L 9 SO 256/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 303/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 256/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Erstattung des Eigenanteils als Leistung der Eingliederungshilfe bei einem von der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung gestellten Therapiedreirad.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.03.2016 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 12.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung eines "Eigenanteils" in Höhe von 255 EUR für die Beschaffung eines Therapiesesseldreirades (ggf. auch als Reha-Dreirad oder Therapiedreirad bezeichnet).

Der am 00.00.2004 geborene Kläger leidet an einer Dystroglykanopathie (CDG-Syndrom), einem angeborenen Stoffwechseldefekt. Zudem erlitt er im Jahr 2005 einen Schlaganfall (apoplektischer Insult) mit einer unvollständigen linksseitigen Lähmung (Hemiparese links). Die Erkrankungen haben zur Folge, dass der Kläger weder Gehen noch Stehen kann. Er ist mit einem Aktivrollstuhl, einem Gehtrainer und einem Stehgerät versorgt.

Am 27.2.2014 beantragte der Kläger unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung von Frau C, Ärztin für Kinderheilkunde, bei der Beigeladenen ein Therapiesesseldreirad. Diese schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, ohne den Kläger über diesen Umstand zu unterrichten. Der MDK kam in seinem Gutachten vom 12.3.2014 zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Versorgung mit einem Therapiesesseldreirad vorlägen. Das Hilfsmittel diene der Ergänzung der Krankengymnastik sowie vor allem zur Integration in den Kreis Gleichaltriger. Es stünden allerdings Versorgungsalternativen in Form von Therapiefahrrädern zur Verfügung. Zudem könne das Hilfsmittel nur im geschützten Bereich gefahren werden, weil aufgrund der Behinderung eine Nutzung im Straßenverkehr ohne Begleitung ausgeschlossen sei. Mit Bescheid vom 21.3.2014 lehnte die Beigeladene den Antrag ab. Zwar habe der MDK festgestellt, dass grundsätzlich die Notwendigkeit einer Versorgung mit einem Therapiedreirad nach § 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) bestehe. Jedoch seien alternative Modelle vorzuziehen. Dagegen erhob der Kläger am 17.4.2014 Widerspruch. Die Ablehnung sei nicht nachvollziehbar, da auch der Medizinische Dienst festgestellt habe, dass die Versorgung erforderlich sei. Der Vorteil in Form einer besseren Sitzposition werde dadurch kompensiert, dass das begehrte Hilfsmittel im Vergleich zu den benannten Alternativen mehr genutzt werden könne. Nachdem die Beigeladene nochmals den MDK eingeschaltet und dieser am 05.08.2014 ein Gutachten erstattet hatte, bewilligte sie mit Bescheid vom 13.8.2014 ein Therapiesesseldreirad. Dabei berechnete sie einen Eigenanteil in Höhe von 255 EUR, den der Kläger selbst zu tragen habe.

Dagegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 2.9.2014. Es handele sich bei dem Therapiesesseldreirad um eine Leistung zur Teilhabe, sodass ein Eigenanteil nicht anfallen dürfe. Er bitte insoweit um Überprüfung des Bescheides, vorsorglich beantrage er auch Leistungen zur Teilhabe. Die Beigeladene leitete den Antrag mit Schreiben vom 3.9.2014 an die Stadt H weiter. Dazu gab sie an, dass sie als erstangegangener Träger nicht für Leistungen zur Teilhabe nach § 55 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX a.F.) zuständig sei und den Antrag daher weiterleite. Die Beklagte vermerkte, dass eine Vermögens- und Einkommensprüfung der Eltern im vorliegenden Falle nicht durchzuführen sei. Mit Bescheid vom 12.9.2014 lehnte sie den Antrag auf Kostenübernahme des Eigenanteils für ein Therapiesesseldreirad ab. Es handele sich um Leistungen der medizinischen Rehabilitation. Diese würden den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Eigenanteile, die aufgrund der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V zu leisten seien, könnten kein Bestandteil der Eingliederungshilfe sein. Über den Festbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus könne daher keine Leistung der Eingliederungshilfe erbracht werden.

