Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 18431/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 939/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für den Rechtsstreit nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung des Sozialgerichts, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis 31. Oktober 2015 höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen.
Der 1979 geborene, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzende Kläger steht seit geraumer Zeit (mit Unterbrechungen) im ergänzenden Leistungsbezug bei dem Beklagten (zuletzt mit Bescheiden vom 9. Juli 2013, 23. November 2013 und 21. Januar 2014). Er wohnt in der im Rubrum benannten Wohnung, eine 59,93 m² große 2-Raumwohnung mit einem von dem Beklagten als angemessen beurteilten Mietzins in Höhe von 416,04 Euro (ab 1. April 2015: 423,04 Euro). Im streitbefangenen Zeitraum ging der Kläger keiner Tätigkeit nach.
Bereits im August 2013 zog der die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzende Vater des Klägers, Herr N G, in die Wohnung seines Sohnes (Anmeldebestätigung vom 8. August 2013). Eigenen Angaben zufolge schloss der Kläger mit seinem Vermieter weder einen Untermietvertrag noch setzte er diesen von der Untervermietung in Kenntnis. Der Vater des Klägers erhielt während der Dauer seiner Beschäftigung vom 13. März 2014 bis zum 29. Juli 2014 und der nachfolgenden sechsmonatigen Suchfrist mit Erhalt der Arbeitnehmerfreizügigkeit (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) ergänzende Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der halben Mietkosten (Bescheide vom 30. Juli 2014. Seit dem 30. Januar 2015 erhielt Herr N G auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II keine Leistungen mehr (Bescheid vom 4. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015. Klage wurde dagegen nicht erhoben; von ihm beantragte Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) wurden mit Bescheid des Bezirksamtes Spandau von Berlin, Abteilung Soziales und Gesundheit, vom 1. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2015 abgelehnt; Klage wurde dagegen nicht erhoben). Nach Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 12. Februar 2016 zog Herr N G im letzten Quartal 2015 aus dem gemeinsamen Haushalt (mit unbekanntem Aufenthalt) aus. In der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2018 teilte der Kläger mit, sein Vater sei zunächst nach Bulgarien zurückgegangen; seit März 2018 halte er sich wieder in Berlin (Spandau) auf. Für Bewilligungszeiträume ab Februar 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger anteilige (hälftige) Unterkunfts- und Heizkosten (Bescheide vom 21. Januar 2014 und 18. Juli 2014).
Am 28. November 2014 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis 31. Juli 2015 Leistungen in Höhe von insgesamt monatlich 616,20 Euro, davon 208,02 Euro als anteilige (hälftige) Kosten der Unterkunft und Heizung. Widerspruch wurde dagegen nicht erhoben.
Mit Schreiben vom 30. März 2015, bei dem Beklagten am 2. April 2015 eingegangen, wies der Kläger darauf hin, seinem Vater seien seit dem 29. Januar 2015 Leistungen versagt worden, so dass dieser weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge. Für die Zeit vom 29. Januar 2015 bis zum 31. März 2015 mache er daher die vollen Unterkunftskosten in Höhe von 408,61 Euro (richtig wohl: 416,04) und für die Zeit ab 1. April 2015 in Höhe von 423,04 Euro geltend. Dem Schreiben war eine unterschriebene, nicht datierte Vollmacht beigefügt.
Mit Änderungsbescheid vom 12. Mai 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger unter Berücksichtigung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2014 und einer Nebenkostenerhöhung ab 1. April 2015 für den Monat März 2015 Leistungen in Höhe von insgesamt 640,23 Euro, davon 232,05 Euro als anteiligen Bedarf für Unterkunft und Heizung und für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. Juli 2015 in Höhe von insgesamt monatlich 619,70 Euro, davon 211,52 Euro monatlich als anteiligen Bedarf für Unterkunft und Heizung. Widerspruch wurde dagegen nicht erhoben.
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2015 teilte der Kläger dem Beklagten auf dessen Anfrage vom 12. Mai 2015 mit, dass der Schriftsatz vom 30. März 2015 als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 23. Januar 2015 gemeint gewesen sei.
Mit Bescheid vom 1. Juni 2015 lehnte der Beklagte die Überprüfung des vorgenannten Bescheides ab. Dieser sei rechtlich nicht zu beanstanden. Werde die Unterkunft von mehreren Familienmitgliedern genutzt, erfolge die Zuordnung aus Praktikabilitätsgründen grundsätzlich unabhängig von Alter und Nutzungsintensität entsprechend einer Aufteilung nach "Kopfzahl".
Dagegen erhob der Kläger am 1. Juli 2015 Widerspruch mit der Begründung, anders als in den von dem Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) beziehe sein Vater keine eigenen Sozialleistungen, die auf seinen Anspruch angerechnet werden könnten. Es liege insofern ein Sonderfall vor, der eine vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfzahl" abweichende Aufteilung rechtfertige.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2015 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Mit Schreiben vom 8. Juli 2015 sei die Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgefordert worden, eine Vollmacht bis zum 27. Juli 2015 zu übersenden. Sie sei darauf hingewiesen worden, dass der Widerspruch ohne nachgewiesene Vollmacht als unzulässig verworfen werde. Diese sei bisher weder vorgelegt noch nachgewiesen worden. Die Frage einer wirksamen Bevollmächtigung bleibe daher offen, der Widerspruch sei somit unwirksam.
Bereits mit Bescheid vom 27. Juli 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger auf einen Weiterbewilligungsantrag Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis 31. Januar 2016 in Höhe von monatlich 619,70 Euro, davon 211,52 Euro monatlich als anteiligen Bedarf für Unterkunft und Heizung, weiter. Ein Widerspruch dagegen ist den Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen.
Am 8. September 2015 hat der Kläger beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Der Beklagte habe seinen Widerspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen, zumal bereits mit dem Schriftsatz vom 30. März 2015 eine umfassende anwaltliche Vollmacht vorgelegt worden sei. Unter Wiederholung seines Widerspruchsvorbringens trägt der Kläger ergänzend vor, der Vater habe keine Mittel gehabt, um sich an der Miete zu beteiligen, da er selbst in der in Rede stehenden Zeit keine Leistungen erhalten habe. Die Miete habe er unter anderem mit seinem Gehörlosengeld bezahlt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 1. Juni 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015 aufzuheben,
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 23. Januar 2015 und 12. Mai 2015 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Oktober 2015 die vollen Unterkunfts- und Heizkosten zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid vom 11. August 2015 verwiesen und hat ergänzend vorgetragen, die dem Schreiben vom 30. März 2015 beigefügte und vom Kläger unterschriebene Vollmacht trage kein Datum. Zwar gehöre eine Datumsangabe nicht zu den zwingenden Bestandteilen einer Vollmacht. Die fehlende Datumsangabe gewinne aber an Bedeutung, wenn Zweifel hinsichtlich Inhalt und Umfang der Vollmacht bestehen. Die im Klageverfahren übersandte Kopie der vom Kläger unterzeichneten Vollmachtsurkunde für das konkrete Verwaltungsverfahren sei nicht ausreichend. Sie bezeichne nicht das konkrete Widerspruchsverfahren. Diese Vollmacht, die nunmehr das Datum 17. März 2015 trage, sei offenbar bereits im Verwaltungsverfahren benutzt worden. Rechtsanwältin H sei daher weder für das Verwaltungsverfahren noch für das Klageverfahren ausreichend bevollmächtigt.
