S 52 AS 4555/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
52
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 52 AS 4555/17
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 41a Abs 3 SGB II findet auf die Bewilligungszeiträume, die vor dem 1.8.2016 bereits beendet waren, keine Anwendung (Festhaltung an SG Dresden, Urteil vom 11. Januar 2018 - S 52 AS 4077/17 -, juris)

2. Die Länge der nach § 41a Abs 3 S 3 SGB II zu setzenden Frist bemisst sich nach den Einzelfallumständen. (Festhaltung an SG Dresden, Urteil vom 11. Januar 2018 - S 52 AS 4382/17 -, juris).

3. Ein Vorgehen nach § 41a Abs 3 S 2 bis 4 SGB II gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, um Nachweise über leistungserhebliche Tatsachen zu erlangen, die eigentlich nur eine andere Person (die leistungsberechtigte Person) geben kann, ist nicht möglich, wenn die Bedarfsgemeinschaft nicht mehr besteht.

4. Ist dem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft oder der leistungsberechtigten Person der Nachweis der geforderten leistungserheblichen Tatsachen unmöglich oder kann der Leistungsträger nach § 60 Abs. 4 SGB II vorgehen, ist ein Vorgehen nach § 41a Abs 3 S 3 und 4 SGB II unzulässig.
I. Die Bescheide des Beklagten vom 30.05.2017, 31.05.2017, 18.07.2017, 19.07.2017 und 20.07.2017, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2017, werden ohne Sachentscheidung aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Sachentscheidung über die endgültigen Leistungsansprüche der Klägerinnen vom Juni 2013 bis Juli 2015 an den Beklagten zurückverwiesen. II. Der Beklagte hat den Klägerinnen die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. III. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des endgültigen Leistungsanspruchs der Klägerinnen für den Zeitraum 01.06.2013 bis 30.11.2015 und insgesamt fünf Erstattungsbescheide des Beklagten über eine Gesamterstattungsforderung in Höhe 13.174,70 EUR. Die 1973 geborene Klägerin zu 1) lebte mit H ..., ihrem damaligen Partner, und der 2011 geborenen, gemeinsamen Tochter, der Klägerin zu 2), im streitbefangenen Zeitraum in A ... Bei Antragstellung im April 2013 durch H ... verfügte die Klägerin zu 1) über Barvermögen in Höhe von 2.271,09 EUR; weiteres Vermögen hatte sie nicht. H ... und die Klägerin zu 2) waren vermögenslos. Der damalige Partner war selbständig tätig mit einem Bau- und Hausmeisterservice. Die Klägerin zu 1) bezog zunächst Landeserziehungsgeld (monatlich 150 EUR vom 17.05.2013 bis 16.10.2013 aus dem Bescheid vom 18.04.2013) und später auch Arbeitslosengeld. Für die Klägerin zu 2) wurde das gesetzliche Kindergeld bezogen. Neben den genannten Einkünften bezogen die Klägerinnen in Bedarfsgemeinschaft mit H ... Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Mit Bescheid vom 23.05.2013 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum 01.06.2013 bis 30.11.2013 vorläufig Leistungen in Höhe von 1.213,00 EUR, davon 487,00 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Beklagte rechnete das Kindergeld und ein bereinigtes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 4,00 EUR an. Der Bescheid enthielt folgenden Passus: "Die endgültige Bewilligung erfolgt mit Vorlage folgender Unterlagen: &61623; Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und notwendigen Ausgaben der selbständigen Tätigkeit für den Zeitraum 01.06.2013 bis 30.11.2013, &61623; Fahrtenbuch für den Zeitraum 01.06.2013 bis 30.11.2013" Am 24.10.2013 wurden abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit des H ... beim Beklagten eingereicht. Behauptet wurden Betriebseinnahmen und mangels Ausgaben zugleich Gewinn in Höhe von 100 EUR für Juni, Juli und Oktober, in Höhe von 90 EUR für September, in Höhe von 110 EUR für August und keine Angaben für November. Belege wurden nicht vorgelegt. Mit Bescheid vom 21.11.2013, geändert durch Bescheid vom 15.01.2014, geändert durch Bescheid vom 14.02.2014, wurden der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Arbeitslosengeld II bewilligt in Höhe von 1.217,00 EUR für Dezember 2013, in Höhe von 1.238,00 EUR für Januar 2014 und in Höhe von 609,78 EUR für den Zeitraum Februar bis Mai 2014. Ab Februar 2014 kam Arbeitslosengeld der Klägerin zu 1) zur Anrechnung (676,20 EUR Arbeitslosengeld abzüglich 30 EUR Versicherungspauschale und abzüglich 17,98 EUR Kfz-Haftpflichtversicherung). Zuvor war Arbeitslosengeld der Klägerin zu 1) in Höhe von 1.615,50 