Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 845/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 4/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung von psychischen Erkrankungen infolge Mobbings am Arbeitsplatz als Berufskrankheit.
Die 1953 geborene Klägerin war bis 1991 als OP-Schwester beschäftigt. Seit dem 01. April 2000 war sie als Außendienstmitarbeiterin bei der C P M Ltd. mit Sitz in F tätig. Die Arbeitsaufgabe der Klägerin bestand darin, ein Medikament gegenüber Ärzten zu bewerben und, auf Anforderung, Arzneimittelmuster abzugeben. Über die Empfänger hatte sie Nachweise zu führen, die ihre Arbeitgeberin auf Verlangen der zuständigen Behörden vorzulegen hatte.
Die Arbeitgeberin der Klägerin sprach gegenüber der Klägerin bereits im 3. Quartal des Jahres 2006 fristlose sowie vorsorglich fristgemäße Kündigungen aus, deren Unwirksamkeit durch die Urteile des Arbeitsgerichts Berlin vom 05. Dezember 2006 (Az.: 66 Ca 15734/06) und vom 13. November 2007 (Az.: 84 Ca 14613/07) festgestellt wurden. Auch gegen weitere Kündigungen ging die Klägerin gerichtlich vor. Letztlich wurde die rückwirkende Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 12. November 2011 arbeitsgerichtlich im Juli 2013 bestätigt.
Am 05. Mai 2014 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie infolge eines jahrelang am Arbeitsplatz erlittenen Mobbings durch ihre Vorgesetzten krank geworden sei und letztlich ihren Arbeitsplatz verloren habe. Die arbeitsgerichtlichen Verfahren würden dies belegen. Die Beklagte wertete dies als Antrag auf Anerkennung einer durch Mobbing verursachten psychischen Erkrankung als Berufskrankheit (BK).
Mit Bescheid vom 22. Mai 2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Berufskrankheit bzw. wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die von der Klägerin geltend gemachte psychische Erkrankung nicht zu den Erkrankungen gehöre, die in der Liste der nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) anerkennungsfähigen Berufskrankheiten aufgeführt sei. Die Erkrankung könne auch nicht wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt werden. Hierfür sei Voraussetzung, dass eine bestimmte Personengruppe infolge ihrer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Auswirkungen ausgesetzt sei, die nach neueren Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sei, eine Erkrankung zu verursachen, und dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit im konkreten Einzelfall hinreichend wahrscheinlich sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt.
Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, dass das Mobbing durch die Arbeitgeberin zu Stress geführt habe, wodurch wiederum Depressionen und eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) hervorgerufen worden seien, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. November 2014 zurück und verwies auf die Begründung des Ausgangsbescheides.
Mit ihrer am 05. Dezember 2014 vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Durch die Vielzahl der Kündigungen habe ihre Arbeitgeberin sie psychisch, physisch und finanziell in den Ruin getrieben.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 30. Juli 2015 hat das SG die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.
Zur Niederschrift hat die Klägerin am 20. August 2015 beim SG ihre Klage dahin erweitert, die Beklagte auch zu verurteilen, die Folgen von Mobbing, Bossing und Straining als Folge eines Arbeitsunfalles anzuerkennen. Sie hat diverse Unterlagen aus dem arbeitsgerichtlichen Prozess und Publikationen zum Thema "Mobbing" beigefügt.
