S 5 AS 2398/17 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 5 AS 2398/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
S 2 AS 575/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Born wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II).

Die am ... 1962 bzw. am ... 1963 geborenen und miteinander verheirateten Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Sie reisten nach eigenen Angaben im Jahr 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und nahmen sodann ihren Wohnsitz in ... Der Antragsgegner gewährte den Antragstellern von Juli 2014 bis Juni 2016 (vorläufig) Leistungen nach dem SGB II unter Zugrundelegung von Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit der Antragstellerin zu 2. mit dem An- und Verkauf von Fahrzeugen. Über eine Fahrerlaubnis verfügt die Antragstellerin zu 2. nicht. Für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. November 2016 wurden Leistungen versagt. Die am 27. März 2001 geborene Tochter ... , für die Kindergeld in Höhe von monatlich 192 EUR bezogen wird, hält sich seit Oktober 2016 wieder in Rumänien auf. Seit dem 1. Juni 2016 waren die Antragsteller wohnungslos und hielten sich nach eigenen Angaben in Halle bei Verwandten auf. Eine entsprechende Abmeldung bei der Stadt ... erfolgte am 23. Dezember 2016. Am 24. Januar 2017 wurde das bislang unter der Anschrift ... in ... geführte Gewerbe der Antragstellerin zu 2. von Amts wegen mit der Angabe "keine Betriebsstätte / unbekannt verzogen" abgemeldet. Von Dezember 2016 bis Februar 2017 gewährte der Antragsgegner den Antragstellern erneut vorläufig Leistungen. Am 22. März 2017 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner die Weiterbewilligung von Leistungen. Angaben zu ihrer Anschrift und zu etwaig anfallenden Kosten für und Unterkunft und Heizung (KdUH) sind darin nicht enthalten. In der Anlage EKS vom 25. April 2017 gaben die Antragsteller an, in der ... in ... einen An- und Verkauf von Fahrzeugen zu betreiben. Am 25. April 2017 sprachen die Antragsteller beim Antragsgegner außerdem in Begleitung einer Dolmetscherin vor. Mit Bescheid vom 2. Mai 2017 lehnte der Antragsgegner eine Leistungsbewilligung für die Zeit ab dem 9. Februar 2017 ab, da sich die Antragsteller nunmehr allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielten und damit kein Leistungsanspruch bestehe. Zum 2. Mai 2017 meldeten sich die Antragsteller bei der Stadt unter der Anschrift ... in ... an. Am 9. Mai 2017 meldete die Antragstellerin zu 2. bei der Stadt erneut ein Gewerbe "An- und Verkauf von Fahrzeugen (Import-Export)" mit Beginn zum 2. Mai 2017 unter der Anschrift der Wohnung in der ... in ... an. Mit Bescheiden vom 24. Mai 2017 machte der Antragsgegner bei den Antragstellern die Erstattung von Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2016 bis zum 28. Februar 2017 geltend. Ein Anspruch auf Leistungen habe nicht bestanden.