EUR einbehalten und an den Beklagten erstattet worden. Am 17.02.2014 wies die Klägerin zu 1 den Beklagten darauf hin, dass ihr 840,30 EUR Arbeitslosengeld gezahlt werden. Am 10. April 2014 wurden beim Beklagten endgültige Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit des H ... für Oktober 2013 bis März 2014 eingereicht. Behauptet wurden Betriebseinnahmen und mangels Ausgaben zugleich Gewinn in Höhe 110 EUR monatlich. Belege wurden nicht vorgelegt. Mit Bescheid vom 15.05.2014 hob der Beklagte die Bewilligung rückwirkend zum 01.05.2014 auf und bewilligte für den Mai 2014 vorläufig 445,68 EUR für die Bedarfsgemeinschaft. Nunmehr kam Arbeitslosengeld der Klägerin zu 1) in Höhe von 840,30 EUR zur Anrechnung (abzüglich 30 EUR Versicherungspauschale und abzüglich 17,98 EUR Kfz-Haftpflichtversicherung). Mit Bescheid vom 15.05.2014, geändert durch Bescheid vom 27.08.2014, gewährte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von 445,68 EUR für Juni 2014 und in Höhe von 884,95 EUR für Juli bis November 2014. Ab Juli 2014 rechnete der Beklagte das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1) aus der Tätigkeit für Elisabeth Petzsch auf die Leistungen an. Der Klägerin zu 1 flossen aus dieser Tätigkeit ab Juli bis November monatlich 596,03 EUR zu aus einem Bruttoeinkommen von 736,10 EUR. Mit Bescheid vom 25.11.2014, geändert durch Bescheid vom 23.02.2015 gewährte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von 1.238,00 EUR für Dezember 2014 bis Februar 2015 sowie für April und Mai 2015. Für März 2015 wurden 851,85 EUR gewährt. In diesem Monat wurde Arbeitslosengeld in Höhe von 405,15 EUR der Klägerin zu 1) als Einkommen angerechnet. Am 4. Mai 2015 wurde die abschließende Erklärung über das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit des H ... für den Zeitraum Dezember 2014 bis Mai 2015 beim Beklagten eingereicht. Behauptet wurden Betriebseinnahmen und mangels Ausgaben zugleich Gewinn in Höhe 100 EUR monatlich. Belege wurden nicht vorgelegt. Mit Bescheid vom 21.05.2015 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 1.257,00 EUR für den Zeitraum Juni 2015 bis November 2015. H ... zog zum 01.07.2015 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Am 04.01.2017 entwarf der Beklagte ein Schreiben zur Aufforderung zur Mitwirkung an H ... und heftete es zur Leistungsakte, Band 4. Das Schreiben enthält u. a. folgende Passagen: "Für eine abschließende Entscheidung über folgende Bewilligungszeiträume bitte ich Sie letztmalig im Rahmen Ihrer Mitwirkungspflicht bis spätestens 31.01.2017 folgende Unterlagen bzw. Nachweise vorzulegen bzw. zuzuschicken: &61485; beiliegendes Zusatzblatt "Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, abschließende Angaben" (FO-725) vollständig ausgefüllt für alle Zeiträume, &61485; Aufstellung über die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben für die weiter unten genannten Zeiträume &61485; ggf. Reisekostenaufstellungen mit Angabe der Notwendigkeit der Dienstreisen sowie der Abwesenheitsdauer, &61485; Einkommensteuerbescheide ab 2012 bzw. Nachweis zur Nichtveranlagung durch das Finanzamt, Zeiträume: 06/2011 - 11/2011, 06/2012-11/2012, 06/2013-11/2013, 12/2013-05/2014, 06/2014- 11/2014, 12/2014-05/2015, 06/2015-11/2015, 12/2015-05/2016, 06/2016-11/2016" Weiter enthält das Schreiben folgende Belehrung: "Kommen die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- und Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder nicht fristgemäß nach, stellt das Jobcenter fest, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand (§ 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II i.V.m. § 3 Abs. 4 ALG II-V). Hierzu erging bereits eine Anhörung. Sollten Sie bis zum oben genannten Termin nicht antworten bzw. die angeforderten Unterlagen nicht einreichen, wird das Jobcenter mit Bescheid für den Bewilligungszeitraum, von dem die geforderten Unterlagen nicht eingereicht wurden, feststellen, dass in dem entsprechenden Zeitraum kein Leistungsanspruch bestand. Die entsprechenden Leistungen sind dann zu erstatten." Mit Schreiben vom 28.02.2017, zur internen Poststelle des Beklagten am 01.03.2017 gegeben, forderte der Beklagte die Klägerin zu 1) zur Mitwirkung auf. Das Schreiben enthält u. a. folgende Passagen: "Sie bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in der Bedarfsgemeinschaft H für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.07.2015.