Mit Urteil vom 11. März 2016 hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid vom 1. Juni 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015 aufgehoben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 23. Januar 2015 und 12. Mai 2015 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Oktober 2015 die vollen Unterkunfts- und Heizkosten zu gewähren. Die Klage sei für den Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 zulässig und begründet. Für die Monate August 2015 bis Oktober 2015 habe das Gericht übersehen, dass dieser Zeitraum Gegenstand des nicht angefochtenen Bescheides vom 27. Juli 2015 sei. Der Verkündung des Urteils habe die Annahme zugrunde gelegen, dass der Ausgangsbescheid sich mit dem Folgebescheid überschneide. Da dies nicht der Fall sei, sei dieser nicht zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
Der Widerspruch sei mit einer ausreichend nachgewiesenen Vollmacht erhoben. Die nachträglich vom Kläger unterzeichnete und mit Fax vom 10. Juli 2015 übersandte Vollmacht habe sich dem Kontext nach eindeutig auf die Rechtsverfolgung nach dem als unbegründet zurückgewiesenen Überprüfungsantrag bezogen. Anhaltspunkte für Zweifel an einer Bevollmächtigung hätten nicht bestanden. Zu Unrecht habe der Beklagte den Widerspruch daher als unzulässig verworfen. In der Sache habe der Kläger Anspruch auf Übernahme der vollen Miet- und Heizkosten, wozu auch die Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung 2014 gehöre. Grundlage dieses Anspruchs sei eine im streitigen Zeitraum bestehende und bedarfsbezogene Abweichung vom Kopfteilprinzip. Das Kopfteilprinzip habe nicht die Qualität einer Rechtsnorm. Es handele sich um eine heuristische Regel, die in besonderen atypischen Bedarfssituationen Abweichungen zulasse. Dies habe das BSG beispielhaft entschieden für den Fall, dass ein Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft längere Zeit im Ausland weile, ohne den Inlandswohnsitz aufzugeben und für Fälle einer Sanktion unter 25-jähriger in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern. Der Grund für die Abweichung vom Kopfteilprinzip liege auch hier darin, dass der hilfebedürftige Kläger nicht dafür aufkommen müsse, dass ein ebenfalls hilfebedürftiger Mitbewohner, sein Vater, keine Leistungen erhalten habe und auch keine Mittel habe aufbringen können, um sich an den Mietkosten zu beteiligen. Dass zwischen dem Kläger und dessen Vater keine Bedarfsgemeinschaft bestanden habe, sei unerheblich. In derartigen Konstellationen gehe es nicht darum, den leistungsberechtigten Wohnungsnutzer in die Lage zu versetzen, etwaigen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber einem von Leistungen ausgeschlossenen Mitbewohner nachzukommen, sondern es dem Leistungsberechtigten selbst zu ermöglichen, den eigenen Wohnbedarf (zumindest für eine Übergangszeit) voll zu decken, wobei hier keine Übergangszeit relevant werde, weil die tatsächlichen Mietkosten auch für eine Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft angemessen seien. Ausschlaggebend sei außerdem, dass der hilfebedürftige Kläger unter Berücksichtigung von Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht darauf verwiesen werden könne, seinen Vater aus der Wohnung zu setzen, was unter den gegebenen Umständen dessen Obdachlosigkeit bedeutet hätte. Wegen des Auszugs des Vaters mit unbekanntem Aufenthalt könne schließlich auch nicht darauf verwiesen werden, dass vom Mitbewohner nachträglich Leistungen nach dem SGB II oder dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) einzufordern seien. Insofern gleiche die Situation den ebenfalls in der Rechtsprechung bereits entschiedenen Fällen einer vollen Mietkostenübernahme, wenn von einem Mit- oder Untermieter nichts mehr zu erlangen sei.
Der Einwand, mit der vollen Mietkostenübernahme werde der Leistungsausschluss für arbeitsuchende EU-Bürger umgangen, verfange insofern nicht, als der Vater des Klägers nach überzeugender Rechtsprechung des BSG Sozialhilfe hätte beanspruchen können und dieser Rechtsanspruch (Ermessensreduktion auf Null nach sechs-monatigem Aufenthalt im Bundesgebiet) zu Unrecht verneint worden sei. Dass der Kläger aus den von ihm nicht zu vertretenden Umständen keine Möglichkeit mehr habe, die anteiligen Sozialhilfebedarfe für das Wohnen im Namen seines Vaters oder über eine Kontaktaufnahme mit seinem Vater realisieren zu können, könne nicht zu seinen Lasten gehen. Ein Anspruch bestehe daher für den Monat Februar in Höhe von 208,02 Euro, für den Monat März in Höhe von 232,05 Euro und für die Monate April 2015 bis Juli 2015 in Höhe von jeweils monatlich 211,52 Euro.
Gegen das dem Beklagten am 21. März 2016 zugestellte Urteil hat dieser am 13. April 2016 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Durch eine Abkehr vom "Kopfteilprinzip" werde der Kläger in die Lage versetzt, seinem Vater "Unterhalt" in Gestalt von Logie zu gewähren. Hierdurch werde diesem gegenüber gleichsam ein weiteres Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 1 und 2, 2. Alternative FreizügG/EU konstruiert mit der Folge, dass sich der Vater nicht mehr - nur - "zur Arbeitsuche" in Deutschland aufgehalten hätte und somit nicht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterfallen wäre. Letztlich versuche das Sozialgericht mit dem angefochtenen Urteil ausweislich der auch auf vermeintlich nicht - mehr - realisierbare Sozialhilfeansprüche des Vaters des Klägers gestützten Begründung eine teilweise "Kompensation" vermeintlichen Unrechts diesem gegenüber; hierfür sei das Verfahren aber schon angesichts der im Rechtskreis des SGB II normierten Individualansprüche ungeeignet.
Soweit das Sozialgericht auch über den Leistungszeitraum 1. August 2015 bis 31. Oktober 2015 entschieden habe, sei das angefochtene Urteil verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die Klage sei insoweit unzulässig, da der allein zur Überprüfung gestellte Bescheid diesbezüglich keine Regelungen getroffen und daher kein zulässiger Streitgegenstand vorgelegen habe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er habe seinen Vater in die Wohnung aufnehmen müssen, da dieser wegen der zu Unrecht verweigerten Sozialhilfe vollkommen mittellos gewesen sei. Eine "kopfteilige" Berücksichtigung seines Vaters bei der Berechnung seines Anspruches auf Gewährung von Unterkunfts- und Heizkosten wäre nur dann sachgerecht gewesen, wenn dieser die beantragte und ihm zustehende Sozialhilfe erhalten hätte und damit in der Lage gewesen wäre, sich an den Kosten der Unterkunft und Heizung zu beteiligen.
Der Beklagte hat dem Kläger für die Zeit ab 1. Februar 2016 bis 31. Juli 2016 Leistungen nach dem SGB II (Bedarfe für Unterkunft und Heizung weiterhin anteilig) weiterbewilligt (Bescheid vom 15. Januar 2016); mit Änderungsbescheid vom 29. Januar 2016 hat er dem Kläger (unter Herausnahme des Herrn N G aus der Haushaltsgemeinschaft mit der Folge der Übernahme der nunmehr wieder vollen Kosten der Unterkunft und Heizung) Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom ab 1. Februar 2016 bis 31. Juli 2016 in Höhe von monatlich 836,33 Euro, davon 423,04 Euro monatlich als Bedarf für Unterkunft und Heizung bewilligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten (den Kläger betreffend - sowie Herrn N G betreffend – ), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Die Klage ist den Zeitraum 1. Februar 2015 bis 31. Juli 2015 betreffend zulässig, aber unbegründet, den Zeitraum 1. August 2015 bis 31. Oktober 2015 betreffend hingegen bereits unzulässig.
Ob der Widerspruch vom 1. Juli 2015 zu Recht als unzulässig zu verwerfen war, weil der Kläger keine ordnungsgemäße Vollmacht vorgelegt hatte, bedarf keiner abschließenden Erörterung. Denn selbst wenn der Auffassung des Beklagten nicht zu folgen wäre und es insoweit im Widerspruchsbescheid an einer materiellrechtlichen Überprüfung fehlte, stünde dieser Umstand einer materiell-rechtlichen Überprüfung des Ausgangsbescheides im gerichtlichen Verfahren jedenfalls nicht entgegen. Insbesondere wäre die Klage nicht bereits deshalb unzulässig, weil es an einem Vorverfahren im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG fehlt. Ein Vorverfahren ist nämlich bereits schon dann durchgeführt, wenn der Widerspruch erfolglos geblieben ist, was hier der Fall ist. Aus welchen Gründen die Behörde dem Widerspruch den Erfolg versagt hat, ist nicht von Bedeutung. Das Vorverfahren ist also auch durchgeführt, wenn - wie hier - der Widerspruch (gegebenenfalls rechtsfehlerhaft) als unzulässig verworfen wurde (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24. November 2011, B 14 AS 151/10 R , zitiert nach juris, Rn. 9, m.w.N Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. September 2017, L 11 AS 1067/15, zitiert nach juris; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 78 Rn. 2, m.w.N. auch zur Gegenauffassung).