Der Kläger erhob wiederum Widerspruch mit Schreiben vom 30.9.2014. Die faktische Leistung des Therapiesesseldreirades sei durch die Zuzahlung in Höhe von 255 EUR gefährdet. Insoweit bestehe noch ein sozialrechtlicher Hilfebedarf. In der Zwischenzeit beschafften die Eltern des Klägers das Hilfsmittel. Mit Bescheid vom 30.10.2014, bekanntgegeben am 18.11.2014, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar könne dem Kläger grundsätzlich Eingliederungshilfe gemäß § 53 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) gewährt werden. Jedoch entsprächen die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkasse habe die Kosten für die Anschaffung eines Therapiesesseldreirades übernommen. Es entspreche den gesetzlichen Vorgaben, dass die Krankenkasse insoweit einen Eigenanteil in Höhe von 255 EUR berechne. Dieser Eigenanteil könne nun nicht mehr als Eingliederungshilfe im Rahmen der medizinischen Rehabilitation durch den Sozialhilfeträger übernommen werden. Eigenanteile, die aufgrund der Vorschriften des SGB V zu leisten sein, seien keine Bestandteile der Eingliederungshilfe.

Dagegen hat der Kläger am 3.12.2014 Klage erhoben. Zur Begründung hat er angegeben, dass er sich durch die Zuzahlung in Höhe von 255 EUR nicht in der Lage sehe, dass Therapiesesseldreirad zu beschaffen. Insoweit bestehe noch ein sozialrechtlicher Hilfebedarf. Ein Ausschluss nach § 2 SGB XII liege nicht vor. § 4 Abs. 2 SGB IX a.F. sehe vor, dass Leistungen zur Teilhabe neben anderen Sozialleistungen erbracht werden könnten. Das Therapiesesseldreirad könne eine Leistung nach § 31 SGB IX a.F. sein. Es diene vor allem zur Integration in den Kreis Gleichaltriger, sodass es eine Leistung zur Teilhabe darstelle. Als Rechtsgrundlage für die Bewilligung komme § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 7 SGB IX a.F. in Betracht. Da der Anspruch gar nicht auf einer medizinischen Rehabilitation beruhe, sei er entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht ausgeschlossen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, das die Leistungsbeschränkungen des SGB V einer Leistungspflicht im Rahmen der Leistung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht entgegenstehen würden. Die Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich aus § 14 SGB IX.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12.9.2014 in Form des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Eigenanteil zur Anschaffung eines Therapiesesseldreirades in Höhe von 255 EUR zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie Bezug genommen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend dazu hat sie vorgetragen, dass der Kläger gegen den Abhilfebescheid der Beigeladenen seine Rechtsmittel hätte weiterverfolgen müssen, soweit er zugleich Leistung zur Teilhabe nach § 55 SGB IX a.F. begehrt habe. Es könne nicht angehen, dass nunmehr ein weiterer Rehabilitationsträger verpflichtet werde, eine zusätzliche Leistung zu erbringen.

Mit Urteil vom 21.3.2016 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage abgewiesen und zugleich die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte gemäß § 14 Abs. 2 SGB IX a.F. zuständig gewesen sei. Die Krankenkasse habe den Antrag des Klägers unverzüglich an die Beklagte weitergeleitet. Damit sei die Beklagte zur vollumfänglichen Prüfung nach allen denkbaren Rechtsgrundlagen verpflichtet gewesen. Der Kläger habe allerdings keinen Anspruch auf Übernahme der vollen Kosten nach dem SGB V. Die Krankenkasse habe ihm bereits das Therapiesesseldreirad im Rahmen von § 33 SGB V zum Behinderungsausgleich gewährt. Dabei habe sie zu Recht eine Eigenbeteiligung in Höhe von 255 EUR in Abzug gebracht. Die Summe sei nach Prüfung in einschlägigen Internetportalen nicht zu beanstanden. Ein weitergehender Anspruch auf Grundlage von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 7 SGB IX a.F. bestehe nicht. Der Kläger sei zwar in der Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Ein Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten komme gleichwohl nicht in Betracht. Denn mit der Gewährung des Therapiesesseldreirades durch die Krankenkasse im Rahmen der Erfüllung des Grundbedürfnisses sei zugleich auch die Integration des behinderten Klägers in das Lebensumfeld nicht behinderter Jugendlicher, mithin also auch die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erfüllt worden. Da das Therapiedreirad bereits nach dem Vierten Kapitel des SGB IX erbracht worden sei, kämen keine weiteren diesbezüglichen Leistungen der Beklagten in Betracht. Die Beklagte sei kein "Auffang-Rehabilitationsträger" für Leistungen, die nach den Vorschriften anderer Gesetze nicht gewährt werden könnten. Dies werde von dem Gedanken getragen, dass das Hilfsmittel hier gerade der möglichst weitgehenden Eingliederung des behinderten Kindes in den Kreis Gleichaltriger diene. Vor diesem Hintergrund stelle das von der Krankenkasse gewährte Therapiedreirad nicht nur ein Hilfsmittel im Sinne der medizinischen Rehabilitation, sondern zugleich ein Hilfsmittel der sozialen Rehabilitation dar. Dies habe zur Folge, dass keine weiteren Leistungen der Beklagten in Betracht kämen. Die Zuständigkeit der Krankenkasse sei abschließend. Darüber hinaus seien die Kosten für ein handelsübliches Fahrrad aus den Mitteln der Bedarfsgemeinschaft zu bestreiten. Das Therapiedreirad ersetze insoweit ein von Gesunden benutztes, handelsübliches Fahrrad. Ein solches wäre weder vom Leistungsträger nach dem SGB II, noch vom Leistungsträger nach dem SGB XII zu erbringen.

