L 6 AL 1265/02

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 698/02
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 1265/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a AL 34/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 14. November 2002 sowie die Bescheide der Beklagten vom 6. März 2002 und 18. März 2002 – beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2002 - aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für die Anmietung eines Parkplatzes für die Zeit ab Februar 2002 bis zum Ende des Mietverhältnisses – insoweit längstens bis Ende Juli 2003 – zu erstatten.

II. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig war die Kostenübernahme und ist jetzt die Erstattung der Miete für einen PKW-Stellplatz am Arbeitsplatz der Klägerin im Rahmen von Förderleistungen zur Eingliederung (jetzt: Teilhabe) Behinderter in das Arbeitsleben.

Die 1967 geborene Klägerin ist von Geburt an schwerstbehindert und wegen einer Lähmung beider Beine auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie ist mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 als Schwerstbehinderte anerkannt; außerdem sind anerkannt das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen/Nachteilsausgleiche G, aG, H, RF und B. Die Klägerin ist Mutter zweier Kinder (geb. 1991 und 1993); sie lebte - seit Ende 2003 getrennt – in einer gemeinsamen Wohnung mit ihrem Ehemann, der Leistungsbezieher der Beklagten nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bzw. nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) war. Aus finanziellen Gründen ist der Ehemann erst im September 2005 ausgezogen; er ist seit Anfang Dezember 2005 gegen ein (Netto-) Entgelt von ca. 750,- EUR/Monat wieder beschäftigt.

Die Klägerin ist bei Firma C., Schulung und Softwareentwicklung GmbH, in A-Stadt mit Sitz in der C-Straße, beschäftigt und erzielt daraus ein Entgelt in Höhe von (brutto) rund 1227 EUR/Monat. Bei der C-Straße handelt es sich um eine vierspurige Ausfallstraße mit zusätzlich zwei Straßenbahngleisen. In unmittelbarer Nähe der Arbeitsstätte befindet sich kein öffentlicher Parkplatz; der nächst gelegene ist – nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin – etwa 500 m entfernt. Ein auf dem Firmengelände vorhandener Parkplatz wird gegen Entgelt (zunächst 40.- DM/Mon; nunmehr 20,50 EUR/Mon.) vermietet. Die Klägerin fährt täglich mit dem Kfz zur Arbeitsstätte.

Auf Grund eines Anerkenntnisses vom 5. Juli 2001 beim Sozialgericht Kassel hat die Beklagte als zuständiger Träger der Rehabilitation/beruflichen Eingliederung/Teilhabe am Arbeitsleben die Kosten der Anschaffung eines behinderungsgerechten Kraftfahrzeuges (Kfz) mit entsprechender Sonderausstattung (Rollstuhllift) für die Klägerin im Gesamtbetrag von (seinerzeit) rund 165.000,- DM übernommen. Nach einem ärztlichen Gutachten vom 13. September 1999 und nach verwaltungsinterner Einschätzung vom 26. Januar 2001 (Bl. 122 ff. der Verwaltungsakte), sowie nach den Angaben der Klägerin anlässlich der (erneuten) Antragstellung vom 21. September 2001, ist die Klägerin zur Erreichung des Arbeitsplatzes auf das behindertengerecht ausgestattete Kfz angewiesen und kann mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Wegstrecke von der Wohnung zum Arbeitsplatz nicht zurücklegen, weshalb sie dorthin täglich mit diesem Kfz fahren muss (und fährt). Dieses stellte sie zunächst auf einem der privat angemieteten Stellplatz in der C-Straße ab, für den die Miete zunächst noch von einem früheren Beschäftigten der Arbeitgeberin bezahlt wurde. Zwischenzeitlich verlangte der Vermieter von der Klägerin 40,- DM bzw. jetzt 20,50 EUR/Monat. Etwa ab Ende 2002 hat die Klägerin wegen der Kosten auf diesen Parkplatz verzichten müssen und sich von einem weiter entfernten öffentlichen Parkplatz zur Arbeitstätte begeben, wobei sie sich bei Regen mit einem übergroßen Schirm zu schützen versucht. Wenn sie die Miete zahlen kann, wird ihr ein Parkplatz in unmittelbarer Nähe zur Arbeitsstätte wieder angeboten.

Die Klägerin beantragte zeitgleich zunächst beim Landeswohlfahrtsverband (- LWV -Integrationsamt) und bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Parkplatzmiete. Den am 22. Februar 2002 beim LWV eingegangenen Antrag gab dieser am 5. März 2002 an die Beklagte als zuständigem Rehabilitationsträger ab.

