L 8 SB 4517/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 2019/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4517/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
für Recht erkannt: Tenor: Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 02.11.2016 abgeändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheids vom 14.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2014 verurteilt bei der Klägerin seit dem 21.09.2016 den Grad der Behinderung mit 50 festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; mindestens 60 statt 40) ab 04.11.2013 zusteht.

Bei der 1961 geborenen Klägerin war in Ausführung eines vor dem Sozialgericht (SG) Konstanz im Verfahren S 10 SB 2798/08 geschlossenen Vergleichs mit Bescheid des Landratsamtes R. (LRA) vom 01.06.2010 (Blatt 116/117 der Beklagtenakte) ein GdB von 40 seit 06.10.2007 festgestellt worden (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden, chronisches Schmerzsyndrom, Bluthochdruck).

Am 04.11.2013 beantragte die Klägerin beim LRA die höhere (Neu-)Feststellung des GdB sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (Blatt 123/124 der Beklagtenakte). Zu diesem Antrag gab die Klägerin eine schwerwiegende Hypokyphose, ein chronisches Schmerzsyndrom mit regelmäßiger Morphineinnahme, einen Bluthochdruck, eine COPD der Lunge mit Pneumothorax und die Durchtrennung des Trommelfells im Ohr an; sie legte ärztliche Atteste und Unterlagen vor (Blatt 125/137 der Beklagtenakte).

Das LRA zog von Dr. L. /Dr. D. , Facharzt für Orthopädie, Dr. P. , Facharzt für Allgemeinmedizin, und Dr. R. , Facharzt für HNO-Heilkunde, sowie von den W. -Z. Kliniken Befundbeschreibungen und Unterlagen bei (zu den Auskünften vgl. Blatt 145/146, 147/153, 158/161, 162, 164/165 der Beklagtenakte).

Obermedizinalrat N. schätzte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.01.2014 (Blatt 168/169 der Beklagtenakte) den GdB auf insgesamt 40 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden (GdB 30); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 30); Bluthochdruck (GdB 10); Lungenfunktionseinschränkung (GdB 10); Schwerhörigkeit beidseits (GdB 10)).

Das LRA lehnte daraufhin mit Bescheid vom 14.02.2014 (Blatt 170/171 der Beklagtenakte) die höhere (Neu-)Feststellung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "G" ab.

Mit ihrem am 28.02.2014 eingelegten Widerspruch vom 27.02.2014 (Blatt 172 der Beklagtenakte) verwies die Klägerin unter Vorlage weiterer ärztlicher Berichte u.a. auf Schmerzen im Knie, Probleme bei der Atmung, verschlechterte Leber- und Nierenwerte, eine durch die Krümmung der Wirbelsäule abnehmende Lungenkapazität, Wirbelsäulenblockaden, eine Arzneimittelunverträglichkeit auf ASS, die Lungenkrankheit, eine Brustverkleinerung am 17.04.2014 um fast 1,4 kg, die sie psychisch sehr belaste (Blatt 183/190 der Beklagtenakte). Es werde ein GdB von 60 begehrt.

Das LRA zog von den W. -Z. Kliniken den Bericht vom 03.03.2014 (Blatt 192/194 der Beklagtenakte) bei.

Der Versorgungsarzt Dr. E. sah in der Stellungnahme vom 10.06.2014 (Blatt 197 der Beklagtenakte) einen höheren GdB als 40 für nicht begründet an, woraufhin der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch der Klägerin zurückwies (Widerspruchsbescheid vom 27.06.2014, Blatt 201/203 der Beklagtenakte).

Hiergegen hat die Klägerin am 30.07.2014 mit dem Ziel Feststellung eines GdB von mindestens 60 Klage erhoben. Ihre Leistungsfähigkeit habe immer mehr abgenommen, im Gegenzug hätten die Schmerzen zugenommen. Aufgrund einer besonderen Sitzhaltung hätten auch die Schmerzen im Knie zugenommen, weshalb eine höhere Medikation einzunehmen gewesen sei, was wiederum zu Problemen bei der Atmung und verschlechterten Leber- und Nierenwerten geführt habe. Zudem sei es zu einer massiven Zunahme der Wirbelsäulenblockaden gekommen, da die Wirbelsäule immer instabiler werde. Längere Wegstrecken (ca. 500 m) seien ohne Geradehalter nicht mehr möglich. Die Klägerin hat eine Übersicht über Leistungen ihrer Krankenkasse vorgelegt (Blatt 47/88 der SG-Akte), ein Attest von Dr. L. vom 23.07.2014 (Blatt 89 der SG-Akte) sowie eine Behandlungsbestätigung des Physiotherapeuten J. (Blatt 93/95 der SG-Akte).