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015, durch den der Beklagte es abgelehnt hat, den bindend gewordenen (vgl. § 77 SGG) Bewilligungsbescheid vom 23. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Mai 2015 insoweit zu ändern, als dieser für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis 31. Juli 2015 nur eine "kopfteilige" Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft und Heizung zugunsten des Klägers vorsieht. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 4, 56 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2014, B 14 AS 54/13 R, zitiert nach juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 56 Rn. 3). Der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei den Kosten der Unterkunft handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R, zitiert nach juris).
Gegenstand des Verfahrens ist nicht der (wohl) auch bindend gewordene Bescheid vom 27. Juli 2015 (Leistungszeitraum August 2015 bis Januar 2016). Diesen Zeitraum regelt der zu überprüfende Bescheid vom 23. Januar 2015 in der Fassung des Bescheides vom 12. Mai 2015 nicht. Die Klage ist insoweit unzulässig. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), der auch im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende Anwendung findet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II), ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Rechtsfolge der erweislich anfänglichen Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakts zum Nachteil eines Leistungsbeziehers ist ein seine Unanfechtbarkeit durchbrechender Anspruch auf dessen (gegebenenfalls teilweise) Aufhebung und auf Neufeststellung der im Streit stehenden Leistungen in dem Zeitrahmen nach § 44 Abs. 4 SGB X (vgl. Schütze in Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44 Rn. 26).
Der Bewilligungsbescheid vom 23. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Mai 2015 war nicht anfänglich, d.h., nach der im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage, rechtswidrig. Das materielle Recht des SGB II ist richtig angewandt worden, die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor. Der Beklagte hat die Kosten der Unterkunft des Klägers zu Recht um einen für den Vater angenommenen 1/2-Kopfteil gekürzt. Dieser hat mit dem Kläger in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt, sodass nur ein Anspruch auf die Hälfte der Kosten der Unterkunft bestanden hat.
Rechtsgrundlage für das von dem Kläger begehrte höhere Arbeitslosengeld II ist § 19 Abs. 1 Sätze 1 und 3 in Verbindung mit §§ 7, 9 und §§ 20, 21 und 22 SGB II in der im streitbefangenen Zeitraum vom 1. April 2011 bzw. 1. April 2012 (§ 7 SGB II) bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung, denn in Rechtsstreitigkeiten über in der Vergangenheit liegende Zeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Hiernach erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte) (Nr. 4). Diese Voraussetzungen liegen vor. Gegenteilige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Auch Gründe für das Eingreifen eines Ausschlusstatbestandes (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II) sind im streitbefangenen Zeitraum nicht zuerkennen. Die vorliegend nur umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Zur Ermittlung dieser Bedarfe sind zunächst die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung zu bestimmen, anschließend die Angemessenheit dieser Aufwendungen, dann die Verteilung dieser Kosten auf die in der Wohnung wohnenden Person sowie die Prüfung weiterer möglicher Einwände Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung betragen im streitbefangenen Zeitraum 416,04 Euro, ab 1. April 2015 423, 04 Euro, über deren Angemessenheit kein Streit besteht. Diese tatsächlichen, angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind in der vorliegenden Haushaltsgemeinschaft - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nach Kopfteilen zwischen dem Kläger und seinem Vater aufzuteilen. Die Vorgehensweise des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung sind grundsätzlich Kosten der Unterkunft unabhängig vom Alter der Wohnung und der jeweiligen Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Leistungsempfänger eine Unterkunft (hier: eine Wohnung) gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Hintergrund für dieses auf das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vom 21. Januar 1988, 5 C 68/85, zitiert nach juris, zurückgehende sogenannte "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses des Wohnens nicht zulasse (BSG, Urteile vom 23. November 206, B 11b AS 1/06 R, vom 18. Juni 2008, B 14/11b AS 61/06 R und vom 29. November 2012, B 14 AS 36/12 R, alle zitiert nach juris).
In der Konsequenz bedeutet dies, dass innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft oder Haushaltsgemeinschaft die Aufteilung der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung grundsätzlich nach Kopfteilen zu erfolgen hat und es ohne Belang ist, wer den Mietzins schuldet und wer welchen Teil der Wohnung tatsächlich nutzt. Ihre Rechtfertigung findet die grundsätzliche Anwendung des Kopfteilprinzips in diesen Fällen in der Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen gerade innerhalb einer "aus einem Topf wirtschaftenden" Bedarfsgemeinschaft eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 18. August 2016 – L 9 AS 366/15).
Das BVerwG hat in dem oben zitierten Urteil vom 21. Januar 1988, a.a.O., weiter ausgeführt: "Die hiernach auch der Verwaltungspraktikabilität gerecht werdende, nicht durch willkürliche Grenzziehungen nach Altersgruppen eingeschränkte Aufteilung der Unterkunftskosten nach Köpfen bedarf nach Auffassung des BVerwG`s nur dann der Korrektur, wenn und soweit der Hilfefall durch sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände gekennzeichnet ist, die ohne weiteres objektivierbar und dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt sind. Das kann einerseits ein über das normale Maß hinausgehender und dementsprechend nach § 3 Abs. 1 BSHG besonders zu berücksichtigender Bedarf des Hilfesuchenden an Unterkunft sein. Andererseits können die besonderen Umstände, die ein anerkennenswertes Mehr an Unterkunftsbedarf ausmachen, in der Person eines der nicht hilfebedürftigen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft bestehen, Umstände, die auch sonst von Belang sind, wenn es darum geht, in Anwendung der §§ 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG und des § 3 Abs. 1 RegelsatzVO den angemessenen Umfang von Aufwendungen für die Unterkunft festzustellen (siehe dazu die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. August 1985 (BVerwGE 72, 88) und 27. November 1986 (BVerwGE 75, 168)). Zu denken ist hierbei insbesondere an Fälle der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit."
Aufbauend auf dieser Rechtsprechung haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl. Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/11b AS 55/06 R: keine Abweichung, wenn BAföG-Leistungen beziehende Tochter die Wohnung mitbenutzt; Urteil vom 27. Januar 2009, B 14/7b AS 8/07 R: keine Abweichung bei Aufnahme von Kindern zur Vollzeitpflege; Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R: Abweichung bei Ortsabwesenheit; Urteil vom 16. April 2013, B 14 AS 71/12 R: Abweichung bei im Pflegeheim lebenden Ehemann, alle zitiert nach juris).
Der 14. Senat des BSG hatte ferner in einer Entscheidung vom 29. November 2012, B 14 AS 36/12 R, aaO, eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für diejenigen Fälle bejaht, in denen eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrages bei objektiver Betrachtung angezeigt ist und nochmals betont, dass vom Kopfteilprinzip abzuweichen ist, wenn der Nutzung einer Wohnung andere bindende vertragliche Regelungen zugrunde liegen. Der Kläger hatte sich in einem notariellen Vertrag gegenüber seiner Mutter verpflichtet, die Kosten für Licht, Heizung, Wasser und Abwasser auch für die Räume der Mutter zu übernehmen und ihr unentgeltliches Wohnrecht auf Lebenszeit in der oberen Etage zur alleinigen Benutzung eingeräumt.
In der Folgezeit hat das BSG mehrfach Abweichungen vom Kopfteilprinzip als möglich und notwendig angesehen: In einem Urteil vom 23. Mai 2013, B 4 AS 67/12 R, zitiert nach juris, hat es ausgeführt, dass es sich bei der aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität vorgenommenen Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II um eine generalisierende und typisierende Annahme handelt, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzend festgeschrieben ist; begrenzend wirke lediglich die Angemessenheit der Unterkunftskosten (BSG, Urteil vom 23. Mai 2013, B 4 AS 67/12 R, zitiert nach juris). So hat der 4. Senat für den Fall, dass bei einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion die Leistungen für Unterkunft und Heizung weggefallen sind, eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hinsichtlich der weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder aus bedarfsbezogenen Gründen bejaht. Diese könnten nicht darauf verwiesen werden, von einem Dritten seinen Anteil zu verlangen, wenn das Jobcenter mit bestandskräftigem Bescheid den vollständigen Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung verfügt und der Dritte auch kein Einkommen oder Vermögen habe, aus dem er seinen Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bestreiten könne. Dem hat sich der 14. Senat in einer Entscheidung vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 50/13 R, zitiert nach juris, im Falle einer Sanktion gegenüber einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft angeschlossen. Der 14. Senat hat aber in Übereinstimmung mit dem 4. Senat darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip jedoch sei, dass der sanktionierte Dritte über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil – oder gegebenenfalls Teile davon – bestreiten kann. Es sei nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wirtschaftlich Leistungsfähigen ein kostenfreies Wohnen zu ermöglichen (vgl. auch BSG, Urteile vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 90/12 R und vom 2. Februar 2014, B 14 AS 50/13 R, beide zitiert nach juris; s.a. BSG, Urteil vom 23. Mai 2013, B 4 AS 67/12 R, a.a.O.).
