Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
45
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 45 R 873/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit (Az.: S 45 R 1173/14) am 14.03.2016 aufgrund der fiktiven Rücknahmeerklärung der Klägerin beendet worden ist. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten war ursprünglich die Frage der Berechtigung zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge streitig.
Die Klägerin ist die Tochter der ursprünglich Versicherten C H, als deren Rechtsnachfolgerin sie vorliegend auftritt. Die Versicherte war israelische Staatsangehörige und Verfolgte gemäß § 1 BEG. Sie hatte sich – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – im Zeitraum von November 1941 bis März 1944 zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten. Allerdings fehlte der Versicherten ein Zeitraum von vier Monaten zur Erfüllung der fünfjährigen Wartezeit. Nachdem ein bereits vor dem erkennenden Gericht geführter Rechtsstreit zur Frage der Möglichkeit der (fristgemäßen) freiwilligen Versicherung gemäß § 197 Abs. 2 SGB VI für die Klägerin negativ ausging, ging es im hiesigen Rechtsstreit um die Frage, ob die Entrichtung der freiwilligen Beiträge gemäß § 197 Abs. 3 SGB VI möglich ist.
Mit prozessleitender Verfügung vom 12.1.2015 wies das Gericht die Bevollmächtigte der Klägerin darauf hin, dass das hiesige Verfahren gemäß § 183 S. 1 SGG i.V.m. § 56 Abs. 1 SGB I gerichtskostenpflichtig ist, da die Klägerin im Zeitpunkt des Versterbens nicht mit der Versicherten in einem Haushalt gelebt hat. Mit Beschluss vom 20.02.2015 wurde der Streitwert vorläufig auf 6396,33 EUR festgesetzt. In der Folge erfolgte keine Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses i.H.v. 554,16 EUR. Daraufhin erließ der Vorsitzende mit Verfügung vom 9.12.2015 eine Betreibensaufforderung gemäß § 102 Abs. 2 SGG, mit welchem die Prozessbevollmächtigte aufgefordert wurde, den Gerichtskostenvorschuss einzureichen. Die Bevollmächtigte kündigte bereits mit Schriftsatz vom 27.01.2016 an, dem nicht nachkommen zu wollen, da die Betreibensaufforderung formell und materiell unwirksam sei. Zum einen sei diese nicht unterschrieben worden, was für die Wirksamkeit allerdings Voraussetzung sei. Zum anderen sei die Anforderung von Gerichtskosten kein Grund für die Annahme des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses. In der Folge wurde der Anspruch nach mehreren Vollstreckungsversuchen unbefristet niedergeschlagen.
Die Streitsache wurde sodann am 14.3.2016 durch fiktive Rücknahme der Klägerin als erledigt ausgetragen.
Zunächst beantragte die Klägerin schriftsätzlich wörtlich,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.12.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2014 zu verurteilen, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der am 00.0.2007 verstorbenen Versicherten für deren Versicherung für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis 30. April 1998 zu gestatten, vier freiwillige Beiträge nachzuzahlen und damit die der Versicherten zustehende Regelaltersrente für die Zeit von November 1998 bis Februar 2007 zu zahlen.
Sodann beantragte die Klägerin – nach formaler Erledigung des ursprünglichen Klageverfahrens –
den Rechtsstreit fortzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind zuvor gehört worden.
Die so verstandene Klage ist unbegründet.
Gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als 3 Monate nicht betreibt. In der Betreibensaufforderung ist der Kläger auf die sich aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Die Betreibensaufforderung unterliegt hierbei formellen, materiellen und inhaltlichen Anforderungen, ohne deren Erfüllung sie nicht Grundlage der Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG sein kann (BSG, Urteil vom 01.07.2010, Az.: B 13 R 58/09 R).
In formeller Hinsicht muss wegen der einschneidenden Folgen der Rücknahmefiktion sichergestellt sein, dass es sich bei der Betreibensaufforderung nicht lediglich um einen Entwurf handelt und dass der Richter nicht von einer Routine-Verfügung ausgeht; hierüber muss auch für die Betroffenen Gewissheit bestehen. Die Betreibensaufforderung muss daher nach der Rechtsprechung des BSG vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden. Ein den Namen abkürzendes Handzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Anders als dies von der Prozessbevollmächtigten gerügt wurde, ist die Verfügung nicht lediglich mit einer Paraphe sondern mit dem vollen Namen unterschrieben worden. Insoweit die Rechtsprechung zum Teil davon ausgeht, dass dies auch für die zuzustellende Abschrift gelten soll, folgt die erkennende Kammer dem nicht. Sinn und Zweck der Unterschrift mit vollem Namen ist lediglich die Sicherstellung der Abgrenzung eines Entwurfs von der tatsächlichen Verfügung. Dies kann allerdings auch ausreichend durch die Unterzeichnung der Verfügung mit vollem Namen geschehen. Insoweit Zweifel an der ausreichenden Unterzeichnung bestünden, besteht die Möglichkeit der Akteneinsicht.