Gegen das ihm am 25.4.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.5.2016 Berufung eingelegt.

In Ergänzung seines bisherigen Vortrages führt der Kläger aus, dass der Therapiezweck durch den Eigenanteil gefährdet gewesen sei. Beide Elternteile seien keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Der Unterhalt der Familie sei vielmehr durch Leistungen nach dem SGB II gesichert worden. Insoweit habe der Eigenanteil in Höhe von 255 EUR das Leistungsvermögen der Eltern des Klägers überstiegen. Sie seien daher gezwungen gewesen, ein Darlehen von Dritten zu beschaffen. Der Vorschrift des § 55 SGB IX a.F. sei ein Eigenanteil jedoch fremd. Weder der Wortlaut ergebe eine Auslegung, dass ein entsprechender Eigenanteil zu leisten sei, noch sei dies mit dem Zweck des Gesetzes zu vereinbaren. Darüber hinaus sei der Eigenanteil zu hoch. In Anbetracht der Tatsache, dass als Vergleichsgruppe ein Kinderfahrrad heranzuziehen sei, sei allenfalls ein Betrag von 100 EUR gerechtfertigt. Schließlich sei das Therapiesesseldreirad auch im Rahmen von § 33 SGB V zu gewähren, denn es diene der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.03.2016 und unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 12.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 zu verurteilen, dem Kläger 255 EUR zu erstatten,

hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, dem Kläger 255 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt zunächst Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil. Ein weitergehender Anspruch ergebe sich auch nicht unter dem Aspekt der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung. Hilfen bei Krankheit gemäß § 48 SGB XII bestünden insoweit nur in dem Umfang der Leistung der gesetzlichen Krankenkasse. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass der Eigenanteil in Höhe von 255 EUR von der Krankenkasse festgesetzt worden sei. Eine Prüfung der Angemessenheit habe daher nicht zu erfolgen.

Mit Beschluss vom 04.01.2018 hat der Senat die Krankenkasse des Klägers, die AOK Plus, beigeladen. Sie trägt u.a. vor, dass eine Prüfung nach § 14 SGB IX a.F. nicht erfolgen müsse, wenn ein Versicherter ein Hilfsmittel beantrage. Denn sie sei nur für Leistungen der medizinischen Rehabilitation zuständig, zu denen die Hilfsmittel nicht gehören würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und Beigeladenen Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit eines Vertreters der Beigeladenen entscheiden, da in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§§ 110 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach Zulassung durch das Sozialgericht (§ 144 Abs. 1 u. 3 SGG) insbesondere form- und fristgemäß erhoben worden (vgl. § 151 Abs. 1 SGG). Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist statthaft.

II. Die Berufung ist teilweise begründet.

Der Kläger ist durch den Bescheid vom 12.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert, weil dieser mangels Zuständigkeit der Beklagten rechtswidrig ist.

Im Übrigen hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage, soweit sie sich auf die Erstattung des Eigenanteils von 255,00 EUR richtet, zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder gegen die Beklagte, noch gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung des Eigenanteils in Höhe von 255,00 EUR.

Streitgegenstand ist hier der Bescheid der Beklagten vom 12.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014, mit dem diese die Erstattung des Eigenanteils für die Beschaffung des Therapiesesseldreirades abgelehnt hat.

1. Der Bescheid vom 12.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 ist mangels Zuständigkeit der Beklagten rechtswidrig und daher auf die Anfechtungsklage des Klägers hin aufzuheben.

Mangels Zuständigkeit muss ein Anspruch auf Erstattung der 255,00 EUR nach § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX a.F. (in der Fassung vom 01.07.2001 bis 31.12.2017) gegen die Beklagte ausscheiden. Denn zur Erstattung der Kosten ist der nach § 14 SGB IX a.F. (in der vom 01.05.2004 bis 31.12.2017 gültigen Fassung) zuständige Träger verpflichtet. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts war die Beigeladene vorliegend für die vollumfängliche Prüfung des Anspruchs gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX a.F. zuständig.

Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX a.F. innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX a.F. den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX a.F. den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Nach diesen Regelungen war hier ausschließlich die Beigeladene zuständig.

a. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist geklärt, dass der erstangegangene Leistungsträger, der den Antrag nicht fristgemäß weitergeleitet hat, gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 i.V.m. S. 3 SGB IX a.F. den Rehabilitationsbedarf nach allen Anspruchsgrundlagen, die in der Bedarfssituation überhaupt in Betracht kommen, prüfen und bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen muss (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 21.08.2008 - B 13 R 33/07 R - juris Rn. 30; BSG, Urteil vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/07 KR R - juris Rn. 23; BSG, Urteil vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R - juris Rn. 29). Der materiell-rechtlich zuständige Rehabilitationsträger verliert im Außenverhältnis seine Zuständigkeit gegenüber dem Versicherten oder Leistungsempfänger. Die Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX a.F. erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind. Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX a.F. und §§ 102 ff. SGB X verweist.

Erstangegangener Rehabilitationsträger ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw. Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist (BSG, Urteil vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/07 KR R - juris Rn. 24). Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX a.F. im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt, selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt vielmehr auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat. Prozessual ergibt sich hieraus, dass sich Widerspruch und Klage allein gegen den nach § 14 SGB IX a.F. zuständigen Träger richten, ohne dass sich der Kläger um die innerhalb des gegliederten Systems verteilten Zuständigkeiten kümmern müsste.

Der Kläger hat am 27.02.2014 erstmals bei der Beigeladenen als Krankenkasse ein Therapiesesseldreirad mittels einer Verordnung und eines Kostenvoranschlages beantragt. Der Antrag war nicht auf bestimmte Anspruchsgrundlagen beschränkt und in einem umfassenden Sinne, d.h. der vollständigen Gewährung des Hilfsmittels, zu verstehen. Die Beigeladene hat den Antrag nicht innerhalb von 14 Tagen weitergeleitet. Sie war daher verpflichtet, den Antrag des Klägers nach allen bezüglich des Bedarfs in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen. Zum Prüfungsumfang gehörten damit bereits im Rahmen des ursprünglichen Antrags Ansprüche nach dem SGB XII, die hier wegen der Frage der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht von vornherein ausgeschlossen waren. Die Zuständigkeit war nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX a.F. allumfassend und wurde nicht dadurch beseitigt, dass die Beigeladene eine entsprechende Prüfung unterlassen hat.

Auch durch das Schreiben des Klägers vom 2.9.2014 ist keine Änderung eingetreten. Da die Ansprüche nach dem SGB XII nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX a.F. bereits Prüfungsgegenstand des Verwaltungsverfahrens bei der Beigeladenen waren, handelt es sich dabei nicht um einen Neuantrag, der ggf. hätte weitergeleitet werden können. Denn es ging dem Kläger nach dem klaren Wortlaut des Schreibens weiterhin um eine vollständige Gewährung des Hilfsmittels ohne Eigenanteil von der Beigeladenen. Dabei handelt es sich nicht um einen abgrenzbaren eigenen, d.h. neuen Antragsgegenstand. Vielmehr hat sich der Kläger gegen die aus seiner Sicht nur teilweise Abhilfe der Beigeladenen gewandt. Bei verständiger Würdigung hätte die Beigeladene davon ausgehen müssen, dass sich das Widerspruchsverfahren durch die Teilhabehilfe nicht erledigt hat und sie einen Widerspruchsbescheid erlassen muss. In diesem Verfahren hätte sie sodann auch Ansprüche nach dem SGB XII prüfen müssen.

b. Die Vorschrift des § 14 SGB IX a.F. war in der hiesigen Konstellation der Versorgung mit einem Hilfsmittel entgegen der Ansicht der Beigeladenen anwendbar. In der Rechtsprechung des allein für die Hilfsmittelversorgung zuständigen dritten Senates des BSG ist bereits geklärt, dass bei der Versorgung mit einem Hilfsmittel auch § 14 SGB IX a.F. zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/15 R - juris Rn. 21 zur Versorgung mit Hörgeräten; BSG, Urteil vom 25.02.2015 - B 3 KR 13/13 R - juris Rn. 49 zu einem Autoschwenksitz). Denn ein Hilfsmittel kann eine Teilhabeleistung im Sinne von §§ 26 Abs. 2 Nr. 6, 31 SGB IX a.F. (jeweils in der vom 01.07.2001 bis 31.12.2017 gültigen Fassung) sein. Das trifft ohne Weiteres auch auf die Versorgung mit einem Therapiesesseldreirad zu.