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 106/107, 108, 109/139, 140/141, 142/143, 147/188 und 189/194 der SG-Akte Bezug genommen. Der HNO-Arzt Dr. R. hat mitgeteilt, die Klägerin sei 2012 zuletzt gesehen worden. Der Internist, Lungenfacharzt und Allergologe Dr. W. hat dem SG am 25.11.2014 geschrieben, die Klägerin nur am 18.11.2013 gesehen zu haben. Den vereinbarten Termin zur Lungenfunktionsdiagnostik habe die Klägerin nicht wahrgenommen. Dr. P. , Facharzt für Allgemeinmedizin, hat auf ausgeführt, bei der Klägerin bestehe als Grunderkrankung ein Morbus Scheuermann, eine nikotininduzierte chronisch obstruktive Lungenerkrankung, eine medikamentös eingestellte Hypertonie sowie ein chronisches Schmerzsyndrom. Aufgrund der Hyperkyphose sei im April 2014 eine Mammareduktion durchgeführt worden. Seither könnten die Schmerzen mit regelmäßigen Schmerzmitteln einigermaßen toleriert werden. Die Klägerin sei jedoch auf Morphin angewiesen. Es komme häufiger zu infektassoziierten Exazerbationen aufgrund der chronischen Lungenschädigung. Die Privatärztin (Homöopathie, Psychotherapie) Dr. D.-E. hat mit Schreiben vom 16.12.2014 angegeben, ihre Behandlung habe keinen großen Erfolg gebracht. Die Brustoperation habe sich mittlerweile als wenig erfolgreich erwiesen, so dass seit Juli eine erneute Verschlechterung der depressiven Entwicklung aufgetreten sei. Letzter Patientenkontakt, der zuvor hauptsächlich telefonisch und per E-Mail erfolgt sei, sei im Mai 2014 gewesen. Dr. V. , Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, hat dem SG mit Schreiben vom 02.01.2015 mitgeteilt, die Klägerin am 17.04.2014 an der Brust operiert zu haben. Es sei zu einer deutlichen Entlastung der Brustwirbelsäule gekommen. Auf seinem Fachgebiet bestehe ein GdB von 0. Leitender Oberarzt der Pneumologie N. , W. -Z. Kliniken Fachkliniken W. , hat dem SG im Schreiben vom 15.01.2015 mitgeteilt, die Klägerin im Rahmen eines stationären Aufenthaltes im Februar 2014 behandelt zu haben. Zuvor seien mehrere ambulante Vorstellungen erfolgt. Es seien verschiedene Medikamentenunverträglichkeiten getestet worden. Es sei auch eine COPD geringen Grades (Grad I) festgestellt worden. Auf allergologischem Fachgebiet bestehe kein GdB. Dr. L. , Facharzt für Orthopädie, hat mitgeteilt (Schreiben vom 26.01.2015), bei der Klägerin bestünden chronische Dorsalgien bei extremer thorakale Hyperkyphose, multiplen Myotendinosen und artikulären Dorsalgien bei extremem Morbus Scheuermann und extremer sagittaler Fehlstatik (Cobb-Winkel der Kyphose über 90°), ein Zustand nach Mammareduktion, eine reaktive Depression bei chronischem Schmerzzustand, HWS-Dorsalgien und HWS-Brachialgien bei chronischer HWS-Fehlstatik, rezidivierende Lumbalgie bei lumbaler Hyperlordose, Facettenaktivierung und Protusionen sowie Verdacht auf Lumbalstenose mit ausgeprägten pseudoradikulären Ausstrahlungen in Hüft- und Beckenbereich und ein Zustand nach Pneumothorax mit persistierenden Neuropathien und neuralgischen Schmerzen im Intercostalbereich rechts. Trotz intensiver Krankengymnastik und Anpassung des Arbeitsplatzes komme es zu einer stetigen Verschlechterung. Der GdB betrage 80.

Der Beklagte hat sich zu dieser Beweisaufnahme unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 04.05.2015 (Blatt 201/202 der SG-Akte) geäußert, die Klägerin mit Schreiben vom 20.11.2015 (Blatt 213/247 der SG-Akte) unter Vorlage von weiteren Unterlagen (radiologischen Bildern).

Das SG hat nunmehr Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 26.02.2016 (Blatt 250/322 der SG-Akte; Untersuchung der Klägerin am 05.02.2016) die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Verformung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30, die seelische Störung (Depression), chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden mit einem GdB von 30, den Bluthochdruck mit einem GdB von 10, die Lungenfunktionsstörung mit einem GdB von 10, und die Schwerhörigkeit mit einem GdB von 10 bewertet sowie den gesamt-GdB auf 40 geschätzt.

