L 8 SB 2182/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 2084/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2182/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
für Recht erkannt: Tenor: Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 02.05.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).

Der 1958 geborene Kläger beantragte am 06.05.2005 (Blatt 1 VA) bei dem Landratsamt (LRA) M. die Feststellung eines GdB. Das Landratsamt holte die versorgungsärztliche Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom 25.11.2005 ein, die die Feststellung eines GdB von 50 empfahl. Mit Bescheid vom 28.11.2005 (Blatt 15 VA) stellte das LRA einen GdB von 50 ab dem 07.05.2005 sowie das Merkzeichen G fest und berücksichtigte folgende Funktionseinschränkungen: - Stentimplantation - abgelaufener Herzinfarkt - Bluthochdruck - Herzmuskelerkrankung - Angina pectoris - Fettstoffwechselstörung Lungen- und Atemwegsbeschwerden hätten nicht nachgewiesen werden können.

Auf den Neufeststellungsantrag vom 30.01.2006 (Blatt 23 VA) stellte das LRA mit Bescheid vom 20.06.2006 (Blatt 35 VA) einen GdB von 60 seit dem 30.01.2006 fest und berücksichtigte als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie einen Bandscheibenschaden.

Den Neufeststellungsantrag vom 12.01.2007 (Blatt 38 VA) lehnte das LRA, nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. M. vom 24.04.2007 (Blatt 50/51 VA), mit Bescheid vom 09.05.2007 (Blatt 54 VA) ab, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht vorliege. Den mit einem im SG-Verfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung eingeholten Sachverständigengutachten begründeten Widerspruch vom 21.05.2007 (Blatt 57 VA) wies der Beklagte, nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. B. vom 06.08.2007 (Blatt 83/84 VA), mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2007 zurück. Die hiergegen gerichtete Klage wurde zurückgenommen.

Am 19.11.2015 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB (Blatt 98 VA). Das LRA zog die Befundberichte des C. -Krankenhauses Bad M. vom 25.03.2014 (Blatt 104 VA), des Facharztes für Innere Medizin Dr. B. vom 08.04.2014 (Blatt 106 VA), vom 16.09.2014 (Blatt 111 VA) und vom 10.06.2015 (Blatt 114 VA), des Urologen Dr. P. vom 25.04.2014 (Blatt 108 VA) sowie des Orthopäden Dr. G. vom 05.08.2015 (Blatt 116 VA) und vom 26.10.2015 (Blatt 117 VA) bei.

Dr. B. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 31.01.2016 (Blatt 118/119 VA) und führte aus, dass eine Belastbarkeit von 75 bis 100 Watt in der Ergometrie bestanden habe, sodass ein Teil-GdB von 50 großzügig sei. Flankenschmerzen seien bei den Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) enthalten, ein Gesamt-GdB von 60 weiter angemessen. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen Hallux rigidus, Thorakalsyndrom, Erschöpfungssyndrom und Beinleiden bedingten keinen Teil-GdB von wenigstens 10.

Den Antrag lehnte das LRA mit Bescheid vom 11.02.2016 (Blatt 122 VA) ab, da die Voraussetzungen für eine Höherbewertung des GdB nicht vorliegen würden.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 05.03.2016 Widerspruch (Blatt 125 VA), den der Beklagte, nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. B. vom 19.05.2016 (Blatt 132/133 VA), mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2016 (Blatt 138 VA) zurückwies.

Am 07.07.2016 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Das SG holte den Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 22.09.2016 (Blatt 21/52 SG-Akte) sowie die sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. G. vom 11.10.2016 (Orthopädie – Blatt 53 SG-Akte), des Dr. B. vom 21.10.2016 (Urologie – Blatt 56 SG-Akte) und des Dr. B. vom 24.11.2016 (Innere Medizin - Blatt 61/87 SG-Akte) ein.

Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2017 ab und führte zur Begründung aus, dass der Beklagte das Herzleiden bereits mit einem Teil-GdB von 50 berücksichtigt habe, obwohl eigentlich nur ein solcher von 30 bis 40 vorgesehen sei. Die Bewertung der Wirbelsäulenbeschwerden mit einem Teil-GdB von 20 sei großzügig, da sich der Kläger nur in sporadischer Behandlung befinde, häufige Wirbelsäulensyndrome nicht belegt seien und die Beweglichkeit der Wirbelsäule nicht eingeschränkt sei. Gerechtfertigt sei nur ein GdB von 0-10. Auch die urologischen Beschwerden bedingten lediglich einen Teil-GdB von 10. Der Teil-GdB von 50 sei wegen der Wirbelsäulenbeschwerden um 10 zu erhöhen, sodass sich ein Gesamt-GdB von 60 ergebe, der nach den Vorgaben der VG als großzügig bemessen anzusehen sei.