Ausgangspunkt für Abweichungen vom Kopfteilprinzip sind insoweit (wiederum) bedarfsbezogene Gründe der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zur Sicherung ihres Grundbedürfnisses "Wohnen". Das BSG hat in der Folgezeit ausgeführt, der Hintergrund für die vom Kopfteil als Maßstab für die Aufteilung der Unterkunftsaufwendungen bestehenden Ausnahmen sei die Sicherung des Grundbedürfnisses Wohnen, die in diesen Fällen nur über Ansprüche der jeweiligen leistungsberechtigten Personen sichergestellt werden könne (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2016, B 14 AS 40/15 R und vom 14. Februar 2018, B 14 AS 17/17 R, beide zitiert nach juris). So liegt es vorliegend indes nicht.
Im zugrundeliegenden Fall lässt sich nach Auffassung des Senats nicht zweifelsfrei feststellen, dass die Voraussetzung des vorgenannten Hintergrundes vorliegt, nämlich, dass die Sicherung des Grundbedürfnisses Wohnen im streitgegenständlichen Zeitraum nur über Ansprüche des leistungsberechtigten Klägers sichergestellt werden konnten. Denn nach der Rechtsprechung des BSG waren für den Vater des Klägers Leistungen vorgesehen, worauf das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung bereits hingewiesen hat (vgl. BSG, Urteile vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 44/15 R, vom 16. Dezember 2015, B 14 AS 15/14 R und B 14 AS 18/14 R sowie vom 20. Januar 2016, B 14 AS 35/15 R, alle zitiert nach juris, die zu Ansprüchen von EU-Ausländern auf Leistungen gegen die Träger der Sozialhilfe gelangen). Zwar trägt die Prozessbevollmächtigte im Februar 2016 auf Nachfrage des Sozialgerichts vor, für den Vater des Klägers könne trotz Kenntnis der (vorgenannten) Urteile des BSG aus Dezember 2015 und Januar 2016 keine Sozialhilfe beantragt werden, da weder sie noch der Kläger den derzeitigen Aufenthalt des Vaters kennen würden. Allerdings ist festzustellen, dass der Vater des Klägers von dem Bezirksamt Spandau zu Berlin, Abteilung Soziales und Gesundheit, eine Entscheidung mit Datum vom 1. April 2015 erwirkt hatte, wonach seinem Antrag vom 19. März 2015 auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII nicht entsprochen wurde. Dieser Bescheid wurde bestandkräftig (vgl. § 77 SGG), denn der anwaltlich vertretene Vater des Klägers hatte dagegen zwar noch Widerspruch, nicht aber Klage gegen den den Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2015 erhoben.
Vor diesem Hintergrund ist die bereits zitierte Entscheidung des BSG vom 14. Februar 2018, B 14 AS 17/17 R, a.a.O.) in den Blick zu nehmen, in der das BSG allein bei einer Versagung von Leistungen für den mitwohnenden Sohn wegen dessen mangelnder Mitwirkung bei der Prüfung vorhandenen Einkommens keine Abweichung vom Kopfteilprinzip zugunsten der Kläger als gerechtfertigt ansieht. In der Entscheidung hießt es:
"Diese Ungewissheit über die Hilfebedürftigkeit nach den SGB 2 oder Versagung nach § 36 SGB I wegen fehlender Mitwirkung bei der Feststellung zu berücksichtigenden Einkommens rechtfertigt, anders als beim durch das Jobcenter verfügten Wegfall des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunftsaufwendungen nach § 31 ff. keine Abweichung von Kopfteilprinzip aus Bedarf bezogenen Gründen. Ist die Hilfebedürftigkeit eines Dritten Haushaltsmitglied, bei deren Vorliegen dessen Kopfteil als Bedarf anerkannt und übernommen würde, ungeklärt, lässt dies den Bedarf der anderen Mitglieder unberührt. Dies unterscheidet Versagung von Sanktionen, weil aufgrund dieser vorübergehend trotz Hilfebedürftigkeit des Dritten dessen Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht übernommen wird. Die Folgen des "fehlenden" Kopfteil für die anderen Mitglieder des Haushalts aufgrund einer Versagung gegenüber einem Dritten Mitglied, weil dieses die u.a. in § 60 ff. SGB I i.V.m. § 11 ff SGB 2 zum Ausdruck kommenden Verhaltenserwartungen nicht erfüllt, sind nicht durch höhere Einzelansprüche der anderen Haushaltsmitglieder auszugleichen. "
In Anlehnung an diese Rechtsprechung war es dem Kläger zumutbar, den Anteil des "fehlenden" Kopfteils von seinem Vater im Hinblick darauf zu verlangen, dass dessen Leistungsberechtigung durch Einlegung der zulässigen Rechtsmittel auf dem Rechtsweg hätte geklärt werden müssen. Zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2015 war eine Klage des noch in Deutschland weilenden Vaters (nach Angaben des Klägers hat dieser Deutschland erst im letzten Quartal des Jahres 2015 verlassen) vor dem Hintergrund des bei dem BSG anhängigen (oben zitierten) Verfahrens (u.a. B 4 AS 44/15 R) auch geboten und erfolgversprechend. Dies gilt umso mehr, als erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB II alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen müssen.
Die verbliebene Ungewissheit einer Leistungsberechtigung des Vaters des Klägers rechtfertigt, anders als beim durch das Jobcenter verfügten Wegfall des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunftsaufwendungen nach §§ 31 ff. SGB II, keine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen. Diese Konstellation unterscheidet sich von Sanktionen, weil bei dieser (nur) vorübergehend trotz Leistungsberechtigung des Dritten dessen Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht übernommen wird. Ist die Leistungsberechtigung eines dritten Haushaltsmitglieds, bei deren Vorliegen dessen Kopfteil als Bedarf anerkannt und übernommen würde, ungeklärt, lässt dies den Bedarf der anderen Mitglieder unberührt (so für die ungewiss gebliebene Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II in der oben zitierten Entscheidung des BSG, Urteil vom 14. Februar 2018, a.a.O.).
So, wie die Folgen des "fehlenden" Kopfteils für die anderen Mitglieder des Haushalts aufgrund einer Versagung gegenüber einem dritten Mitglied, weil dieses die u.a. in §§ 60 ff SGB I i.V.m. § 9 und §§ 11 ff SGB II zum Ausdruck kommenden Verhaltenserwartungen nicht erfüllt, nicht durch höhere Einzelansprüche der anderen Haushaltsmitglieder auszugleichen sind (so BSG, Urteil vom 14. Februar 2018, a.a.O.), sind es auch diejenigen Folgen des "fehlenden" Kopfteils nicht, die daraus resultieren, dass der Vater des Klägers es versäumt hat, mit Blick auf eigene mögliche Ansprüche den Rechtsweg auszuschöpfen.
Dessen ungeachtet hielte der Senat die Übernahme eines höheren Einzelanspruchs des Klägers für systematisch fehlerhaft. Die Übernahme eines höheren Einzelanspruches des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung wäre deshalb systematisch verfehlt, weil es dazu führte, dass von dem SGB II-Leistungsträger Kosten für den Unterhalt einer Person übernommen würden, deren sowohl nach dem SGB II als auch dem SGB XII gestellter Leistungsantrag rechtskräftig abgelehnt worden ist. Bei dieser Lösung würde der Leistungsträger nach dem SGB II mittelbar Kosten für den Lebensunterhalt einer von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossenen Person übernehmen. Damit würde von dem Grundsatz abgewichen, dass die zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts bestimmten existenzsichernden Leistungen der Grundsicherung grundsätzlich nicht dazu bestimmt sind, den Empfänger in die Lage zu versetzen, Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber Dritten nachzukommen. Derartige Verpflichtungen gehören nicht zu dem von Leistungen des SGB II im Fall der Hilfebedürftigkeit zu deckenden Bedarf nach §§ 19 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/11b AS 55/06 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. März 2006, L 8 AS 307/05, beide zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung des Sozialgerichts, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis 31. Oktober 2015 höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen.