Die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens muss daneben auch inhaltlichen Anforderungen genügen. Dem Kläger muss im Rahmen des § 102 Abs. 2 S. 3 SGG klar und unzweifelhaft deutlich gemacht werden, welche Verfahrenshandlung er vornehmen muss, um die Fiktion der Rücknahme seiner Klage abzuwenden. Die Handlungen zum (hinreichenden) Betreiben des Verfahrens müssen - abhängig vom Stand des Verfahrens - möglichst konkret bezeichnet werden; allgemeine Aufforderungen zum Tätigwerden genügen grundsätzlich nicht (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 11. Aufl. 2014, Rn. 8c zu § 102; NK-VwGO/Schmid § 92 Rn. 33; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom. 12.07.2011, Az.: L 11 KR 1429/11).
Vorliegend wurde seitens der Klägerin die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses angefordert. Die Anforderung ist auch zweifelsfrei mit Postzustellungsurkunde am 12.12.2015 zugegangen. Daneben ist die Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 SGG auch möglich, wenn ein Kläger dadurch nicht weiter am Verfahren mitwirkt, dass er den Gerichtskostenvorschuss nicht leistet (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 09.04.2009 - 5 K 333/09, VG Hannover, Beschluss v. 29.07.2010). Warum dies im Rahmen der Sozialgerichtsbarkeit, welche eine "Tochtergerichtsbarkeit" der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, anders sein sollte, erschließt sich der erkennenden Kammer nicht. Vielmehr erscheint es der erkennenden Kammer als lebensnah und nachvollziehbar, dass jemand der die angeforderten Gerichtskosten nicht einzahlt, auch kein Interesse an der materiellen Klärung der Streitsache (mehr) haben kann.
Mithin war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten war ursprünglich die Frage der Berechtigung zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge streitig.
Die Klägerin ist die Tochter der ursprünglich Versicherten C H, als deren Rechtsnachfolgerin sie vorliegend auftritt. Die Versicherte war israelische Staatsangehörige und Verfolgte gemäß § 1 BEG. Sie hatte sich – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – im Zeitraum von November 1941 bis März 1944 zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten. Allerdings fehlte der Versicherten ein Zeitraum von vier Monaten zur Erfüllung der fünfjährigen Wartezeit. Nachdem ein bereits vor dem erkennenden Gericht geführter Rechtsstreit zur Frage der Möglichkeit der (fristgemäßen) freiwilligen Versicherung gemäß § 197 Abs. 2 SGB VI für die Klägerin negativ ausging, ging es im hiesigen Rechtsstreit um die Frage, ob die Entrichtung der freiwilligen Beiträge gemäß § 197 Abs. 3 SGB VI möglich ist.
Mit prozessleitender Verfügung vom 12.1.2015 wies das Gericht die Bevollmächtigte der Klägerin darauf hin, dass das hiesige Verfahren gemäß § 183 S. 1 SGG i.V.m. § 56 Abs. 1 SGB I gerichtskostenpflichtig ist, da die Klägerin im Zeitpunkt des Versterbens nicht mit der Versicherten in einem Haushalt gelebt hat. Mit Beschluss vom 20.02.2015 wurde der Streitwert vorläufig auf 6396,33 EUR festgesetzt. In der Folge erfolgte keine Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses i.H.v. 554,16 EUR. Daraufhin erließ der Vorsitzende mit Verfügung vom 9.12.2015 eine Betreibensaufforderung gemäß § 102 Abs. 2 SGG, mit welchem die Prozessbevollmächtigte aufgefordert wurde, den Gerichtskostenvorschuss einzureichen. Die Bevollmächtigte kündigte bereits mit Schriftsatz vom 27.01.2016 an, dem nicht nachkommen zu wollen, da die Betreibensaufforderung formell und materiell unwirksam sei. Zum einen sei diese nicht unterschrieben worden, was für die Wirksamkeit allerdings Voraussetzung sei. Zum anderen sei die Anforderung von Gerichtskosten kein Grund für die Annahme des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses. In der Folge wurde der Anspruch nach mehreren Vollstreckungsversuchen unbefristet niedergeschlagen.
