Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 2 AS 839/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 415/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 286/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. März 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Erstausstattungen für die Wohnung des Klägers einschließlich der Haushaltsgeräte und für die Bekleidung des Klägers als Zuschuss statt als Darlehen.
Der 1954 geborene Kläger, für den sein Prozessbevollmächtigter als Betreuer bestellt ist (Betreuerausweis vom 17. Juni 2008, Bl. 4 der Gerichtsakte L 7 AS 184/11 B ER), erhielt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten.
Mit Schreiben vom 9. August 2010 (Bl. 360 der Verwaltungsakte) teilte der Betreuer des Klägers dem Beklagten mit, dass die Wohnung des Klägers von Ungeziefer befallen sei und es dringend erforderlich sei, dass die Wohnung durch einen Kammerjäger von dem Ungeziefer befreit wird. Er beantragte die Übernahme der Kosten für die Reinigung und die Renovierung der Wohnung. Der Beklagte verwies den Kläger durch Bescheid vom 13. August 2010 (Bl. 362 der Verwaltungsakte) bezüglich einer Grundreinigung an das Sozialrathaus C-Stadt und bewilligte dem Kläger durch einen weiteren Bescheid vom 13. August 2010 (Bl. 365 der Verwaltungsakte) Leistungen in Höhe von 168 Euro zur Renovierung der Wohnung.
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2010 (Bl. 8 der Gerichtsakte L 7 AS 184/11 B ER), das sich jedoch nicht in der Verwaltungsakte des Beklagten befindet, wies der Betreuer des Klägers den Beklagten (nochmals) darauf hin, dass die Wohnung des Klägers von Ungeziefer befallen sei. Um die Wohnung wieder in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen, sei die vollständige Entsorgung aller in der Wohnung vorhandenen Möbelstücke erforderlich. Sobald die Wohnung wieder bewohnbar sei, müsse die Wohnung vollständig neu möbliert werden. Auch eine Grundausstattung an neuer Bekleidung werde erforderlich sein. Der Betreuer beantragte die Gewährung entsprechender Erstausstattungen sowie die finanziellen Mittel, welche zum Transport der Möbelstücke erforderlich seien.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2011 (Bl. 658 der Verwaltungsakte) wies der Vermieter des Klägers den Betreuer des Klägers darauf hin, dass der Kläger nach der schriftlichen Mitteilung vom 2. November 2010 über einen Ungezieferbefall in seiner Wohnung trotz mehrmaliger telefonischer Ankündigungen bisher nicht vorübergehend aus der Wohnung ausgezogen sei, so dass bislang noch keine Schädlingsbekämpfung habe durchgeführt werden können.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2011 (Bl. 390 der Verwaltungsakte) erinnerte der Betreuer den Beklagten an seinen mit Schreiben vom 30. Dezember 2010 gestellten Antrag. Mit Bescheid vom 9. Februar 2011 (Bl. 393 der Verwaltungsakte) lehnte der Beklagte die Gewährung entsprechender Erstausstattungen ab. Nach § 23 Abs. 3 SGB II könne keine Erstausstattung gewährt werden, da es sich um eine Ersatzbeschaffung gehandelt habe. Es könne lediglich eine darlehensweise Gewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II geprüft werden. Dafür seien ein Darlehensantrag und eine genaue Aufstellung der Dinge, die benötigt würden, notwendig. Gegen diesen Bescheid legte der Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 14. Februar 2011 (Bl. 403 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein. Eine Erstausstattung sei in diesem Fall als Sonderbedarf zu gewähren, da ein Totalverlust der bisherigen Einrichtung vorliege. Da die vorhandene Einrichtung nicht mehr zu erhalten gewesen wäre, habe der Antrag nicht abgelehnt werden dürfen. Ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren des Klägers vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main und dem Hessischen Landessozialgericht blieb ohne Erfolg (L 7 AS 184/11 B ER).
Mit Schreiben vom 22. Februar 2011 (Bl. 417 der Verwaltungsakte) beantragte der Betreuer des Klägers beim Beklagten die Gewährung eines Darlehens für ein Bettgestell mit Lattenrost und neuer Matratze (1), für eine Bettdecke und Kissen (2), für Bettwäsche inklusive mindestens zwei Betttüchern (3), für einen Kleiderschrank (4), für eine Spüle (5), für einen Herd (6), für einen Küchenschrank (7), für einen Kühlschrank (8), für zwei Küchenstühle (9), für eine Couch und einen Sessel (10), für einen Couchtisch (11), für eine Erstausstattung für Bekleidung (12), für den Transport und die Lieferung der Möbel (13), für die Anschlussarbeiten für Spüle und Herd (14) und für die Aufbaukosten für die Möbel (15). Dabei wies er darauf hin, dass sich der Antrag auf Gewährung eines Zuschusses dadurch nicht erledigt habe.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2011 (Bl. 421 der Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagten dem Kläger die darlehensweise Übernahme der Kosten für Möbel und Kleidung in Höhe von 980 Euro; für die Möbel in Form eines Gutscheins in Höhe von 680 Euro und für die Kleidung in Form eins Schecks in Höhe von 300 Euro. Die Rückzahlung des Darlehens erfolge ab 1. April 2011 durch Aufrechnung in Höhe von 30 Euro gegen die laufenden Leistungen monatlich. Dagegen legte der Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 24. März 2011 (Bl. 442 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein. Ebenfalls mit einem Bescheid vom 25. Februar 2011 (Bl. 424 der Verwaltungsakte) erfolgte die Ablehnung der Darlehensgewährung in Hinblick auf eine Spüle, einen Herd, einen Kühlschrank und Stühle, da diese nach einer gründlichen Reinigung noch nutzbar seien. Bezüglich der Aufbaukosten für die Möbel werde auf Selbsthilfe verwiesen. Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte der Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 24. März 2011 (Bl. 434 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein und legte dazu ein Schreiben des Schädlingsbekämpfers D. vom 16. März 2011 (Bl. 426 der Verwaltungsakte) an ihn vor, in dem dieser sich zur nochmaligen Benutzung des Inventars der Wohnung des Klägers äußert und ausführt, dass sämtliche Möbelstücke - auch die der Küche - in einem so verkommenen und defekten Zustand gewesen seien, dass es unzumutbar wäre, diese Gegenstände selbst nach vorheriger gründlicher Reinigung jemanden zukommen zu lassen. Es müsse erwähnt werden, dass sämtliche Möbelstücke aus der Küche aus Sperrholz waren, was optimale Versteckmöglichkeiten für die Tiere gewesen seien. Selbst nach Öffnen der hinteren Wand des Herdes seien unzählige dieser Plagegeister zum Vorschein gekommen, die selbst zwischen Steckverbindungen, ja sogar zwischen der Isolierung der Kabel gesessen hätten. Eine adäquate Bekämpfungsmaßnahme wäre ohne Entfernung der massiv befallenen Gegenstände nicht möglich gewesen. Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2011 (Bl. 431 der Verwaltungsakte) dem Kläger auch noch die darlehensweise Übernahme der Kosten für Haushaltsgeräte (Herd, Kühlschrank und Stühle) in Höhe von 485 Euro in Form eines Gutscheins. Die Rückzahlung des Darlehens erfolge ab 1. Mai 2011 durch Aufrechnung in Höhe von 30 Euro gegen die laufenden Leistungen monatlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2011 (Bl. 461 der Verwaltungsakte) wies der Beklagten den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 9. Februar 2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte an, dass eine Verwanzung der Wohnung bei frühzeitigem Einschalten des Kammerjägers hätte verhindert werden können. Der Bedarf sei daher nicht unvorhersehbar gewesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Erstausstattungen als Zuschuss bestehe nicht.
Dagegen erhob der Betreuer des Klägers am 16. Juni 2011 (Bl. 1 der Gerichtsakte) beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage. Er trug im Wesentlichen vor, die Wohnung sei von Ungeziefer befallen gewesen. Um das Ungeziefer vollständig aus der Wohnung zu entfernen, sei die Entsorgung des vollständigen Hausrates einschließlich aller Möbelstücke und Elektrogeräte erforderlich gewesen. Eine Erstausstattung sei auch in Fällen zu gewähren, in welchen ein Totalverlust der bisher vorhandenen Einrichtung vorliege. Der Sachverhalt sei vergleichbar mit einem Brand. Er legte dem Gericht eine Bescheinigung des Vermieters vom 5. April 2011 (Bl. 42 der Gerichtsakte) vor, worin dieser erklärt, nach Sanierung der Wohnung sei diese am 4. März 2011 wieder an den Mieter übergeben worden. Die Schädlingsbekämpfung einschließlich der ordnungsgemäßen Entsorgung des kompletten von Schädlingen befallenen Hausrates habe 5.950 Euro und die Sanierung der Wohnung ca. 8.000 Euro gekostet.
Der Kläger beantragte, den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2011 die bisher darlehensweise bewilligte Erstausstattung an Wohnungseinrichtung und Kleidung als Beihilfe zu gewähren. Der Beklagte trat dem entgegen.
Mit Urteil vom 24. März 2016 (Bl. 63 der Gerichtsakte) verurteilte das Sozialgericht Frankfurt am Main den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2011 dazu, dem Kläger die bisher darlehensweise bewilligte Erstausstattung an Wohnungseinrichtung und Kleidung als Beihilfe zu gewähren.
Grundsätzlich läge der Sachverhalt einer Wohnungserstausstattung zwar nur dann vor, wenn ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung bestehe, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt sei. Eine "Wohnungserstausstattung" könne aber auch bei einem erneuten Bedarf nach einer Erstbeschaffung von Einrichtungsgegenständen vor oder während des SGB II-Bezugs in Betracht kommen. So sei davon auszugehen, dass "Erstausstattungen" für die Wohnung beispielsweise auch nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft zu bewilligen sein könnten und damit auch in Fallgestaltungen eines erneuten Bedarfsanfalls möglich seien (BSG, Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R und vom 1. Juli 2009, B 4 AS 77/08 R mit weiteren Nachweisen). Die erneute Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als "Wohnungserstausstattung" durch einen Zuschuss des Leistungsträgers sei nur unter engen Voraussetzungen möglich:
(1) Der konkrete Bedarf sei durch außergewöhnliche Umstände bzw. ein besonderes Ereignis entstanden, (2) ein "spezieller Bedarf" liege vor und (3) ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Umständen/dem besonderen Ereignis und dem Bedarf sei gegeben (BSG, Urteil vom 6. August 2014, a.a.O.).
