Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 83/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 165/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kein vorbeugender Folgenbeseitigungsanspruch möglich.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) im Hinblick auf künftige Absenkungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Kläger beziehen seit August 2005 Alg II vom Beklagten. Nachdem zwischenzeitlich keine Einladungen mehr zu Vorspracheterminen erfolgt waren, begann der Beklagte ab März 2013 wieder damit, die Kläger zur Vorsprache im Jobcenter aufzufordern. Ebenso wurden verschiedene eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakte (EG-VAe) erlassen. Wegen des Nichterscheinens bei Meldeterminen zwischen dem 27.03.2013 und 17.12.2015 sowie Verstößen gegen Verpflichtungen aus den EG-VAen mit dem Gültigkeitszeiträumen zwischen dem 11.12.2013 bis 04.05.2016 senkte der Beklagte das Alg II der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2. - jeweils einzeln - mit Bescheiden vom 21.06.2013, 07.08.2013, 07.08.2013, 07.08.2013, 04.09.2013, 04.09.2013, 22.10.2013, 22.10.2013, 22.10.2013, 06.11.2013, 05.12.2013, 05.12.2013, 18.12.2013, 12.02.2014, 12.02.2014, 12,02,2014, 12.02.2014, 13.03.2014, 14.03.2014, 28.03.2014, 22.04.2014, 29.04.2014, 13.05.2014, 20.05.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 20.10.2014, 21.11.2014, 21.11.2014, 21.11.2014, 08.12.2014, 25.01.2015, 26.01.2015, 26.01.2015, 10.02.2015 , 12.03.2015, 23.04.2015, 23.04.2015, 28.05.2015, 14.07.2015, 14.07.2015, 03.11.2015, 03.11.2015, 03.11.2015, 16.11.2015, 16.11.2015 und 22.12.2015 ab. Die Sanktionsbescheide sind Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 AS 163/17.
In einem Widerspruchsschreiben vom 20.09.2015 beantragten die Kläger ua auch die einmalige Zahlung von 3.500 EUR als Schadenersatz. Die EG-VAe und die Meldeaufforderungen seien rechtswidrig bzw. nichtig, so dass die als Sanktionen einbehaltenen Leistungen zurück zu überweisen seien und ein Schadenersatz zu zahlen sei. Hierüber hat der Beklagte nach Aktenlage weder entschieden noch sich dazu geäußert. Der diesbezügliche FBA ist Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 AS 164/17.
Am 29.01.2016 haben die Kläger Klage zum SG erhoben und die Aufhebung sämtlicher seit dem 21.03.2013 und künftiger, bis zum Abschluss des Verfahrens ergangener Meldeaufforderungen (Nr. 1), die Aufhebung sämtlicher seit dem 11.12.2013 bzw. künftiger, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, per Verwaltungsakt erlassener Eingliederungsvereinbarungen (Nr. 2), die Aufhebung sämtlicher seit dem 21.06.2013 und künftiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens erlassener Sanktionsbescheide (Nr. 3), die Zahlung von 3.500 EUR für den gesamten Zeitraum seit dem Beginn der Sanktionen im Jahr 2013 als Folgenbeseitigungsanspruch (Nr. 4) und die weitere Zahlung von monatlich 135 EUR seit Januar 2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bzw. der vollständigen Einstellung der betreffenden Sanktionen als Folgenbeseitigungsanspruch (Nr. 5) beantragt. Nr. 5 des Klageantrages hat das SG als hier gegenständliches Klageverfahren - ohne den Erlass eines eigenständigen Trennungsbeschlusses - erfasst. Die übrigen Klagegegenstände wurden als Klageverfahren S 17 AS 77/16, S 17 AS 80/16, S 17 AS 81/16 und S 17 AS 82/16 geführt. Zur Klagebegründung haben die Kläger ua ausgeführt, es sei sehr schwierig, die aus den Sanktionen erwachsenen Schäden im Einzelnen zu benennen und zu belegen. Die Pauschale von 135 EUR ergebe sich aus Pauschalbetrag für den Schadenersatz iHv 3.500 EUR geteilt durch die Monate vom 01.07.2013 bis zur Einlegung des Widerspruchs im September 2015. Eine Verbindung der Verfahren hat das SG mit Beschluss vom 29.06.2016 abgelehnt.