Die Streitsache wurde sodann am 14.3.2016 durch fiktive Rücknahme der Klägerin als erledigt ausgetragen.
Zunächst beantragte die Klägerin schriftsätzlich wörtlich,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.12.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2014 zu verurteilen, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der am 00.0.2007 verstorbenen Versicherten für deren Versicherung für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis 30. April 1998 zu gestatten, vier freiwillige Beiträge nachzuzahlen und damit die der Versicherten zustehende Regelaltersrente für die Zeit von November 1998 bis Februar 2007 zu zahlen.
Sodann beantragte die Klägerin – nach formaler Erledigung des ursprünglichen Klageverfahrens –
den Rechtsstreit fortzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind zuvor gehört worden.
Die so verstandene Klage ist unbegründet.
Gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als 3 Monate nicht betreibt. In der Betreibensaufforderung ist der Kläger auf die sich aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Die Betreibensaufforderung unterliegt hierbei formellen, materiellen und inhaltlichen Anforderungen, ohne deren Erfüllung sie nicht Grundlage der Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG sein kann (BSG, Urteil vom 01.07.2010, Az.: B 13 R 58/09 R).
In formeller Hinsicht muss wegen der einschneidenden Folgen der Rücknahmefiktion sichergestellt sein, dass es sich bei der Betreibensaufforderung nicht lediglich um einen Entwurf handelt und dass der Richter nicht von einer Routine-Verfügung ausgeht; hierüber muss auch für die Betroffenen Gewissheit bestehen. Die Betreibensaufforderung muss daher nach der Rechtsprechung des BSG vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden. Ein den Namen abkürzendes Handzeichen (Paraphe) genügt als Unterschrift nicht.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Anders als dies von der Prozessbevollmächtigten gerügt wurde, ist die Verfügung nicht lediglich mit einer Paraphe sondern mit dem vollen Namen unterschrieben worden. Insoweit die Rechtsprechung zum Teil davon ausgeht, dass dies auch für die zuzustellende Abschrift gelten soll, folgt die erkennende Kammer dem nicht. Sinn und Zweck der Unterschrift mit vollem Namen ist lediglich die Sicherstellung der Abgrenzung eines Entwurfs von der tatsächlichen Verfügung. Dies kann allerdings auch ausreichend durch die Unterzeichnung der Verfügung mit vollem Namen geschehen. Insoweit Zweifel an der ausreichenden Unterzeichnung bestünden, besteht die Möglichkeit der Akteneinsicht.
Die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens muss daneben auch inhaltlichen Anforderungen genügen. Dem Kläger muss im Rahmen des § 102 Abs. 2 S. 3 SGG klar und unzweifelhaft deutlich gemacht werden, welche Verfahrenshandlung er vornehmen muss, um die Fiktion der Rücknahme seiner Klage abzuwenden. Die Handlungen zum (hinreichenden) Betreiben des Verfahrens müssen - abhängig vom Stand des Verfahrens - möglichst konkret bezeichnet werden; allgemeine Aufforderungen zum Tätigwerden genügen grundsätzlich nicht (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 11. Aufl. 2014, Rn. 8c zu § 102; NK-VwGO/Schmid § 92 Rn. 33; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom. 12.07.2011, Az.: L 11 KR 1429/11).
Vorliegend wurde seitens der Klägerin die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses angefordert. Die Anforderung ist auch zweifelsfrei mit Postzustellungsurkunde am 12.12.2015 zugegangen. Daneben ist die Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 SGG auch möglich, wenn ein Kläger dadurch nicht weiter am Verfahren mitwirkt, dass er den Gerichtskostenvorschuss nicht leistet (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 09.04.2009 - 5 K 333/09, VG Hannover, Beschluss v. 29.07.2010). Warum dies im Rahmen der Sozialgerichtsbarkeit, welche eine "Tochtergerichtsbarkeit" der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, anders sein sollte, erschließt sich der erkennenden Kammer nicht. Vielmehr erscheint es der erkennenden Kammer als lebensnah und nachvollziehbar, dass jemand der die angeforderten Gerichtskosten nicht einzahlt, auch kein Interesse an der materiellen Klärung der Streitsache (mehr) haben kann.
Mithin war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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