Mit der Frage der Anwendbarkeit des § 14 SGB IX a.F. steht die Auslegung der Vorschrift des § 13 Abs. 3a S. 9 SGB V nicht in unmittelbaren Zusammenhang, so dass es entgegen der Ansicht der Beigeladenen auf die dort vertretenen Rechtsansichten hier nicht ankommt. Zwar spricht § 13 Abs. 3a S. 9 SGB V ebenfalls von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, gleichwohl hat die Auslegung spezifisch im Zusammenhang allein der Vorschrift des § 13 Abs. 3a SGB V zu erfolgen. Hinsichtlich der Reichweite des § 14 SGB IX a.F. ist dagegen bereits durch die Rechtsprechung des BSG die Anwendbarkeit auf Hilfsmittel geklärt.

2. Eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG muss ebenfalls ausscheiden, denn dem Kläger steht weder nach den Vorschriften des SGB V, noch nach den Regelungen des SGB XII eine Zahlung in Höhe von 255 EUR zu.

a. Der Kläger kann keine Ansprüche auf Erstattung der 255,00 EUR gegen die Beigeladene aus dem SGB V für sich herleiten.

Ein Erstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX a.F. (bzw. ggf. nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V) steht dem Kläger nicht zu. Der Anspruch aus § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX a.F. reicht nicht weiter als der zugrundeliegende Sachleistungsanspruch. Aus § 33 SGB V ergibt sich kein Anspruch auf Gewährung des Hilfsmittels ohne einen Eigenanteil.

(1) Dabei muss der Senat die Frage des Bestehens eines Anspruches auf Versorgung mit dem Therapiesesseldreirad nicht mehr prüfen. Denn der Kläger kann sich entweder auf § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V, d.h. eine fiktive Genehmigung, oder auf die positive Bewilligungsentscheidung der Beigeladenen stützen.

(a) Nach § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies gemäß § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten gemäß § 13 Abs. 3a S. 9 SGB V die §§ 14, 15 des Neunten Buches (SGB IX) zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V lagen vor. Der Kläger hat den Antrag am 27.02.2014 bei der Beigeladenen gestellt. Der Ablehnungsbescheid erging am 21.03.2014. Damit war die Frist von drei Wochen abgelaufen und die Genehmigungsfiktion eingetreten. Dagegen kam eine Anwendung der Frist von fünf Wochen nicht in Betracht, weil nach Aktenlage die Beigeladene den Kläger nicht über die Einschaltung des MDK informiert hat (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R - juris Rn. 28).

Mithin galt das Therapiesesseldreirad unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 SGB V als genehmigt (vgl. allgemein BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R - juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 30/15 R - juris Rn. 38). Dem steht die Vorschrift des § 13 Abs. 3a S. 9 SGB V nicht entgegen, da diese nur bei Anträgen auf Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen nach §§ 40 ff. SGB V zur Anwendung gelangt (BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R - juris Rn 16 f.; Bayerisches LSG, Urteil vom 03.02.2017 - L 5 KR 471/15 - juris Rn. 49 ff.), worum es hier nicht geht.

(b) Unabhängig davon hat die Beigeladene das Bestehen eines Anspruches mit dem Abhilfebescheid vom 13.08.2014 grundsätzlich festgestellt. Denn damit hat sie ein Therapiesesseldreirad auf Grundlage von § 33 SGB V bewilligt und dabei das Bestehen eines Sachleistungsanspruches angenommen.

Dem steht der im Bescheid geregelte Eigenanteil nicht entgegen. Gegenstand der Bewilligungsentscheidung ist ein Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit einem Therapiesesseldreirad. Dieser ist nicht teilbar. Die Festsetzung eines Eigenanteils stellt mithin keine teilweise Ablehnung des Sachleistungsanspruches dar. Da eine Bewilligungsentscheidung vorliegt, sind die Voraussetzungen des § 33 SGB V nicht mehr zu prüfen.

(c) Die Beigeladene war berechtigt, im Rahmen der Bewilligung des Therapiesesseldreirades einen Eigenanteil in Form von ersparten Aufwendungen festzusetzen. Es ist allgemein anerkannt, dass unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen vom Versicherten eine Eigenbeteiligung dann verlangt werden kann, wenn anzunehmen ist, dass er ohne die Behinderung einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens angeschafft hätte (vgl. BSG, Urteil vom 16.4.1998 - B 3 KR 9/97 R - juris Rn. 23; SG Stade, Urteil vom 09.11.2015 - S 29 KR 5/14 - juris Rn. 20; Nolte, in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 33 Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn das Hilfsmittel nur leihweise zur Verfügung gestellt wird (BSG, Urteil vom 17.1.1996 - 3 RK 39/94 - juris Rn. 39). Der Berücksichtigung eines Eigenanteils steht ebenfalls nicht entgegen, dass der Anspruch ggf. auf die Genehmigungsfiktion gestützt wird (vgl. BT-Drs. 17/11710, S. 30; Schifferdecker, in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 13 Rn. 142).