Das Erfordernis außergewöhnlicher Umstände bzw. eines besonderen Ereignisses folge aus der Systematik der §§ 20 ff SGB II unter Berücksichtigung der nach dem Sinn und Zweck der Regelungen gebotenen bedarfsbezogenen Betrachtungsweise. Bedarfe für wohnraumbezogene Gegenstände könnten Erstausstattungsbedarfe, aber auch Teil der Regelbedarfe sein. Insofern gehe der Gesetzgeber nach dem Wortlaut des § 24 bzw. vormals § 23 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II im Sinne einer typisierenden Betrachtung davon aus, dass alle wohnraumbezogenen Bedarfe, die nicht im Zusammenhang mit der spezifischen Situation der Erstausstattung stünden, nicht von diesem Anspruch, sondern bereits von der Regelleistung "umfasst" seien. Seien vor Eintritt des Bedarfs an Einrichtungsgegenständen die notwendigen Gegenstände in der Wohnung vorhanden gewesen, solle deren Ersetzung bei erneutem Bedarf aus der Regelleistung erfolgen. In der Regelleistung sei als Rechenposten ein pauschaler, den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelnder Einzelbetrag für Möbel und Einrichtungsgegenstände, für Haushaltsgeräte und für Instandhaltungskosten enthalten. Nach der gesetzgeberischen Konzeption werde grundsätzlich davon ausgegangen, dass aktuelle wohnraumbezogene Bedarfe aus diesem in der Regelleistung enthaltenen Ansparanteil oder durch die Gewährung eines Darlehens - wie hier geschehen - zu decken seien. Hieraus folge, dass ein infolge des allgemein üblichen Abnutzungs- und Verschleißprozesses nach und nach entstandener Bedarf - auch wenn hierbei personenbezogene Faktoren, etwa eine mangelnde Sorgfalt oder ein besonders intensiver Gebrauch bestimmter Einrichtungsgegenstände mitgewirkt haben sollten, - durch den Regelbedarf oder durch ein Darlehen zu decken sei.
Eine Erstausstattung im Sinne einer Wiederbeschaffung erfordere in Abgrenzung dazu "von außen" einwirkende außergewöhnliche Umstände bzw. besondere Ereignisse, die zu der Entstehung des Bedarfs geführt hätten. Soweit sie nicht mit Veränderungen der Wohnung bzw. der Wohnsituation einhergingen, müssten diese Umstände bzw. diese Ereignisse regelmäßig geeignet sein, den plötzlichen "Untergang" bzw. die Unbrauchbarkeit der Wohnungsausstattung unabhängig von sonstigen allgemeinen Gründen für den Verschleiß oder den Untergang der Gegenstände herbeizuführen.
Ausgehend von diesen Vorgaben sei festzustellen, dass der Kläger eine Wohnungseinrichtung gehabt habe und dass diese durch einen massiven Ungezieferbefall untergegangen bzw. unbrauchbar geworden sei. Der Bedarf für eine Erstausstattung liege somit vor. Zur Überzeugung des Gerichtes sei der Befall der gesamten Wohnung des Klägers durch Ungeziefer ein "von außen" einwirkendes außergewöhnliches Ereignis, so dass auch die Voraussetzungen für eine erneute Erstausstattung gegeben seien.
Der so festgestellte Anspruch scheitere auch nicht an einem möglichen Mitverschulden des Klägers (bzw. seines Betreuers) im Zusammenhang mit dem Verlust der Wohnungseinrichtung. Aus § 2 SGB II folge, dass Hilfebedürftige in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen hätten, um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten. Auch dürften Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 3 Absatz 3 SGB II nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden könne. Diese Vorschriften regelten indes keine eigenständigen Ausschlusstatbestände; es handele sich vielmehr um Grundsatznormen, die durch die Regelungen insbesondere über den Einsatz von Einkommen und Vermögen bzw. sonstige leistungshindernde Normen konkretisiert würden und regelmäßig nur im Zusammenhang mit ihnen Wirkung entfalteten. Nicht zulässig sei es daher, einen Anspruch allgemein wegen eines fahrlässigen Verhaltens in der Verfolgung eigener Belange in der Vergangenheit oder bloßen Mutmaßungen abzulehnen (so auch BSG, Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 202/10 R mit weiteren Nachweisen). Der Einwand des Beklagten, der starke Wanzenbefall sei vorhersehbar gewesen und hätte bei frühzeitigem Einschalten eines Kammerjägers verhindert werden können, bleibe somit bei der Anspruchsprüfung unbeachtet. Nach alledem hätte dem Kläger die (bereits erbrachte) Wohnungserstausstattung als Zuschuss gewährt werden müssen. Gleiches gelte für die Bekleidungserstausstattung nach § 24 Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II.
Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 2. Mai 2016 (Bl. 72 der Gerichtsakte) zugestellt. Dagegen hat der Beklagte am 11. Mai 2016 (Bl. 74 der Gerichtsakte) Berufung eingelegt.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein maßgebliches Kriterium für die Bewilligung einer Erstausstattung, nämlich das Auftreten eines plötzlichen, von außen wirkenden Ereignisses, welches unabhängig von sonstigen allgemeinen Gründen für den Verschleiß oder den Untergang der Gegenstände zu deren Verlust führt, nicht vorliege. Dazu führt der Beklagte an, dass zwar der Wanzenbefall der Wohnung ein von außen wirkendes besonderes Ereignis sei. Zum Untergang der Einrichtung und Bekleidung habe hier aber vielmehr der Umstand geführt, dass nach Feststellung des Ungezieferbefalls im August 2010 bis zur Ermöglichung der Ungezieferbekämpfung Ende Januar 2011 fast ein halbes Jahr vergangen sei, in dem sich die Wanzen bis in die letzte Ecke der Wohnung ausbreiten konnten. Der Vermieter habe bereits seit November 2010 die Beseitigung des Ungeziefers ermöglichen wollen und sei daran durch den Verbleib des Klägers in der Wohnung gehindert worden. Bei der ungehinderten Ausbreitung der dem Kläger und seinem Betreuer bekannten Wanzenplage über viele Monate hinweg, welche dann letztendlich zum Untergang der Einrichtungsgegenstände und Bekleidung des Klägers geführt habe, handele es sich nicht um ein von außen wirkendes Ereignis, welches zu einem plötzlichen Untergang der betroffenen Gegenstände geführt habe. Dazu werde auch auf das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. Oktober 2008, L 7 AS 146/07 (Verschimmelns der Möbel über einen längeren Zeitraum wegen Nichtverlassens der Wohnung) verwiesen. Im Übrigen liege der Untergang der kompletten Einrichtungsgegenstände des Klägers in dem Umstand begründet, dass sich die Einrichtungsgegenstände in einem desolaten und aufgequollenen Zustand befunden hätten und auch ohne den Wanzenbefall im Rahmen einer geordneten Lebensführung hätten ersetzt werden müssen. Das Auftreten der Wanzenplage sie hier nur der Anlass, nicht aber der hauptsächliche Grund für den Verlust der Einrichtungsgegenstände gewesen, die auch ohne den Wanzenbefall nicht mehr nutzbar gewesen wären.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend, insbesondere komme es nicht auf sein Verschulden oder das seines Betreuers an. Er weist außerdem darauf hin, dass die Wohnungseinrichtung benutzbar gewesen sei und ohne den Wanzenbefall noch Jahre gehalten hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 9. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2011, mit dem der Antrag des Klägers vom 30. Dezember 2010 auf Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten und Bekleidung als Zuschuss abgelehnt wurde, ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung entsprechender Erstausstattungen als Zuschuss. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II bzw. § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II liegen nicht vor.
Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II bzw. § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II sind Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten und Erstausstattungen für Bekleidung nicht von der Regelleistung bzw. vom Regelbedarf umfasst. Diese Leistungen werden nach § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB II bzw. § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB II gesondert erbracht.
Zwar liegt der geltend gemachte Bedarf für die Wohnung und die Bekleidung vor, weil die ursprünglich vorhandenen Möbel des Klägers einschließlich seiner Haushaltsgeräte und die ursprünglich vorhandene Bekleidung des Klägers anlässlich einer Schädlingsbekämpfung entsorgt wurden und dem Kläger nicht mehr zur Verfügung stehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Verschuldensgesichtspunkte nicht schon bei der Feststellung des Bedarfs zu berücksichtigen (Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R, Juris, Rdnr. 16), so dass es insoweit nicht auf ein Verschulden des Klägers hinsichtlich der entstandenen Situation ankommt.
Bei dem Bedarf handelt es sich jedoch nicht um Erstausstattungen. Nach der zutreffend vom Sozialgericht angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R, Juris, Rdnr. 17; Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 202/10 R, Juris, Rdnr. 16; Urteil vom 23. März 2010, B 14 AS 81/08 R, Juris, Rdnr. 16; Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 77/08 R, Juris, Rdnr. 13) setzt ein Anspruch auf die zuschussweise Bewilligung von Geldleistungen für die erneute Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als "Wohnraumerstausstattung" - und dies muss ebenso für die Beschaffung von Kleidung als "Bekleidungserstausstattung" gelten -, voraus, dass der konkrete Bedarf durch außergewöhnliche Umstände bzw. ein besonderes Ereignis entstanden ist (1), ein spezieller Bedarf vorliegt, der erheblich vom Durchschnitt abweicht (2), und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Umständen bzw. dem besonderen Ereignis und dem Bedarf gegeben ist (3).
Die Abgrenzung zwischen einem infolge des allgemein üblichen Abnutzungs- und Verschleißprozesses nach und nach entstehenden Bedarfs, der durch den Regelbedarf oder ggf. bei einer Bedarfsspitze durch ein Darlehen zu decken ist, und einer Wiederbeschaffung als Erstausstattung, für die ein Zuschuss zu gewähren ist, erfolgt nach der zutreffend vom Sozialgericht angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R, Juris, Rdnr. 19) danach, ob von außen einwirkende außergewöhnliche Umstände bzw. besondere Ereignisse zur Entstehung des Bedarfs geführt haben. Soweit die Umstände oder Ereignisse nicht mit Veränderungen der Wohnung oder der Wohnsituation einhergehen, müssen diese Umstände bzw. diese Ereignisse regelmäßig geeignet sein, den plötzlichen Untergang bzw. die Unbrauchbarkeit der Wohnungsausstattung unabhängig von sonstigen allgemeinen Gründen für den Verschleiß oder den Untergang der Gegenstände herbeizuführen (Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R, Juris, Rdnr. 19). Gleiches muss auch für den Untergang bzw. die Unbrauchbarkeit der Bekleidung gelten.
Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts ist der Senat jedoch nicht der Auffassung, dass der Befall der gesamten Wohnung des Klägers durch Ungeziefer ein "von außen" einwirkendes außergewöhnliches Ereignis ist, so dass diese Voraussetzung für eine erneute Erstausstattung gegeben wären. Vielmehr führt der Beklagte zu Recht an, dass der Untergang der gesamten Einrichtung und Bekleidung des Klägers letztlich darauf zurückzuführen ist, dass nach der Feststellung des Ungezieferbefalls im August 2010 mit der vom Vermieter initiierte und bezahlten Ungezieferbekämpfung erst fast ein halbes Jahr später - nach dem notwendigen vorübergehenden Auszug des Klägers aus der Wohnung - begonnen werden konnte, weil der Kläger seine Wohnung vorher nicht verlassen hatte. Bei der ungehinderten Ausbreitung der Wanzen in dieser Zeit handelt es sich nicht um ein von außen wirkendes Ereignis, welches zu einem plötzlichen Untergang der betroffenen Gegenstände geführt hat, so dass die Voraussetzungen für erneute Erstausstattungen für die Wohnungseinrichtung und die Bekleidung nicht vorliegen. Insofern kann auch das Verhalten des Klägers, das erst zum Untergang der gesamten Einrichtung und der gesamten Bekleidung des Klägers geführt hat, bei der Beurteilung, ob ein "von außen" einwirkendes außergewöhnliches Ereignis vorliegt, berücksichtigt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Revisionszulassung gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
2. Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Erstausstattungen für die Wohnung des Klägers einschließlich der Haushaltsgeräte und für die Bekleidung des Klägers als Zuschuss statt als Darlehen.