Der 1979 geborene, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzende Kläger steht seit geraumer Zeit (mit Unterbrechungen) im ergänzenden Leistungsbezug bei dem Beklagten (zuletzt mit Bescheiden vom 9. Juli 2013, 23. November 2013 und 21. Januar 2014). Er wohnt in der im Rubrum benannten Wohnung, eine 59,93 m² große 2-Raumwohnung mit einem von dem Beklagten als angemessen beurteilten Mietzins in Höhe von 416,04 Euro (ab 1. April 2015: 423,04 Euro). Im streitbefangenen Zeitraum ging der Kläger keiner Tätigkeit nach.
Bereits im August 2013 zog der die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzende Vater des Klägers, Herr N G, in die Wohnung seines Sohnes (Anmeldebestätigung vom 8. August 2013). Eigenen Angaben zufolge schloss der Kläger mit seinem Vermieter weder einen Untermietvertrag noch setzte er diesen von der Untervermietung in Kenntnis. Der Vater des Klägers erhielt während der Dauer seiner Beschäftigung vom 13. März 2014 bis zum 29. Juli 2014 und der nachfolgenden sechsmonatigen Suchfrist mit Erhalt der Arbeitnehmerfreizügigkeit (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) ergänzende Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der halben Mietkosten (Bescheide vom 30. Juli 2014. Seit dem 30. Januar 2015 erhielt Herr N G auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II keine Leistungen mehr (Bescheid vom 4. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015. Klage wurde dagegen nicht erhoben; von ihm beantragte Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) wurden mit Bescheid des Bezirksamtes Spandau von Berlin, Abteilung Soziales und Gesundheit, vom 1. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2015 abgelehnt; Klage wurde dagegen nicht erhoben). Nach Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 12. Februar 2016 zog Herr N G im letzten Quartal 2015 aus dem gemeinsamen Haushalt (mit unbekanntem Aufenthalt) aus. In der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2018 teilte der Kläger mit, sein Vater sei zunächst nach Bulgarien zurückgegangen; seit März 2018 halte er sich wieder in Berlin (Spandau) auf. Für Bewilligungszeiträume ab Februar 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger anteilige (hälftige) Unterkunfts- und Heizkosten (Bescheide vom 21. Januar 2014 und 18. Juli 2014).
Am 28. November 2014 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis 31. Juli 2015 Leistungen in Höhe von insgesamt monatlich 616,20 Euro, davon 208,02 Euro als anteilige (hälftige) Kosten der Unterkunft und Heizung. Widerspruch wurde dagegen nicht erhoben.
Mit Schreiben vom 30. März 2015, bei dem Beklagten am 2. April 2015 eingegangen, wies der Kläger darauf hin, seinem Vater seien seit dem 29. Januar 2015 Leistungen versagt worden, so dass dieser weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge. Für die Zeit vom 29. Januar 2015 bis zum 31. März 2015 mache er daher die vollen Unterkunftskosten in Höhe von 408,61 Euro (richtig wohl: 416,04) und für die Zeit ab 1. April 2015 in Höhe von 423,04 Euro geltend. Dem Schreiben war eine unterschriebene, nicht datierte Vollmacht beigefügt.
Mit Änderungsbescheid vom 12. Mai 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger unter Berücksichtigung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2014 und einer Nebenkostenerhöhung ab 1. April 2015 für den Monat März 2015 Leistungen in Höhe von insgesamt 640,23 Euro, davon 232,05 Euro als anteiligen Bedarf für Unterkunft und Heizung und für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. Juli 2015 in Höhe von insgesamt monatlich 619,70 Euro, davon 211,52 Euro monatlich als anteiligen Bedarf für Unterkunft und Heizung. Widerspruch wurde dagegen nicht erhoben.
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2015 teilte der Kläger dem Beklagten auf dessen Anfrage vom 12. Mai 2015 mit, dass der Schriftsatz vom 30. März 2015 als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 23. Januar 2015 gemeint gewesen sei.
Mit Bescheid vom 1. Juni 2015 lehnte der Beklagte die Überprüfung des vorgenannten Bescheides ab. Dieser sei rechtlich nicht zu beanstanden. Werde die Unterkunft von mehreren Familienmitgliedern genutzt, erfolge die Zuordnung aus Praktikabilitätsgründen grundsätzlich unabhängig von Alter und Nutzungsintensität entsprechend einer Aufteilung nach "Kopfzahl".
Dagegen erhob der Kläger am 1. Juli 2015 Widerspruch mit der Begründung, anders als in den von dem Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) beziehe sein Vater keine eigenen Sozialleistungen, die auf seinen Anspruch angerechnet werden könnten. Es liege insofern ein Sonderfall vor, der eine vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfzahl" abweichende Aufteilung rechtfertige.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2015 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Mit Schreiben vom 8. Juli 2015 sei die Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgefordert worden, eine Vollmacht bis zum 27. Juli 2015 zu übersenden. Sie sei darauf hingewiesen worden, dass der Widerspruch ohne nachgewiesene Vollmacht als unzulässig verworfen werde. Diese sei bisher weder vorgelegt noch nachgewiesen worden. Die Frage einer wirksamen Bevollmächtigung bleibe daher offen, der Widerspruch sei somit unwirksam.
Bereits mit Bescheid vom 27. Juli 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger auf einen Weiterbewilligungsantrag Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis 31. Januar 2016 in Höhe von monatlich 619,70 Euro, davon 211,52 Euro monatlich als anteiligen Bedarf für Unterkunft und Heizung, weiter. Ein Widerspruch dagegen ist den Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen.
Am 8. September 2015 hat der Kläger beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Der Beklagte habe seinen Widerspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen, zumal bereits mit dem Schriftsatz vom 30. März 2015 eine umfassende anwaltliche Vollmacht vorgelegt worden sei. Unter Wiederholung seines Widerspruchsvorbringens trägt der Kläger ergänzend vor, der Vater habe keine Mittel gehabt, um sich an der Miete zu beteiligen, da er selbst in der in Rede stehenden Zeit keine Leistungen erhalten habe. Die Miete habe er unter anderem mit seinem Gehörlosengeld bezahlt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 1. Juni 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015 aufzuheben,
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 23. Januar 2015 und 12. Mai 2015 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Oktober 2015 die vollen Unterkunfts- und Heizkosten zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid vom 11. August 2015 verwiesen und hat ergänzend vorgetragen, die dem Schreiben vom 30. März 2015 beigefügte und vom Kläger unterschriebene Vollmacht trage kein Datum. Zwar gehöre eine Datumsangabe nicht zu den zwingenden Bestandteilen einer Vollmacht. Die fehlende Datumsangabe gewinne aber an Bedeutung, wenn Zweifel hinsichtlich Inhalt und Umfang der Vollmacht bestehen. Die im Klageverfahren übersandte Kopie der vom Kläger unterzeichneten Vollmachtsurkunde für das konkrete Verwaltungsverfahren sei nicht ausreichend. Sie bezeichne nicht das konkrete Widerspruchsverfahren. Diese Vollmacht, die nunmehr das Datum 17. März 2015 trage, sei offenbar bereits im Verwaltungsverfahren benutzt worden. Rechtsanwältin H sei daher weder für das Verwaltungsverfahren noch für das Klageverfahren ausreichend bevollmächtigt.
