L 1 SF 289/16 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 15 SF 74/15 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 289/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Februar 2016 wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Im Streiten steht die Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes für ein sozialgerichtliches Verfahren wegen Kostenerstattung zwischen zwei Trägern der Sozialhilfe.

Im Hauptsacheverfahren (S 15 SO 2340/15) machte der Beschwerdeführer als Sozialhilfeträ-ger gegenüber dem Landkreis G. in dessen Eigenschaft ebenfalls als Trägerin der Sozialhilfe klageweise einen Kostenerstattungsanspruch nach § 98 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialge-setzbuch (SGB XII) i.V.m. § 105 SGB XII in Höhe von 3.242,60 Euro geltend. Mit Verfü-gung vom 17. November 2015 setzte das Sozialgericht den Streitwert vorläufig auf 3.242,60 Euro fest.

Mit Kostenansatz vom 17. November 2015 setzte die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts ge-genüber dem Beschwerdeführer Gerichtskosten in Höhe von 381,00 Euro fest (nach Nr. 7110 KV-GKG die 3-fache Gebühr aus einem Streitwert von 3.242,60 Euro).

Gegen den Kostenansatz hat der Beschwerdeführer am 24. November 2015 Erinnerung einge-legt und sich darauf berufen, dass bei einem Erstattungsstreit ausschließlich zwischen Sozial-hilfeträgern eine Kostenbefreiung nach § 64 Abs. 3 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetz-buch (SGB X) gelte. § 197a Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wähle die Formulierung "Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern" und beziehe sich damit nicht eindeutig auf Erstattungsstreitigkeiten von Sozialhilfeträgern untereinander. § 197a Abs. 3 SGG sei gegen-über § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X nicht lex specialis. Im Weiteren hat sich der Erinnerungsführer auf eine Entscheidungen des Thüringer Landessozialgerichts (vom 14. April 2015 - L 6 SF 352/15 E) und des Sozialgerichts Mannheim (vom 7. Mai 2013 - S 9 SO 4188/12) berufen.

Mit Beschluss vom 10. Februar 2016 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Eine Kostenprivilegierung gelte nicht, da § 197a Abs. 3 SGG bei Erstattungsstreitigkeiten der Sozialhilfeträger zur Kostenpflicht nach § 197a SGG führe.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und bekräftigt, dass bei Erstat-tungsstreitigkeiten unter Sozialhilfeträgern Gerichtskostenfreiheit nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X gelte. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Sozialhilfeträger grundsätzlich von Gerichtskosten freigestellt werden, ausnahmsweise nur dann nicht, wenn sie sich bspw. mit einem beitragsfinanzierten Sozialleistungsträger (z.B. Berufsgenossenschaft oder gesetzliche Krankenversicherung) im Streit befindet.

Das Hauptsacheverfahren ist noch anhängig und noch keine abschließende Streitwert- und Kostengrundentscheidung ergangen.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Februar 2016 sowie den Kos-tenansatz vom 17. November 2015 aufzuheben.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass eine Gerichtskostenfreiheit bei Erstattungsstreitigkeiten grundsätz-lich nicht gelte. Gesetzgeberisches Ziel sei gerade gewesen, Sozialhilfeträger bei Erstattungs-streitigkeiten nicht zu privilegieren. Die zitierte Entscheidung des Thüringer Landessozialge-richts habe im Übrigen keine weitere Konsequenz, weil es sich im dortigen Verfahren nicht um eine Erstattungsstreitigkeit gehandelt habe.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit Beschluss vom 22. Januar 2018 hat der Berichterstatter das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen (§ 66 Abs. 6 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG)).

II.

Die Erinnerung ist zulässig jedoch unbegründet.

Der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Kostenansatz vom 17. November 2015 auf nur vorläufiger Streitwertfestsetzung basiert. Denn auch wenn damit noch keine endgültige Ent-scheidung über den Streitwert vorlag, waren die Gerichtsgebühren mit der vorläufigen Fest-setzung fällig (vgl. §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. 63 Abs. 1 Satz 1 GKG). Eine einschrän-kende Überprüfungsmöglichkeit wie nach § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG hinsichtlich der vorläufi-gen Streitwertfestsetzung ist für den Kostenansatz nicht normiert.

Gegen den Kostenansatz kann sich der Beschwerdeführer allein mit der Begründung wenden, er sei von Gerichtskosten befreit (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Januar 2016 – B 13 SF 3/16 S; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B, beide nach juris). Anderes gilt beim reinen Einwand, der Kostenschuldner gehöre tatsächlich zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG. Damit würde lediglich inhaltlich der unan-fechtbare Streitwertbeschluss angegriffen, was aber nicht statthaft wäre, denn ein Rechtsbe-helf nach § 66 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. m.w.N. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 12. April 2013 – L 6 SF 291/13 E, nach juris). Sofern jedoch der Kostenansatz mit dem Argument angegriffen wird, der Kosten-schuldner sei von Gerichtskosten befreit, muss anderes gelten. Denn eine Haftung des Kos-tenschuldners für die Gerichtskosten nach § 29 Nr. 1 GKG scheidet trotz rechtskräftigem Streitwertbeschluss - mit dem die Fälligkeit einer Gerichtsgebühr beim Verfahrensbeginn und auch die Feststellung, dass die in Betracht kommende Gebühr überhaupt von einem Kosten-streitwert abhängt, jedenfalls inzident geprüft wird (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Be-schluss vom 12. April 2013 – L 6 SF 291/13 E, nach juris) - aus, denn nach § 2 Abs. 5 S. 1 1. Halbs. GKG sind Verfahrenskosten nicht zu erheben, wenn sie - wie hier geschehen - einem von den Kosten Befreiten auferlegt worden sind (so schon Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B, nach juris). § 2 Abs. 5 GKG gilt nur für die Kostenbefreiung, also für Fälle, in denen Kosten grundsätzlich entstehen können, diese aber nicht geltend gemacht werden können (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage 2012, § 2 GKG Rn. 20 und auch Volpert/Köpf in NK-GK, § 2 GKG, Rn. 47). Nicht hingegen gilt § 2 Abs. 5 GKG für Fälle, in denen Gerichtskosten gar nicht erst anfallen - so wie es auch § 183 SGG bestimmt.