Während der Beklagte sich durch die Begutachtung bestätigt sah (Blatt 323 der SG-Akte) hat die Klägerin auf eine geplante Versteifung der Wirbelsäule hingewiesen (Schreiben vom 08.06.2016, Blatt 325/326 der SG-Akte). Außerdem ergebe sich auch unter Zugrundelegung der GdB-Werte des Gutachters bereits ein GdB von 50 (Schreiben vom 29.08.2016, Blatt 339/343 der SG-Akte). Sie hat den Operationsbericht vom 21.09.2016 (Blatt 351/354 der SG-Akte) über eine am 21.09.2016 erfolgte Korrektur/Aufrichtungsspondylodese von Th3 bis L2, Vertebroplastik Th3 + Th 4 vorgelegt.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 02.11.2016 die Klage abgewiesen.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 09.11.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 05.12.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Aus ihrer Sicht habe das SG die Einzel-GdB zu niedrig bewertet, mithin einen zu niedrigen Gesamt-GdB gebildet. Selbst wenn man ihre Versteifungsoperation völlig außen vor lasse, stelle sich das Wirbelsäulenleiden zumindest als so schwere funktionelle Auswirkung dar, dass ein Einzel-GdB von mindestens 40 berechtigt sei. Ihr Wirbelsäulenleiden wirke sich bis in die Schultergelenke aus, sodass insoweit mindestens ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen sei. Auch bezüglich der unteren Extremitäten werde zu Unrecht kein GdB von mindestens 10 angenommen. Soweit das SG hinsichtlich der seelischen Störung ausgeführt habe, dass unter Einbeziehung des chronischen Schmerzsyndroms ein Einzel-GdB von mehr als 30 nicht berücksichtigt werden könne, sei dem nicht zu folgen. Wenn man die Einzel-GdB entsprechend gewichte und zusammenfasse, ergebe sich zumindest ein Gesamt-GdB von 60. Auch wenn keine psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung stattgefunden habe, stelle dies dennoch eine gesundheitliche Einschränkung dar, hinsichtlich derer ein psychotherapeutisches bzw. psychologisches Gutachten einzuholen sei. Wäre ein solches Gutachten eingeholt worden, hätte der festzustellende Einzel-GdB dazu geführt, dass ein Gesamt-GdB von mindestens 60 zum Tragen komme. Entscheidender Punkt sei aber insbesondere, dass die durchgeführte Versteifungsoperation stattgefunden habe. Alleine der Umstand, dass diese Operation nunmehr durchgeführt sei, unabhängig vom entsprechenden Heilungsverlauf, führe nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen dazu, dass mindestens ein Gesamt-GdB von 60, also die Schwerbehinderteneigenschaft, vorliege.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 02.11.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 14.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2014 zu verpflichten, bei ihr seit 04.11.2013 einen Grad der Behinderung von wenigstens 60 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Klägerin hat beim LRA mit Schreiben vom 21.03.2017 einen weiteren (Neu-)Feststellungsantrag gestellt (zu den hierzu vorliegenden Unterlagen vgl. Blatt 38/46 der Senatsakte).

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Internisten und Sozialmediziner Dr. S. sowie von Zusatzgutachten beim für Orthopädie Dr. H. und bei der Fachärztin für Psychiatrie, Suchtmedizin und Sozialmedizin F ... Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 14.07.2017 (Blatt 74/ 112; Untersuchung der Klägerin am 10.07.2017) - ein Zervikalsyndrom, muskuläre Verspannungen, keine neurologischen Ausfälle. - Einen Zustand nach dorsaler Aufrichtungs-Spondylodese Th 3 bis L 2 über transpedikuläre Verschraubung (Versteifung der Brust- und oberen Lendenwirbelsäule unter Einbeziehung des thorako-lumbalen Überganges) am 21.09.16, - ein Lumbalsyndrom, muskuläre Verspannungen. Pseudoradikuläre Ausstrahlungen in das rechte Bein, keine neurologischen Ausfälle. - Senk-Spreizfüße beidseits, - eine gering ausgeprägte Varicosis beider Beine, Zustand nach Varizenoperationen beidseits und eine - gering ausgeprägte Adipositas beschrieben. Es lägen Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen vor – es bestehe eine Versteifung der Rumpfwirbelsäule vom dritten Brust- bis zum zweiten Lendenwirbelkörper -, weshalb der GdB ab 21.09.2016 mit 50 zu bewerten sei, zuvor sei der GdB mit 40 anzusetzen. Die Gutachterin F. hat in ihrem Gutachten vom 16.11.2017 (Blatt 113/156; Untersuchung der Klägerin am 10.07.2017) auf fachpsychiatrischem Gebiet eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik bei chronischem Schmerzsyndrom und unverarbeitetem Kränkungserleben und eine anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren beschrieben. Diese Störungen seien als stärker behindernde Störungen anzusehen, wofür der Einzel-GdB mit 30 ausreichend bewertet sei. Trotz mehrfacher Empfehlung werde keine entsprechende Behandlung der psychischen Leiden durchgeführt. Dr. S. hat unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. H. und Frau F. in seinem Gutachten vom 13.11.2017 (Blatt 61/158 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 10.07.2017) einen Z.n. dorsaler Aufrichtungs-Spondylodese Th3 bis L2 über transpedikuläre Verschraubung (Versteifung der Brust und oberen Lendenwirbelsäule unter Einbeziehung des Thorako-lumbalen Übergangs) am 21.09.2016, ein Lumbalsyndrom, Zervikalssyndrom, eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik, eine anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einen gut eingestellten Bluthochdruck ohne Hinweis auf Sekundärschäden an den typischen Zielorganen, eine chronisch obstruktive Lungenkrankheit (leicht, Raucherin) sowie eine auswärts festgestellte Schwerhörigkeit beschrieben. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule hat er (bis 09/2016) mit einem GdB von 30, danach mit einem GdB von 50, die seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden mit einem GdB von 30, den Bluthochdruck mit einem GdB von 10 und die Lungenfunktionseinschränkung mit einem GdB von 10 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er auf 70 geschätzt seit 09/21016, vorher hat er einen Gesamt-GdB von 40 angenommen.

Der Beklagte hat daraufhin unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 05.12.2017 angeboten, den Rechtsstreit durch vergleichsweise Zuerkennung eines GdB von 60 seit 21.09.2016 zu beenden (Blatt 161/163 der Senatsakte).

Die Klägerin hat den Vergleichsvorschlag nicht angenommen und einen GdB von 60 sowie das Merkzeichen "G" festzustellen begehrt (Schreiben vom 09.01.2018, Blatt 164/165 der Senatsakte). Mit Schreiben vom 16.01.2018 (Blatt 166/167 der Senatsakte) hat sie mitgeteilt, nachdem in erster und zweiter Instanz ein GdB von wenigstens 60 beantragt worden sei, habe die Rechtsschutzversicherung darauf hingewiesen, dass die gesamten Kosten zu übernehmen seien; die Rechtsschutzversicherung trage das Vergleichsangebot des Beklagten nicht mit.