Am 29. Mai 2017 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner erneut die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II und gaben zu der selbständigen Tätigkeit in der Anlage EKS vom 7. Juni 2017 an, in der Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2017 bei monatlichen Betriebseinnahmen von 500 EUR und allein durch Wareneinkauf anfallenden Betriebsausgaben von 300 EUR einen monatlichen Gewinn von 200 EUR zu erwarten. Sie fügten in Kopie fünf Kaufverträge für Kraftfahrzeuge aus dem Zeitraum von Januar bis April 2017 und drei Kaufverträge für Kraftfahrzeuge aus dem Zeitraum von Mai bis Juni 2017 bei, bei denen die Antragstellerin zu 2 wechselnd als Käuferin bzw. Verkäuferin benannt ist. Die Kaufverträge sind formularmäßig gestaltet und jeweils handschriftlich ausgefüllt. Die darin angegebenen Kaufpreise für die Kraftfahrzeuge liegen zwischen 300 EUR und 770 EUR. In einer auf den 6. Juli 2017 datierten Erklärung teilte die Antragstellerin zu 2. dem Antragsgegner sinngemäß mit, im Rahmen ihrer Tätigkeit mit ihrem Sohn zu fahren, da dieser etwas deutsch verstehe. Mit Bescheid vom 6. Juli 2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag für die Zeit vom 1. Mai 2017 bis zum 31. Oktober 2017 ab, da sich die Antragsteller allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielten und damit kein Leistungsanspruch bestehe. Die selbständige Tätigkeit werde tatsächlich nicht ausgeübt. Die Gewerbeanmeldung sei kein Indiz für die tatsächliche Gewerbeausübung. Die Antragstellerin zu 2. verfüge weder über eine Fahrerlaubnis, noch über Kenntnisse der deutschen Sprache, die eine einfache Verständigung ermöglichen würden. Es sei außerdem nicht plausibel, dass bei der angegebenen selbständigen Tätigkeit keine Kosten für Versicherungen, Benzin und Stellplätze anfielen. Dagegen erhoben die Kläger am 24. Juli 2017 Widerspruch. Es bestünde zumindest gemäß § 41a Abs. 7 SGB II ein Anspruch auf vorläufige Leistungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2017 wies der Antragsgegner den Widerspruch unter Wiederholung der Gründe des Ausgangsbescheides zurück und führte ergänzend aus, dass die behauptete Tätigkeit mangels Fahrerlaubnis der Antragstellerin zu 2., eines nicht vorhandenen eigenen Kraftfahrzeuges sowie fehlender Betriebsstätte nicht zu erklären sei. Zudem bestehe ein Abstellverbot für abgemeldete Fahrzeuge im öffentlichen Raum, so dass auch ein Transport angekaufter und verkaufter Kraftfahrzeuge nicht erklärlich sei. Wegen fehlender Deutschkenntnisse sei außerdem unklar, wie sich die Antragstellerin zu 2. um Aufträge bemühe.

Zugleich haben die Antragsteller am 31. Juli 2017 beim Sozialgericht (SG) Halle um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt. Die Antragstellerin zu 2. habe seit dem Jahr 2015 einen Gebrauchtwagenhandel betrieben. Zwar lasse sich unter Berücksichtigung der im Zeitraum von Januar bis Juni 2017 von der Antragstellerin zu 2. erzielten Erwerbseinkünfte von durchschnittlich ca. 116 EUR monatlich kein Freizügigkeitsrecht bzw. Leistungsanspruch aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) herleiten. Es bestünde aber unter Beachtung der Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. Februar 2017 - L 8 SO 344/16 B ER - und des LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. April 2017 - L 1 AS 854/17 ER-B - gemäß § 41a Abs. 7 SGB II ein Anspruch auf vorläufige Leistungen in Höhe der Regelbedarfe. KdUH fielen hingegen nicht an, da sie in der Wohnung ihres Sohnes leben würden. Sie würden gegenwärtig ausschließlich über das Kindergeld ihrer nicht mehr in ihrem Haushalt lebenden Tochter verfügen.

Die Antragsteller beantragen schriftsätzlich,

den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verweist auf seine ablehnende Verwaltungsentscheidung.

Am 7. August 2017 haben die Antragsteller beim SG Halle Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2017 erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 5 AS 2474/17 geführt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet und hat keinen Erfolg. Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Eine Regelungsanordnung kann erlassen werden, wenn die Antragsteller glaubhaft machen, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und sie ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würden (Anordnungsgrund). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Abs. 1 und 3, 920 ff. der Zivilprozessordnung dürfen dabei aber nicht überspannt werden, sondern haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -). Der Anordnungsgrund setzt voraus, dass den Antragstellern bei Abwägung ihrer Interessen gegenüber denjenigen des Antragsgegners nicht zugemutet werden kann, die Entscheidung in der Hauptsache - das Klageverfahren S 5 AS 2474/17 - abzuwarten. Insoweit käme selbst bei einem Vorliegen aller Voraussetzungen der hier begehrten behördlichen Entscheidung des Antragsgegners unter Beachtung des grundsätzlichen Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache regelmäßig allein eine vorläufige Regelung in Betracht, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Bei einem offenen Ausgang der Hauptsache, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 -). Das Begehren der Antragsteller muss bei der im einstweiligen Rechtschutz gebotenen summarischen Prüfung begründet erscheinen.