Gegen den am 11.05.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.06.2017 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 02.05.2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, einen höheren GdB festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die sachverständige Zeugenauskunft des Kardiologen Dr. F. vom 11.09.2017 eingeholt, der mitgeteilt hat, dass sich in der Echokardiographie eine leichte bis mittelgradige Einschränkung der linksventrikulären Pumpfunktion gezeigt habe

Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss 17.04.2018 die Berufung auf den Berichterstatter übertragen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Über die Berufung entscheidet der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern, nachdem das SG mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2017 entschieden und der Senat mit Beschluss vom 17.04.2018 die Berufung nach § 153 Absatz 5 SGG dem Berichterstatter übertragen hat. Der Senat hat keine Gründe feststellen können, die eine Entscheidung durch den ganzen Senat erforderlich machen, solche waren auch nicht in der Anhörung der Beteiligten mitgeteilt worden. Aus der mündlichen Verhandlung haben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Rückübertragung auf den Senat und eine Entscheidung durch den Senat erforderlich machen.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 11.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelne Erkrankungen, sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 - oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen - bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen - zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist - wie dargestellt - anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung

Der Senat stellt fest, dass Vergleichsgrundlage für die Beurteilung einer wesentlichen Änderung der Bescheid vom 20.06.2006 (Blatt 35 VA) ist, da mit diesem Bescheid die letzte bindende Feststellung des GdB getroffen worden ist. Die nachfolgenden Bescheide haben lediglich eine Neufeststellung des GdB abgelehnt und damit keine Feststellung zur Höhe des GdB getroffen.

Der Einschätzung des GdB lag der Befundbericht des Dr. B. vom 14.12.2005 (Blatt 23 VA) zugrunde, in dem mitgeteilt wird, dass weiterhin über Beschwerden in Linksseitenlage, belastungsabhängige A.p.-Beschwerden und Herzinsuffizienz bei unverändertem Verlauf geklagt worden sei. Gestützt auf diesen Bericht konnte der Senat feststellen, dass sich die linksventrikuläre Funktion nach Intensivierung der Herzinsuffizienz-Therapie etwas gebessert hatte, aber weiterhin leicht bis mittelgradig eingeschränkt war.

VG Nr. 9.1.1. bestimmt hinsichtlich Einschränkung der Herzleistung:

1. keine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter stärkerer Belastung (z.B. sehr schnelles Gehen, schwere körperliche Arbeit), keine Einschränkung der Sollleistung bei Ergometerbelastung;

0 – 10

2. Leistungsbeeinträchtigungen bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen, mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten); 20 – 40 3. Leistungseinschränkungen bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen, Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (2 Minuten) 50 – 70

Ausgehend von diesen Maßstäben dürfte der Teil-GdB mit 50, in Übereinstimmung mit den versorgungsärztlichen Stellungnahmen der Dr. B. vom 06.08.2007 und der Dr. B. vom 31.01.2016, für die Einschränkung der Herzleistung bereits großzügig bemessen worden sein.

Eine wesentliche Verschlechterung konnte der Senat hinsichtlich der Herzleistung nicht feststellen. Dem Befundbericht des Dr. B. 27.10.2006 entnimmt der Senat, dass die Ergometerbelastung über zwei Minuten bei 50 Watt möglich gewesen ist, ein Abbruch ist erst bei 100 Watt wegen Angina pectoris und leichter Atemnot erfolgt. Gestützt auf das im Verfahren S 4 R 2507/06 eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. M. vom 02.04.2007 konnte der Senat feststellen, dass das Belastungs-EKG auf der zweiten Belastungsstufe nach 2 Minuten und 33 Sekunden bei 100 Watt wegen zunehmender Brustschmerzen abgebrochen werden musste, weiter legt der Sachverständige dar, dass bei den bislang durchgeführten Untersuchungen Belastungsschmerzen meist bei 75 Watt aufgetreten seien. Somit sprechen auch diese Befunde dafür, dass der Teil-GdB auf unter 50 einzuschätzen ist. Dem Befundbericht des Dr. B. vom 08.04.2014 entnimmt der Senat, dass sich keine Änderung ergeben hat und die linksventrikuläre Funktion sich weiterhin als grenzwertig gut darstellte und typische Belastungsbeschwerden ab einer Belastungsstufe von 75 Watt aufgetreten sind, wobei der Abbruch nach einer Minute bei 100 Watt erfolgte. Auch in dem Befundbericht vom 16.09.2014 wird eine Belastbarkeit bis 2 Minuten bei 100 Watt angegeben. Der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. B. vom 24.11.2016 ist keine Befundverschlechterung zu entnehmen, vielmehr beschreibt dieser weiterhin mittelschwere Einschränkungen mit einer Belastbarkeit von 75 Watt, entsprechend einem möglichen Treppensteigen von 1 bis 2 Stockwerken. Letztlich ergibt sich nichts anderes aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 11.09.2017, der eine gering bis mittelgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion mit regionalen Wandbewegungsstörungen sowie eine grenzwertige diastolische Relaxationsstörung beschrieben hat. Unter Berücksichtigung der festzustellenden Befunde ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass aufgrund der festgestellten Belastbarkeit eine mittelschwere Beeinträchtigung gegeben ist, hinsichtlich derer ein höherer Teil-GdB als 40 nicht anzunehmen ist.

