom Beklagten beabsichtigte Gespräch über die aktuelle berufliche Situation des Klägers hätte nicht zielführend geführt werden können, wenn dieser am 19.10.2016 schon erwerbsgemindert gewesen wäre. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Erstgericht bei ordnungsgemäßer Ausforschung des Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Im Übrigen wird vorgebracht, dass nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.10.2011 (B 4 AS 27/10) die mit der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig verbundene Vermutung, dass ein Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden könne, vom Sozialgericht zu überprüfen gewesen wäre.
Nach Auffassung des Sozialgerichts verfolgte der Beklagte mit der Einladung einen legitimen Gesprächszweck. Es habe ein ausreichendes Interesse an einer aktuellen Einschätzung der weiteren beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten bestanden, zumal das letzte Gespräch mit dem Kläger annähernd ein Jahr zurückgelegen habe. Die Notwendigkeit für Aufklärungsmaßnahmen auf medizinischem Gebiet folgt aus dieser rechtlichen Würdigung nicht. Das Sozialgericht hätte sich nicht gedrängt fühlen müssen, medizinische Ermittlungen durchzuführen. Die Fehleinschätzung des Klägers beruht darauf, dass er den Einladungszweck, ein Gespräch über die "aktuelle berufliche Situation" zu führen, unangemessen eng interpretiert. Es besteht kein Anhalt dafür, dass der Beklagte mit dem Kläger nur und gerade über konkrete Jobangebote reden wollte. Ein Gespräch über die aktuelle berufliche Situation hätte angesichts der Krankmeldungen des Klägers sicher eine andere Ausrichtung gehabt. Es hätte hauptsächlich seine gesundheitliche Verfassung, die Frage der kurz- und mittelfristigen Perspektive sowie der Handlungsoptionen zum Gegenstand gehabt.
Das Sozialgericht musste einen Anlass für medizinische Ermittlungen auch nicht darin sehen, dass zur Rechtfertigung des Nichterscheinens des Klägers beim Beklagten am 19.10.2016 lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt wurde. Nach derrechtlichen Würdigung des Gerichts konnte aus der Arbeitsunfähigkeit nicht auf die Reise- bzw. Wegeunfähigkeit geschlossen werden. Dies führt aber nicht, wie der Kläger offenbar meint, zur Notwendigkeit von medizinischen Ermittlungen zur Frage der Reise- bzw. Wegeunfähigkeit. Denn der Kläger wusste, dass ein wichtiger Grund für sein Nichterscheinen am 19.10.2016 nicht schon bei Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sondern nur dann anerkannt würde, wenn er eine ärztliche Bescheinigung beibringen würde, aus der hervorgeht, dass er gerade den Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen könne. Dies hatte ihm der Beklagte im Einladungsschreiben vom 04.10.2016 ausdrücklich mitgeteilt und ihm insoweit auch Kostenerstattung in Höhe von bis zu 5,36 EUR zugesagt. Zudem war ihm der Unterschied von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und Reise- bzw. Wegeunfähigkeitsbescheinigung von früheren Meldeterminen bekannt. Wenn er dennoch lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, hat er einen wichtigen Grund im Sinn des § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht ausreichend dargetan und nachgewiesen (vgl. Knickrehm/ Hahn in Eicher/ Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 32 Rn. 27 i.V.m. § 31 Rn. 69 zur gesteigerten Darlegungspflicht bei Tatsachen aus der Sphäre und dem Verantwortungsbereich des Leistungsberechtigten).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Mit der Ablehnung der Beschwerde ist das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im Klageverfahren war die Absenkung der Leistungen des Klägers und Beschwerdeführers nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von Februar bis April 2017 streitig.
Der 1979 geborene Kläger bezieht mit seiner in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau und den 2002 und 2006 geborenen Töchtern M. und J. vom Beklagten und Beschwerdegegner ergänzende Leistungen nach dem SGB II. Im streitgegenständlichen Zeitraum erhielt er einen Regelbedarf von 368 EUR monatlich (vorläufige Bewilligung zuletzt mit Änderungsbescheid vom 26.11.2016).
Seit Oktober 2015 war ein Gespräch des Beklagten mit dem Kläger nicht mehr zustande gekommen. Er hatte seither Meldetermine im Februar, März, April, Mai, Juni und Juli 2016 nicht wahrgenommen und Arbeits- oder Wegeunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt.
Der Beklagte lud den Kläger mit Schreiben vom 04.10.2016 zu einem Gespräch über seine aktuelle berufliche Situation am Mittwoch, den 19.10.2016, 11.15 Uhr ein, belehrte ihn über die Folgen bei Nichterscheinen ohne wichtigen Grund und wies für den Krankheitsfall darauf hin, dass die Vorlage einer einfachen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht als wichtiger Grund für sein Nichterscheinen zum Meldetermin anerkannt werde. Wenn er den Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen könne, sei eine Bescheinigung seines Arztes vorzulegen, aus der hervorgeht, dass er aus gesundheitlichen Gründen den Termin nicht wahrnehmen könne. Sollten für diese Bescheinigung Kosten entstehen, würden diese im Umfang von 5,36 EUR übernommen.