Mit Schreiben/Bescheid vom 6. März 2002 und - wiederholt - mit Bescheid vom 18. März 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme mit der Begründung ab, sie könne nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHV) zwar Hilfe zur Eingliederung (jetzt: Teilhabe) Behinderter in das (am) Arbeitsleben gewähren. Die Übernahme von Parkplatzkosten am Arbeitsplatz sei aber nach der KfzHV nicht vorgesehen. Im Bescheid vom 6. März 2002 war zusätzlich ausgeführt worden, das SGB III sehe keine Möglichkeit der Kostenübernahme entsprechend dem SGB IX vor.

Den Widerspruch der Klägerin (Eingang 19. März 2002) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 2002 zurück und führte zur Begründung nunmehr u.a. aus, die Gewährung von Leistungen an behinderte Menschen zur Teilhabe am Arbeitsleben richte sich nach § 33 SGB IX. Die in § 33 Abs. 3 Nr. 6 und Abs. 8 SGB IX aufgeführten "sonstigen Hilfen" würden zwar eine Kraftfahrzeughilfe nach der KfzHV vorsehen; im Leistungsrahmen nach § 2 KfzHV sei aber keine Übernahme von Mietkosten für einen Parkplatz am Arbeitsplatz vorgesehen. Die Klägerin könne behindertengerechte Parkplätze nutzen. Aufwendungen für Parkplatzgebühren würden nicht wegen der Behinderung entstehen, sondern – wie auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern – auf Grund der Erhebung von Gebühren der Städte und Gemeinden. Hiergegen hat die Klägerin am 12. April 2002 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben und geltend gemacht, sie sei auf die Anmietung des Stellplatzes angewiesen, u.a. weil sie wegen des Lifts, den sie zum Aus- und Einsteigen in das Kfz benötige, nicht alle öffentlichen Parkplätze nutzen könne. Weitere Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes gebe es nicht. Der Arbeitgeber habe die Übernahme der Parkplatzkosten abgelehnt. Parkplätze auf dem Betriebsgelände müssten zusätzlich zu den Büroräumen des Arbeitgebers angemietet werden. Auf die Nutzung eines solchen Parkplatzes sei sie zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit angewiesen. Im Hinblick auf ihre Einkommens- und Lebenslage sei die Miete in Höhe von 40,- DM monatlich eine Härte. Die Beklagte ist dem unter Hinweis auf § 9 KfzHV entgegengetreten. Zwar sei im Falle einer "besonderen Härte" auch die Übernahme von Parkplatzkosten möglich; eine solche Härte aber liege bei der Klägerin und angesichts der Höhe des streitigen Betrages von 40,- DM monatlich nicht vor.

Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt, die Bescheide vom 6. März 2002 und 18. März 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Kosten für die Parkplatzmiete am Arbeitsplatz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Mit Urteil vom 14. November 2002 (dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 21. November 2002) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Ablehnung der Kostenübernahme für die Parkplatzmiete sei nicht ermessensfehlerhaft. Nach § 33 Abs. 3 Nr. 6 und Abs. 8 SGB IX umfassten die dort aufgeführten "sonstigen Hilfen" auch Leistungen nach der KfzHV. Nach §§ 1, 2 der KfzHV umfasse die Kfz-Hilfe nicht die Übernahme von Kosten für einen am Arbeitsplatz angemieteten Stellplatz. Soweit nach § 9 KfzHV eine Erweiterung des Leistungskatalogs in besonderen Härtefällen vorgesehen sei, habe die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen, ob ein besonderer Härtefall vorliege, in rechtlich einwandfreier Weise Gebrauch gemacht; es liege insbesondere keine sog. Ermessensreduzierung auf Null vor (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994 – 4 RA 42/94SozR 3-1200 § 39 Nr. 1). Das insoweit zulässige Neubescheidungsbegehren der Klägerin könne nicht erfolgreich sein. Nach § 39 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) sei die Beklagte verpflichtet, bei ihrer Ausübung von Ermessen dieses dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Hiervon habe die Beklagte in rechtlich nicht angreifbarer Weise Gebrauch gemacht. Sie habe die Auffassung vertreten, die Übernahme der Kosten für den Stellplatz am Arbeitsplatz gehöre nicht zum Leistungskatalog der KfzHV und es liege auch keine besondere Härte im Sinne des § 9 KfzHV vor. Diese Einschätzung der Beklagten teile das Sozialgericht. Zwar seien die persönlichen Voraussetzungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KfzHV bei der Klägerin erfüllt, weil sie zur Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit unumgänglich auf die Benutzung des Kfz (und damit auch des Parkplatzes) angewiesen sei, um den Arbeitsort zu erreichen; auch seien die in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes in der C-Straße vorhandenen öffentlichen Parkplätze nicht geeignet, für die Klägerin die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes dauerhaft sicher zu stellen, weshalb sie nicht nur auf die Benutzung des bereits geförderten Kfz sondern auch auf die Nutzung des angemieteten Parkplatzes angewiesen sei. Sowohl im Hinblick auf das Erfordernis der Anmietung des Stellplatzes als auch im Hinblick auf die Höhe der monatlichen Stellplatzmiete könne zur Überzeugung des Gerichts aber keine Härte anerkannt werden. Wer im innerstädtischen Bereich gebührenpflichtige Parkplätze nutzen müsse, habe dafür erheblich mehr als 40,- DM im Monat (jetzt 20,00 EUR) aufzuwenden. Auch im Hinblick auf den monatlichen Nettoverdienst der Klägerin von (seinerzeit) 1.900,- DM sei eine Härte nicht feststellbar, weshalb ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten nicht vorliege. Das Sozialgericht hat ausweislich der Rechtsmittelbelehrung im Urteil die Berufung für zulässig gehalten, weil zwar der Beschwerdewert von 500,- EUR nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgestz (SGG) nicht erreicht sei, aber um laufende Leistungen für mehr als ein Jahr gestritten werde.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 21. November 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Dezember 2002 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Die Klägerin macht u.a. geltend, das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass keine besondere Härte vorliege. Im Hinblick auf die Lebenslage und ihr Einkommen sei auch ein Betrag von rund 20,00 EUR je Monat eine unzumutbare Belastung.