Gemessen daran haben die Antragsteller bereits keinen Anordnungsanspruch und insbesondere keine Hilfebedürftigkeit i.S.v. § 9 SGB II glaubhaft gemacht. Die Kammer geht nicht davon aus, dass die Antragsteller die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erfüllen. Zwar haben die Antragsteller das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, sind offensichtlich erwerbsfähig und haben zumindest gegenwärtig ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Sie können sich jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht auf eine Aufenthaltsberechtigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU (Antragstellerin zu 2.) bzw. hieran anknüpfend nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 3 Freizügigkeitsgesetz/EU (Antragsteller zu 1.) berufen. Zwar sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügigkeitsG/EU Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt, wenn sie zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige). Voraussetzung hierfür ist, dass eine Tätigkeit als Selbständiger im Aufnahmestaat, d.h. der Bundesrepublik Deutschland, tatsächlich ausgeübt wird. Allein ein formaler Akt der Gewerbeausübung, wie er durch die Gewerbeanmeldung dokumentiert wird, reicht dabei regelmäßig nicht aus. Vielmehr muss sich eine geordnete und üblichen Gepflogenheiten entsprechende tatsächlich ausgeübte erwerbsorientierte und auf Dauer ausgerichtete Tätigkeit feststellen lassen. Der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit muss zwar (noch) nicht das notwendige Existenzminimum decken, allerdings darf die Tätigkeit nicht einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R -), was bei entsprechenden Gewinnen von unter 150 EUR monatlich regelmäßig anzunehmen ist (vgl. SG Halle, Beschluss vom 22. Januar 2016 - S 5 AS 4299/15 ER -, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Juni 2016 - L 2 AS 84/16 B ER -, juris, Rdnr. 47: Durchschnittsverdienst in Höhe von 157,14 EUR bzw. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Mai 2016 - L 2 AS 184/16 B ER -, juris, Rdnr. 53: Durchschnittsverdienst in Höhe von 175 EUR, ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Juni 2016 - L 4 AS 193/16 B ER -, juris). Unabhängig davon, dass die Antragsteller eine diesen Maßstäben entsprechende selbständige Tätigkeit schon selbst nicht behaupten, in dem sie in ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz anführen, bei angeblichen monatlichen Durchschnittseinkünften in Höhe von 116 EUR wohl kein entsprechendes Freizügigkeitsrecht ableiten zu können, haben die Antragsteller für die Zeit nach der rückwirkenden Gewerbeanmeldung zum 2. Mai 2017 eine entsprechende Tätigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Insofern geht die Kammer davon aus, dass die im Verwaltungsverfahren hierzu vorgelegten Kaufverträge, die im Durchschnitt ein einziges entsprechendes Rechtsgeschäft pro Monat wiedergeben sollen, nur zum Schein und allein mit dem Bestreben, Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, erstellt worden sind, zumal die dadurch behaupteten und einen Leistungsbezug ermöglichenden Einkünfte zugleich lediglich in einer Höhe angegeben werden, bei der unter Berücksichtigung der Absetzbeträge (§ 11b SGB II) keine den Leistungsanspruch spürbar reduzierende Einkommensanrechnung eintreten würde. Eine ernsthafte, erwerbsorientierte und auf Dauer angestrebte selbständige Tätigkeit liegt damit gerade nicht vor. Denn es ist - wie der Antragsgegner zutreffend angenommen hat - nicht plausibel, einen An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen ohne entsprechende Sprachkenntnisse, ohne Geschäftskonto und ohne Betriebsstätte zu betreiben und jeweils monatlich durchschnittlich ein Auto zu kaufen bzw. zu verkaufen (wohl ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Mai 2016 - L 2 AS 184/16 B ER -, juris, Rdnr. 59). Denn auch bei "nur" einem einzigen Kraftfahrzeug pro Monat, das Gegenstand der selbständigen Tätigkeit ist, bedarf es bei einer ernsthaften und erwerbsorientierten Tätigkeit neben den erforderlichen Sprachkenntnissen einer Betriebsstätte, weil andernfalls das damit verbundene Abstellen entsprechend abgemeldeter Fahrzeuge rechtswidrig auf öffentlichen Straßen stattfindet (vgl. § 1 Straßenverkehrsgesetz) und sich ein tragfähiger Kfz-Handel auf dieser Basis nicht auf Dauer etablieren lässt. Eine solche Betriebsstätte halten die Antragsteller nicht vor. Vielmehr waren sie seit Juni 2016 ohne festen Wohnsitz bzw. halten sich nach eigenem Vorbringen gegenwärtig in der Wohnung ihres Sohnes auf. Auch fehlt es an einem entsprechenden Transportfahrzeug, welches für den reibungslosen An- und Verkauf von Fahrzeugen regelmäßig erforderlich sein dürfte. Zudem hält die Antragstellerin zu 2. offenbar kein Geschäftskonto für einen kaufmännisch üblichen und allgemeinen Gepflogenheiten entsprechenden Zahlungsverkehr vor. Ebenso fehlt es an geeigneten Unterlagen zu entsprechenden Einnahme-Überschuss-Rechnungen bzw. sonstigen betriebswirtschaftlichen Auswertungen. Eine tatsächliche Ausübung der selbständigen Tätigkeit scheidet damit nach der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ersichtlich aus. Anderes ergibt sich auch nicht etwa deshalb, weil der Antragsgegner den Antragstellern in der Vergangenheit bereits teilweise Leistungen gewährt hat. Denn es ergibt sich kein auf den hier zugrunde liegenden Antrag fortwirkendes Indiz für die Annahme einer entsprechenden Tätigkeit aus dem Umstand, dass der Antragsgegner zuvor und bis zu der während der Wohnungslosigkeit der Antragsteller erfolgten Gewerbeabmeldung am 24. Januar 2017 offenbar eine selbständige Tätigkeit der Antragstellerin zu 2. angenommen hat.