Hinsichtlich des Bluthochdrucks rechtfertigt sich die Annahme eines höheren Teil-GdB als 10 nicht, da nach VG 9.3 eine mittelschwere Form erst bei diastolischem Blutdruck mehrfach über 100 mm Hg trotz Behandlung angenommen werden kann, der Senat jedoch gestützt auf die Befundberichte des Dr. B. vom 16.09.2014 (RR 130/90, Blatt 38 SG-Akte), 15.07.2016 (RR 143/93, Blatt 26 SG-Akte) und den Befundbericht des Dr. F. vom 19.04.2017 (RR 140/80, Blatt 24 Senatsakte) feststellen konnte, dass trotz Behandlung mehrfach über 100 mm Hg liegende diastolische Werte nicht gegeben sind.

Der Einschätzung des Teil-GdB von 20 für die Wirbelsäule liegt der Befundbericht der Neurochirurgin Dr. H. vom 09.12.2005 zu Grunde, wonach ein algetisches L5-Syndrom linksseitig bei Bandscheibenvorfall LWK4/LWK5 besteht ohne sensomotorisches Defizit. Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z. B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist eine GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt, die jedoch beim Kläger nicht vorliegen und auch nicht geltend gemacht werden. Die Einschätzung des Teil-GdB mit 20 berücksichtigt daher bereits mittelgradige Funktionseinschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, hier der Lendenwirbelsäule. Eine wesentliche Verschlechterung konnte der Senat nicht feststellen. Dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. M. vom 02.04.2007 sind Einschränkungen vorwiegend im Bereich der Lendenwirbelsäule (klopf- und druckschmerzhaft) zu entnehmen, aus dem Befundbericht des Orthopäden Dr. G. vom 05.08.2015 (Blatt 116 VA) entnimmt der Senat, dass die Wirbelsäule im Lot gewesen ist, der Finger-Boden-Abstand 5 cm betrug und die Rotation links/rechts mit 20-0-20° möglich gewesen ist. Beschrieben wird ein minimaler KS an der unteren LWS und ein LWS-Syndrom mit ISG-Irritation links diagnostiziert. Entsprechendes ergibt sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. G. vom 11.10.2016 (Blatt 53 SG-Akte), in der dieser auf eine Minderbelastbarkeit der LWS mit Dauerschmerzen seit 30 Jahren in der linken Flanke verweist und diese überzeugend als mittelgradig einstuft. Abgesehen davon, dass der Senat eine Verschlechterung im Befund nicht feststellen kann, bedingen die mittelgradigen Einschränkungen der LWS nur einen Teil-GdB von 20.

Einen über 10 liegenden Teil-GdB auf urologischem Fachgebiet konnte der Senat, gestützt auf die sachverständige Zeugenauskunft des Urologen Dr. B. vom 21.10.2016 (Blatt 56 SG-Akte), nicht feststellen. Dieser teilt als Diagnosen einen Nierenstein 2014, eine Prostatahyperplasie und eine erektile Dysfunktion mit und verweist auf die Notwendigkeit der Einnahme von Medikamenten. Die Beeinträchtigungen beschreibt er überzeugend als geringfügig, sodass der Senat, in Übereinstimmung mit der Versorgungsärztin Dr. B. (Blatt 134 VA), keinen höheren GdB als 10 für die Beschwerden auf urologischem Fachgebiet sieht.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich die Bemessung des GdB nach VG A 2 f.) nach nicht nur vorübergehenden und damit über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten erstreckende Gesundheitsstörungen richtet, sodass es nicht auf die Schwere des Akutereignisses (hier des Herzinfarktes) und dessen Begleitumstände ankommt, sondern auf die hieraus resultierenden dauerhaften Folgen. Nach VG A 2 i.) berücksichtigen die in der Tabelle niedergelegten Sätzen im Übrigen auch die üblichen seelischen Begleiterscheinungen.

Unabhängig davon, dass der Senat keine Befundverschlechterung feststellen kann, ergibt sich aus den anzunehmenden Einzel-GdB von 40 für das Herzleiden, 20 für die Wirbelsäule, 10 für den Bluthochdruck und 10 für das urologische Fachgebiet jedenfalls kein höherer Gesamt-GdB als 60, wie dieser von dem Beklagten bereits bindend festgestellt worden ist.

Nachdem aus dem Nichterscheinen des Klägers zum Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 09.03.2018 keine Konsequenzen gezogen worden sind, insbesondere kein Ordnungsgeld verhängt wurde, kommt es auf diesen Termin und den Umstand, dass ein ärztliches Attest aus 2015 (Blatt 36 Senatsakte) ungeeignet ist, eine Verhandlungsunfähigkeit im Jahr 2018 zu begründen, nicht entscheidungserheblich an.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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