Die Klägerin beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 14. November 2002 und die Bescheide der Beklagten vom 6. März und 18. März 2002, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des angemieteten Parkplatzes in Höhe von 20,50 EUR monatlich für die Zeit von Februar 2002 bis Juli 2003 zu erstatten, (sowie die Beklagte zu verpflichten Leistungen der Kfz-Hilfe für den streitbefangenen Parkplatz in Zukunft bei erneuter Anmietung zu bewilligen,)
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen über den Antrag der Klägerin vom 22. Februar 2002 auf Kostenübernahme für die Parkplatzmiete erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zu entscheiden.

Die Beklagte hat insoweit einer Modifikation des Klageantrages zugestimmt und sich bereit erklärt, für den Fall des Obsiegens der Klägerin im Rechtstreit um die Kostenerstattung Leistungen der Kfz-Hilfe für den streitbefangenen Parkplatz auch in Zukunft zu bewilligen. Die Klägerin hat im Hinblick auf diese Bereitschaft der Beklagten den Klageantrag bzgl. zukünftiger Leistungen beschränkt

Die Beklagte beantragt nunmehr,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts, das sie im Ergebnis und in der Begründung für richtig hält. Es werde nicht bestritten, dass die Klägerin den (streitbefangenen) Parkplatz benötige, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen, jedoch sei eine besondere Härte nicht erkennbar, weil die Klägerin (August 2001) über ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.903,90 DM verfüge; ihr Ehegatte habe ab 22. August 2001 Arbeitslosengeld in Höhe von 1.886,12 DM/monatlich erhalten. Unter diesen Umständen sei es der Klägerin von der finanziellen Leistungsfähigkeit her zumutbar, die Kosten für den Parkplatz in Höhe von rund 20,- EUR monatlich selbst zu tragen; dies auch im Hinblick darauf, dass die Beklagte die Fahrzeugvollversicherung sowie die Wartungs- bzw. Reparaturkosten für das Fahrzeug und zwar nicht nur bezüglich der behinderungsbedingten Sonderausstattung sondern auch bezüglich der Verschleißteile – übernommen habe.

Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die Reha-Akten der Beklagten (Arbeitsamt A-Stadt, 2 Bände) die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats am 14. Dezember 2005 gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch an sich statthaft und somit insgesamt zulässig. Zwar wird durch den Klageantrag im Berufungsverfahren (welcher die Beklagte zugestimmt hat und die der Senat für zweckdienlich hält (§§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 SGG, weshalb dahinstehen kann, ob überhaupt eine Klageänderung vorliegt - §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG) der jetzt allein noch streitbefangene Erstattungsbetrag auf – höchstens - rund 369 EUR (18 Monate multipliziert mit 20,50) beschränkt, womit die Berufungssumme nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht wäre. Es wurde aber und wird um eine laufende Leistung Übernahme der monatlich fälligen und zu zahlenden Parkplatzmiete – für mehr als ein Jahr gestritten weshalb, wovon auch das Sozialgericht zutreffend ausgegangen ist, die Berufung statthaft war und ist (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Eine Beschränkung des Klageantrages im Berufungsverfahren ändert insoweit an der - ursprünglichen – Statthaftigkeit der Berufung nichts.