Mit Gerichtsbescheid vom 08. Dezember 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung der Beklagten, die von der Klägerin als Folgen eines Mobbing durch den Arbeitgeber (Bossing) in der besonderen Form des Strainings (einzelne bzw. wenige Angriffe mit persönlichkeitsverletzendem Charakter) geltend gemachten psychischen Erkrankungen in Gestalt von Depressionen und einer PTBS nicht als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII und auch nicht als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen, sei rechtmäßig. Die Anerkennung als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII scheitere bereits daran, dass nach dieser Vorschrift nur solche Erkrankungen als Berufskrankheit anerkannt werden könnten, die in der "Berufskrankheitenliste" der Anl. 1 zur BKV aufgeführt seien. Dies sei jedoch nicht der Fall. Es gebe keinen Berufskrankheitentatbestand in der Anl. 1 zur BKV, der psychische Erkrankungen infolge von Mobbing, Bossing und Straining umfasse. Auch eine Anerkennung einer durch Mobbing, Bossing und Straining verursachten psychischen Erkrankung der Klägerin wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII habe die Beklagte zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen der Vorschrift seien nicht erfüllt. Zwar gebe es eine Vielzahl von Publikationen zum Phänomen des Mobbings wie auch zum Straining und Bossing, zweier Sonderformen des Mobbings, unter anderem die von der Klägerin gegenüber der Beklagten und im vorliegenden Rechtsstreit in Bezug genommenen. Allerdings sehe die Kammer weder in den von der Klägerin eingereichten und in Bezug genommenen Unterlagen noch sonst Hinweise auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die belegen könnten, dass bestimmte Berufsgruppen bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Maß als die übrige Bevölkerung systematischen Angriffen auf ihre Persönlichkeit ausgesetzt seien, die man dem Begriff "Mobbing" zuordnen könne und die dadurch einem erheblich erhöhten Risiko ausgesetzt seien, an bestimmten psychischen Erkrankungen zu erkranken, wie dies Voraussetzung für eine Anwendung von § 9 Abs. 2 SGB VII sei. Mangels solcher neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse sei vielmehr nach wie vor davon auszugehen, dass Mobbing sowohl privat als auch beruflich vorkomme und beim beruflichen Mobbing wiederum in allen Berufsgruppen und bei verschiedensten beruflichen Tätigkeiten. Dies schließe eine Anwendung von § 9 Abs. 2 SGB VII auch dann aus, wenn im Einzelfall eine psychische Erkrankung durch berufliches Mobbing verursacht sein sollte. Diese Feststellungen zum Mobbing würden ebenso für die Sonderform "Straining" gelten, die sich nach den von der Klägerin eingereichten Unterlagen dadurch kennzeichne, dass es nicht um lang anhaltende, immer wiederkehrende Angriffe auf das Persönlichkeitsrecht gehe, sondern um wenig, aber langanhaltend wirkende Angriffe auf das Persönlichkeitsrecht. Das so genannte "Bossing" sei zwar durch sein Charakteristikum, wonach die Angriffe auf das Persönlichkeitsrecht von einem Vorgesetzten ausgehen, von vornherein nicht auf das Privatleben bezogen, sondern auf das Berufsleben. Dafür, dass bestimmte Berufsgruppen bzw. bestimmte berufliche Tätigkeiten in besonderem Maße vom "Bossing" betroffen wären, gebe es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Soweit die Klägerin mit Wege der Klageerweiterung die Anerkennung des beruflichen Mobbings durch ihren Arbeitgeber bzw. der Folgen dieses Mobbing in Gestalt von Depressionen und einer PTBS als Arbeitsunfall begehre, müsse die Klage ohne weitere Sachprüfung als unzulässig abgewiesen werden. Es fehle insoweit an einem nach § 54 SGG anfechtbaren Verwaltungsakt der Beklagten, der dem gerichtlichen Rechtsschutz nach einem zusätzlich gemäß §§ 77 ff. SGG durchzuführenden Vorverfahren vorausgehen müsse. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2014 habe die Beklagte nur entschieden, dass wegen des von der Klägerin geltend gemachten Mobbings (bzw. Bossings, Strainings) und seiner Folgen keine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII bzw. keine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen sei. Hingegen sei mit diesem Bescheid keinerlei Regelung dazu getroffen worden, ob auch ein Arbeitsunfall vorliege. Daher sei die Klage mit diesem Klagebegehren bereits unzulässig.