Mit Urteil vom 06.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Auslegung des klägerischen Begehrens habe ergeben, dass es den Klägern um einen Betrag iHv 135 EUR als FBA für den Zeitraum ab Klageerhebung gehe. Auch würde unter Auslegung des Antrages nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz nicht "Schadenersatz" sondern "Folgenbeseitigung" begehrt. Andernfalls hätte eine Verweisung an die ordentlichen Gerichte mit der Folge einer Gerichtskostenpflicht vorgenommen werden müssen. Die Klage sei unzulässig. Auf künftige Leistungen könne außer in den hier nicht vorliegenden Fällen der §§ 257 und 258 Zivilprozessordnung (ZPO) nur geklagt werden, wenn der Anspruch seine Grundlage in einem Rechtsverhältnis finde, dessen rechtserzeugende Tatsachen bereits eingetreten seien. Voraussetzung des FBA sei ein durch hoheitliches Handeln geschaffener, rechtswidriger Zustand. Dieser könne erst eintreten, wenn neue hoheitliche Maßnahmen eintreten würden. Zudem fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da zu erwarten sei, der Beklagte erfülle als Verwaltungsbehörde eine berechtigte Forderung.
Dagegen haben die Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die ihnen zugestellten Protokollabschriften der mündlichen Verhandlung seien unbeglaubigt gewesen, was zur Nichtigkeit der Zustellung eines Urteils und damit zur Nichtingangsetzung der Rechtsmittelfrist führen müsse. Die "erstinstanzlichen Urteile" hätten für sie materiell-rechtlich überhaupt keine Bestandskraft, seien daher effektiv nicht vorhanden. Es sei nicht bewiesen worden, dass überhaupt diesbezüglich mündlich vor dem SG verhandelt worden sei. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen hätten sie aber ihr Anliegen in Berufungsschriften gekleidet. Ihr Schreiben vom 25.08.2017 - mit diesem Schreiben haben die Kläger den Erlass einstweiliger Anordnungen bezüglich der Sanktionsbescheide vom 21.07.2017 beantragt - werde zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Die Kläger haben Kopien der Eingangsbestätigungen des SG bezüglich ihrer Klage vom 29.01.2016 vorgelegt, worin die jeweiligen Aktenzeichen der Eingangsbestätigungen durch verschiedenfarbige Markierungen den jeweiligen Antragsbegehren zugewiesen worden sind.
Die Kläger beantragen: 1. Die Zurückverweisung des Verfahrens an das Sozialgericht Bayreuth ohne Hauptverhandlung. 2. Die Wiedereinsetzung in den alten Stand hinsichtlich der Rechtsmittelfrist bezüglich des oben bezeichneten Urteils ab der Zustellung einer mangelfreien Protokollabschrift der Hauptverhandlung an die Kläger. 3. Die Feststellung der Nichtigkeit hinsichtlich des Abtrennungsbeschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2016 in dem Verfahren S 17 AS 77/16.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat er auf die Ausführungen des SG verwiesen.
Ablehnungsanträge der Kläger gegen den Vorsitzenden des Senats vom 23.01.2018 und gegen alle Mitglieder des Senats vom 25.04.2018 wegen der Besorgnis der Befangenheit hat der Senat mit Beschlüssen vom 22.02.2018 (L 11 SF 72/18 AB) und 07.05.2018 (L 11 SF 182/18 AB) abgelehnt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Es liegt ein wirksames Urteil des SG vor, das den Klägern ausweislich der Postzustellungsurkunden auch zugestellt worden ist. Die Übersendung von unbeglaubigten Protokollabschriften ändert daran nichts. Dass das Urteil des SG in der mündlichen Verhandlung am 06.10.2016 erlassen worden ist, wird durch die in den Akten des SG befindliche Niederschrift, die eine öffentliche Urkunde darstellt, bewiesen. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und von der Vorsitzenden der 17. Kammer am SG sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§ 122 SGG, §§ 159, 160 ZPO).