Der Beschwerdeführer ist hier jedoch nicht von Gerichtskosten befreit.

Nach § 2 Abs. 3 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 Satz 3 1. Halbs. SGB X sind unter anderen im Ver-fahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Träger der Sozialhilfe von den Gerichts-kosten befreit. Dieser Grundsatz findet eine Einschränkung nach § 64 Abs. 3 Satz 3 2. Halbs. SGB X, der bestimmt, dass § 197a SGG unberührt bleibt. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Insofern stellt § 197a Abs. 3 SGG klar, dass dies auch für Träger der Sozialhilfe gilt, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

So verhält es sich hier: Der Beschwerdeführer führte als Träger der Sozialhilfe einen Erstat-tungsstreit mit einem anderen Träger der Sozialhilfe. Damit besteht für ihn keine Kostenprivi-legierung. Die gegenteilige Argumentation überzeugt nicht.

Zu § 64 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. SGB X und § 197a Abs. 3 SGG hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2016 - B 13 SF 3/16 S ausgeführt, dass mit der durch den 2. Halbsatz zum 1. Januar 2005 angefügten Ergänzung in § 64 Abs. 3 SGB X (vgl. "Artikel 0" des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 9. Dezember 2004 - BGBl I 3302) und dem zugleich eingefügten § 197a Abs. 3 SGG auf eine Anregung des Bun-desrats sichergestellt werden soll, dass die Träger der Sozialhilfe wie bisher grundsätzlich von den Gerichtskosten freigestellt bleiben und von dieser Freistellung – wie bislang nach § 188 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – lediglich Verfahren in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern ausgenommen sind (vgl. Bericht des Ausschusses für Ge-sundheit und Soziale Sicherung, BT-Drucks. 15/3867 S. 3 - Zu Nummer 14a (§ 197a Abs. 3 SGG)). Es könne dahinstehen, ob die vom Ausschuss vorgeschlagenen Gesetzesformulierun-gen die Regelungsabsicht wirklich klar zum Ausdruck bringen oder eher zur Verwirrung bei-tragen. Der Regelungszweck des Zusammenspiels von § 64 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. SGB X einerseits und § 197a Abs. 3 SGG andererseits aus den Gesetzesmaterialien ergebe hinrei-chend deutlich, dass sie sicherstellen sollen, dass die Träger der Sozialhilfe vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit lediglich in Erstattungsstreitigkeiten zu Gerichtskosten herangezogen werden können.

Dieser Auffassung des Bundessozialgerichts schließt sich der Senat ausdrücklich an (a.A. noch der vormalige 6. Senat des Thüringer Landessozialgerichts mit Beschlüssen vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B und 14. April 2015 – L 6 SF 352/15 E, beide nach juris) und ergänzt, dass § 197a Abs. 3 SGG weder hinsichtlich der Erstattungsgrundlage noch der Art der Leistungsträgerschaft des anderen Trägers differenziert. § 197a Abs. 3 SGG gilt für jed-weden Erstattungsstreit unter jedwedem Träger – auch Trägern gleicher Leistungsart. Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien lassen sich entsprechende Einschrän-kungen entnehmen. Soweit die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 197a Abs. 3 SGG auf das geltende Recht für Streitigkeiten vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit verweist, lässt sich auch hieraus keine andere Auslegung ermitteln. In § 188 Satz 2 VwGO wurde der 2. Halbsatz ("dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungs-trägern.") aufgrund des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungspro-zess (RmBereinVpG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 3987) eingeführt, wobei dieser Geset-zespassus in das RmBereinVpG während des Gesetzgebungsverfahrens durch die Empfeh-lungen der Ausschüsse (BR-Drucks. 405/1/01) gelangte. Begründet wurde diese Ergänzung insoweit, dass "die Ergänzung der Vorschrift ( ) die Kostenfreiheit für Erstattungsstreitig-keiten zwischen Sozialleistungsträgern entfallen (lässt). Dies entspricht den Regelungen des von der Bundesregierung beschlossenen Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (BR-DRs. 132/01, § 184 SGG) und trägt dem Umstand Rechnung, dass für Streitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern kein sachlicher Grund für die Freistel-lung von den Gerichtskosten besteht." Auch hier findet sich keinerlei Einschränkung derge-stalt, dass die Kostenprivilegierung nur bei Erstattungsstreitigkeiten von Sozialhilfeträgern mit beitragsfinanzierten Sozialleistungsträgern (z.B. Berufsgenossenschaft oder gesetzliche Krankenversicherung) entfallen soll. Es ist nicht einzusehen, warum Sozialhilfeträger im Er-stattungsstreit untereinander gerichtskostenbefreit sein sollen und im Erstattungsstreit mit Trägern anderer Sozialleistungen nicht.

Dass die Höhe der festgesetzten Gerichtsgebühren unzutreffend sein sollte, ist weder ersicht-lich noch vorgetragen. Nach §§ 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG ist der Be-schwerdeführer auch Kostenschuldner - jedenfalls solange, bis in der Hauptsache keine an-derslautende Kostengrundentscheidung getroffen worden ist.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG). Eine Be-schwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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