Gegen die Festsetzung von 255 EUR bestehen entgegen der Ansicht des Klägers keine Bedenken. Dem Gedanken folgend, dass der Kläger sich Kosten für ein eigenes Fahrrad erspart hat, kann nicht auf das günstigste Angebot für ein altersgerechtes Fahrrad abgestellt werden. Vielmehr ist ein Durchschnittswert für die Anschaffung eines handelsüblichen Markenfahrrades als angemessen anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 16.4.1998 - B 3 KR 9/97 R - juris Rn. 23), wobei 255 EUR diesem Angemessenheitsmaßstab entsprechen. Schon das BSG hat im Jahre 1998 einen Wert von 700 DM (357,90 Euro) für ein Jugendfahrrad als angemessen angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 16.4.1998 - B 3 KR 9/97 R - juris Rn. 23). Auch die Beihilfenvorschriften der Länder sehen einen Abzug in vergleichbarer Höhe vor (vgl. Anlage 3 Nr. 4 der BeihilfeVO NRW, wonach 250 EUR in Abzug gebracht werden). Anhaltspunkte, dass Markenfahrräder im Durchschnitt zu günstigeren Preisen zu erwerben waren, sind nicht ersichtlich.

b. Es bestehen auch nach dem SGB XII keine weitergehenden Ansprüche gegen die Beigeladene.

(1) Der Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 19 Abs. 3 i.V.m. 48 S. 1 SGB XII.

Um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, werden nach § 48 S. 1 SGB XII Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel des Fünften Abschnitt des Ersten Titels des Fünften Buches erbracht.

Die Regelung kommt bereits aufgrund des Nachranggrundsatzes gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII nicht zur Anwendung. Sie greift nur ein, wenn keine eigene Versicherung, keine Familienversicherung oder kein Fall des § 264 SGB XII gegeben ist (vgl. Flint, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl.: 2014, § 48 Rn. 2). Der Kläger ist Mitglied der Beigeladenen bzw. familienversichert und hatte damit einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33 SGB V.

Darüber hinaus können nach dieser Vorschrift keine Leistungen erbracht werden, die durch die Krankenkassen im Rahmen des SGB V nicht zu erbringen sind. Der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt den Leistungsumfang der Sozialhilfe. Wegen dieser Gleichstellung sind auch die Verpflichtungen zur Leistung von Eigenanteilen und Zuzahlungen zu berücksichtigen (Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 48 Rn. 27; Siebel-Huffmann, in: BeckOK - SGB XII, § 48 Rn. 6). Dies folgt insbesondere aus der Verweisung auf die Vorschriften des SGB V in S. 1 von § 48 SGB XII sowie aufgrund der Regelung des § 52 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Nach dem oben Gesagten bestand nach dem SGB V kein weitergehender Anspruch des Klägers bzw. war die Festlegung eines Eigenanteils in Höhe von 255,00 EUR nicht zu beanstanden.

(2) Der Anspruch folgt auch nicht aus §§ 19 Abs. 3 i.V.m. 53 Abs. 1 u. 3, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. 26 oder 55 SGB IX a.F. (letzterer in der vom 01.05.2004 bis 31.12.2017 gültigen Fassung). Es handelt sich insbesondere nicht um ein anderes Hilfsmittel im Sinne von § 55 Abs. 1 SGB IX a.F.

Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Als Leistungen der Eingliederungshilfe werden nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 26 Abs. 1 u. 2 Nr. 6 SGB XI a.F. im Rahmen der medizinischen Rehabilitation Hilfsmittel erbracht. Daneben stehen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach §§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. 55 Abs. 1 SGB IX a.F., die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden. Leistungen nach Absatz 1 sind insbesondere die Versorgung mit anderen als den in § 31 genannten Hilfsmitteln oder den in § 33 genannten Hilfen (§ 55 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB IX a.F.).

(aa) Der Kläger erfüllte zwar die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Er war auf Grund seiner Erkrankung weder geh-, noch stehfähig und auf den Rollstuhl angewiesen. Eine Behinderung im Sinne von § 2 SGB IX lag damit vor. Zudem war er wegen der Erkrankungen wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben (§ 1 Nr. 1 SGB IX), eingeschränkt, sodass es sich hinsichtlich des "Ob" seiner Eingliederung um eine Pflichtleistung handelte (vgl. BSG, Urteil vom 23.08 2013 - B 8 SO 24/11 R - juris Rn. 14).