Die Kläger haben bislang keinen Antrag in der Sache gestellt, sondern vielmehr lediglich die Zurückverweisung des Verfahrens an das SG ohne Hauptverhandlung beantragt. Eine Zurückverweisung an das SG durch das Berufungsgericht kommt jedoch nur in den Fällen des § 159 Abs. 1 SGG in Betracht. Danach kann der Senat den Rechtsstreit an das SG zurückverweisen, wenn das SG selbst in der Sache nicht entschieden hat (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und die Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme aufgrund des Mangels gegeben wäre (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Da aber eine Beweisaufnahme nicht notwendig und die Entscheidung des SG zutreffend ist, sieht der Senat keinen Anlass, die Sache an das SG zurückzuverweisen. Da keine Frist versäumt worden ist, bedurfte es auch keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine Feststellung der Nichtigkeit des "Abtrennungsbeschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2016 in dem Verfahren S 17 AS 77/16" kommt ebenfalls nicht in Betracht, da ein solcher Beschluss nicht vorliegt. Das SG hat die mit der Klageschrift vom 29.01.2016 geltend gemachten fünf Klageanträge nach Eingang in einzelnen Klageverfahren erfasst. Auch wenn es für die Trennung mehrerer in einer Klage erhobener Ansprüche eines zu begründenden Beschlusses bedarf (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 145 Abs. 1 ZPO), sind die Kläger im vorliegend gerichtskostenfreien Verfahren durch diese Auftrennung nicht beschwert. Das SG hat in den Klageverfahren S 17 AS 77/16 und S 17 AS 80 bis 83/16 über sämtliche Begehren entschieden, so dass im Ergebnis jedenfalls auch ein möglicher Verfahrensfehler nicht dazu führen würde, dass die jeweiligen Entscheidungen darauf beruhen könnten.
Da die von den Klägern ausdrücklich gestellten Anträge damit ins Leere gehen, waren sie unter Berücksichtigung des Begehrens der Kläger nach § 123 SGG auszulegen (zur Auslegung: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 123 Rn 3). Das SG kam zu der nachvollziehbaren Auslegung, den Klägern gehe es vorliegend (alleine) um eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 135 EUR monatlich aus einem FBA ab Klageerhebung. Dem schließt sich der Senat an, zumal die Kläger im Berufungsverfahren der Auslegung durch das SG nicht widersprochen und keine Umstände vorgebracht haben, die Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung begründen könnten.
Die Kläger haben keinen FBA gegen den Beklagten, der einen Zahlungsanspruch iHv monatlich 135 EUR seit Klageerhebung begründen könnte. Beim allgemeinen öffentlich-rechtlichen FBA handelt es sich um einen aus dem Richterrecht hergeleiteten Anspruch, mit dem die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten Zustandes im Wege der Naturalrestitution erreicht werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.1995 - 11 RAr 91/94 -, Urteil vom 29.05.1996 - 3 RK 26/95; Thüringer LSG, Beschluss vom 01.06.2017 - L 4 AS 851/16 B - alle zitiert nach Juris). Der Anspruch setzt damit voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht des Betroffenen ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde und dieser Zustand noch andauert (vgl. Thüringer LSG aaO mwN). Es geht dabei um die Rückgängigmachung der unmittelbaren Folgen einer rechtswidrigen Amtshandlung, insbesondere bei vollzogenen, rechtswidrigen Verwaltungsakten (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 27.05.2014 - B 8 SO 1/13 R - mwN - Juris).
Vorliegend fehlt es im Zeitpunkt der Klageerhebung an einem durch einen vollzogenen, rechtswidrigen Verwaltungsakt geschaffenen Zustand, da die Kläger die monatliche Pauschale von 135 EUR für die Zukunft begehren. Die Kläger erheben insofern letztlich eine vorbeugende Leistungsklage. Ebenso wie im Rahmen einer vorbeugenden Unterlassungsklage oder einer vorbeugenden Feststellungsklage bedarf es dafür aber eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses, das nicht gegeben ist, wenn der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. zur vorbeugenden Unterlassungsklage: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 54 Rn 42a). Den Klägern ist es aber ohne weiteres zumutbar, sich mittels Widerspruch und Anfechtungsklage gegen (künftige) Sanktionsbescheide zu wehren. Sollten diese rechtswidrig sein, kann unter Einleitung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch die Vollziehung der Leistungsabsenkung verhindert werden. Es bedarf damit nicht der Gewährung eines vorbeugenden Rechtsschutzes.