Mit Urteil vom 11. März 2016 hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid vom 1. Juni 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015 aufgehoben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 23. Januar 2015 und 12. Mai 2015 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Oktober 2015 die vollen Unterkunfts- und Heizkosten zu gewähren. Die Klage sei für den Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 zulässig und begründet. Für die Monate August 2015 bis Oktober 2015 habe das Gericht übersehen, dass dieser Zeitraum Gegenstand des nicht angefochtenen Bescheides vom 27. Juli 2015 sei. Der Verkündung des Urteils habe die Annahme zugrunde gelegen, dass der Ausgangsbescheid sich mit dem Folgebescheid überschneide. Da dies nicht der Fall sei, sei dieser nicht zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
Der Widerspruch sei mit einer ausreichend nachgewiesenen Vollmacht erhoben. Die nachträglich vom Kläger unterzeichnete und mit Fax vom 10. Juli 2015 übersandte Vollmacht habe sich dem Kontext nach eindeutig auf die Rechtsverfolgung nach dem als unbegründet zurückgewiesenen Überprüfungsantrag bezogen. Anhaltspunkte für Zweifel an einer Bevollmächtigung hätten nicht bestanden. Zu Unrecht habe der Beklagte den Widerspruch daher als unzulässig verworfen. In der Sache habe der Kläger Anspruch auf Übernahme der vollen Miet- und Heizkosten, wozu auch die Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung 2014 gehöre. Grundlage dieses Anspruchs sei eine im streitigen Zeitraum bestehende und bedarfsbezogene Abweichung vom Kopfteilprinzip. Das Kopfteilprinzip habe nicht die Qualität einer Rechtsnorm. Es handele sich um eine heuristische Regel, die in besonderen atypischen Bedarfssituationen Abweichungen zulasse. Dies habe das BSG beispielhaft entschieden für den Fall, dass ein Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft längere Zeit im Ausland weile, ohne den Inlandswohnsitz aufzugeben und für Fälle einer Sanktion unter 25-jähriger in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern. Der Grund für die Abweichung vom Kopfteilprinzip liege auch hier darin, dass der hilfebedürftige Kläger nicht dafür aufkommen müsse, dass ein ebenfalls hilfebedürftiger Mitbewohner, sein Vater, keine Leistungen erhalten habe und auch keine Mittel habe aufbringen können, um sich an den Mietkosten zu beteiligen. Dass zwischen dem Kläger und dessen Vater keine Bedarfsgemeinschaft bestanden habe, sei unerheblich. In derartigen Konstellationen gehe es nicht darum, den leistungsberechtigten Wohnungsnutzer in die Lage zu versetzen, etwaigen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber einem von Leistungen ausgeschlossenen Mitbewohner nachzukommen, sondern es dem Leistungsberechtigten selbst zu ermöglichen, den eigenen Wohnbedarf (zumindest für eine Übergangszeit) voll zu decken, wobei hier keine Übergangszeit relevant werde, weil die tatsächlichen Mietkosten auch für eine Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft angemessen seien. Ausschlaggebend sei außerdem, dass der hilfebedürftige Kläger unter Berücksichtigung von Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht darauf verwiesen werden könne, seinen Vater aus der Wohnung zu setzen, was unter den gegebenen Umständen dessen Obdachlosigkeit bedeutet hätte. Wegen des Auszugs des Vaters mit unbekanntem Aufenthalt könne schließlich auch nicht darauf verwiesen werden, dass vom Mitbewohner nachträglich Leistungen nach dem SGB II oder dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) einzufordern seien. Insofern gleiche die Situation den ebenfalls in der Rechtsprechung bereits entschiedenen Fällen einer vollen Mietkostenübernahme, wenn von einem Mit- oder Untermieter nichts mehr zu erlangen sei.
Der Einwand, mit der vollen Mietkostenübernahme werde der Leistungsausschluss für arbeitsuchende EU-Bürger umgangen, verfange insofern nicht, als der Vater des Klägers nach überzeugender Rechtsprechung des BSG Sozialhilfe hätte beanspruchen können und dieser Rechtsanspruch (Ermessensreduktion auf Null nach sechs-monatigem Aufenthalt im Bundesgebiet) zu Unrecht verneint worden sei. Dass der Kläger aus den von ihm nicht zu vertretenden Umständen keine Möglichkeit mehr habe, die anteiligen Sozialhilfebedarfe für das Wohnen im Namen seines Vaters oder über eine Kontaktaufnahme mit seinem Vater realisieren zu können, könne nicht zu seinen Lasten gehen. Ein Anspruch bestehe daher für den Monat Februar in Höhe von 208,02 Euro, für den Monat März in Höhe von 232,05 Euro und für die Monate April 2015 bis Juli 2015 in Höhe von jeweils monatlich 211,52 Euro.
Gegen das dem Beklagten am 21. März 2016 zugestellte Urteil hat dieser am 13. April 2016 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Durch eine Abkehr vom "Kopfteilprinzip" werde der Kläger in die Lage versetzt, seinem Vater "Unterhalt" in Gestalt von Logie zu gewähren. Hierdurch werde diesem gegenüber gleichsam ein weiteres Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 1 und 2, 2. Alternative FreizügG/EU konstruiert mit der Folge, dass sich der Vater nicht mehr - nur - "zur Arbeitsuche" in Deutschland aufgehalten hätte und somit nicht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterfallen wäre. Letztlich versuche das Sozialgericht mit dem angefochtenen Urteil ausweislich der auch auf vermeintlich nicht - mehr - realisierbare Sozialhilfeansprüche des Vaters des Klägers gestützten Begründung eine teilweise "Kompensation" vermeintlichen Unrechts diesem gegenüber; hierfür sei das Verfahren aber schon angesichts der im Rechtskreis des SGB II normierten Individualansprüche ungeeignet.
Soweit das Sozialgericht auch über den Leistungszeitraum 1. August 2015 bis 31. Oktober 2015 entschieden habe, sei das angefochtene Urteil verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die Klage sei insoweit unzulässig, da der allein zur Überprüfung gestellte Bescheid diesbezüglich keine Regelungen getroffen und daher kein zulässiger Streitgegenstand vorgelegen habe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er habe seinen Vater in die Wohnung aufnehmen müssen, da dieser wegen der zu Unrecht verweigerten Sozialhilfe vollkommen mittellos gewesen sei. Eine "kopfteilige" Berücksichtigung seines Vaters bei der Berechnung seines Anspruches auf Gewährung von Unterkunfts- und Heizkosten wäre nur dann sachgerecht gewesen, wenn dieser die beantragte und ihm zustehende Sozialhilfe erhalten hätte und damit in der Lage gewesen wäre, sich an den Kosten der Unterkunft und Heizung zu beteiligen.
Der Beklagte hat dem Kläger für die Zeit ab 1. Februar 2016 bis 31. Juli 2016 Leistungen nach dem SGB II (Bedarfe für Unterkunft und Heizung weiterhin anteilig) weiterbewilligt (Bescheid vom 15. Januar 2016); mit Änderungsbescheid vom 29. Januar 2016 hat er dem Kläger (unter Herausnahme des Herrn N G aus der Haushaltsgemeinschaft mit der Folge der Übernahme der nunmehr wieder vollen Kosten der Unterkunft und Heizung) Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom ab 1. Februar 2016 bis 31. Juli 2016 in Höhe von monatlich 836,33 Euro, davon 423,04 Euro monatlich als Bedarf für Unterkunft und Heizung bewilligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten (den Kläger betreffend - sowie Herrn N G betreffend – ), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Die Klage ist den Zeitraum 1. Februar 2015 bis 31. Juli 2015 betreffend zulässig, aber unbegründet, den Zeitraum 1. August 2015 bis 31. Oktober 2015 betreffend hingegen bereits unzulässig.
Ob der Widerspruch vom 1. Juli 2015 zu Recht als unzulässig zu verwerfen war, weil der Kläger keine ordnungsgemäße Vollmacht vorgelegt hatte, bedarf keiner abschließenden Erörterung. Denn selbst wenn der Auffassung des Beklagten nicht zu folgen wäre und es insoweit im Widerspruchsbescheid an einer materiellrechtlichen Überprüfung fehlte, stünde dieser Umstand einer materiell-rechtlichen Überprüfung des Ausgangsbescheides im gerichtlichen Verfahren jedenfalls nicht entgegen. Insbesondere wäre die Klage nicht bereits deshalb unzulässig, weil es an einem Vorverfahren im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG fehlt. Ein Vorverfahren ist nämlich bereits schon dann durchgeführt, wenn der Widerspruch erfolglos geblieben ist, was hier der Fall ist. Aus welchen Gründen die Behörde dem Widerspruch den Erfolg versagt hat, ist nicht von Bedeutung. Das Vorverfahren ist also auch durchgeführt, wenn - wie hier - der Widerspruch (gegebenenfalls rechtsfehlerhaft) als unzulässig verworfen wurde (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24. November 2011, B 14 AS 151/10 R , zitiert nach juris, Rn. 9, m.w.N Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. September 2017, L 11 AS 1067/15, zitiert nach juris; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 78 Rn. 2, m.w.N. auch zur Gegenauffassung).