Gegen den ihr am 11. Dezember 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. Januar 2016 Berufung eingelegt. Es sei anerkannt, dass Mobbing, Bossing und Straining zu schweren psychischen Erkrankungen führe. Um sich ein persönliches Bild von der Klägerin zu machen, hätte das SG die Klägerin persönlich anhören müssen und ein Sachverständigengutachten veranlassen. Die Klägerin habe an ihrem Arbeitsplatz Mobbing erfahren. Denn es sei von ihrem Arbeitgeber gegenüber der Klägerin ein Verhalten gezeigt worden, welches im Wesentlichen als ignorant, rücksichtslos und den Leistungswillen der Klägerin verachtend zu bezeichnen sei. Es gebe eine Vielzahl von Publikationen zum Phänomen des Mobbings, Bossings und Strainings und den daraus resultierenden psychischen Gesundheitstörungen.
Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2018 erklärt hatte, die Anerkennung des Mobbings/Bossings/Strainings als Arbeitsunfall mit der Berufung nicht mehr zu verfolgen, beantragt sie noch,
den Gerichtsbescheid vom 08. Dezember 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2014 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei ihrer psychischen Erkrankung in Gestalt von Depressionen und einer posttraumatischen Belastungsstörung um eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII handelt, hilfsweise, die Erkrankung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Berlin zum Aktenzeichen 84 Ca 14613/07 beigezogen.
Mit Beschluss vom 04. Juli 2016 hat der Senat den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Berlin verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berichterstatterin hat aufgrund des Übertragungsbeschlusses des Senats vom 04. Juli 2016 als Einzelrichterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden, § 153 Abs. 5 SGG.
Streitgegenständlich ist, nachdem die Klägerin ihr Berufungsbegehren hinsichtlich der Anerkennung des Mobbings/Bossings/Strainings als Arbeitsunfall für erledigt erklärt hat, ausschließlich der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2014, mit dem klägerischen Begehren festzustellen, dass es sich bei der psychischen Erkrankung der Klägerin um eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII handelt, hilfsweise, dass die Erkrankung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen ist.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der klageabweisende Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 08. Dezember 2015 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2014 zu Recht die Feststellung einer psychischen Erkrankung der Klägerin in Gestalt von Depressionen und einer PTBS als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII oder als eine Erkrankung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind.
Das Sozialgericht hat bereits zutreffend dargelegt, dass die Feststellung der geltend gemachten psychischen Erkrankung als eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII bereits deshalb nicht in Betracht kommt, da es sich bei einer durch Mobbing/Bossing/Straining verursachten psychischen Erkrankung nicht um eine Listen-Erkrankung handelt. Denn weder sind Mobbing/Bossing/Straining als berufsbedingte Einwirkungen und Ursachen für Erkrankungen noch sind bestimmte psychische Erkrankungen (als Folge von Mobbing/Bossing/Straining) als Berufserkrankungen in der maßgeblichen BKV sowie deren Anlage aufgelistet.
Mobbing (Bossing/Straining) am Arbeitsplatz und seine gesundheitlichen Folgen können auch nicht nach § 9 Abs. 2 SGB VII "wie" eine Berufskrankheit anerkannt werden. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen liegen, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht vor. Denn es gibt keine Erkenntnisse, dass eine Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Grade als die übrige Bevölkerung Mobbing (Bossing/Straining) ausgesetzt ist. Mobbing kommt in allen Berufsgruppen und auch im privaten Umfeld, z.B. unter Nachbarn und Bekannten, vor. Der Senat sieht insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass auch die Internet-Recherche des Senats zum Stichwort "Mobbing" (bzw. Bossing/Straining) die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Bereits im "Mobbing-Report - eine Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland" (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahr 2002; https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Schriftenreihe) wurde dargelegt, dass sich Mobbing in allen Bereichen der Gesellschaft findet, also auch in Kindergärten, Schulen (dazu www.sueddeutsche.de vom 19. April 2017: "PISA: Jeder sechste deutsche Schüler oft Mobbing-Opfer"), Universitäten, Organisationen, Vereinen sowie politischen Parteien. Dass das Thema Mobbing am Arbeitsplatz einen besonderen Stellenwert in der gesellschaftlichen Diskussion einnimmt, weil neben den massiven gesundheitlichen Schäden bei den einzelnen Betroffenen die negativen betriebsvolkswirtschaftlichen Folgen von besonderer gesellschaftspolitischer Bedeutung sind, führt per se noch nicht dazu, dass eine Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Grade als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung von psychischen Erkrankungen infolge Mobbings am Arbeitsplatz als Berufskrankheit.