Für eine abschließende Entscheidung über den Bewilligungszeitraum vom 01.06.2013 bis 30.11.2015 benötigt das Jobcenter Landkreis Görlitz, im Rahmen Ihrer Mitwirkungspflicht, bis spätestens 28.03.2017 folgende Unterlagen bzw. Nachweise vorzulegen bzw. zuzuschicken: &61623; Zusatzblatt "Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, ab-schließende Angaben" (FO-725) vollständig ausgefüllt, &61623; Aufstellung über die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben &61623; Reisekostenaufstellung mit Angabe der Notwendigkeit der Dienstreisen sowie der Abwesenheitsdauer, &61623; Einkommensteuerbescheide ab 2012 bzw. Nachweis zur Nichtveranlagung durch das Finanzamt

Sollten Sie bis zum o. g. Termin nicht antworten bzw. die angeforderten Unterlagen nicht einreichen, wird das Jobcenter mit Bescheid für den Bewilligungszeitraum bzw. für den Teil des Bewilligungszeitraumes, in dem die Tätigkeit ausgeübt wurde für den die geforderten Unterlagen nicht eingereicht wurden, feststellen, dass in dem entsprechenden Zeitraum kein Leistungsanspruch bestand. Die entsprechenden Leistungen sind dann zu erstatten. Gesetzliche Grundlage für die Erstattung ist § 41a Abs. 6 SGB II. Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs würden folgende Überzahlungen entstehen: " Es folgt eine Tabelle über die Gesamtleistungen der Bedarfsgemeinschaft von Juni 2013 bis November 2015, die eine Gesamterstattungssumme von 26.960,07 EUR ausweist. "Die Aufklärung des Sachverhaltes wird durch Ihre fehlende Mitwirkung nicht nur erheblich erschwert, sondern unmöglich gemacht. Das Jobcenter kann sich die geforderten Informationen nicht selbst beschaffen. Auch kann nicht auf frühere Informationen zurückgegriffen werden, weil sich Lebensumstände ändern und es um den Nachweis der aktuellen Hilfebedürftigkeit geht. Das Jobcenter ist verpflichtet wirtschaftlich zu handeln. Hierzu gehört, auch im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler, nur bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit und in rechtmäßiger Höhe Leistungen zu erbringen. Die Behörde, in diesem Fall das Jobcenter Görlitz, hat einen Ermessensspielraum. Sie haben nun die Gelegenheit sich zum Sachverhalt zu äußern (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB I i.V.m. § 24 SGB X). Bevor eine abschließende Entscheidung getroffen wird, wird Ihnen Gelegenheit gegeben sich zu dem Sachverhalt zu äußern. Herrn H wurden bereits mehrfach die Zusatzblätter "Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, abschließende Angaben" (FO-725) zugesendet. Bis zum heutigen Datum erfolgte keine Reaktion von Herrn H ... Sollten Sie bis zum 28.03.2017 keine Antwort bzw. Erklärung abgegeben haben, wird davon ausgegangen, dass Sie von Ihrem Anhörungsrecht keinen Gebrauch machen wollen und die abschließende Entscheidung nunmehr nach Aktenlage entschieden wird." Mit Schreiben vom 23.03.2017, beim Beklagten eingegangen am 27.03.2017, erklärte die Klägerin zu 1), dass sie Herrn H ... per WhatsApp gebeten habe, die angeforderten Unterlagen auszufüllen und einzureichen. Er habe nicht reagiert. Eine andere Möglichkeit habe sie nicht, da kein Kontakt bestünde und der Aufenthalt unbekannt sei. Sie selbst könne keine Angaben machen, da Herr H ... alle dafür benötigten Unterlagen be-sitze. Mit Bescheid vom 30.05.2017 stellte der Beklagte fest, dass ein Leistungsanspruch von Juni 2013 bis November 2013 nicht bestand und forderte von den Klägerinnen insgesamt 2.709,41 EUR erstattet. Mit Bescheid vom 31.05.2017 stellte der Beklagte fest, dass ein Leistungsanspruch von Dezember 2013 bis Mai 2014 nicht bestand und forderte von den Klägerinnen insgesamt 1.737,32 EUR erstattet. Die Bescheide wurden mit Postzustellungsurkunde am 01.06.2017 zugestellt. Die Klägerinnen widersprachen mit Schreiben vom 26.06.2017, das beim Beklagten am 28.06.2017 einging. Mit Bescheid vom 18.07.2017 stellte der Beklagte fest, dass ein Leistungsanspruch von Juni 2014 bis November 2014 nicht bestand und verlangte von den Klägerinnen insgesamt 3.099,48 EUR erstattet. Mit Bescheid vom 19.07.2017 stellte der Beklagte fest, dass ein Leistungsanspruch von Dezember 2014 bis Mai 2015 nicht bestand und verlangte von den Klägerinnen insgesamt 4.159,17 EUR erstattet. Mit Bescheid vom 20.07.2017 stellte der Beklagte fest, dass ein Leistungsanspruch vom von Juni 2015 bis November 2015 nicht bestand und forderte Leistungen für Juni und Juli von den Klägerinnen in Summe von insgesamt 1.469,32 EUR erstattet. Die Bescheide wurden mit Postzustellungsurkunde am 21.07.2017 zugestellt. Die Klägerinnen widersprachen mit Schreiben vom 15.08.2017, das beim Beklagten am 17.08.2017 einging. Die Bescheide begründete der Beklagte damit, dass die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 04.01.2017 aufgefordert wurde, bis 31.01.2017 Unterlagen einzureichen und sich hierauf nicht geäußert habe. Mit fünf gesonderten Widerspruchsbescheiden vom 02.11.2017 wurden die Widersprüche als unbegründet zurückgewiesen. Herr H ... und die Klägerin zu 1) seien mit Schreiben vom 04.01.2017 bzw. vom 28.02.2017 aufgefordert worden, die abschließenden Unterlagen einzureichen. Dies sei nicht geschehen. Die Klägerin zu 1) sei als mit der leistungsberechtigten Person in Bedarfsgemeinschaft lebende Person nach § 41a Abs. 3 SGB II selbst zur Mitwirkung verpflichtet gewesen. Es komme auf die Mitgliedschaft in der Bedarfsgemeinschaft zum Leistungszeitpunkt an. Hiergegen erhoben die Klägerinnen am 23.11.2017 Klage zum Sozialgericht. § 41a Abs. 3 normiere keine spezielle Mitwirkungspflicht. Von vormaligen Mitgliedern einer beendeten Bedarfsgemeinschaft könne nichts Unmögliches verlangt werden. Die Klägerinnen verfügten weder über Informationen noch über Unterlagen. Sie könne daher auch keine Mitwirkungspflicht treffen. Jedenfalls bei einer beendeten Bedarfsgemeinschaft könne sich die Mitwirkungspflicht nur gegen denjenigen richten, der Angaben zum Sachverhalt machen könne.