Der 1954 geborene Kläger, für den sein Prozessbevollmächtigter als Betreuer bestellt ist (Betreuerausweis vom 17. Juni 2008, Bl. 4 der Gerichtsakte L 7 AS 184/11 B ER), erhielt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten.
Mit Schreiben vom 9. August 2010 (Bl. 360 der Verwaltungsakte) teilte der Betreuer des Klägers dem Beklagten mit, dass die Wohnung des Klägers von Ungeziefer befallen sei und es dringend erforderlich sei, dass die Wohnung durch einen Kammerjäger von dem Ungeziefer befreit wird. Er beantragte die Übernahme der Kosten für die Reinigung und die Renovierung der Wohnung. Der Beklagte verwies den Kläger durch Bescheid vom 13. August 2010 (Bl. 362 der Verwaltungsakte) bezüglich einer Grundreinigung an das Sozialrathaus C-Stadt und bewilligte dem Kläger durch einen weiteren Bescheid vom 13. August 2010 (Bl. 365 der Verwaltungsakte) Leistungen in Höhe von 168 Euro zur Renovierung der Wohnung.
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2010 (Bl. 8 der Gerichtsakte L 7 AS 184/11 B ER), das sich jedoch nicht in der Verwaltungsakte des Beklagten befindet, wies der Betreuer des Klägers den Beklagten (nochmals) darauf hin, dass die Wohnung des Klägers von Ungeziefer befallen sei. Um die Wohnung wieder in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen, sei die vollständige Entsorgung aller in der Wohnung vorhandenen Möbelstücke erforderlich. Sobald die Wohnung wieder bewohnbar sei, müsse die Wohnung vollständig neu möbliert werden. Auch eine Grundausstattung an neuer Bekleidung werde erforderlich sein. Der Betreuer beantragte die Gewährung entsprechender Erstausstattungen sowie die finanziellen Mittel, welche zum Transport der Möbelstücke erforderlich seien.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2011 (Bl. 658 der Verwaltungsakte) wies der Vermieter des Klägers den Betreuer des Klägers darauf hin, dass der Kläger nach der schriftlichen Mitteilung vom 2. November 2010 über einen Ungezieferbefall in seiner Wohnung trotz mehrmaliger telefonischer Ankündigungen bisher nicht vorübergehend aus der Wohnung ausgezogen sei, so dass bislang noch keine Schädlingsbekämpfung habe durchgeführt werden können.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2011 (Bl. 390 der Verwaltungsakte) erinnerte der Betreuer den Beklagten an seinen mit Schreiben vom 30. Dezember 2010 gestellten Antrag. Mit Bescheid vom 9. Februar 2011 (Bl. 393 der Verwaltungsakte) lehnte der Beklagte die Gewährung entsprechender Erstausstattungen ab. Nach § 23 Abs. 3 SGB II könne keine Erstausstattung gewährt werden, da es sich um eine Ersatzbeschaffung gehandelt habe. Es könne lediglich eine darlehensweise Gewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II geprüft werden. Dafür seien ein Darlehensantrag und eine genaue Aufstellung der Dinge, die benötigt würden, notwendig. Gegen diesen Bescheid legte der Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 14. Februar 2011 (Bl. 403 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein. Eine Erstausstattung sei in diesem Fall als Sonderbedarf zu gewähren, da ein Totalverlust der bisherigen Einrichtung vorliege. Da die vorhandene Einrichtung nicht mehr zu erhalten gewesen wäre, habe der Antrag nicht abgelehnt werden dürfen. Ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren des Klägers vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main und dem Hessischen Landessozialgericht blieb ohne Erfolg (L 7 AS 184/11 B ER).
Mit Schreiben vom 22. Februar 2011 (Bl. 417 der Verwaltungsakte) beantragte der Betreuer des Klägers beim Beklagten die Gewährung eines Darlehens für ein Bettgestell mit Lattenrost und neuer Matratze (1), für eine Bettdecke und Kissen (2), für Bettwäsche inklusive mindestens zwei Betttüchern (3), für einen Kleiderschrank (4), für eine Spüle (5), für einen Herd (6), für einen Küchenschrank (7), für einen Kühlschrank (8), für zwei Küchenstühle (9), für eine Couch und einen Sessel (10), für einen Couchtisch (11), für eine Erstausstattung für Bekleidung (12), für den Transport und die Lieferung der Möbel (13), für die Anschlussarbeiten für Spüle und Herd (14) und für die Aufbaukosten für die Möbel (15). Dabei wies er darauf hin, dass sich der Antrag auf Gewährung eines Zuschusses dadurch nicht erledigt habe.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2011 (Bl. 421 der Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagten dem Kläger die darlehensweise Übernahme der Kosten für Möbel und Kleidung in Höhe von 980 Euro; für die Möbel in Form eines Gutscheins in Höhe von 680 Euro und für die Kleidung in Form eins Schecks in Höhe von 300 Euro. Die Rückzahlung des Darlehens erfolge ab 1. April 2011 durch Aufrechnung in Höhe von 30 Euro gegen die laufenden Leistungen monatlich. Dagegen legte der Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 24. März 2011 (Bl. 442 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein. Ebenfalls mit einem Bescheid vom 25. Februar 2011 (Bl. 424 der Verwaltungsakte) erfolgte die Ablehnung der Darlehensgewährung in Hinblick auf eine Spüle, einen Herd, einen Kühlschrank und Stühle, da diese nach einer gründlichen Reinigung noch nutzbar seien. Bezüglich der Aufbaukosten für die Möbel werde auf Selbsthilfe verwiesen. Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte der Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 24. März 2011 (Bl. 434 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein und legte dazu ein Schreiben des Schädlingsbekämpfers D. vom 16. März 2011 (Bl. 426 der Verwaltungsakte) an ihn vor, in dem dieser sich zur nochmaligen Benutzung des Inventars der Wohnung des Klägers äußert und ausführt, dass sämtliche Möbelstücke - auch die der Küche - in einem so verkommenen und defekten Zustand gewesen seien, dass es unzumutbar wäre, diese Gegenstände selbst nach vorheriger gründlicher Reinigung jemanden zukommen zu lassen. Es müsse erwähnt werden, dass sämtliche Möbelstücke aus der Küche aus Sperrholz waren, was optimale Versteckmöglichkeiten für die Tiere gewesen seien. Selbst nach Öffnen der hinteren Wand des Herdes seien unzählige dieser Plagegeister zum Vorschein gekommen, die selbst zwischen Steckverbindungen, ja sogar zwischen der Isolierung der Kabel gesessen hätten. Eine adäquate Bekämpfungsmaßnahme wäre ohne Entfernung der massiv befallenen Gegenstände nicht möglich gewesen. Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2011 (Bl. 431 der Verwaltungsakte) dem Kläger auch noch die darlehensweise Übernahme der Kosten für Haushaltsgeräte (Herd, Kühlschrank und Stühle) in Höhe von 485 Euro in Form eines Gutscheins. Die Rückzahlung des Darlehens erfolge ab 1. Mai 2011 durch Aufrechnung in Höhe von 30 Euro gegen die laufenden Leistungen monatlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2011 (Bl. 461 der Verwaltungsakte) wies der Beklagten den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 9. Februar 2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte an, dass eine Verwanzung der Wohnung bei frühzeitigem Einschalten des Kammerjägers hätte verhindert werden können. Der Bedarf sei daher nicht unvorhersehbar gewesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Erstausstattungen als Zuschuss bestehe nicht.
Dagegen erhob der Betreuer des Klägers am 16. Juni 2011 (Bl. 1 der Gerichtsakte) beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage. Er trug im Wesentlichen vor, die Wohnung sei von Ungeziefer befallen gewesen. Um das Ungeziefer vollständig aus der Wohnung zu entfernen, sei die Entsorgung des vollständigen Hausrates einschließlich aller Möbelstücke und Elektrogeräte erforderlich gewesen. Eine Erstausstattung sei auch in Fällen zu gewähren, in welchen ein Totalverlust der bisher vorhandenen Einrichtung vorliege. Der Sachverhalt sei vergleichbar mit einem Brand. Er legte dem Gericht eine Bescheinigung des Vermieters vom 5. April 2011 (Bl. 42 der Gerichtsakte) vor, worin dieser erklärt, nach Sanierung der Wohnung sei diese am 4. März 2011 wieder an den Mieter übergeben worden. Die Schädlingsbekämpfung einschließlich der ordnungsgemäßen Entsorgung des kompletten von Schädlingen befallenen Hausrates habe 5.950 Euro und die Sanierung der Wohnung ca. 8.000 Euro gekostet.
Der Kläger beantragte, den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2011 die bisher darlehensweise bewilligte Erstausstattung an Wohnungseinrichtung und Kleidung als Beihilfe zu gewähren. Der Beklagte trat dem entgegen.
Mit Urteil vom 24. März 2016 (Bl. 63 der Gerichtsakte) verurteilte das Sozialgericht Frankfurt am Main den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2011 dazu, dem Kläger die bisher darlehensweise bewilligte Erstausstattung an Wohnungseinrichtung und Kleidung als Beihilfe zu gewähren.
Grundsätzlich läge der Sachverhalt einer Wohnungserstausstattung zwar nur dann vor, wenn ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung bestehe, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt sei. Eine "Wohnungserstausstattung" könne aber auch bei einem erneuten Bedarf nach einer Erstbeschaffung von Einrichtungsgegenständen vor oder während des SGB II-Bezugs in Betracht kommen. So sei davon auszugehen, dass "Erstausstattungen" für die Wohnung beispielsweise auch nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft zu bewilligen sein könnten und damit auch in Fallgestaltungen eines erneuten Bedarfsanfalls möglich seien (BSG, Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R und vom 1. Juli 2009, B 4 AS 77/08 R mit weiteren Nachweisen). Die erneute Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als "Wohnungserstausstattung" durch einen Zuschuss des Leistungsträgers sei nur unter engen Voraussetzungen möglich:
(1) Der konkrete Bedarf sei durch außergewöhnliche Umstände bzw. ein besonderes Ereignis entstanden, (2) ein "spezieller Bedarf" liege vor und (3) ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Umständen/dem besonderen Ereignis und dem Bedarf sei gegeben (BSG, Urteil vom 6. August 2014, a.a.O.).