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015, durch den der Beklagte es abgelehnt hat, den bindend gewordenen (vgl. § 77 SGG) Bewilligungsbescheid vom 23. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Mai 2015 insoweit zu ändern, als dieser für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis 31. Juli 2015 nur eine "kopfteilige" Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft und Heizung zugunsten des Klägers vorsieht. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 4, 56 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2014, B 14 AS 54/13 R, zitiert nach juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 56 Rn. 3). Der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei den Kosten der Unterkunft handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R, zitiert nach juris).
Gegenstand des Verfahrens ist nicht der (wohl) auch bindend gewordene Bescheid vom 27. Juli 2015 (Leistungszeitraum August 2015 bis Januar 2016). Diesen Zeitraum regelt der zu überprüfende Bescheid vom 23. Januar 2015 in der Fassung des Bescheides vom 12. Mai 2015 nicht. Die Klage ist insoweit unzulässig. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), der auch im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende Anwendung findet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II), ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Rechtsfolge der erweislich anfänglichen Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakts zum Nachteil eines Leistungsbeziehers ist ein seine Unanfechtbarkeit durchbrechender Anspruch auf dessen (gegebenenfalls teilweise) Aufhebung und auf Neufeststellung der im Streit stehenden Leistungen in dem Zeitrahmen nach § 44 Abs. 4 SGB X (vgl. Schütze in Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44 Rn. 26).
Der Bewilligungsbescheid vom 23. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Mai 2015 war nicht anfänglich, d.h., nach der im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage, rechtswidrig. Das materielle Recht des SGB II ist richtig angewandt worden, die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor. Der Beklagte hat die Kosten der Unterkunft des Klägers zu Recht um einen für den Vater angenommenen 1/2-Kopfteil gekürzt. Dieser hat mit dem Kläger in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt, sodass nur ein Anspruch auf die Hälfte der Kosten der Unterkunft bestanden hat.
Rechtsgrundlage für das von dem Kläger begehrte höhere Arbeitslosengeld II ist § 19 Abs. 1 Sätze 1 und 3 in Verbindung mit §§ 7, 9 und §§ 20, 21 und 22 SGB II in der im streitbefangenen Zeitraum vom 1. April 2011 bzw. 1. April 2012 (§ 7 SGB II) bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung, denn in Rechtsstreitigkeiten über in der Vergangenheit liegende Zeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Hiernach erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte) (Nr. 4). Diese Voraussetzungen liegen vor. Gegenteilige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Auch Gründe für das Eingreifen eines Ausschlusstatbestandes (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II) sind im streitbefangenen Zeitraum nicht zuerkennen. Die vorliegend nur umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Zur Ermittlung dieser Bedarfe sind zunächst die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung zu bestimmen, anschließend die Angemessenheit dieser Aufwendungen, dann die Verteilung dieser Kosten auf die in der Wohnung wohnenden Person sowie die Prüfung weiterer möglicher Einwände Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung betragen im streitbefangenen Zeitraum 416,04 Euro, ab 1. April 2015 423, 04 Euro, über deren Angemessenheit kein Streit besteht. Diese tatsächlichen, angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind in der vorliegenden Haushaltsgemeinschaft - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nach Kopfteilen zwischen dem Kläger und seinem Vater aufzuteilen. Die Vorgehensweise des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung sind grundsätzlich Kosten der Unterkunft unabhängig vom Alter der Wohnung und der jeweiligen Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Leistungsempfänger eine Unterkunft (hier: eine Wohnung) gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Hintergrund für dieses auf das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vom 21. Januar 1988, 5 C 68/85, zitiert nach juris, zurückgehende sogenannte "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses des Wohnens nicht zulasse (BSG, Urteile vom 23. November 206, B 11b AS 1/06 R, vom 18. Juni 2008, B 14/11b AS 61/06 R und vom 29. November 2012, B 14 AS 36/12 R, alle zitiert nach juris).
In der Konsequenz bedeutet dies, dass innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft oder Haushaltsgemeinschaft die Aufteilung der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung grundsätzlich nach Kopfteilen zu erfolgen hat und es ohne Belang ist, wer den Mietzins schuldet und wer welchen Teil der Wohnung tatsächlich nutzt. Ihre Rechtfertigung findet die grundsätzliche Anwendung des Kopfteilprinzips in diesen Fällen in der Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen gerade innerhalb einer "aus einem Topf wirtschaftenden" Bedarfsgemeinschaft eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 18. August 2016 – L 9 AS 366/15).
Das BVerwG hat in dem oben zitierten Urteil vom 21. Januar 1988, a.a.O., weiter ausgeführt: "Die hiernach auch der Verwaltungspraktikabilität gerecht werdende, nicht durch willkürliche Grenzziehungen nach Altersgruppen eingeschränkte Aufteilung der Unterkunftskosten nach Köpfen bedarf nach Auffassung des BVerwG`s nur dann der Korrektur, wenn und soweit der Hilfefall durch sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände gekennzeichnet ist, die ohne weiteres objektivierbar und dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt sind. Das kann einerseits ein über das normale Maß hinausgehender und dementsprechend nach § 3 Abs. 1 BSHG besonders zu berücksichtigender Bedarf des Hilfesuchenden an Unterkunft sein. Andererseits können die besonderen Umstände, die ein anerkennenswertes Mehr an Unterkunftsbedarf ausmachen, in der Person eines der nicht hilfebedürftigen Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft bestehen, Umstände, die auch sonst von Belang sind, wenn es darum geht, in Anwendung der §§ 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG und des § 3 Abs. 1 RegelsatzVO den angemessenen Umfang von Aufwendungen für die Unterkunft festzustellen (siehe dazu die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. August 1985 (BVerwGE 72, 88) und 27. November 1986 (BVerwGE 75, 168)). Zu denken ist hierbei insbesondere an Fälle der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit."
Aufbauend auf dieser Rechtsprechung haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl. Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/11b AS 55/06 R: keine Abweichung, wenn BAföG-Leistungen beziehende Tochter die Wohnung mitbenutzt; Urteil vom 27. Januar 2009, B 14/7b AS 8/07 R: keine Abweichung bei Aufnahme von Kindern zur Vollzeitpflege; Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R: Abweichung bei Ortsabwesenheit; Urteil vom 16. April 2013, B 14 AS 71/12 R: Abweichung bei im Pflegeheim lebenden Ehemann, alle zitiert nach juris).
Der 14. Senat des BSG hatte ferner in einer Entscheidung vom 29. November 2012, B 14 AS 36/12 R, aaO, eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für diejenigen Fälle bejaht, in denen eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrages bei objektiver Betrachtung angezeigt ist und nochmals betont, dass vom Kopfteilprinzip abzuweichen ist, wenn der Nutzung einer Wohnung andere bindende vertragliche Regelungen zugrunde liegen. Der Kläger hatte sich in einem notariellen Vertrag gegenüber seiner Mutter verpflichtet, die Kosten für Licht, Heizung, Wasser und Abwasser auch für die Räume der Mutter zu übernehmen und ihr unentgeltliches Wohnrecht auf Lebenszeit in der oberen Etage zur alleinigen Benutzung eingeräumt.
In der Folgezeit hat das BSG mehrfach Abweichungen vom Kopfteilprinzip als möglich und notwendig angesehen: In einem Urteil vom 23. Mai 2013, B 4 AS 67/12 R, zitiert nach juris, hat es ausgeführt, dass es sich bei der aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität vorgenommenen Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II um eine generalisierende und typisierende Annahme handelt, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzend festgeschrieben ist; begrenzend wirke lediglich die Angemessenheit der Unterkunftskosten (BSG, Urteil vom 23. Mai 2013, B 4 AS 67/12 R, zitiert nach juris). So hat der 4. Senat für den Fall, dass bei einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion die Leistungen für Unterkunft und Heizung weggefallen sind, eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hinsichtlich der weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder aus bedarfsbezogenen Gründen bejaht. Diese könnten nicht darauf verwiesen werden, von einem Dritten seinen Anteil zu verlangen, wenn das Jobcenter mit bestandskräftigem Bescheid den vollständigen Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung verfügt und der Dritte auch kein Einkommen oder Vermögen habe, aus dem er seinen Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bestreiten könne. Dem hat sich der 14. Senat in einer Entscheidung vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 50/13 R, zitiert nach juris, im Falle einer Sanktion gegenüber einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft angeschlossen. Der 14. Senat hat aber in Übereinstimmung mit dem 4. Senat darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip jedoch sei, dass der sanktionierte Dritte über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil – oder gegebenenfalls Teile davon – bestreiten kann. Es sei nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wirtschaftlich Leistungsfähigen ein kostenfreies Wohnen zu ermöglichen (vgl. auch BSG, Urteile vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 90/12 R und vom 2. Februar 2014, B 14 AS 50/13 R, beide zitiert nach juris; s.a. BSG, Urteil vom 23. Mai 2013, B 4 AS 67/12 R, a.a.O.).