Der Beklagte hat darauf hingewiesen (Schreiben vom 22.01.2018, Blatt 168/169 der Senatsakte), dass Nachteilsausgleiche nicht zustünden und das Merkzeichen "G" nicht Streitgegenstand sei.

Nachdem ein Erörterungstermin geladen worden war, hat die Klägerin mitgeteilt, sie sei im Hinblick auf die Rechtsschutzversicherung nicht zu einem Vergleich bereit; sie habe sich an die Vorgaben der Rechtsschutzversicherung zu halten. Der Termin wurde daher vor Durchführung wieder aufgehoben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 176, 177 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 152 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache teilweise erfolgreich.

Der angefochtene Bescheid des LRA vom 14.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des vom 27.06.2014 war zwar zunächst nicht rechtswidrig, ist aber durch die Durchführung der Versteifungsoperation am 21.09.2016 rechtswidrig geworden. Die Klägerin hat seither Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 ab 21.09.2016, zuvor war der GdB auf 40 festzustellen. Damit ist erst zum 21.09.2016 in den Verhältnissen, die dem Bescheid des LRA vom 01.06.2010, der bei der Klägerin seit 06.10.2007 einen GdB von 40 festgestellt hatte, zugrunde gelegen hatten, eine GdB-relevante wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten. Der Senat konnte feststellen, dass die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen der Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) erst ab 21.09.2016 einen GdB von 50 rechtfertigen, zuvor war der GdB zutreffend mit 40 festgestellt. Die Berufung ist daher nur teilweise begründet.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden. Vorliegend ist der mit bestandskräftigem Bescheid vom 01.06.2010 festgestellte Behinderungszustand maßgeblich.

Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, zuvor § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-beeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbe-hinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen noch deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 40 bis zum 20.09.2016 und 50 ab dem 21.09.2016 nicht rechtfertigen; dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist bis zur Versteifungsoperation am 21.09.2016 ein Einzel-GdB von 30, seither ein Einzel-GdB von 50 anzunehmen.

Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulen-abschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbel-säulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.

Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand der Gutachten von Dr. B. und Dr. H. ein Zervikalsyndrom, muskuläre Verspannungen, einen Zustand nach dorsaler Aufrichtungs-Spondylodese Th 3 bis L 2 über transpedikuläre Verschraubung (Versteifung der Brust- und oberen Lendenwirbelsäule unter Einbeziehung des thorako-lumbalen Überganges) am 21.09.2016 und ein Lumbalsyndrom mit muskulären Verspannungen und pseudoradikulären Ausstrahlungen in das rechte Bein, feststellen.

Dr. B. hatte vor der Versteifungsoperation in seinem Gutachten ausgeführt, bei der inspektorischen Untersuchung bestehe ein waagrechter Beckenstand sowie eine weitgehend waagrechte Schulterlinie, eine gering ausgeprägte rechtskonvexe thorakal betonte Skoliose (Seitverbiegung) des Achsorgans, im seitlichen Aspekt bestehe jedoch eine ausgeprägte thorakale Hyperkyphose (Rundrückenhaltung). Ein übermäßiges kompensatorisches Hohlkreuz bestehe nicht. Bei der palpatorischen Untersuchung gebe die Klägerin diffuse paravertebrale Druckdolenzen an der gesamten BWS und LWS an, ohne dass hier eine ausgeprägte muskuläre Tonuserhöhung festzustellen sei. Ebenso werde über der gesamten Dornfortsatzreihe der Rumpfwirbelsäule eine spinale Klopfempfindlichkeit angegeben, für die sich aber kein sonstiges organpathologisches Korrelat finde. Bei der funktionellen Untersuchung imponiere die Beweglichkeit der HWS für die Vor- und Rückneigung wie auch für die Rotation altersphysiologisch frei. Lediglich die Seitneigung sei zu beiden Seiten mäßig eingeschränkt. Die Klägerin gebe in sämtlichen Freiheitsgraden der HWS einen endgradigen Bewegungsschmerz an. Im Bereich der Rumpfwirbelsäule lasse sich eine geringe bis mäßige Einschränkung der Seitneigung und der Rotation jeweils zu beiden Seiten konstatieren. Der Finger-Boden-Abstand von 47 cm suggeriere zunächst eine mittelgradige bis deutliche Einschränkung der Inklination aus der LWS, werde jedoch durch den Finger-Zehen-Abstand von 22 cm im Langsitz deutlich relativiert, so dass allenfalls eine geringe Inklinationsbehinderung der LWS zu belegen sei. Die Messstrecken am Achsorgan deuteten auf graduelle Entfaltungsstörung der Dornfortsatzreihe an der Rumpfwirbelsäule hin. Dr. B. hat folgende Bewegungsmaße gemessen:

HWS Vorneigen/Rückneigen 50-0-60o Seitneigen re./li. 30-0-30o Drehen re./li. 60-0-60o Kinnspitzen-Schulterhöhen-Abstand bei max. Drehseitneigung re./li. 8/10 BWS und LWS Seitneigen re./li. 20-0-20o Drehen im Sitzen re./li. 20-0-20o Liegen/Jugulumabstand (cm) 9 Aktive Aufrichtung aus Rückenlage Messstrecke Liege - DF C7 6 Finger-Boden-Abstand (cm) 47 0tt (Messstrecke DF C7 30 cm caudal) 30/30,5 Schober (Messstrecke DF S1 10 cm cranial) 10/12,5 Messstrecke 10 cm mit Mittelpunkt DF L1 10/11