Die Klägerinnen beantragen, die Bescheide vom 30.05.2017, 31.05.2017, 18.07.2017, 19.07.2017 und 20.07.2017, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich sinngemäß auf seine Widerspruchsbescheide. § 41a SGB II sei in Gänze auf die vorliegenden Leistungszeiträume anzuwenden. Aus der Gesetzesbegründung gehe dies eindeutig hervor. Das Gericht hat das Verfahren mit den Beteiligten am 08.03.2018 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll vom 08.03.2018 und die darin enthaltenen Erklärungen wird Bezug genommen. Das Gericht hat zudem die sechs Band Leistungsakten des Beklagten, davon ein Band Ausdruck der elektronischen Akte, beigezogen. Die Akten waren beim Gericht am 22.12.2017 eingegangen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf diese sowie den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, wird zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Klage ist als Anfechtungsklage im Rahmen der objektiven Klagehäufung nach §§ 54, 56 SGG zulässig und im Sinne der Zurückverweisung an den Beklagten begründet. Die Festsetzungs- und Erstattungsbescheide vom 30.05.2017, 31.05.2017, 18.07.2017, 19.07.2017 und 20.07.2017, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.11.2017 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten.

B. Die Klägerinnen erfüllten im streitbefangenen Zeitraum 01.06.2013 bis 31.07.2015 die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 19 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB II für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, denn die Klägerin zu 1) hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hielt sich gewöhnlich in Deutschland auf. Die Klägerin zu 2) war nach § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 4 SGB II leistungsberechtigt. Die Klägerinnen waren angesichts der in den vorläufigen Entscheidungen bemessenen Bedarfe und angesichts des von H ... im Verwaltungsverfahren mit den abschließenden Angaben behaupteten, nicht bedarfsdeckenden Einkommens oder Vermögens auch hilfebedürftig, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 9 Abs. 1 SGB II. Ausschlussgründe liegen nicht vor.

I. Nachdem der Beklagte bestandskräftig vorläufig bewilligt hatte, durfte er falls das tatsächliche Einkommen der Klägerinnen und des H ... von der Prognose abwich, endgültig festsetzen. Sonst hätte er die Bewilligung für endgültig erklären müssen. Da der Beklagte ohne jede Ermittlung den Leistungsanspruch auf Null festsetzte, sind die Bescheide rechtswidrig. Für das vom Beklagten gewählte Vorgehen fehlt eine Rechtsgrundlage. Für die endgültige Festsetzung war nicht auf § 41a Abs. 3 SGB II (mit Wirkung zum 1. August 2016 eingefügt mit dem "Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht" vom 26. Juli 2016, BGBl. I, S. 1824) abzustellen, denn es fehlt eine Norm, die die Geltung des § 41a Abs. 3 SGB II für die Zeit vor dem 01.08.2016 anordnet. Die Kammer hält an ihrer Rechtsprechung fest, Urteil der Kammer vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4077/17 –, juris. § 80 Abs. 2 SGB II regelt in Nr. 1 "für die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 beendet waren", dass "§ 41a Absatz 5 Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Jahresfrist mit dem 1. August 2016 beginnt" gelte. Für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 noch nicht beendet sind, ist § 41a SGB II anzuwenden, § 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB II. Demnach wird ausdrücklich nur die Geltung des Absatzes 5 angeordnet. Würde Nr. 1 dahin verstanden, dass § 41a in Gänze angewandt werden sollte, wäre die Regelung in Nr. 2 unsinnig. Für die bereits beendeten Bewilligungszeiträume ordnet der Gesetzgeber nach dem Wortlaut der Vorschrift lediglich die Geltung der Endgültigkeitsfiktion in § 41a Abs. 5 SGB II an, SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, Rn. 51, juris; SG Leipzig, Urteil vom 20. November 2017 – S 17 AS 1746/17 –, juris, Rn. 20 f. Es kommt also auf das Geltungszeitraumprinzip an, BSG, Urteil vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R, juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 14 AS 18/16 R, juris, Rn. 12. Es ist das materielle Recht für den Zeitraum anzuwenden, für den Leistungen bewilligt wurden. Dieses Prinzip gilt auch für endgültige Festsetzungsentscheidungen. Denn sowohl § 41a SGB II als auch § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung, aF) i.V.m. § 328 Abs. 2 SGB III regeln jeweils in Zusammenhang mit den Bestimmungen der ALG II-V auch materielles