Ein fortdauerndes Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU kommt ebenso nicht Betracht. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU bleibt das Recht auf Freizügigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 FreizügG/EU für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Entsprechendes ist von der Antragstellerin zu 2. auch nicht behauptet bzw. noch sonst glaubhaft gemacht worden. Ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a FreizügG/EU, das einen fünfjähren Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt, scheitert daran, dass die Antragsteller nach eigenen Angaben erst im Jahr 2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind.

Demnach ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass den Antragstellern allein ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche für sich und ihre Familienangehörigen zur Seite steht (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 2 Abs. 1 FreizügigkeitsG/EU), mit dem sie jedoch von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen sind, was auch europarechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. nur Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 4. Juni 2009 - C-22/08, C-23/08 - (Vatsouras und Koupatantze) ; EuGH Urteil vom 11. November 2014 - C-333/13 - (Dano) ; EuGH, Urteil vom 15. September 2015 - C-67/14 - (Alimanovic)). Ein entsprechender verfestigter Aufenthalt von mindestens fünf Jahren (§ 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II) liegt ebenfalls noch nicht vor.

Entgegen der Ansicht der Antragsteller besteht auch gemäß § 41a Abs. 7 SGB II kein Anspruch auf vorläufige Leistungen nach dem SGB II. Zwar kann gemäß § 41a Abs. 7 SGB II über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig entschieden werden, wenn 1. die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem BVerfG oder dem Gerichtshof der Europäischen Union ist oder 2. eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim BSG ist. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Denn die vorliegend entscheidungserhebliche Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II in der Fassung vom 22. Dezember 2016 ist nicht Gegenstand eines Verfahrens am BVerfG und - soweit erkennbar - auch nicht beim BSG, so dass ein Anspruch in unmittelbarer Anwendung des § 41a Abs. 7 SGB II ausscheidet (siehe auch SG Berlin, Beschluss vom 25. Juli 2017 - S 95 SO 965/17 ER -). Soweit beim BVerfG gegenwärtig zu der Vorgängerregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. ein Verfahren anhängig ist (1 BvL 4/16 zum Vorlagebeschluss des SG Mainz vom 18. April 2016 - S 3 AS 149/16 -, juris) und zugunsten der Antragsteller eine Entscheidungserheblichkeit angenommen werden würde, ergibt sich gleichwohl kein entsprechender Anspruch, weil zur Überzeugung der Kammer keine Verfassungswidrigkeit des Leistungsschlusses anzunehmen ist. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist vielmehr und im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. nur LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. März 2017 - L 5 AS 449/17 B ER -, juris m.w.N.). Die beim BSG außerdem anhängigen Verfahren zum Zugang von Unionsbürgern zu Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII (B 14 AS 31/16 R bzw. B 14 AS 2/17 R, Stand 9. August 2017) betreffen Verfahren, welche vom SG Dortmund für die Zeiträume Januar bis Juni 2015 (Urteil vom 12. September 2016 - S 32 AS 190/16 WA -, juris) und von September 2013 bis Februar 2014 (Urteil vom 24. Oktober 2016 - S 32 AS 4290/15 WA -, juris) entschieden worden sind und erfassen damit ebenso nicht die streitgegenständliche Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II in der Fassung vom 22. Dezember 2016.