Die Kläger haben damit keinen FBA auf Zahlung von 135 EUR monatlich im Falle der Fortführung von Sanktionen nach Klageerhebung, so dass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) im Hinblick auf künftige Absenkungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Kläger beziehen seit August 2005 Alg II vom Beklagten. Nachdem zwischenzeitlich keine Einladungen mehr zu Vorspracheterminen erfolgt waren, begann der Beklagte ab März 2013 wieder damit, die Kläger zur Vorsprache im Jobcenter aufzufordern. Ebenso wurden verschiedene eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakte (EG-VAe) erlassen. Wegen des Nichterscheinens bei Meldeterminen zwischen dem 27.03.2013 und 17.12.2015 sowie Verstößen gegen Verpflichtungen aus den EG-VAen mit dem Gültigkeitszeiträumen zwischen dem 11.12.2013 bis 04.05.2016 senkte der Beklagte das Alg II der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2. - jeweils einzeln - mit Bescheiden vom 21.06.2013, 07.08.2013, 07.08.2013, 07.08.2013, 04.09.2013, 04.09.2013, 22.10.2013, 22.10.2013, 22.10.2013, 06.11.2013, 05.12.2013, 05.12.2013, 18.12.2013, 12.02.2014, 12.02.2014, 12,02,2014, 12.02.2014, 13.03.2014, 14.03.2014, 28.03.2014, 22.04.2014, 29.04.2014, 13.05.2014, 20.05.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 20.10.2014, 21.11.2014, 21.11.2014, 21.11.2014, 08.12.2014, 25.01.2015, 26.01.2015, 26.01.2015, 10.02.2015 , 12.03.2015, 23.04.2015, 23.04.2015, 28.05.2015, 14.07.2015, 14.07.2015, 03.11.2015, 03.11.2015, 03.11.2015, 16.11.2015, 16.11.2015 und 22.12.2015 ab. Die Sanktionsbescheide sind Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 AS 163/17.
In einem Widerspruchsschreiben vom 20.09.2015 beantragten die Kläger ua auch die einmalige Zahlung von 3.500 EUR als Schadenersatz. Die EG-VAe und die Meldeaufforderungen seien rechtswidrig bzw. nichtig, so dass die als Sanktionen einbehaltenen Leistungen zurück zu überweisen seien und ein Schadenersatz zu zahlen sei. Hierüber hat der Beklagte nach Aktenlage weder entschieden noch sich dazu geäußert. Der diesbezügliche FBA ist Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 AS 164/17.
Am 29.01.2016 haben die Kläger Klage zum SG erhoben und die Aufhebung sämtlicher seit dem 21.03.2013 und künftiger, bis zum Abschluss des Verfahrens ergangener Meldeaufforderungen (Nr. 1), die Aufhebung sämtlicher seit dem 11.12.2013 bzw. künftiger, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, per Verwaltungsakt erlassener Eingliederungsvereinbarungen (Nr. 2), die Aufhebung sämtlicher seit dem 21.06.2013 und künftiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens erlassener Sanktionsbescheide (Nr. 3), die Zahlung von 3.500 EUR für den gesamten Zeitraum seit dem Beginn der Sanktionen im Jahr 2013 als Folgenbeseitigungsanspruch (Nr. 4) und die weitere Zahlung von monatlich 135 EUR seit Januar 2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bzw. der vollständigen Einstellung der betreffenden Sanktionen als Folgenbeseitigungsanspruch (Nr. 5) beantragt. Nr. 5 des Klageantrages hat das SG als hier gegenständliches Klageverfahren - ohne den Erlass eines eigenständigen Trennungsbeschlusses - erfasst. Die übrigen Klagegegenstände wurden als Klageverfahren S 17 AS 77/16, S 17 AS 80/16, S 17 AS 81/16 und S 17 AS 82/16 geführt. Zur Klagebegründung haben die Kläger ua ausgeführt, es sei sehr schwierig, die aus den Sanktionen erwachsenen Schäden im Einzelnen zu benennen und zu belegen. Die Pauschale von 135 EUR ergebe sich aus Pauschalbetrag für den Schadenersatz iHv 3.500 EUR geteilt durch die Monate vom 01.07.2013 bis zur Einlegung des Widerspruchs im September 2015. Eine Verbindung der Verfahren hat das SG mit Beschluss vom 29.06.2016 abgelehnt.