Der Kläger erschien am 19.10.2016 nicht beim Beklagten und gab am 17.10.2016 als Grund hierfür an, dass er seit 17.10.2016 arbeitsunfähig erkrankt sei. Er reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Folgebescheinigung) des Dr. M. vom 17.10.2016 ein, mit der Arbeitsunfähigkeit vom 11.07.2016 bis zum 30.10.2016 bestätigt wurde.
Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 09.11.2016) minderte der Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2017 das Arbeitslosengeld II des Klägers (Regelbedarf) für die Zeit vom 01.02.2017 bis 30.04.2017 um 36,80 EUR monatlich. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger die Meldepflicht verletzt habe. Er sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zum Meldetermin am 19.10.2016 ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Die Vorlage einer einfachen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne nicht als wichtiger Grund für das Nichterscheinen anerkannt werden. Eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bedeute nicht zwingend, dass er nicht in der Lage sei, einen Meldetermin wahrzunehmen, worauf im Einladungsschreiben aufmerksam gemacht worden sei. Vielmehr bedürfe es einer Bescheinigung des Arztes, aus der hervorgehe, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen gehindert gewesen sei, den Termin wahrzunehmen. Eine solche Bescheinigung sei nicht vorgelegt worden.
Mit Widerspruch vom 09.02.2017 wurde geltend gemacht, dass die Meldeaufforderung wegen der nicht ausreichend verständlichen Rechtsbehelfsbelehrung formell unwirksam sei und außerdem ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen vorgelegen habe, weil eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt worden sei. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2017 zurück. Die Einladung sei formell nicht zu beanstanden. Ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen des Klägers sei nicht nachgewiesen. Er sei im Einladungsschreiben darüber informiert worden, dass eine sog. Wegeunfähigkeitsbescheinigung erforderlich sein würde, die darlegt, dass er z.B. wegen Bettlägerigkeit nicht fähig sei, zum Jobcenter zu fahren und dort einen Meldetermin wahrzunehmen. Der Kläger werde nicht immer mit dem Erfordernis einer Wegeunfähigkeitsbescheinigung eingeladen. Seit Oktober 2015 sei ein Gespräch mit ihm wegen Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht möglich gewesen. Dem Beklagten bleibe daher überhaupt keine andere Wahl als eine Wegeunfähigkeitsbescheinigung zu fordern. Eine Vorsprache sei dringend angezeigt, da der gesundheitliche Zustand des Klägers offensichtlich einer Klärung und Unterstützung bedürfe.
Mit der dagegen am 10.04.2017 zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 12.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2017 beantragt und dies damit begründet, dass die Meldeaufforderung formell unwirksam sei, weil die Rechtsbehelfsbelehrung in kleinerer Schrift und ohne wesentliche Absätze verfasst worden sei. Im Übrigen sei die in §§ 31a, 31b SGB II normierte Regelung über die Kürzung des Arbeitslosengelds II bei Pflichtverstößen des Leistungsbeziehers wegen Verstoßes gegen die Sozialstaatlichkeit und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz - GG), gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. Satz 1 GG) verfassungswidrig. Durch die Sanktion werde die Existenz der ganzen Familie gefährdet, was grundgesetzlich sehr bedenklich sei. Es werde angeregt, die Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Gotha vom 26.05.2015 auszusetzen.
Wie das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung am 08.05.2017 erfahren hat, ist der Kläger nach einem am 11.04.2017 erstatteten ärztlichen Gutachten vorübergehend voll erwerbsgemindert. Er sei am 11.04.2017 untersucht worden, eine rückwirkende Beurteilung sei nicht vorgenommen worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mitgeteilt, dass nicht bekannt sei, warum der Kläger eine Wegeunfähigkeitsbescheinigung nicht vorgelegt habe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.05.2017 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die streitgegenständlichen Bescheide nicht zu beanstanden seien, weil die Voraussetzungen für die Minderung des Arbeitslosengelds vorlägen. Mit der Einladung sei ein legitimer Gesprächszweck verfolgt worden, zumal das letzte Gespräch mit dem Kläger annähernd ein Jahr zurückgelegen habe. Es habe ein ausreichendes Interesse an einer aktuellen Einschätzung der weiteren beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten bestanden. Die Rechtsfolgenbelehrung sei konkret, richtig, verständlich und vollständig gewesen. Ein wichtiger Grund für das auch vorwerfbare Fernbleiben sei nicht belegt. Es sei nur eine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen. Daraus könne nicht auf die Reise- bzw. Wegeunfähigkeit geschlossen werden. Dies zeige sich auch daran, dass zuvor im Juni 2016 vom Hausarzt Reiseunfähigkeit bescheinigt worden sei, diesmal aber nicht. Das Gericht sei auch nicht von der Verfassungswidrigkeit der Sanktionsregelungen in § 32 SGB II überzeugt. Es bestehe kein Grund für eine Unterbrechung des Verfahrens. Gründe für die Zulassung der Berufung würden nicht bestehen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12.05.2017 zugestellt worden.