Dr. H. hat bei seiner Untersuchung nach Durchführung der Versteifungsoperation die Wirbelsäule als im Lot stehend bei Schulter- und Beckengeradstand beschrieben. Es bestand eine diskrete rechtskonvexe thorako-lumbale Seitausbiegung, keine Rotationszeichen. Es lagen physiologische kyphotische und lordotische Schwingungen der Wirbelsäule vor, die Schulterblätter lagen dem Rumpf seitlich normal an. Der Brustkorb war symmetrisch, die Atemexkursionen normal. Es fanden sich keine Rotationszeichen an allen Wirbelsäulenabschnitten, auch keine Rippenbuckelbildung. Im Rahmen der Adipositas waren die Tailliendreiecke symmetrisch verstrichen. Die Rückenstreck-, Schultergürtel-, Brust- und Bauchmuskulatur war beidseits unauffällig ausgebildet. Verspannungen der Muskulatur im Bereich der Hals- und Schultergürtelmuskulatur sowie im Bereich der gesamten Rückenstreckmuskulatur bestanden, ansonsten lag ein unauffällig normaler Muskeltonus vor. Im Bereich der Dornfortsätze fand Dr. H. eine 39 cm lange, reizlose, vom Dornfortsatz des ersten Brustwirbels bis zu dem des vierten Lendenwirbels verlaufende Narbe nach dorsalem Zugang zur Wirbelsäule. Der Aufrichteversuch wurde unter Angabe von Schmerzen im Bereich der Rumpfwirbelsäule nicht ausgeführt. Es bestand kein Beckenstauchungs- und Verwringschmerz. Beim Vorwärtsbeugen des Rumpfes mit gestreckten Kniegelenken wurde unter Angabe von Schmerzen im Bereich der Rumpfwirbelsäule ein Finger-Boden-Abstand von 51 cm erreicht. Die Entfaltung der Dornfortsatzreihe war bei Inklination und Reklination im Bereich der Brustwirbelsäule aufgehoben. Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule war nicht eingeschränkt. Die Rechtsneigung betrug 20 Grad, die Linksneigung ebenfalls 20 Grad. Die Rumpfdrehung betrug rechts und links jeweils 15 Grad. Der Dreiphasentest war beidseits negativ. Das Ottsche Zeichen der BWS betrug 29,5/30/31,0 cm, das Schober sche Zeichen der LWS 8,5/10/14,0 cm. Zur Beweglichkeit der Halswirbelsäule hat Dr. H. folgende Messdaten angegeben: Beugung-Streckung 40-0-60o Seitneigen re/li 30-0-30o Drehung re/li 50-0-50o Kinn-Sternum-Abstand maximal 12,0 cm, minimal 6,0 cm. Im Bereich der Wirbelsäule gab die Klägerin paravertebral Druckbeschwerden im Bereich der Nackenstrecker und der caudalen Etagen der Halswirbelsäule und der gesamten Rumpfwirbelsäule an. Die Dornfortsatzreihe war nicht rüttel- oder stauchempfindlich. Der Druckschmerz wurde paravertebral in die Muskulatur und über den kleinen Wirbelgelenken lokalisiert. Die Nackenmuskulatur war beidseits bis zum Schultergelenk schmerzhaft verspannt. Beim Seitneigen sowie bei Rotationsbewegungen wurden im Bereich aller Wirbelsäulenabschnitte Schmerzen angegeben.

Dr. B. hat in seinem Gutachten bei der Klägerin funktionelle Beeinträchtigungen am Achsorgan insbesondere im Bereich der BWS, geringer an der LWS und nur in unbedeutendem Maße an der HWS beschrieben. Damit ist nur ein Wirbelsäulenabschnitt maßgeblich betroffen, was sich auch an den alleine dort anhaftenden Beschwerden zeigt. Die subjektiven Beschwerden der Klägerin korrelieren nur teilweise mit den objektiven Befunden. Insbesondere konnte bei der Begutachtung weder im Bereich der HWS noch im Bereich der LWS eine mittel- oder höhergradige funktionelle Einschränkung objektiviert werden. Ebenso sind weder nach Aktenlage, noch bei der Untersuchung durch Dr. B. radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen gesichert. Soweit Dr. B. die Bewertung der Wirbelsäulenschäden der Klägerin mit einem GdB von 30 vorgeschlagen hat, entspricht dies Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt. Dass aber schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorlagen, konnte der Senat auch den Angaben der behandelnden Ärzte nicht entnehmen. Besonders schwere Auswirkungen, die einen GdB-Rahmen von 50 bis 70 eröffnen würden, konnten weder die behandelnden Ärzte noch die Gutachter annehmen. Damit war der GdB im Funktionssystem des Rumpfes bis zur Versteifungsoperation am 21.09.2016 mit 30 anzunehmen. Dieser Bewertung durch Dr. B. hat auch Dr. H. in seinem Gutachten zugestimmt.