Mit Urteil vom 06.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Auslegung des klägerischen Begehrens habe ergeben, dass es den Klägern um einen Betrag iHv 135 EUR als FBA für den Zeitraum ab Klageerhebung gehe. Auch würde unter Auslegung des Antrages nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz nicht "Schadenersatz" sondern "Folgenbeseitigung" begehrt. Andernfalls hätte eine Verweisung an die ordentlichen Gerichte mit der Folge einer Gerichtskostenpflicht vorgenommen werden müssen. Die Klage sei unzulässig. Auf künftige Leistungen könne außer in den hier nicht vorliegenden Fällen der §§ 257 und 258 Zivilprozessordnung (ZPO) nur geklagt werden, wenn der Anspruch seine Grundlage in einem Rechtsverhältnis finde, dessen rechtserzeugende Tatsachen bereits eingetreten seien. Voraussetzung des FBA sei ein durch hoheitliches Handeln geschaffener, rechtswidriger Zustand. Dieser könne erst eintreten, wenn neue hoheitliche Maßnahmen eintreten würden. Zudem fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da zu erwarten sei, der Beklagte erfülle als Verwaltungsbehörde eine berechtigte Forderung.
Dagegen haben die Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die ihnen zugestellten Protokollabschriften der mündlichen Verhandlung seien unbeglaubigt gewesen, was zur Nichtigkeit der Zustellung eines Urteils und damit zur Nichtingangsetzung der Rechtsmittelfrist führen müsse. Die "erstinstanzlichen Urteile" hätten für sie materiell-rechtlich überhaupt keine Bestandskraft, seien daher effektiv nicht vorhanden. Es sei nicht bewiesen worden, dass überhaupt diesbezüglich mündlich vor dem SG verhandelt worden sei. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen hätten sie aber ihr Anliegen in Berufungsschriften gekleidet. Ihr Schreiben vom 25.08.2017 - mit diesem Schreiben haben die Kläger den Erlass einstweiliger Anordnungen bezüglich der Sanktionsbescheide vom 21.07.2017 beantragt - werde zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Die Kläger haben Kopien der Eingangsbestätigungen des SG bezüglich ihrer Klage vom 29.01.2016 vorgelegt, worin die jeweiligen Aktenzeichen der Eingangsbestätigungen durch verschiedenfarbige Markierungen den jeweiligen Antragsbegehren zugewiesen worden sind.
Die Kläger beantragen: 1. Die Zurückverweisung des Verfahrens an das Sozialgericht Bayreuth ohne Hauptverhandlung. 2. Die Wiedereinsetzung in den alten Stand hinsichtlich der Rechtsmittelfrist bezüglich des oben bezeichneten Urteils ab der Zustellung einer mangelfreien Protokollabschrift der Hauptverhandlung an die Kläger. 3. Die Feststellung der Nichtigkeit hinsichtlich des Abtrennungsbeschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2016 in dem Verfahren S 17 AS 77/16.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat er auf die Ausführungen des SG verwiesen.
Ablehnungsanträge der Kläger gegen den Vorsitzenden des Senats vom 23.01.2018 und gegen alle Mitglieder des Senats vom 25.04.2018 wegen der Besorgnis der Befangenheit hat der Senat mit Beschlüssen vom 22.02.2018 (L 11 SF 72/18 AB) und 07.05.2018 (L 11 SF 182/18 AB) abgelehnt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Es liegt ein wirksames Urteil des SG vor, das den Klägern ausweislich der Postzustellungsurkunden auch zugestellt worden ist. Die Übersendung von unbeglaubigten Protokollabschriften ändert daran nichts. Dass das Urteil des SG in der mündlichen Verhandlung am 06.10.2016 erlassen worden ist, wird durch die in den Akten des SG befindliche Niederschrift, die eine öffentliche Urkunde darstellt, bewiesen. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und von der Vorsitzenden der 17. Kammer am SG sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§ 122 SGG, §§ 159, 160 ZPO).