Der Kläger hat am 09.06.2017 Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil vom 08.05.2017 einlegen lassen.
Er hat unter Berufung auf § 144 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einen Verfahrensfehler gerügt, der auf einer Verletzung des § 121 SGG beruhe. Der Sachverhalt sei noch nicht ausreichend erforscht worden. Aufgrund der langen Krankengeschichte des Klägers sei ohne Einholung eines weiteren Gutachtens nicht abschließend beurteilbar gewesen, ob beim Kläger schon am 19.10.2016 eine volle Erwerbsminderung vorgelegen hat. Da das Gespräch die aktuelle berufliche Situation des Klägers zum Gegenstand haben sollte, hätte es bei einer Erwerbsminderung bereits am 19.10.2016 nicht zielführend geführt werden können mit der Konsequenz, dass dem Kläger keine Folgen wegen Nichterscheinens hätten erwachsen dürfen. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Erstgericht bei ordnungsgemäßer Ausforschung des Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Im Übrigen sei auch die mit einer Arbeitsunfähigkeit regelmäßig verbundene Vermutung, dass ein Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden könne, im Streitfall von den Sozialgerichten zu überprüfen (BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 4 AS 27/10). Das Erstgericht habe sich gedrängt sehen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären.
Außerdem sei die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Es liege noch keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vorlage des Sozialgerichts Gotha vom 02.08.2016 zur generellen Frage der Sanktionen gemäß § 32 Abs. 2 SGB II vor. Höchstrichterlich zu klären wäre auch die Frage, ob die Aufforderung zur Vorlage einer Reiseunfähigkeitsbescheinigung nicht unverhältnismäßig sei. Bislang sei offen, wann eine Reiseunfähigkeitsbescheinigung notwendig sei.
Der Kläger beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 08.05.2017 zuzulassen.
Der Beklagte hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere auch form- und fristgerecht erhoben worden (§ 145 Abs. 1 SGG), aber nicht begründet.
Die Berufung bedarf der Zulassung, da es sich um eine Klage handelt, die eine Geldleistung bzw. einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft und der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Ziel der Klage gegen den Bescheid vom 12.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2017 war die Aufhebung der vom Beklagten für die Monate Februar bis April 2017 verhängten Sanktion in Höhe von monatlich 36,80 EUR und insgesamt in Höhe von 112,20 EUR.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung(§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) noch weicht das Urteil des Sozialgerichts von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) noch liegt ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht schon dann vor, wenn eine Rechtssache für den Betroffenen große Bedeutung hat. Die Streitsache muss vielmehr eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt nicht. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein. Hier kommt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in Betracht, auch nicht hinsichtlich der vom Kläger aufgeworfenen Fragen, wann eine Reiseunfähigkeitsbescheinigung notwendig ist und ob die Aufforderung zur Vorlage einer solchen Bescheinigung unverhältnismäßig ist. Insoweit handelt es sich allenfalls um die Klärung von Tatsachenfragen mit verallgemeinerungsfähigen Auswirkungen, was aber als Begründung für die Zulassung der Berufung nicht ausreicht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 28 f. m.w.N.).
Weiter teilt der Senat nicht die Einschätzung des Klägers, dass die Sanktionsregelungen des § 32 SGB II verfassungswidrig sein könnte. Ebenso wenig liegt insoweit eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor. Wie das Bundessozialgericht zu Recht bereits entschieden hat, bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine auf §§ 32, 31a Abs. 3, 31b SGB II gestützte Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II. Das auf Konkretisierung durch den Gesetzgeber angelegte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG) bedingt nicht, dass die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 19/14 R, Juris Rn. 50 ff., im Anschluss an Bayer. LSG, Urteil vom 24.10.2012, L 16 AS 199/12). Soweit von Seiten des Klägers die Verfassungswidrigkeit des § 32 SGB II auch auf Art. 12 Abs. 1 GG und auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gestützt wird, ist dies aus Sicht des Senats abwegig und keinesfalls klärungsbedürftig.