Dr. H. hat eine Versteifung im Bereich der BWS und LWS von Th 3 bis L 2 über eine transpedikuläre Verschraubung (Versteifung der Brust- und oberen Lendenwirbelsäule unter Einbeziehung des thorako-lumbalen Überganges) mitgeteilt. Diese Versteifung betrifft damit zwei Wirbelsäulenabschnitte, wobei der Abschnitt der BWS fast vollständig versteift ist. Damit besteht eine Versteifung großer Teile der Wirbelsäule i.S. von B Nr. 18.9 VG. Diese werden der Bewertungsstufe der besonders schweren funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden zugerechnet, die den GdB-Rahmen von 50 bis 70 eröffnen.

Insoweit konnte der Senat nach der Versteifungsoperation keine vollständig aufgehobene Beweglichkeit der LWS und BWS feststellen, vielmehr war die Klägerin reduziert beweglich. Im Hinblick auf diese vorhandene Beweglichkeit, zu der auch Schmerzen angegeben wurden, konnte der Senat in der genannten Bewertungsstufe den GdB lediglich am unteren Rand feststellen und mit 50 bewerten.

Im Funktionssystem der Arme ist das von Dr. B. mitgeteilte Schulter-Arm-Syndrom zu bewerten. GdB-relevante Einschränkungen der Schultergelenksbeweglichkeit ergeben sich hieraus aber nicht, da die Klägerin bei Dr. B. in der Lage war, die Arme bis 170 bzw. 160 Grad zu heben; Dr. H. hat eine Armvorhebung bis jeweils 170 Grad beschrieben. Der Senat konnte mit den Gutachten einen Verlust einer oberen Extremität, eine Versteifung eines der Gelenke der oberen Extremitäten, eine Instabilität eines dieser Gelenke, eine Schlüsselbeinpseudarthrose, eine Verkürzung des Armes, eine Oberarmpseudarthrose oder einen Riss der langen Bizepssehne nicht feststellen. Auch sonstige GdB-relevante Funktionsbehinderungen liegen mit den Gutachten Dr. B. und Dr. H. nicht vor. Damit war im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 18.13 VG ein Einzel-GdB von mindestens 10 für das Funktionssystem der Arme nicht anzunehmen.

Im Funktionssystem der Beine hat der Senat aufgrund der Gutachten von Dr. B. und Dr. H. eine Senk-Spreizfußbildung beidseits sowie eine gering ausgeprägte Varicosis beider Beine bei Zustand nach Varizenoperationen beidseits berücksichtigt. Eine GdB-relevante Bewegungseinschränkung der Hüften bzw. Knie (Dr. B. und Dr. H. haben übereinstimmend an den Hüften Bewegungsmaße von 0/0/110o bzw. an den Knien von 0/0/140o mitgeteilt) oder eine relevante Arthrose an diesen Gelenken konnte der Senat mit den beiden Gutachtern nicht feststellen. Die Senk-Spreizfußbildung beidseits sowie eine gering ausgeprägte Varicosis beider Beine bei Zustand nach Varizenoperationen beidseits bedingen eine mäßig ausgeprägte Fehlstatik. Im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 9.2.3 VG und B Nr. 18.4 VG konnte der Senat mit Dr. S. die aus diesen Erkrankungen folgenden Funktionsbehinderungen zusammenfassend mit einem GdB von 10 bewerten.

Die Adipositas und die von Dr. B. beschriebene Osteopenie führen zu keinen weitergehenden Funktionseinschränkungen bzw. sind in den bereits genannten Funktionssystemen des Rumpfes sowie der Arme und Beine mitberücksichtigt.

Im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs ist bei der Klägerin ein gut eingestellter Bluthochdruck zu berücksichtigen. Hinweise auf Sekundärschäden an den anderen Organen oder Leistungsbeeinträchtigungen bestehen mit dem Gutachten Dr. S. nicht. Anderes ist auch nicht den Mitteilungen der behandelnden Ärzte zu entnehmen. Damit konnte der Einzel-GdB nach B Nr. 9.3 VG allenfalls mit 10 bewertet werden.

Im Funktionssystem der Atmung ist die chronisch obstruktive Lungenkrankheit zu bewerten. Diese ist bei der Klägerin nach der Beurteilung durch Dr. S. lediglich leicht ausgeprägt. Zwar ist eine COPD seit 2014 mit einem GdB von 10 anerkannt. Die bislang mitgeteilten Messwerte sprechen gegen eine höhergradige Beeinträchtigung, abgesehen von gelegentlichen infektbedingten Exazerbationen. Die bei Dr. S. durchgeführten Messungen bestätigen die leichtgradige Ausprägung der COPD. Eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion, eine respiratorische Partial- oder Globalinsuffizienz ist nicht festzustellen. Eine Hyperreagibilität besteht allenfalls mit seltenen (saisonalen) und/oder leichten Anfällen. Insgesamt ist im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 8.3 und 8.4 VG der Bewertung durch Dr. S. , der einen Einzel-GdB von 10 angenommen hatte, zuzustimmen. Anhaltspunkte für eine höhere Bewertung der funktionellen Behinderungen in diesem Funktionssystem ergeben sich auch nicht aus den vorliegenden Angaben der behandelnden Ärzte.

Die Hörminderung der Klägerin ist im Funktionssystem der Ohren mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Die Angaben und Befunde von Dr. R. , der die Klägerin zuletzt 2012 gesehen hatte, ergeben im Hinblick auf die Vorgaben von B Nr. 5, insbesondere 5.2, VG keinen Grund zur Annahme eines höheren Einzel-GdB.