Das Erfordernis außergewöhnlicher Umstände bzw. eines besonderen Ereignisses folge aus der Systematik der §§ 20 ff SGB II unter Berücksichtigung der nach dem Sinn und Zweck der Regelungen gebotenen bedarfsbezogenen Betrachtungsweise. Bedarfe für wohnraumbezogene Gegenstände könnten Erstausstattungsbedarfe, aber auch Teil der Regelbedarfe sein. Insofern gehe der Gesetzgeber nach dem Wortlaut des § 24 bzw. vormals § 23 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II im Sinne einer typisierenden Betrachtung davon aus, dass alle wohnraumbezogenen Bedarfe, die nicht im Zusammenhang mit der spezifischen Situation der Erstausstattung stünden, nicht von diesem Anspruch, sondern bereits von der Regelleistung "umfasst" seien. Seien vor Eintritt des Bedarfs an Einrichtungsgegenständen die notwendigen Gegenstände in der Wohnung vorhanden gewesen, solle deren Ersetzung bei erneutem Bedarf aus der Regelleistung erfolgen. In der Regelleistung sei als Rechenposten ein pauschaler, den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelnder Einzelbetrag für Möbel und Einrichtungsgegenstände, für Haushaltsgeräte und für Instandhaltungskosten enthalten. Nach der gesetzgeberischen Konzeption werde grundsätzlich davon ausgegangen, dass aktuelle wohnraumbezogene Bedarfe aus diesem in der Regelleistung enthaltenen Ansparanteil oder durch die Gewährung eines Darlehens - wie hier geschehen - zu decken seien. Hieraus folge, dass ein infolge des allgemein üblichen Abnutzungs- und Verschleißprozesses nach und nach entstandener Bedarf - auch wenn hierbei personenbezogene Faktoren, etwa eine mangelnde Sorgfalt oder ein besonders intensiver Gebrauch bestimmter Einrichtungsgegenstände mitgewirkt haben sollten, - durch den Regelbedarf oder durch ein Darlehen zu decken sei.
Eine Erstausstattung im Sinne einer Wiederbeschaffung erfordere in Abgrenzung dazu "von außen" einwirkende außergewöhnliche Umstände bzw. besondere Ereignisse, die zu der Entstehung des Bedarfs geführt hätten. Soweit sie nicht mit Veränderungen der Wohnung bzw. der Wohnsituation einhergingen, müssten diese Umstände bzw. diese Ereignisse regelmäßig geeignet sein, den plötzlichen "Untergang" bzw. die Unbrauchbarkeit der Wohnungsausstattung unabhängig von sonstigen allgemeinen Gründen für den Verschleiß oder den Untergang der Gegenstände herbeizuführen.
Ausgehend von diesen Vorgaben sei festzustellen, dass der Kläger eine Wohnungseinrichtung gehabt habe und dass diese durch einen massiven Ungezieferbefall untergegangen bzw. unbrauchbar geworden sei. Der Bedarf für eine Erstausstattung liege somit vor. Zur Überzeugung des Gerichtes sei der Befall der gesamten Wohnung des Klägers durch Ungeziefer ein "von außen" einwirkendes außergewöhnliches Ereignis, so dass auch die Voraussetzungen für eine erneute Erstausstattung gegeben seien.
Der so festgestellte Anspruch scheitere auch nicht an einem möglichen Mitverschulden des Klägers (bzw. seines Betreuers) im Zusammenhang mit dem Verlust der Wohnungseinrichtung. Aus § 2 SGB II folge, dass Hilfebedürftige in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen hätten, um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten. Auch dürften Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 3 Absatz 3 SGB II nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden könne. Diese Vorschriften regelten indes keine eigenständigen Ausschlusstatbestände; es handele sich vielmehr um Grundsatznormen, die durch die Regelungen insbesondere über den Einsatz von Einkommen und Vermögen bzw. sonstige leistungshindernde Normen konkretisiert würden und regelmäßig nur im Zusammenhang mit ihnen Wirkung entfalteten. Nicht zulässig sei es daher, einen Anspruch allgemein wegen eines fahrlässigen Verhaltens in der Verfolgung eigener Belange in der Vergangenheit oder bloßen Mutmaßungen abzulehnen (so auch BSG, Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 202/10 R mit weiteren Nachweisen). Der Einwand des Beklagten, der starke Wanzenbefall sei vorhersehbar gewesen und hätte bei frühzeitigem Einschalten eines Kammerjägers verhindert werden können, bleibe somit bei der Anspruchsprüfung unbeachtet. Nach alledem hätte dem Kläger die (bereits erbrachte) Wohnungserstausstattung als Zuschuss gewährt werden müssen. Gleiches gelte für die Bekleidungserstausstattung nach § 24 Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II.
Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 2. Mai 2016 (Bl. 72 der Gerichtsakte) zugestellt. Dagegen hat der Beklagte am 11. Mai 2016 (Bl. 74 der Gerichtsakte) Berufung eingelegt.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein maßgebliches Kriterium für die Bewilligung einer Erstausstattung, nämlich das Auftreten eines plötzlichen, von außen wirkenden Ereignisses, welches unabhängig von sonstigen allgemeinen Gründen für den Verschleiß oder den Untergang der Gegenstände zu deren Verlust führt, nicht vorliege. Dazu führt der Beklagte an, dass zwar der Wanzenbefall der Wohnung ein von außen wirkendes besonderes Ereignis sei. Zum Untergang der Einrichtung und Bekleidung habe hier aber vielmehr der Umstand geführt, dass nach Feststellung des Ungezieferbefalls im August 2010 bis zur Ermöglichung der Ungezieferbekämpfung Ende Januar 2011 fast ein halbes Jahr vergangen sei, in dem sich die Wanzen bis in die letzte Ecke der Wohnung ausbreiten konnten. Der Vermieter habe bereits seit November 2010 die Beseitigung des Ungeziefers ermöglichen wollen und sei daran durch den Verbleib des Klägers in der Wohnung gehindert worden. Bei der ungehinderten Ausbreitung der dem Kläger und seinem Betreuer bekannten Wanzenplage über viele Monate hinweg, welche dann letztendlich zum Untergang der Einrichtungsgegenstände und Bekleidung des Klägers geführt habe, handele es sich nicht um ein von außen wirkendes Ereignis, welches zu einem plötzlichen Untergang der betroffenen Gegenstände geführt habe. Dazu werde auch auf das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. Oktober 2008, L 7 AS 146/07 (Verschimmelns der Möbel über einen längeren Zeitraum wegen Nichtverlassens der Wohnung) verwiesen. Im Übrigen liege der Untergang der kompletten Einrichtungsgegenstände des Klägers in dem Umstand begründet, dass sich die Einrichtungsgegenstände in einem desolaten und aufgequollenen Zustand befunden hätten und auch ohne den Wanzenbefall im Rahmen einer geordneten Lebensführung hätten ersetzt werden müssen. Das Auftreten der Wanzenplage sie hier nur der Anlass, nicht aber der hauptsächliche Grund für den Verlust der Einrichtungsgegenstände gewesen, die auch ohne den Wanzenbefall nicht mehr nutzbar gewesen wären.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend, insbesondere komme es nicht auf sein Verschulden oder das seines Betreuers an. Er weist außerdem darauf hin, dass die Wohnungseinrichtung benutzbar gewesen sei und ohne den Wanzenbefall noch Jahre gehalten hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 9. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2011, mit dem der Antrag des Klägers vom 30. Dezember 2010 auf Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten und Bekleidung als Zuschuss abgelehnt wurde, ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung entsprechender Erstausstattungen als Zuschuss. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II bzw. § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II liegen nicht vor.
Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II bzw. § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II sind Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten und Erstausstattungen für Bekleidung nicht von der Regelleistung bzw. vom Regelbedarf umfasst. Diese Leistungen werden nach § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB II bzw. § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB II gesondert erbracht.
Zwar liegt der geltend gemachte Bedarf für die Wohnung und die Bekleidung vor, weil die ursprünglich vorhandenen Möbel des Klägers einschließlich seiner Haushaltsgeräte und die ursprünglich vorhandene Bekleidung des Klägers anlässlich einer Schädlingsbekämpfung entsorgt wurden und dem Kläger nicht mehr zur Verfügung stehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Verschuldensgesichtspunkte nicht schon bei der Feststellung des Bedarfs zu berücksichtigen (Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R, Juris, Rdnr. 16), so dass es insoweit nicht auf ein Verschulden des Klägers hinsichtlich der entstandenen Situation ankommt.
Bei dem Bedarf handelt es sich jedoch nicht um Erstausstattungen. Nach der zutreffend vom Sozialgericht angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R, Juris, Rdnr. 17; Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 202/10 R, Juris, Rdnr. 16; Urteil vom 23. März 2010, B 14 AS 81/08 R, Juris, Rdnr. 16; Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 77/08 R, Juris, Rdnr. 13) setzt ein Anspruch auf die zuschussweise Bewilligung von Geldleistungen für die erneute Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als "Wohnraumerstausstattung" - und dies muss ebenso für die Beschaffung von Kleidung als "Bekleidungserstausstattung" gelten -, voraus, dass der konkrete Bedarf durch außergewöhnliche Umstände bzw. ein besonderes Ereignis entstanden ist (1), ein spezieller Bedarf vorliegt, der erheblich vom Durchschnitt abweicht (2), und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Umständen bzw. dem besonderen Ereignis und dem Bedarf gegeben ist (3).
Die Abgrenzung zwischen einem infolge des allgemein üblichen Abnutzungs- und Verschleißprozesses nach und nach entstehenden Bedarfs, der durch den Regelbedarf oder ggf. bei einer Bedarfsspitze durch ein Darlehen zu decken ist, und einer Wiederbeschaffung als Erstausstattung, für die ein Zuschuss zu gewähren ist, erfolgt nach der zutreffend vom Sozialgericht angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R, Juris, Rdnr. 19) danach, ob von außen einwirkende außergewöhnliche Umstände bzw. besondere Ereignisse zur Entstehung des Bedarfs geführt haben. Soweit die Umstände oder Ereignisse nicht mit Veränderungen der Wohnung oder der Wohnsituation einhergehen, müssen diese Umstände bzw. diese Ereignisse regelmäßig geeignet sein, den plötzlichen Untergang bzw. die Unbrauchbarkeit der Wohnungsausstattung unabhängig von sonstigen allgemeinen Gründen für den Verschleiß oder den Untergang der Gegenstände herbeizuführen (Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R, Juris, Rdnr. 19). Gleiches muss auch für den Untergang bzw. die Unbrauchbarkeit der Bekleidung gelten.
Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts ist der Senat jedoch nicht der Auffassung, dass der Befall der gesamten Wohnung des Klägers durch Ungeziefer ein "von außen" einwirkendes außergewöhnliches Ereignis ist, so dass diese Voraussetzung für eine erneute Erstausstattung gegeben wären. Vielmehr führt der Beklagte zu Recht an, dass der Untergang der gesamten Einrichtung und Bekleidung des Klägers letztlich darauf zurückzuführen ist, dass nach der Feststellung des Ungezieferbefalls im August 2010 mit der vom Vermieter initiierte und bezahlten Ungezieferbekämpfung erst fast ein halbes Jahr später - nach dem notwendigen vorübergehenden Auszug des Klägers aus der Wohnung - begonnen werden konnte, weil der Kläger seine Wohnung vorher nicht verlassen hatte. Bei der ungehinderten Ausbreitung der Wanzen in dieser Zeit handelt es sich nicht um ein von außen wirkendes Ereignis, welches zu einem plötzlichen Untergang der betroffenen Gegenstände geführt hat, so dass die Voraussetzungen für erneute Erstausstattungen für die Wohnungseinrichtung und die Bekleidung nicht vorliegen. Insofern kann auch das Verhalten des Klägers, das erst zum Untergang der gesamten Einrichtung und der gesamten Bekleidung des Klägers geführt hat, bei der Beurteilung, ob ein "von außen" einwirkendes außergewöhnliches Ereignis vorliegt, berücksichtigt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Revisionszulassung gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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