(bb) Es handelte sich bei dem Therapiesesseldreirad aber um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX a.F., für die kein weitergehender Anspruch in Betracht kam. Er entspricht nach § 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, so dass die Sozialhilfe dort bestehende Lücken nicht zu decken hat (vgl. Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 54 Rn. 4b; Kaiser, in: BeckOK-SGB XII, § 54 Rn. 2; Wehrhahn, in: jurisPK-SGB XII, § 54 Rn. 18.2).

Hilfsmittel der medizinischen Rehabilitation im Sinne von § 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX a.F. sind u.a. solche Hilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. Der Gesetzgeber hat dabei Bezug genommen auf die Rechtsprechung des BSG zum Krankenversicherungsrecht (vgl. Majerski-Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Aufl., § 26 Rn. 6). Zu den Grundbedürfnissen gehören damit einerseits die körperlichen Grundfunktionen wie Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme oder Ausscheidung und andererseits die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens umfasst (BSG, Urteil vom 24.5.2006 - B 3 KR 12/05 R - juris Rn. 18 f.; BSG, Urteil vom 19.4.2007 - B 3 KR 9/06 R - juris Rn. 12). Der gewisse körperliche und geistige Freiraum, der in Erweiterung des allgemeinen Grundbedürfnisses noch in den Rahmen der Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung fällt, umfasst indessen nur einen Basisausgleich der Behinderung und beabsichtigt keine möglichst gleiche Mobilität, über die unbehinderte und gesunde Versicherte verfügen. Der Verlust der Gehfähigkeit kann im Rahmen der Hilfsmittelversorgung nur insoweit kompensiert werden, als eine grundsätzliche Mobilität hergestellt werden soll. Zu den insoweit maßgeblichen vitalen Lebensbedürfnissen im Bereich des Gehens gehört nur die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG, Urteil vom 19.4.2007 - B 3 KR 9/06 R - juris Rn. 14; BSG, Urteil vom 12.8.2009 - B 3 KR 11/08 R - juris Rn. 19).

Dagegen werden von § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX a.F. Hilfsmittel erfasst, mit deren Hilfe die Ziele der Eingliederungshilfe verfolgt werden, d.h. die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern. Für den Teilhabebedarf am Leben in der Gemeinschaft ist es ausreichend, dass die Begegnung und der Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung gefördert wird (BSG, Urteil vom 23.8.2013 - B 8 SO 24/11 R - juris Rn. 16). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche. Es gilt ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht. Prüfungsmaßstab ist mithin die konkrete, individuelle Lebenssituation des behinderten Menschen, wobei in die Gesamtwürdigung seine Bedürfnisse und Wünsche, aber auch Art und Ausmaß der Behinderung einzubeziehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 23.8.2013 - B 8 SO 24/11 R - juris Rn. 18; s.a. Urteil des Senats vom 28.05.2015 - L 9 SO 303/13 - juris Rn. 40). Allein von diesen Ausgangspunkten sind Reichweite und Häufigkeit der Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gemeinschaft als sozialer Rehabilitation zu bestimmen. Auch auf eine "Grundversorgung" ist die Sicherstellung der Mobilität im Bereich der sozialen Rehabilitation nicht beschränkt.

Die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln im Sinne der medizinischen Rehabilitation und der sozialen Rehabilitation ist nicht am Begriff des Hilfsmittels selbst vorzunehmen. Maßgebend ist vielmehr, welche Bedürfnisse mit dem Hilfsmittel befriedigt werden sollen, also welchen Zwecken und Zielen das Hilfsmittel dienen soll (vgl. BSG, Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 32/07 R - juris Rn. 17). Während nach der Rechtsprechung des BSG Hilfsmittel i.S. von § 31 SGB IX a.F. die Aufgabe haben, einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder eine Behinderung nur bei den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind, dienen "andere” Hilfsmittel i.S. von § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX a.F. über die Aufgabenbestimmung nach § 31 SGB IX a.F. hinaus der gesamten Alltagsbewältigung. Sie haben die Aufgabe, dem Behinderten den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen und hierdurch insgesamt die Begegnung und den Umgang mit nichtbehinderten Menschen zu fördern. Die Hilfsmittel i.S. von § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX a.F. entfalten insoweit ihre Wirkung immer erst im Bereich der Behebung der Folgen einer Behinderung.