Hinzu kommt, dass es sich bei § 41a Abs. 7 SGB II um eine im Ermessen der jeweiligen Behörde zu treffende Entscheidung handelt und demnach im einstweiligen Rechtsschutz eine hierauf gründende Entscheidung allein bei einer Ermessensreduzierung auf Null in Betracht kommt, woran es vorliegend fehlt. Eine entsprechende Ermessensreduzierung auf Null ist nämlich nicht schon deshalb - und gleichsam im Wege eines Automatismus - anzunehmen, weil Leistungen nach dem SGB II begehrt werden. Ermessenlenkend bei § 41a Abs. 7 SGB II ist für das Entschließungsermessen mithin nicht der existenzsichernde Zweck der Leistungen und damit die Dringlichkeit der Leistungsgewährung nach dem SGB II, sondern der mit dieser Regelung erstrebte Zweck der Verwaltungsvereinfachung und die Vermeidung von Massenwidersprüchen und -klagen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. März 2017 - L 5 AS 449/17 B ER -, juris). Entstehungsgeschichtlich (vgl. BT-Drs. 18/8041, Seite 55) entspricht § 41a Abs. 7 SGB II der Regelung in § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung - SGB III). § 41a Abs. 7 SGB II dient deshalb wie § 328 SGB III vornehmlich der Verwaltungsvereinfachung, um ein nachträgliche Bescheidkorrektur nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) zu vermeiden (vgl. zur entsprechenden Regelung in § 328 SGB III nur Düe, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 328 Rdnr. 2) und setzt demnach voraus, dass bei einem (unzweifelhaften) Anspruch dem Grunde nach eine Unsicherheit über die Rechtslage zur Ausgestaltung der jeweiligen Geld- bzw. Sachleistung besteht. Dies ist hier jedoch - wie gezeigt - nicht der Fall. Deshalb ergibt sich entgegen der Ansicht der Antragsteller auch aus den Entscheidungen des LSG Niedersachsen-Bremen vom 16. Februar 2017 (L 8 SO 344/16 B ER, juris) und des LSG Baden-Württemberg vom 26. April 2017 (L 1 AS 854/17 ER-B, juris) nichts anderes. Das LSG Baden-Württemberg hat in der genannten Entscheidung außerdem im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wegen einer mit der Beeinträchtigung von Leib und Leben verbundenen Erkrankung des dortigen Antragstellers eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen, die mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist und Aspekte einer im Einzelfall erforderlichen Krankenbehandlung mit denen der Grundsicherungsleistungen vermischt, so dass der Hinweis der Antragsteller auf diese Entscheidungen nicht anspruchsbegründend verfängt.

Die Antragsteller können als rumänische Staatsangehörige gegenüber dem Antragsgegner einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II auch nicht unmittelbar aus dem Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) herleiten, da Rumänien nicht zu den Unterzeichnerstaaten dieses Abkommens gehört (vgl. http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?CL=GER&CM=1&NT=014). In gleichem Maße ist deshalb auch die Ausschlussregelung des § 23 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) anzuwenden (vgl. aber LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. März 2017 - L 2 AS 127/17 B ER -, juris).

Einen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach SGB XII machen die Antragsteller indes nicht geltend, so dass die Kammer von der Beiladung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe absehen konnte. Anhaltspunkte für etwaige Ansprüche nach dem SGB XII sind außerdem nicht erkennbar bzw. noch sonst glaubhaft gemacht. Aus dem Eingreifen des Leistungsausschlusses von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II folgt nämlich zugleich, dass die Antragsteller auch von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII in der ab dem 29. Dezember 2016 gültigen Fassung ausgeschlossen sind. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII erhalten Ausländer keine Leistungen nach Abs. 1 des § 23 SGB XII oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben, sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sie ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Nummer 2 aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten oder eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen. Der Leistungsausschluss bezieht sich ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift u. a. auf die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 23 Abs. 1 SGB XII i. V. m. §§ 27 ff. SGB XII). Er erfasst nach der durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und in der Sozialhilfe nach dem SGB XII zum 29. Dezember 2016 erfolgten Klarstellung auch die in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII geregelte Sozialhilfe als Ermessensleistung (vgl. zur alten Rechtslage BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R -).