Die Verkleinerung der klägerischen Brüste bedingt keinen Einzel-GdB. Zwar sieht B Nr. 14.1 VG eine GdB-Bewertung des Verlustes der Brust (Mastektomie) einseitig bzw. beidseitig sowie bei Segment- oder Quadrantenresektion der Brust vor. Eine solche ist aber bei der Klägerin nicht durchgeführt worden. Insoweit hat auch der Operateur Dr. V. gegenüber dem SG den GdB mit 0 eingeschätzt.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat mit der Gutachterin F. eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik bei chronischem Schmerzsyndrom und unverarbeitetem Kränkungserleben sowie eine anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren feststellen. Diese war zu Gunsten der Klägerin mit einem GdB von 20 zu bewerten.

Nach den B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.

Die Gutachterin F. hat bei ihrer Untersuchung der Klägerin diese altersentsprechend erscheinend, gepflegt und ordentlich gekleidet vorgefunden. Sie war freundlich und kooperativ, jedoch auch zurückhaltend. Die Klägerin war wach, bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert. Es zeigten sich keine groben Einschränkungen der Aufmerksamkeit, des Auffassungs- und Konzentrationsvermögens, der Merkfähigkeit sowie der Gedächtnisleistungen. Ein Anhalt für inhaltliche Denkstörungen, Wahrnehmungs- und Ichstörungen bestand nicht. Die Klägerin wirkte verbittert, verzweifelt, erschöpft, jedoch trotzdem sehr kämpferisch. Die Stimmung war gedrückt, die affektive Schwingungsfähigkeit war erhalten, einmalig hatte die Klägerin affektlabil-weinerlich reagiert. Antrieb und Psychomotorik waren ungestört, es bestanden vielmehr Aktivitätseinschränkungen aufgrund der Schmerzsymptomatik. Die Fähigkeit zur Freude war erhalten. Subjektiv klagte die Klägerin über Kraftlosigkeit, sie fühle sich "wie in Scherben", sie habe "nahe am Wasser gebaut". Appetitlosigkeit und Schlafstörungen bestünden. Eine sexuelle Missbrauchserfahrung im jungen Erwachsenenalter wurde berichtet. Die Gutachterin konnte deutliche Einschränkungen in der Alltagsbewältigung und im Berufsleben feststellen. Eine Behandlung im Sinne einer psychosomatischen und psychotherapeutischen Therapie sowie einer multimodalen Schmerztherapie mit Einsatz schmerzmodifizierender Medikation sowie Entspannungs- und Psychotherapie erfolge nur unzureichend.

Die Gutachterin F. hat aufgrund der Untersuchung der Klägerin krankhafte Störungen mit Alltagseinschränkungen sowie qualitativen beruflichen Einschränkungen festgestellt. Dies wird durch den reduzierten Tagesablauf und die eingeschränkten sozialen Aktivitäten nach außen deutlich. Doch verlangt der Senat zum Erreichen der Bewertungsstufe eines GdB von 30-50 für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, dass eine kontinuierliche und regelmäßige therapeutische Behandlung stattfindet. Denn ohne ärztliche Behandlung könne nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden der Klägerin über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte (dazu vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 - juris RdNr. 31). Ein entsprechender Leidensdruck der Klägerin, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre, finde sich dann nicht. Umstände, die der fehlenden Behandlung eine andere Indizwirkung zukommen lassen, wie z.B. die Nichtgenehmigung der Behandlung seitens der Krankenkasse oder eine lange Wartezeit vor der Behandlung, sind auch vorliegend nicht ersichtlich. Daher ist nach der Rechtsprechung des Senats auch vorliegend von einem GdB von lediglich 20 auszugehen. Soweit die Gutachterin F. einen GdB von 30 im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche angenommen hat, sind ihrem Gutachten keine psychisch bedingten Einschränkungen in der Alltagsbewältigung der Klägerin zu entnehmen, die die Indizwirkung der fehlenden Behandlung entkräften und diese GdB-Zuordnung rechtfertigen. Die Klägerin berichtete von den schmerzbedingten Beeinträchtigungen, weshalb sie Hausarbeiten nur begrenzt verrichten könne. Gleichwohl arbeitet sie 18 Wochenstunden zu festen Arbeitszeiten als Grundschulhortbetreuerin. Außerdem hat sie angegeben, sie könne am Arm ihres Mannes am Wochenende spazieren gehen oder unternehme sonst etwas mit ihm. Sie berichtete von Treffen mit Freunden, was aber auch schwierig sei, weil sie nicht Auto fahren könne. Deshalb müsse sie abgeholt werden. Im Moment seien drei Leute übrig geblieben, die anderen hätten eigene Probleme, aber sie würde mit diesen telefonieren. Sie habe früher aktiv getanzt und viel Sport gemacht, seit dem Unfall wegen der Folgen nicht mehr. Hieraus ergibt sich, dass die Klägerin noch Interessen, wenn auch eingeschränkt, pflegt wie spazieren gehen und sich mit Freunden treffen. Ein psychisch bedingter sozialer Rückzug ist diesem Beschwerdevorbringen nicht ohne weiteres zu entnehmen, da die Beschränkungen nicht auf einem reduzierten Erlebnis- und Gestaltungsvermögen beruhen, sondern nach eigenem Vorbringen auf die körperlichen Beeinträchtigungen zurückzuführen sind. Die Sachverständige F. beschreibt die Klägerin mit dem psychischen Befund als freundlich und kooperativ, auch etwas zurückhaltend, aber wach, bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert. Keine groben Einschränkungen der Aufmerksamkeit, des Auffassung- und Konzentrationsvermögens, der Merkfähigkeit sowie der Gedächtnisleistungen waren aufgefallen. Die Klägerin wirkte zwar verbittert und verzweifelt, auch erschöpft, trotzdem gleichermaßen sehr kämpferisch. Es lag zwar eine gedrückte Stimmung vor, die affektive Schwingungsfähigkeit jedoch war erhalten wie auch Antrieb und Psychomotorik ungestört waren. Die Sachverständige führte selbst die Aktivitätseinschränkungen auf die Schmerzsymptomatik zurück, die aber bereits im GdB 30 bzw 50 für die Wirbelsäule zum großen Teil miterfasst ist. Dass Änderungen im psychischen Zustand seit 04.11.2013 eingetreten sind, ist nicht ersichtlich und wird von der Sachverständigen F. auch nicht dargelegt.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 30, ab 21.09.2016 50 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Herz/Kreislaufs, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Atmung und - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche. Nachdem bei der Klägerin vorliegend von einem zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 30 bzw. 50 sowie einem GdB-Wert von 20 auszugehen ist und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat seit Antragstellung einen Gesamt-GdB i.S.d. § 152 Abs. 1 SGB IX (bzw. zuvor: § 69 Abs. 1 SGB IX) von 40 bis zur Versteifungsoperation am 21.09.2016 und danach von 50 feststellen. Denn sowohl im Funktionssystem des Rumpfes als auch demjenigen des Gehirns einschließlich der Psyche sind erhebliche Schmerzen bei der Bewertung der Einzel-GdB berücksichtigt, weshalb Überschneidungen in den Einzel-GdB-Bewertungen vorliegen, die einem höheren Gesamt-GdB entgegenstehen. Insoweit hat nicht nur Dr. B. sondern auch Dr. H. und Dr. S. den Gesamt-GdB von 40 vor der Versteifungsoperation bestätigt. Für die Zeit ab der Versteifungsoperation konnte der Senat aber im Hinblick auf den Einzel-GdB von 20 im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche, nicht von einer noch weitergehenden Erhöhung des GdB auf über 50 ausgehen. Die Schmerzsymptomatik mit den daraus folgenden psychischen Beeinträchtigungen geht ab diesem Zeitpunkt in der eine höhere Bewegungsbeeinträchtigung in der Wirbelsäule berücksichtigenden Einzel-GdB-Bewertung von 50 aus Sicht der Senat funktionell annähernd vollständig auf. Der Gesamt-GdB von 50 ab diesem Zeitpunkt ist daher angemessen. Der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.12.2017 des Dr. W. , der unter Zugrundelegung des Einzel-GdB von 30 für die seelische Störung einschließlich des chronischen Schmerzsyndroms mit funktionellen Organbeschwerden einen Gesamt-GdB von 60 angenommen hat, ist der Senat aus den oben dargelegten Gründen nicht gefolgt.

Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 40, 50, 60 oder 70 vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht so schwer funktionell in ihrer Teilhabe im Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist, dass die Feststellung eines GdB von mehr als 40 vor der Versteifungsoperation am 21.09.2016 und von mehr als 50 ab dem 21.09.2016 in Betracht kommt. So sind die Erkrankungen der Klägerin in diesen Zeiträumen weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 bzw. nach dem 21.09.2016 von 60 bewerteten Gesundheitsstörungen vergleichbar.

Damit konnte der Senat feststellen, dass im Verhältnis zu der früheren Feststellung des GdB mit 40 eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erst ab dem 21.09.2016 eingetreten wäre. Damit hat sie Anspruch auf höhere Feststellung ihres GdB seit diesem Tag. Soweit das SG daher die Feststellung eines höheren GdB verwehrt hatte, war der Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben und wie tenoriert zu entscheiden. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Der Beklagte hat nach Vorlage des Gutachtens von Dr. H. mit einem Vergleichsangebot unverzüglich auf die veränderte Sach- und Rechtslage reagiert und eine höhere GdB-Bewertung vorgeschlagen. Zwar hat er damit kein die Kostenfolge des § 93 ZPO auslösendes sofortiges Anerkenntnis abgegeben. Aber sein Vergleichsangebot hat die Klägerin abgelehnt und ein neues, darüber hinausgehendes Angebot gemacht (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 09.01.2018). Dieses Angebot hat der Beklagte seinerseits abgelehnt, aber auch im gleichen Schriftsatz vom 22.01.2018 sinngemäß durch Bezugnahme auf das gerichtliche Gutachten mit der Erhöhung des Gesamt-GdB auf 60 am ursprünglichen Vergleichsangebot festgehalten, weshalb sich somit durch die vorausgegangene Ablehnung der Klägerin dieses Vergleichsangebot durch das neue Angebot nicht endgültig erledigt hatte. Dieses bis zur Entscheidung des Senats nicht angenommene Angebot ist über das materiell-rechtlich Gebotene hinausgegangen – der Senat hat nur ein Gesamt-GdB von 50 als rechtens beurteilt –, weshalb der Senat nach billigem Ermessen dem auch nur teilweisen Obsiegen der Klägerin nicht das alleinige oder das überwiegende Gewicht gegenüber dem anerkenntnisgleichen Prozessverhalten des Beklagten eingeräumt hat. In entsprechender Anwendung des § 93 ZPO führt dies zur Freistellung von Kosten für den Beklagten.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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