Streitgenstand ist nunmehr nach dem Hauptantrag der Klägerin eine Erstattungsforderung der Klägerin längstens für die Zeit von Februar 2002 bis Juli 2003, also für die Zeit, in der sie den Parkplatz angemietet hatte und soweit sie die Miete selbst getragen hat. Hinsichtlich einer künftigen Kostenübernahme ist der Rechtsstreit durch die als angenommenes – Anerkenntnis (§ 101 SGG) zu wertende Erklärung der Beklagten erledigt, dass sie für den Fall des Obsiegens der Klägerin in Zukunft – nach erneuter Anmietung – die Kosten zu übernehmen bereit ist.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, wonach für den Fall, dass die Beklagte die Bewilligung der beantragten Leistung (hier: Kostenübernahme der Parkplatzmiete als sonstige Leistung bei Härte im Rahmen der Kfz-Hilfe) zu Unrecht abgelehnt hat, sie zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet ist, mit welchen der behinderte Mensch in Vorleistung treten musste. Insoweit trifft § 15 SGB IX seit dem Inkrafttreten des SGB IX im Jahre 2001 eine dem § 13 Abs. 3 (früher z.T. noch Abs. 2) des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) entsprechende Regelung. Zur Überzeugung des Senats hat die Beklagte – anders als das Sozialgericht meint – durch die Bescheide vom 6. März und 18. März 2002 – beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2000 - die Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt. Der Senat geht – entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts - vom Vorliegen einer besonderen Härte aus.

Nach § 33 SGB IX (Fassung: 19. Juni 2001, BGBl. I. S.1046, 1047) - nunmehr alleinige Rechtsgrundlage für die Bewilligung von "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" durch die Beklagte als zuständigem Rehabilitationsträger (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. mit § 5 Nr. 2 SGB IX) - umfassen Leistungen der Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes und/oder sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben auch Kfz-Hilfe nach der KfzHV (vgl. § 33 Abs. 3 Nrn. 1 und 8 SGB IX).

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, gehört die Kostenübernahme für die Parkplatzmiete nicht zu den in der KfzHV (vom 28. Sept. 1987, BGBl. I. S. 2251, in der hier maßgeblichen Fassung der letzten Verwaltungsentscheidung) ausdrücklich vorgesehenen Regelleistungen zur Teilhabe zugunsten eines Behinderten, die grundsätzlich als abschließende Regelungen anzusehen sind (vgl. hierzu auch die Beispiele in BSG, Urt. vom 29. Juli 1993 – 11/9b Rar 27/92 – SozR 3 – 4100 § 56 Nr. 10 und vom 20. Febr. 2002 – B 11 AL 60/01 R – SozR 3 – 5765 § 9 Nr. 2). Eine Leistungsgewährung konnte deshalb nur auf Grund der Härteregelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KfzHV in Betracht kommen, wonach zur Vermeidung besonderer Härten Leistungen auch abweichend von § 2 Abs.1 sowie §§ 6 und 8 Abs. 1 (also neben den "Regelleistungen") erbracht werden können, soweit dies unter den Voraussetzungen des § 3 KfzHV zur Aufnahme der Fortsetzung einer beruflichen Tätigkeit unumgänglich ist. Nach § 3 KfzHV wird - u.a. - vorausgesetzt, dass der behinderte Mensch infolge der Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kfz angewiesen sein muss, um den Arbeitsplatz zu erreichen, was bei der Klägerin - insoweit auch zwischen den Beteiligten unstreitig und durch die kostenintensive Bewilligung von Kfz-Hilfe Erwerb und Sonderausstattung des Kfz anerkannt und dokumentiert – nach den Feststellungen und zur Überzeugung des Senats der Fall ist: Angesichts der Schwere der Behinderung und der Lage der Betriebsstätte kann die Klägerin nur mit Hilfe eines aufwändig besonders ausgestatteten Kfz und auf Dauer auch nur dann im Erwerbsleben tätig bleiben, wenn sie einen besonders geräumigen und in direkter Nähe zur Arbeitstätte liegenden Stellplatz nutzen kann. Dies hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich eingeräumt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin zuletzt infolge Geldmangels einen öffentlichen Parkplatz genutzt hat, da dies unter unzumutbaren Bedingungen geschehen ist und als Dauerzustand untragbar erscheint (etwa wenn die Klägerin bei stürmischer Witterung durchnässt an den Arbeitsplatz kommen muss). Anders als die Beklagte (und ihr folgend das Sozialgericht), welche allein wegen der Höhe der Mietkosten von 20,50 EUR/Monat eine besondere Härte nicht meint anerkennen zu können, geht der Senat bei der Würdigung der gesamten Umstände, unter denen die Klägerin ihrer Erwerbstätigkeit nachgeht und wegen der schwierigen familiären Verhältnisse sowie im Hinblick auf die mit der Trennung vom Ehemann zwischenzeitlich eingetretenen besonderen Umstände auch von einer "besonderen" Härte aus.