Ausgangspunkt für Abweichungen vom Kopfteilprinzip sind insoweit (wiederum) bedarfsbezogene Gründe der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zur Sicherung ihres Grundbedürfnisses "Wohnen". Das BSG hat in der Folgezeit ausgeführt, der Hintergrund für die vom Kopfteil als Maßstab für die Aufteilung der Unterkunftsaufwendungen bestehenden Ausnahmen sei die Sicherung des Grundbedürfnisses Wohnen, die in diesen Fällen nur über Ansprüche der jeweiligen leistungsberechtigten Personen sichergestellt werden könne (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2016, B 14 AS 40/15 R und vom 14. Februar 2018, B 14 AS 17/17 R, beide zitiert nach juris). So liegt es vorliegend indes nicht.
Im zugrundeliegenden Fall lässt sich nach Auffassung des Senats nicht zweifelsfrei feststellen, dass die Voraussetzung des vorgenannten Hintergrundes vorliegt, nämlich, dass die Sicherung des Grundbedürfnisses Wohnen im streitgegenständlichen Zeitraum nur über Ansprüche des leistungsberechtigten Klägers sichergestellt werden konnten. Denn nach der Rechtsprechung des BSG waren für den Vater des Klägers Leistungen vorgesehen, worauf das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung bereits hingewiesen hat (vgl. BSG, Urteile vom 3. Dezember 2015, B 4 AS 44/15 R, vom 16. Dezember 2015, B 14 AS 15/14 R und B 14 AS 18/14 R sowie vom 20. Januar 2016, B 14 AS 35/15 R, alle zitiert nach juris, die zu Ansprüchen von EU-Ausländern auf Leistungen gegen die Träger der Sozialhilfe gelangen). Zwar trägt die Prozessbevollmächtigte im Februar 2016 auf Nachfrage des Sozialgerichts vor, für den Vater des Klägers könne trotz Kenntnis der (vorgenannten) Urteile des BSG aus Dezember 2015 und Januar 2016 keine Sozialhilfe beantragt werden, da weder sie noch der Kläger den derzeitigen Aufenthalt des Vaters kennen würden. Allerdings ist festzustellen, dass der Vater des Klägers von dem Bezirksamt Spandau zu Berlin, Abteilung Soziales und Gesundheit, eine Entscheidung mit Datum vom 1. April 2015 erwirkt hatte, wonach seinem Antrag vom 19. März 2015 auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII nicht entsprochen wurde. Dieser Bescheid wurde bestandkräftig (vgl. § 77 SGG), denn der anwaltlich vertretene Vater des Klägers hatte dagegen zwar noch Widerspruch, nicht aber Klage gegen den den Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2015 erhoben.
Vor diesem Hintergrund ist die bereits zitierte Entscheidung des BSG vom 14. Februar 2018, B 14 AS 17/17 R, a.a.O.) in den Blick zu nehmen, in der das BSG allein bei einer Versagung von Leistungen für den mitwohnenden Sohn wegen dessen mangelnder Mitwirkung bei der Prüfung vorhandenen Einkommens keine Abweichung vom Kopfteilprinzip zugunsten der Kläger als gerechtfertigt ansieht. In der Entscheidung hießt es:
"Diese Ungewissheit über die Hilfebedürftigkeit nach den SGB 2 oder Versagung nach § 36 SGB I wegen fehlender Mitwirkung bei der Feststellung zu berücksichtigenden Einkommens rechtfertigt, anders als beim durch das Jobcenter verfügten Wegfall des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunftsaufwendungen nach § 31 ff. keine Abweichung von Kopfteilprinzip aus Bedarf bezogenen Gründen. Ist die Hilfebedürftigkeit eines Dritten Haushaltsmitglied, bei deren Vorliegen dessen Kopfteil als Bedarf anerkannt und übernommen würde, ungeklärt, lässt dies den Bedarf der anderen Mitglieder unberührt. Dies unterscheidet Versagung von Sanktionen, weil aufgrund dieser vorübergehend trotz Hilfebedürftigkeit des Dritten dessen Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht übernommen wird. Die Folgen des "fehlenden" Kopfteil für die anderen Mitglieder des Haushalts aufgrund einer Versagung gegenüber einem Dritten Mitglied, weil dieses die u.a. in § 60 ff. SGB I i.V.m. § 11 ff SGB 2 zum Ausdruck kommenden Verhaltenserwartungen nicht erfüllt, sind nicht durch höhere Einzelansprüche der anderen Haushaltsmitglieder auszugleichen. "
In Anlehnung an diese Rechtsprechung war es dem Kläger zumutbar, den Anteil des "fehlenden" Kopfteils von seinem Vater im Hinblick darauf zu verlangen, dass dessen Leistungsberechtigung durch Einlegung der zulässigen Rechtsmittel auf dem Rechtsweg hätte geklärt werden müssen. Zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2015 war eine Klage des noch in Deutschland weilenden Vaters (nach Angaben des Klägers hat dieser Deutschland erst im letzten Quartal des Jahres 2015 verlassen) vor dem Hintergrund des bei dem BSG anhängigen (oben zitierten) Verfahrens (u.a. B 4 AS 44/15 R) auch geboten und erfolgversprechend. Dies gilt umso mehr, als erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB II alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen müssen.
Die verbliebene Ungewissheit einer Leistungsberechtigung des Vaters des Klägers rechtfertigt, anders als beim durch das Jobcenter verfügten Wegfall des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunftsaufwendungen nach §§ 31 ff. SGB II, keine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen. Diese Konstellation unterscheidet sich von Sanktionen, weil bei dieser (nur) vorübergehend trotz Leistungsberechtigung des Dritten dessen Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht übernommen wird. Ist die Leistungsberechtigung eines dritten Haushaltsmitglieds, bei deren Vorliegen dessen Kopfteil als Bedarf anerkannt und übernommen würde, ungeklärt, lässt dies den Bedarf der anderen Mitglieder unberührt (so für die ungewiss gebliebene Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II in der oben zitierten Entscheidung des BSG, Urteil vom 14. Februar 2018, a.a.O.).
So, wie die Folgen des "fehlenden" Kopfteils für die anderen Mitglieder des Haushalts aufgrund einer Versagung gegenüber einem dritten Mitglied, weil dieses die u.a. in §§ 60 ff SGB I i.V.m. § 9 und §§ 11 ff SGB II zum Ausdruck kommenden Verhaltenserwartungen nicht erfüllt, nicht durch höhere Einzelansprüche der anderen Haushaltsmitglieder auszugleichen sind (so BSG, Urteil vom 14. Februar 2018, a.a.O.), sind es auch diejenigen Folgen des "fehlenden" Kopfteils nicht, die daraus resultieren, dass der Vater des Klägers es versäumt hat, mit Blick auf eigene mögliche Ansprüche den Rechtsweg auszuschöpfen.
Dessen ungeachtet hielte der Senat die Übernahme eines höheren Einzelanspruchs des Klägers für systematisch fehlerhaft. Die Übernahme eines höheren Einzelanspruches des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung wäre deshalb systematisch verfehlt, weil es dazu führte, dass von dem SGB II-Leistungsträger Kosten für den Unterhalt einer Person übernommen würden, deren sowohl nach dem SGB II als auch dem SGB XII gestellter Leistungsantrag rechtskräftig abgelehnt worden ist. Bei dieser Lösung würde der Leistungsträger nach dem SGB II mittelbar Kosten für den Lebensunterhalt einer von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossenen Person übernehmen. Damit würde von dem Grundsatz abgewichen, dass die zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts bestimmten existenzsichernden Leistungen der Grundsicherung grundsätzlich nicht dazu bestimmt sind, den Empfänger in die Lage zu versetzen, Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber Dritten nachzukommen. Derartige Verpflichtungen gehören nicht zu dem von Leistungen des SGB II im Fall der Hilfebedürftigkeit zu deckenden Bedarf nach §§ 19 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/11b AS 55/06 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. März 2006, L 8 AS 307/05, beide zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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