Die 1953 geborene Klägerin war bis 1991 als OP-Schwester beschäftigt. Seit dem 01. April 2000 war sie als Außendienstmitarbeiterin bei der C P M Ltd. mit Sitz in F tätig. Die Arbeitsaufgabe der Klägerin bestand darin, ein Medikament gegenüber Ärzten zu bewerben und, auf Anforderung, Arzneimittelmuster abzugeben. Über die Empfänger hatte sie Nachweise zu führen, die ihre Arbeitgeberin auf Verlangen der zuständigen Behörden vorzulegen hatte.
Die Arbeitgeberin der Klägerin sprach gegenüber der Klägerin bereits im 3. Quartal des Jahres 2006 fristlose sowie vorsorglich fristgemäße Kündigungen aus, deren Unwirksamkeit durch die Urteile des Arbeitsgerichts Berlin vom 05. Dezember 2006 (Az.: 66 Ca 15734/06) und vom 13. November 2007 (Az.: 84 Ca 14613/07) festgestellt wurden. Auch gegen weitere Kündigungen ging die Klägerin gerichtlich vor. Letztlich wurde die rückwirkende Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 12. November 2011 arbeitsgerichtlich im Juli 2013 bestätigt.
Am 05. Mai 2014 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie infolge eines jahrelang am Arbeitsplatz erlittenen Mobbings durch ihre Vorgesetzten krank geworden sei und letztlich ihren Arbeitsplatz verloren habe. Die arbeitsgerichtlichen Verfahren würden dies belegen. Die Beklagte wertete dies als Antrag auf Anerkennung einer durch Mobbing verursachten psychischen Erkrankung als Berufskrankheit (BK).
Mit Bescheid vom 22. Mai 2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Berufskrankheit bzw. wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die von der Klägerin geltend gemachte psychische Erkrankung nicht zu den Erkrankungen gehöre, die in der Liste der nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) anerkennungsfähigen Berufskrankheiten aufgeführt sei. Die Erkrankung könne auch nicht wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt werden. Hierfür sei Voraussetzung, dass eine bestimmte Personengruppe infolge ihrer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Auswirkungen ausgesetzt sei, die nach neueren Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sei, eine Erkrankung zu verursachen, und dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit im konkreten Einzelfall hinreichend wahrscheinlich sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt.
Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, dass das Mobbing durch die Arbeitgeberin zu Stress geführt habe, wodurch wiederum Depressionen und eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) hervorgerufen worden seien, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. November 2014 zurück und verwies auf die Begründung des Ausgangsbescheides.
Mit ihrer am 05. Dezember 2014 vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Durch die Vielzahl der Kündigungen habe ihre Arbeitgeberin sie psychisch, physisch und finanziell in den Ruin getrieben.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 30. Juli 2015 hat das SG die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.
Zur Niederschrift hat die Klägerin am 20. August 2015 beim SG ihre Klage dahin erweitert, die Beklagte auch zu verurteilen, die Folgen von Mobbing, Bossing und Straining als Folge eines Arbeitsunfalles anzuerkennen. Sie hat diverse Unterlagen aus dem arbeitsgerichtlichen Prozess und Publikationen zum Thema "Mobbing" beigefügt.