Zwar ist nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (vgl. Urt. vom 29. Juli 2003 und 20. Febr. 2002, a.a.O.) der Terminus "besondere Härte" eng auszulegen, insbesondere genügen nicht allein beschränkte wirtschaftliche Verhältnisse (die aber entscheidungserheblich zu berücksichtigen sind) und auch nicht – allein – die Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung, weil letztere gerade auslösend für die Gewährung von Kfz-Hilfe sind, bzw. (im Rahmen einer Bedürftigkeitsprüfung) zu berücksichtigen sind. Es ist jedoch anerkannt, dass vor allem bei einer gravierenden Veränderung in den Lebensumständen eine "besondere" Härte auftreten kann und anzuerkennen ist. Der Senat sieht hier in dem Umstand, dass die Klägerin, trotz ihrer Behinderung zwei Kinder mit erzieht und trotzdem einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht, solche besonderen Umstände, welche die finanziellen Spielräume der Klägerin erheblich einzuschränken geeignet sind. Die Klägerin hat hierzu auch in der "Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen", welche der Senat bei seiner Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu berücksichtigen hatte, u. a. auf hohe Wohnkosten (mit Kindern kann zwangsläufig keine kleine Wohnung geteilt werden) sowie auf besondere Belastungen aus der Kindererziehung hingewiesen. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass der Ehemann nach Bezug von Arbeitslosengeld längere Zeit Bezieher von (bedürftigkeitsgeprüfter) Arbeitslosenhilfe (und später von "Arbeitslosengeld II") gewesen ist, erscheint es zur Überzeugung des Senats nachvollziehbar und vertretbar, dass die Klägerin die Kosten für die Parkplatzmiete nicht aufbringen kann, auch wenn diese "an sich" betrachtet mit 20,50 EUR je Monat aus der Perspektive von durchschnittlich (oder gar überdurchschnittlich) verdienenden Betrachtern nicht "hart" erscheinen mögen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass der Klägerin wegen Vorliegens einer "besonderen Härte" die Kostenübernahme der Mietkosten hätte bewilligt werden können und müssen und die Beklagte, da sie dies rechtswidrig unterlassen hat, nunmehr zur Kostenerstattung zu verpflichten war.

Der Senat brauchte dabei nicht zu entscheiden, ob es sich – auch nach der uneingeschränkt gegebenen richterlichen Überprüfungsmöglichkeit bzgl. des Vorliegens einer "Härte" - noch um eine Ermessenentscheidung von Seiten der Beklagten hätte handeln müssen oder gehandelt hat, wovon das Sozialgericht ausgegangen ist, weil es die Bescheide der Beklagten (wie dies in § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG vorgesehen ist) auch unter dem Gesichtpunkt pflichtgemäßer, rechtmäßiger Ermessensausübung überprüft hat (zu der – soweit die Frage überhaupt explizit thematisiert wird – unklaren Literaturlage vgl. z.B. Voelzke, in V. Neumann, Hg., SGB IX Handbuch, 1. Aufl. 2004, § 11 RdNr. 69; Majerski-Pahlen in: D. Neumann et.al. SGB IX, 11. Aufl, 2005, § 9 KfzHV RdNrn. 3 und 4 sowie Keller in: PK-SGB III, 2. Aufl. 2004, Nachbemerkung zu § 102 – 115, RdNr. 27). Von seinem Standpunkt aus brauchte der Senat diese Frage nicht zu entscheiden, weil die Bescheide und der Widerspruchsbescheid der Beklagten jedenfalls wegen Verkennung des Merkmals "besondere Härte" rechtswidrig waren und die Klägerin für längere Zeit zur Vorleistung gezwungen worden war. Selbst wenn insoweit der Beklagten - nach der Wortwahl "können" in § 9 Abs 1 KfzHV - noch ein Ermessensspielraum verblieben wäre, geht der Senat jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation von einer Reduzierung des Ermessens auf "Null" aus.

Das Urteil des Sozialgerichts konnte demnach keinen Bestand haben; die Beklagte war dem beschränkten Antrag entsprechend – zur Erstattung zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat nach § 160 Abs. 1 Nr. 2 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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