Keinen Erfolg hat die Rüge des Klägers, dass die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG wegen einer Verletzung des § 121 SGG zuzulassen ist. Gemäß § 121 Satz 1 SGG erklärt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung nach genügender Erörterung der Streitsache für geschlossen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann das Gericht die Wiedereröffnung beschließen. Ein diesbezüglicher Verfahrensmangel könnte bei Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs vorliegen, etwa dergestalt, dass ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend zu Wort gekommen ist. Es ist aber weder dargelegt worden noch sonst erkennbar, dass in der mündlichen Verhandlung die Beteiligten nicht in ausreichender Weise gehört worden wären.
Nicht stichhaltig ist auch die Rüge eines Verfahrensfehlers gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG, soweit darauf abgestellt wird, dass das Sozialgericht den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht habe und sich habe gedrängt fühlen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Geltend gemacht wird damit sinngemäß eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 SGG, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht Ermittlungen unterlässt, die es von seiner Rechtsauffassung ausgehend hätte anstellen müssen (vgl. Leitherer a.a.O. § 103 Rn. 5, 20). Der Verfahrensmangel muss nicht nur vorliegen, sondern auch geltend gemacht werden. Die Tatsachen, die den Mangel ergeben, müssen genau angegeben werden (Leitherer a.a.O. § 144 Rn. 36).
Klägerseits wird argumentiert, dass das Gericht ein weiteres Gutachten zur Klärung der Frage der Erwerbsfähigkeit am Tag des Meldetermins (19.10.2016) hätte einholen müssen. Das vom Beklagten beabsichtigte Gespräch über die aktuelle berufliche Situation des Klägers hätte nicht zielführend geführt werden können, wenn dieser am 19.10.2016 schon erwerbsgemindert gewesen wäre. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Erstgericht bei ordnungsgemäßer Ausforschung des Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Im Übrigen wird vorgebracht, dass nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.10.2011 (B 4 AS 27/10) die mit der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig verbundene Vermutung, dass ein Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden könne, vom Sozialgericht zu überprüfen gewesen wäre.
Nach Auffassung des Sozialgerichts verfolgte der Beklagte mit der Einladung einen legitimen Gesprächszweck. Es habe ein ausreichendes Interesse an einer aktuellen Einschätzung der weiteren beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten bestanden, zumal das letzte Gespräch mit dem Kläger annähernd ein Jahr zurückgelegen habe. Die Notwendigkeit für Aufklärungsmaßnahmen auf medizinischem Gebiet folgt aus dieser rechtlichen Würdigung nicht. Das Sozialgericht hätte sich nicht gedrängt fühlen müssen, medizinische Ermittlungen durchzuführen. Die Fehleinschätzung des Klägers beruht darauf, dass er den Einladungszweck, ein Gespräch über die "aktuelle berufliche Situation" zu führen, unangemessen eng interpretiert. Es besteht kein Anhalt dafür, dass der Beklagte mit dem Kläger nur und gerade über konkrete Jobangebote reden wollte. Ein Gespräch über die aktuelle berufliche Situation hätte angesichts der Krankmeldungen des Klägers sicher eine andere Ausrichtung gehabt. Es hätte hauptsächlich seine gesundheitliche Verfassung, die Frage der kurz- und mittelfristigen Perspektive sowie der Handlungsoptionen zum Gegenstand gehabt.
Das Sozialgericht musste einen Anlass für medizinische Ermittlungen auch nicht darin sehen, dass zur Rechtfertigung des Nichterscheinens des Klägers beim Beklagten am 19.10.2016 lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt wurde. Nach derrechtlichen Würdigung des Gerichts konnte aus der Arbeitsunfähigkeit nicht auf die Reise- bzw. Wegeunfähigkeit geschlossen werden. Dies führt aber nicht, wie der Kläger offenbar meint, zur Notwendigkeit von medizinischen Ermittlungen zur Frage der Reise- bzw. Wegeunfähigkeit. Denn der Kläger wusste, dass ein wichtiger Grund für sein Nichterscheinen am 19.10.2016 nicht schon bei Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sondern nur dann anerkannt würde, wenn er eine ärztliche Bescheinigung beibringen würde, aus der hervorgeht, dass er gerade den Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen könne. Dies hatte ihm der Beklagte im Einladungsschreiben vom 04.10.2016 ausdrücklich mitgeteilt und ihm insoweit auch Kostenerstattung in Höhe von bis zu 5,36 EUR zugesagt. Zudem war ihm der Unterschied von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und Reise- bzw. Wegeunfähigkeitsbescheinigung von früheren Meldeterminen bekannt. Wenn er dennoch lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, hat er einen wichtigen Grund im Sinn des § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht ausreichend dargetan und nachgewiesen (vgl. Knickrehm/ Hahn in Eicher/ Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 32 Rn. 27 i.V.m. § 31 Rn. 69 zur gesteigerten Darlegungspflicht bei Tatsachen aus der Sphäre und dem Verantwortungsbereich des Leistungsberechtigten).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Mit der Ablehnung der Beschwerde ist das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
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