Danach lag der Zweck des Hilfsmittels in der medizinischen Rehabilitation des Klägers. Es handelte sich um ein Hilfsmittel gemäß § 31 SGB IX a.F., denn es diente dem Behinderungsausgleich nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F.

Es kann offen bleiben, ob - wie der Kläger meint - das Hilfsmittel der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung diente, was wegen des Fehlens eines Therapieplanes zweifelhaft erscheint (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 7/10 R - juris Rn. 28). Denn es diente nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des MDK der Integration in die Gruppe der Gleichaltrigen (vgl. dazu aber BSG, Urteil vom 12.8.2009 - B 3 KR 11/08 R - juris Rn. 21). Darüber hinaus war er mit Hilfe des Therapiesesseldreirades in der Lage, sich den Nahbereich der eigenen Wohnung zu erschließen. Unerheblich ist dabei, dass dies ggf. nur in Begleitung eines Erwachsenen möglich war. Auf eine weitergehende Hilfe Dritter - etwa als Schiebehilfe - musste sich der Kläger nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich nicht verweisen lassen (BSG, Urteil vom 12.8.2009 - B 3 KR 8/08 R - juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 12/10 R - juris Rn. 22). Daher kam eine Versorgung auch dann in Betracht, wenn der Kläger nur in Begleitung unterwegs sein konnte.

Der Schwerpunkt der Versorgung (vgl. zu dieser Zuweisungsform LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.2.2016 - L 9 SO 59/13 - juris Rn. 75) lag damit auf der Erfüllung von Grundbedürfnissen im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX. Dies wird auch deutlich durch den Vortrag der Eltern des Klägers, dass das Therapiesesseldreirad im Wesentlichen in der Nähe des Hauses oder für Spaziergänge genutzt wird. Eine besondere Bedeutung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft lässt sich damit gerade nicht feststellen.

Dies steht letztlich einer Gewährung als anderes Hilfsmittel im Sinne von § 55 SGB IX a.F. entgegen. Denn erforderlich ist, dass über die Aufgabenbestimmung nach § 31 SGB IX a.F. hinaus das Hilfsmittel der gesamten Alltagsbewältigung dient. Sie haben die Aufgabe, den Behinderten den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit seiner Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen und hierdurch insgesamt die Begegnung und den Umgang mit nichtbehinderten Menschen zu fördern (BSG, Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 32/07 R - juris Rn. 17; Urteil des Senats vom 28.05.2015 - L 9 SO 303/13 - juris Rn. 41). Das Therapiesesseldreirad dient nach Angaben der Eltern ausschließlich der Kontaktpflege innerhalb der Familie. Es wird im Bereich des eigenen Hauses unter Kontrolle der Eltern sowie bei Ausflügen genutzt. Zur Kontaktaufnahme mit der Umwelt und der Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben sollte es nicht eingesetzt werden. Vielmehr ging es der Familie um die Intensivierung der Kontakte innerhalb der Familie. Der Eingliederungshilfe kommt jedoch nicht die Aufgabe zu, fehlende finanzielle Mittel für die Kontaktpflege zu decken. Vielmehr soll sie behinderungsbedingte Nachteile bei der Teilhabe am öffentlichen und kulturellen Leben kompensieren (Urteil des Senats vom 28.05.2015 - L 9 SO 303/13 - juris Rn. 42).

(3) Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Eine Erhöhung des Regelsatzes im Monat der Anschaffung des Therapiesesseldreirades gemäß § 27a Abs. 4 SGB XII muss ausscheiden. Schon grundsätzlich ist die Regelung nicht anwendbar, weil die Eltern des Klägers Leistungen nach dem SGB II bezogen haben und weiterhin beziehen, so dass der Kläger als Teil der Bedarfsgemeinschaft (vgl. § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II) dem Regelungsregime des SGB II unterfällt. Dort ist eine vergleichbare Regelung nicht vorgesehen.

Der Anspruch des Klägers lässt sich nicht auf § 73 SGB XII stützen, da dieser bei Bedarfslagen, die wie hier von § 8 SGB XII bereits erfasst sind, nicht eingreift (vgl. Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 73 Rn. 4).

Ein Darlehen nach § 37 SGB XII wurde weder beantragt (vgl. § 37 Abs. 1 SGB XII - "auf Antrag"), noch entspricht dies den Interessen des Klägers, der eine zuschussweise Gewährung begehrt.

Ob sich ein Anspruch aus § 21 Abs. 6 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) oder § 24 Abs. 3 SGB II herleiten lässt, musste der Senat nicht weiter prüfen, da diese nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 S. 1, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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