Recht, SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, Rn. 52, juris. Die Kammer verkennt nicht, dass der Gesetzgeber wohl die Anwendung des § 41a SGB II auch auf Altfälle intendierte, ausführlich SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris Rn. 54 f. Dieser Wille hat aber im Gesetz keinen Niederschlag gefunden, anders SG Dortmund, Urteil vom 08. Dezember 2017 – S 58 AS 2170/17 –, juris, Rn 24 und zuletzt SG Augsburg, Urteil vom 12. März 2018 – S 8 AS 95/18 –, juris, Rn. 22. Da die Altregelung eine Nullfestsetzung nicht vorsieht, mithin günstiger für die Leistungsberechtigten ist, würde eine Anwendung des § 41a SGB II als echte Rückwirkung auch aus verfassungsrechtlicher Sicht eine ausdrückliche Normierung erfordern; wie hier: SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017, S 179 AS 6737/17, juris, Rn. 50 ff.; aus der Literatur genauso: Kemper in: Eichler/Luik SGB II, 4. Auflage 2017, § 80 Rdnr. 10, Conradis in Münder, SGB II, 6. Auflage 2017, § 80, Rdnr. 3, im Ergebnis wohl auch BeckOK Sozialrecht/Harich 46. Edition vom 01.09.2017, SGB II, § 80 Rdnr. 3, anders Grote-Seifert in: Schlegel/Voelske, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 80 Rdnr. 10, Stand: 16.08.2017 und SG Augsburg, Urteil vom 03. Juli 2017 – S 8 AS 400/17 –, juris, Rn. 22, ohne die Frage zu problematisieren; SG Dortmund, Urteil vom 08. Dezember 2017 – S 58 AS 2170/17 –, juris, Rn 24 liefert zwar eine Begründung für die dort vertretene Auffassung, verkennt aber, dass die Anwendung des alten Rechts günstiger ist und auch – nach Vorlage der Unterlagen – im Fall des SG Dortmund günstiger gewesen wäre; zudem handelt es sich um eine echte Rückwirkung: der Leistungszeitraum ist vor Gesetzesänderung beendet. Das SG Dortmund übersieht, dass die vorläufige Bewilligung zwar den Vertrauensschutz in Bezug auf die Festsetzung der Leistung entfallen lässt, daraus folgt aber nicht, dass der verfassungsrechtliche Schutz vor Anwendung von neuem Recht auf abgeschlossene Sachverhalte bei der endgültigen Festsetzung mitentfiele. Die Kammer hält auch unter Berücksichtigung der Begründung des SG Augsburg im Urteil vom 12. März 2018 – S 8 AS 95/18 –, juris, Rn. 22 an ihrer Auffassung fest. Das SG Augsburg argumentiert, dass mit der Anwendung des neuen Rechtes eine nicht mehr hinzunehmende Schlechterstellung des betreffenden Leistungsempfängers nicht einhergehe. Das neue Recht bringe Vorteile, wie die Belehrung und die zeitliche Grenze des § 41a Abs. 5 SGB II. Der Wegfall etwa der Schätzungsmöglichkeit falle daher nicht derart nachteilig ins Gewicht, die verfahrensrechtliche Position werde gestärkt. Die Kammer hält das für überlegenswert, im Ergebnis aber nicht durchschlagend. Das Argument aus der zeitlichen Grenze des § 41a Abs. 5 SGB II dürfte im Kreis schließen, denn in den hier zu klärenden Altfällen, in denen der Beklagte nach mehreren Jahren nun festsetzen will, erschließt sich der Vorteil für die Kläger nicht unmittelbar. Eine Erweiterung der Obliegenheit, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen, auf die mit der leistungsberechtigten Person in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen kannte das alte Recht nicht. Das hier vom Beklagten gewählte Vorgehen illustriert plastisch die Schlechterstellung der Klägerinnen, wenn das neue Recht Anwendung fände. Hier waren die streitbefangenen Leistungszeiträume vor dem 1. August 2016 beendet. Die endgültige Festsetzung war nach §§ 40 SGB II SGB II aF, 328 SGB III vorzunehmen. Eine Nullfestsetzung ohne Ermittlungen ist dort nicht vorgesehen. Die Kammer konnte die Bescheide auch nicht in eine Versagung nach § 66 SGB I umdeuten, weil diese Vorschrift die Ausübung von Ermessen durch den Beklagten erfordert, SG Leipzig, Urteil vom 20. November 2017 – S 17 AS 1746/17 –, juris, Rn. 22 und die Voraussetzungen des § 66 SGB I auch sonst nicht vorliegen.

II. Da die Frage der Auslegung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer höchst strittig und weder obergerichtlich noch höchstrichterlich geklärt war, stützt die Kammer ihre Entscheidung auch darauf, dass die Voraussetzungen des § 41a Abs. 3 S. 3 und 4 SGB II nicht erfüllt sind. Nach § 41a Abs. 3 SGB II setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den monatlichen Leistungsanspruch abschließend fest, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand. Der Beklagte hat keine angemessene Frist gesetzt. Die die Belehrung genügt den gesetzlichen Erfordernissen nicht. Die Klägerinnen haben keine Mitwirkungsobliegenheit verletzt.