Die Kläger haben bislang keinen Antrag in der Sache gestellt, sondern vielmehr lediglich die Zurückverweisung des Verfahrens an das SG ohne Hauptverhandlung beantragt. Eine Zurückverweisung an das SG durch das Berufungsgericht kommt jedoch nur in den Fällen des § 159 Abs. 1 SGG in Betracht. Danach kann der Senat den Rechtsstreit an das SG zurückverweisen, wenn das SG selbst in der Sache nicht entschieden hat (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und die Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme aufgrund des Mangels gegeben wäre (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Da aber eine Beweisaufnahme nicht notwendig und die Entscheidung des SG zutreffend ist, sieht der Senat keinen Anlass, die Sache an das SG zurückzuverweisen. Da keine Frist versäumt worden ist, bedurfte es auch keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine Feststellung der Nichtigkeit des "Abtrennungsbeschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2016 in dem Verfahren S 17 AS 77/16" kommt ebenfalls nicht in Betracht, da ein solcher Beschluss nicht vorliegt. Das SG hat die mit der Klageschrift vom 29.01.2016 geltend gemachten fünf Klageanträge nach Eingang in einzelnen Klageverfahren erfasst. Auch wenn es für die Trennung mehrerer in einer Klage erhobener Ansprüche eines zu begründenden Beschlusses bedarf (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 145 Abs. 1 ZPO), sind die Kläger im vorliegend gerichtskostenfreien Verfahren durch diese Auftrennung nicht beschwert. Das SG hat in den Klageverfahren S 17 AS 77/16 und S 17 AS 80 bis 83/16 über sämtliche Begehren entschieden, so dass im Ergebnis jedenfalls auch ein möglicher Verfahrensfehler nicht dazu führen würde, dass die jeweiligen Entscheidungen darauf beruhen könnten.
Da die von den Klägern ausdrücklich gestellten Anträge damit ins Leere gehen, waren sie unter Berücksichtigung des Begehrens der Kläger nach § 123 SGG auszulegen (zur Auslegung: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 123 Rn 3). Das SG kam zu der nachvollziehbaren Auslegung, den Klägern gehe es vorliegend (alleine) um eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 135 EUR monatlich aus einem FBA ab Klageerhebung. Dem schließt sich der Senat an, zumal die Kläger im Berufungsverfahren der Auslegung durch das SG nicht widersprochen und keine Umstände vorgebracht haben, die Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung begründen könnten.
Die Kläger haben keinen FBA gegen den Beklagten, der einen Zahlungsanspruch iHv monatlich 135 EUR seit Klageerhebung begründen könnte. Beim allgemeinen öffentlich-rechtlichen FBA handelt es sich um einen aus dem Richterrecht hergeleiteten Anspruch, mit dem die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten Zustandes im Wege der Naturalrestitution erreicht werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.1995 - 11 RAr 91/94 -, Urteil vom 29.05.1996 - 3 RK 26/95; Thüringer LSG, Beschluss vom 01.06.2017 - L 4 AS 851/16 B - alle zitiert nach Juris). Der Anspruch setzt damit voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht des Betroffenen ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde und dieser Zustand noch andauert (vgl. Thüringer LSG aaO mwN). Es geht dabei um die Rückgängigmachung der unmittelbaren Folgen einer rechtswidrigen Amtshandlung, insbesondere bei vollzogenen, rechtswidrigen Verwaltungsakten (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 27.05.2014 - B 8 SO 1/13 R - mwN - Juris).
Vorliegend fehlt es im Zeitpunkt der Klageerhebung an einem durch einen vollzogenen, rechtswidrigen Verwaltungsakt geschaffenen Zustand, da die Kläger die monatliche Pauschale von 135 EUR für die Zukunft begehren. Die Kläger erheben insofern letztlich eine vorbeugende Leistungsklage. Ebenso wie im Rahmen einer vorbeugenden Unterlassungsklage oder einer vorbeugenden Feststellungsklage bedarf es dafür aber eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses, das nicht gegeben ist, wenn der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. zur vorbeugenden Unterlassungsklage: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 54 Rn 42a). Den Klägern ist es aber ohne weiteres zumutbar, sich mittels Widerspruch und Anfechtungsklage gegen (künftige) Sanktionsbescheide zu wehren. Sollten diese rechtswidrig sein, kann unter Einleitung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch die Vollziehung der Leistungsabsenkung verhindert werden. Es bedarf damit nicht der Gewährung eines vorbeugenden Rechtsschutzes.
Die Kläger haben damit keinen FBA auf Zahlung von 135 EUR monatlich im Falle der Fortführung von Sanktionen nach Klageerhebung, so dass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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