Auch die in § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII geregelte Ausnahme von dem Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII greift nicht ein. Diese Vorschrift verlangt einen Aufenthalt im Bundesgebiet seit mindestens fünf Jahren, der vorliegend nicht gegeben ist.

Ein etwaiger Anspruch der Antragsteller gegen den Sozialhilfeträger auf Überbrückungsleistungen (§ 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII) ist zwischen den Beteiligten ebenso nicht im Streit, zumal die Antragsteller offenbar weiterhin in Deutschland zu leben beabsichtigen. Entsprechend war auch nicht über eine Leistungsgewährung aufgrund der Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII zu entscheiden. Es handelt sich dabei nämlich um eine Bestimmung, die lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände eingreift, um im Einzelfall für einen begrenzten Zeitraum unzumutbare Härten zu vermeiden, nicht um eine Regelung, mit der ein dauerhafter Leistungsbezug ermöglicht wird. Ebenso nicht streitgegenständlich ist ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Rückreise (§ 23 Abs. 3a SGB XII). Ein dahingehendes Begehren haben die Antragsteller nicht zum Ausdruck gebracht.

Eine vorläufige Leistungsgewährung kommt auch nicht aufgrund einer Folgenabwägung und vor dem Hintergrund in Betracht, weil es sich bei den Leistungen nach dem SGB II um Grundsicherungsleistungen handelt, deren Zweck die Existenzsicherung ist. Denn der aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Gewährleistungsverantwortung zur Gewährung eines physischen Existenzminimums wird nämlich nicht erst mit der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II entsprochen, sondern diese wird bereits verfassungsrechtlich zulässig mit den - vorliegend von den Antragsstellern allerdings nicht begehrten - Leistungen nach § 23 Abs. 3 und 3a SGB XII ausgeformt.

Soweit sich die Antragsteller bei einer Ablehnung des Antrags ggf. veranlasst sehen würden, nach Rumänien zurückzukehren und dort ggf. Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, sind keine unzumutbaren Nachteile erkennbar. Denn es handelt sich bei Rumänien um einen EU-Mitgliedstaat, dem bei Geltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nach Art. 43 seiner Verfassung (www.verfassungen.eu/ro) die Gewährleistung eines "anständigen Lebensniveau" für seine Staatsbürger obliegt und der dem Grunde nach verpflichtet ist, ärztlichen Beistand und Arbeitslosenunterstützung zu leisten. Zudem wäre es im Hinblick auf die in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Menschwürde und eine insoweit gebotene Gleichbehandlung i.S.v. Art. 3 GG widersprüchlich, einerseits im Asylrecht Rumänien als Mitgliedstaat der EU als sicheren Drittstaat (§ 26a Abs. 2 Asylgesetz) einzuordnen und demnach eine Abschiebung von Asylbewerbern in diese Staaten und einen dortigen weiteren Aufenthalt grundsätzlich für zumutbar zu halten, andererseits aber für Angehörige dieser Staaten im Hinblick auf existenzsichernde Leistungen im einstweiligen Rechtsschutz anzunehmen, dass diesen unzumutbare Nachteile drohen, wenn sie nicht dem SGB II bzw. SGB XII entsprechende Leistungen erhielten und in ihr Herkunftsland zurückkehrten. Entscheidend ist deshalb nicht, ob im Herkunftsland eine Existenzsicherung nach deutschen Maßstäben erfolgt (SG Berlin, Beschluss vom 25. Juli 2017 - S 95 AS 965/17 ER -, juris). Eine Verweisung auf eine ggf. erforderliche Inanspruchnahme dortiger Sozialleistungen ist insoweit nicht zu beanstanden (SG Halle, Beschluss vom 22. Januar 2016 - S 5 AS 4299/15 ER -, juris, vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Mai 2013 - L 29 AS 514/ 13 B ER -, juris, SG Berlin, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

III.

Der Antrag auf Bewilligung von PKH hat keinen Erfolg. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf die beantragte PKH. Das Verfahren hat von Anfang an - vgl. die Gründe I. und II. - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 114 ff. ZPO.
Rechtskraft
Aus
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