1. Die der Klägerin zu 1 gesetzte Frist war nach Auffassung der Kammer nicht mehr angemessen. Nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II ist den Leistungsberechtigten eine angemessene Frist zur Erklärung der abschließenden Angaben zu setzen. Der Beklagte hat der Klägerin zu 1 mit Schreiben vom 28.02.2017, zur internen Poststelle des Beklagten am 01.03.2017 gegeben, Frist bis zum 28.03.2017 gesetzt. Dies entspräche selbst bei einem Zugang am Donnerstag, dem 02.03.2017 einem Zeitraum von weniger als vier Wochen. Die Frist ist unter Berücksichtigung der individuellen Interessen des Leistungsberechtigten einerseits und dem Interesse der Behörde an einer fristgerechten Festsetzung andererseits nach den Einzelfallumständen zu bemessen, SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris, Rn. 64; SG Dresden, Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 49, juris. Nach diesem Maßstab war die Frist unangemessen. Es ist schon zweifelhaft, ob überhaupt eine Frist unterhalb der im Verwaltungsrecht üblichen allgemeinen Rechtsbehelfsfristen von einem Monat angemessen sein kann, vgl. die überzeugende Argumentation des SG Osnabrück, Urteil vom 29. Januar 2018 – S 24 AS 586/17 –, juris, Rn. 19; nach SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris, Rn. 64 ist im Regelfall eine Frist von weniger als einem Monat unangemessen kurz. Im konkreten Fall war zu berücksichtigen, dass der Beklagte Auskunft über vier ganze und einen weiteren (verkürzten) Bewilligungszeitraum, also mehr als vier Jahre einforderte, die sechs bis fast zwei Jahre zurücklagen. Schließlich musste der Beklagte nach der Lebenserfahrung davon ausgehen, dass die Unterlagen, die er bei der Klägerin zu 1 abforderte, sich nicht bei dieser sondern beim ehemaligen Partner befinden und zunächst herbeigeschafft werden müssen. Unter diesen Umständen war die gesetzte Frist nicht angemessen. Die strengere Auffassung des SG Augsburg, Urteil vom 03. Juli 2017 – S 8 AS 400/17 –, Rn. 24, juris, das eine mindestens zweimonatige Frist für angemessen hält, führt hier zum selben Ergebnis.

2. Die vom Beklagten vorgenommene Belehrung genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II sind die Leistungsberechtigten schriftlich über die Rechtsfolgen einer nicht fristgerechten Einreichung von Angaben und Unterlagen zu belehren. Nach der Rechtsprechung des BSG sind Leistungsberechtigte über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig zu belehren. Dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Belehrung an (zur Belehrung vor Erlass von Sanktionen vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R –, juris), zutreffend SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris, Rn. 66; dem folgend SG Dresden, Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 51, juris. Die Belehrung im Schreiben vom 28.02.2017 enthält neben den sprachlichen Nachlässigkeiten, die wörtlich im Tatbestand wiedergegeben sind, mehrere Ungenauigkeiten, die in der Gesamtschau nicht mehr den Anforderungen an eine vollständige, verständliche und richtige Unterrichtung genügen: Zweifelhaft ist, welcher Zeitraum genau berichtet werden soll (bis Juli 2015 oder bis November 2015?), wessen Unterlagen vorgelegt werden sollen (die Klägerin war nicht selbständig tätig, sie kann also insoweit auf ihren ehemaligen Partner schließen, wessen Steuerbescheide vorzulegen sind, ergibt sich aus dem Anschreiben aber nicht). Falsch und irreführend sind die Angaben zur Rechtsfolge und Höhe des Erstattungsanspruchs, denn die Klägerinnen haften nicht für die Leistungen, die H ... gewährt wurden. Falsch aus Sicht der Klägerinnen ist die Aussage, das Jobcenter könne die Informationen nicht selbst beschaffen, denn der Beklagte kann sich an H ... halten. Falsch ist schließlich die Behauptung, dem Beklagten stünde ein Ermessensspielraum zu, denn § 41a Abs. 3 räumt dem Beklagten kein Ermessen ein. Eine ordnungsgemäße Belehrung lag damit nicht vor. Die Belehrungen aus den Ausgangsbescheiden, beispielhaft im Tatbestand für den Bescheid vom 23.05.2013 wiedergegeben, genügt den Anforderungen nicht. Sie enthalten jedenfalls keinen Hinweis auf die Folgen unterlassener Mitwirkung.

3. Die Klägerin zu 1 traf auch bei unterstellter Anwendbarkeit der Norm keine Mitwirkungsobliegenheit nach § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II, die sie verletzt hätte. Die Kammer kann offen lassen, ob eine Mitwirkungsobliegenheit der Klägerin zu 1 in der Vergangenheit bestand (zu den Schwierigkeiten, dies zu definieren, SG Dresden, Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 90 f., juris), sie besteht jedenfalls nicht mehr. Zur Einordnung als Obliegenheit vgl. Mrozynski SGB I, 5. Aufl. 2014, § 60 Rn 2. a. Verpflichtet sind nach dem Wortlaut des § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II "die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen". Die Klägerin zu 1 lebt nicht mehr in Bedarfsgemeinschaft mit der leistungsberechtigten Person, dem Antragsteller H ... Die Obliegenheit trifft sie daher nicht. Käme es auf die Bedarfsgemeinschaft während des Bewilligungszeitraums an, hätte der Gesetzgeber eine andere Formulierung wählen müssen. Dies gilt umso mehr als nach dem Wortlaut des § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II die dort normierte Verpflichtung "nach Ablauf des Bewilligungszeitraums" eintritt. Angesichts der Unklarheiten, wann die Obliegenheit des § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II einsetzt und wie sie sich zu den zweifellos zur Antragstellung und während des Bewilligungszeitraums geltenden Obliegenheiten der §§ 60 ff. SGB I verhält (dazu ausführlich SG Dresden, Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, juris, Rn. 86 ff.), hält die Kammer eine Auslegung der Norm gegen ihren Wortlaut nicht für angezeigt. Ob § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II überhaupt eine Obliegenheit statuiert, die wie der Beklagte hier annimmt, dem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft auferlegt, Auskunft über leistungserhebliche Tatsachen zu geben, die eigentlich nur eine andere Person (die leistungsberechtigte Person im Sinne der Norm) geben kann, darf bezweifelt werden. Einerseits wird mit Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den §§ 60 ff. SGB I vertreten, dass auch im Rahmen § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II die Verpflichtung nur denjenigen treffen könne, der über die Informationen überhaupt verfüge, Formann SGb 2016, 615, 617; andererseits wird angenommen, durch verfassungskonforme und enge Auslegung des § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II soll die unzureichende Mitwirkung eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft aber unmittelbar nur ihm gegenüber zu einem Vorgehen nach Abs. 3 S. 3 und S. 4 berechtigen, Gagel/Kallert, 68. EL Dezember 2017, SGB II § 41a Rn. 87 (zu den Schwierigkeiten beider Ansichten SG Dresden, Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, juris, Rn.90 f.). Nach beiden Auffassungen wäre dem Beklagten ein Vorgehen nach § 41a Abs. 3 S. 3 und 4 SGB II verwehrt gewesen. b. Selbst wenn eine Obliegenheit der Klägerin zu 1 zur Auskunftserteilung bestanden haben sollte, wäre diese durch Unmöglichkeit entfallen. Die Klägerin hat mit ihrem Schreiben vom 23.03.2017 vorgetragen, dass sie selbst die Unterlagen nicht habe. Sie habe über die einzige bekannte Kontaktmöglichkeit (WhatsApp) auf H ... eingewirkt, die Unterlagen abzugeben. Die Kammer war nach der mündlichen Verhandlung von der Wahrheit des Vortrags im Schreiben vom 23.03.2017 überzeugt. Mehr kann von der Klägerin zu 1 rechtlich nicht verlangt werden. Nach Auffassung der Kammer statuiert § 275 Abs. 1 BGB ein allgemeines Rechtsprinzip. Ihr Unmögliches kann der Beklagte von der Klägerin nicht verlangen. Falls § 41a SGB II gegenüber §§ 60 ff. SGB I eine Ausweitung der Nachweis- oder Auskunftsobliegenheit in Bezug auf Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft regelt, findet diese jedenfalls ihre Grenze in dem allgemeinen Rechtsprinzip des § 275 Abs. 1 BGB. Für die Leistungsverweigerung wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff SGB I hat das BSG bereits entschieden, dass sie voraussetzt, dass der Antragsteller oder Empfänger einer Sozialleistung, also der Leistungsberechtigte selbst, Mitwirkungspflichten verletzt hat, Urteil vom 10. März 1993 – 14b/4 REg 1/91 –, juris, Rn. 15 = BSGE 72, 118-125, SozR 3-7833 § 6 Nr 2, SozR 3-1200 § 60 Nr 3. Dort heißt es: "Zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs 1 SGB I gehören uU auch Auskünfte, die einen Dritten betreffen, soweit sie für die Gewährung der Leistung von Bedeutung sind. So hat das Bundessozialgericht (BSG) etwa den Empfänger von Arbeitslosenhilfe für verpflichtet gehalten, über die Einkommensverhältnisse seines nichtehelichen Lebenspartners Auskunft zu erteilen (BSG SozR 1200 § 66 Nr 13). Hieraus erwächst jedoch keine Ermittlungspflicht des Antragstellers bzw Leistungsempfängers. Die Auskunftspflicht erstreckt sich vielmehr nur auf die Tatsachen, die ihm selbst bekannt sind. Die Behörde kann von ihm dagegen nicht verlangen, Beweismittel - etwa Nachweise über Einkommensverhältnisse - von einem privaten Dritten zu beschaffen und ihr vorzulegen." Denkbar wären allenfalls noch, dass die Mitwirkungsobliegenheit sich darauf bezieht, auf die Beschaffung von Nachweisen und Urkunden hinzuwirken, wenn sie selbst nicht vorgelegt werden können, vgl. die Abwägung in Rn. 11 (juris) der zitierten Entscheidung vom 10. März 1993. Dies wäre hier aber erfüllt, denn die Klägerin zu 2 hat den ihr bekannten Kommunikationskanal genutzt, um H ... zur Vorlage der geforderten Nachweise aufzufordern.

4. Der Beklagte durfte auch nicht gegen die Klägerinnen auf Null festsetzen, weil H ... vermeintlich nicht mitgewirkt habe. Auch bei unterstellter Anwendbarkeit der Norm lägen die Voraussetzungen des § 41a Abs. 3 S. 3 und 4 SGB II nicht vor. Ob das Schreiben vom 04.01.2017 zur Post gegeben wurde, ergibt sich aus der Verwaltungsakte nicht. Dies kann offen bleiben. Die dort gesetzte Frist von weniger als einem Monat ist für die begehrte Auskunft über acht Bewilligungszeiträume unangemessen. Ob sich aus der im Tatbestand wiedergegebenen Formulierung zweifelsfrei ergibt, dass H ... alle Leistungen erstatten müsste, ist fraglich, kann aber offen bleiben. Da der Beklagte gegen H ... nach § 60 Abs. 4 SGB II vorgehen kann, muss er dies auch tun, wenn er gegenüber den Klägerinnen endgültig festsetzen will, denn die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen, § 20 SGB X iVm § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II (insoweit unverändert sei 01.01.2005 in Kraft). Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch dann, wenn der Beklagte gegen H ... nach § 41a Abs. 3 S. 3 und 4 SGB II hätte vorgehen können.

5. Die Rechtswidrigkeit der Erstattungsforderung ergab sich teilweise schon daraus, dass sie rechnerisch nicht nachvollziehbar war. Für Juni 2014 wurden der Klägerin zu 1 23,19 EUR Regelleistung und 162,33 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt, der Beklagte verlangt aber 206,04 EUR Regelleistung und 162,33 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung erstattet. Der Klägerin zu 2 wurden 74,64 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung gewährt, der Beklagte verlangt aber 148,20 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung erstattet. Soweit der Beklagte mehr als bewilligt gezahlt haben will, muss er hinsichtlich des überschießenden Betrags nach §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II iVm § 50 Abs. 2 SGB X vorgehen. Die Kammer konnte die Erstattungsforderungen für Oktober bis Dezember 2013 ebenfalls nicht nachvollziehen, hier dürfte allerdings ein Irrtum zugunsten der Klägerinnen vorliegen. III. Die Kammer hat die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten gemäß § 131 Abs. 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an den Beklagten zurückverwiesen. Nach § 131 Abs. 5 SGG kann das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Voraussetzungen sind erfüllt. Für die Feststellung des endgültigen Leistungsanspruchs der Klägerinnen und damit einer evtl. Erstattungsforderung (Leistungsklage war nicht erhoben) im streitbefangenen Leistungszeitraum ist eine weitere Sachaufklärung erforderlich. Es ist gegen H ... nach § 60 Abs. 4 SGB II vorzugehen. Dessen Unterlagen sind auszuwerten und zu bewerten. Gegebenenfalls sind Ausgaben nicht abzusetzen oder Einnahmen angemessen zu erhöhen, § 3 Abs. 3 ALG II-V. Die Ermittlungen sind nach Art und Umfang erheblich, eine Feststellung des Beklagten ist trotz des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich. Insoweit sind auch die Erstattungsforderungen des Beklagten neu festzusetzen oder gegebenenfalls nachträglich Leistungen in anderer Höhe zu bewilligen. Es ist zwar Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Allerdings ist es nicht gerichtliche Aufgabe, anstellte der Behörde erstmals umfassende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben und den Leistungsanspruch zu berechnen, vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, B 14 AS 30/14 R, juris für reine Anfechtungsklagen; MKLS/Keller, SGG, 12. Aufl. 2017, § 131 Rn 17 ff.; SG Augsburg, Urteil vom 03. Juli 2017 – S 8 AS 400/17 –, juris, Rn 29; SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris, Rn 84 ff.; SG Dresden, Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, juris, Rn. 101. Die Frist des § 131 Abs. 5 S. 5 SGG von sechs Monaten nach Eingang der Akten bei Gericht ist noch nicht abgelaufen. Hier haben die Klägerinnen zwar nur Anfechtungsklage erhoben. Nach Auffassung der Kammer war trotz der stringenten Argumentation des SG Leipzig, Urteil vom 20. November 2017 – S 17 AS 1746/17 –, juris, Rn. 16 ff. eine Sachentscheidung über die Erstattungsforderung und deren Höhe zu treffen bzw. der Beklagte nach § 131 Abs. 5 SGG hierzu zu verpflichten, denn der Beklagte meint, eine Sachentscheidung getroffen zu haben.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143, 144 SGG. Die Kammer hat nach § 161 Abs. 1 S. 1 SGG die Sprungrevision zugelassen. Die Voraussetzungen nach § 161 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegen vor, denn das vorliegende Verfahren hat grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Verfahren. In der Kammer und am Sozialgericht Dresden sind eine Vielzahl von Verfahren anhängig, in denen (verschiedene) Beklagte für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 beendet waren, Nullfestsetzungen nach § 41a Abs. 3 SGB II vorgenommen haben. Schließlich sind die aufgeworfenen Rechtsfragen bereits beim Bundessozialgericht anhängig, B 4 AS 39/17 R ... In dem Urteil vom 30. März 2017 – B 14 AS 18/16 R –, juris hat das BSG § 41a SGB II nicht angewandt, allerdings waren dort alle vorgehenden Entscheidungen vor dem Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ergangen, weshalb sich das BSG mit der hier aufgeworfenen Frage nicht explizit beschäftigt hat.
Rechtskraft
Aus
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