Mit Gerichtsbescheid vom 08. Dezember 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung der Beklagten, die von der Klägerin als Folgen eines Mobbing durch den Arbeitgeber (Bossing) in der besonderen Form des Strainings (einzelne bzw. wenige Angriffe mit persönlichkeitsverletzendem Charakter) geltend gemachten psychischen Erkrankungen in Gestalt von Depressionen und einer PTBS nicht als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII und auch nicht als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen, sei rechtmäßig. Die Anerkennung als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII scheitere bereits daran, dass nach dieser Vorschrift nur solche Erkrankungen als Berufskrankheit anerkannt werden könnten, die in der "Berufskrankheitenliste" der Anl. 1 zur BKV aufgeführt seien. Dies sei jedoch nicht der Fall. Es gebe keinen Berufskrankheitentatbestand in der Anl. 1 zur BKV, der psychische Erkrankungen infolge von Mobbing, Bossing und Straining umfasse. Auch eine Anerkennung einer durch Mobbing, Bossing und Straining verursachten psychischen Erkrankung der Klägerin wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII habe die Beklagte zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen der Vorschrift seien nicht erfüllt. Zwar gebe es eine Vielzahl von Publikationen zum Phänomen des Mobbings wie auch zum Straining und Bossing, zweier Sonderformen des Mobbings, unter anderem die von der Klägerin gegenüber der Beklagten und im vorliegenden Rechtsstreit in Bezug genommenen. Allerdings sehe die Kammer weder in den von der Klägerin eingereichten und in Bezug genommenen Unterlagen noch sonst Hinweise auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die belegen könnten, dass bestimmte Berufsgruppen bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Maß als die übrige Bevölkerung systematischen Angriffen auf ihre Persönlichkeit ausgesetzt seien, die man dem Begriff "Mobbing" zuordnen könne und die dadurch einem erheblich erhöhten Risiko ausgesetzt seien, an bestimmten psychischen Erkrankungen zu erkranken, wie dies Voraussetzung für eine Anwendung von § 9 Abs. 2 SGB VII sei. Mangels solcher neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse sei vielmehr nach wie vor davon auszugehen, dass Mobbing sowohl privat als auch beruflich vorkomme und beim beruflichen Mobbing wiederum in allen Berufsgruppen und bei verschiedensten beruflichen Tätigkeiten. Dies schließe eine Anwendung von § 9 Abs. 2 SGB VII auch dann aus, wenn im Einzelfall eine psychische Erkrankung durch berufliches Mobbing verursacht sein sollte. Diese Feststellungen zum Mobbing würden ebenso für die Sonderform "Straining" gelten, die sich nach den von der Klägerin eingereichten Unterlagen dadurch kennzeichne, dass es nicht um lang anhaltende, immer wiederkehrende Angriffe auf das Persönlichkeitsrecht gehe, sondern um wenig, aber langanhaltend wirkende Angriffe auf das Persönlichkeitsrecht. Das so genannte "Bossing" sei zwar durch sein Charakteristikum, wonach die Angriffe auf das Persönlichkeitsrecht von einem Vorgesetzten ausgehen, von vornherein nicht auf das Privatleben bezogen, sondern auf das Berufsleben. Dafür, dass bestimmte Berufsgruppen bzw. bestimmte berufliche Tätigkeiten in besonderem Maße vom "Bossing" betroffen wären, gebe es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Soweit die Klägerin mit Wege der Klageerweiterung die Anerkennung des beruflichen Mobbings durch ihren Arbeitgeber bzw. der Folgen dieses Mobbing in Gestalt von Depressionen und einer PTBS als Arbeitsunfall begehre, müsse die Klage ohne weitere Sachprüfung als unzulässig abgewiesen werden. Es fehle insoweit an einem nach § 54 SGG anfechtbaren Verwaltungsakt der Beklagten, der dem gerichtlichen Rechtsschutz nach einem zusätzlich gemäß §§ 77 ff. SGG durchzuführenden Vorverfahren vorausgehen müsse. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2014 habe die Beklagte nur entschieden, dass wegen des von der Klägerin geltend gemachten Mobbings (bzw. Bossings, Strainings) und seiner Folgen keine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII bzw. keine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen sei. Hingegen sei mit diesem Bescheid keinerlei Regelung dazu getroffen worden, ob auch ein Arbeitsunfall vorliege. Daher sei die Klage mit diesem Klagebegehren bereits unzulässig.
Gegen den ihr am 11. Dezember 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. Januar 2016 Berufung eingelegt. Es sei anerkannt, dass Mobbing, Bossing und Straining zu schweren psychischen Erkrankungen führe. Um sich ein persönliches Bild von der Klägerin zu machen, hätte das SG die Klägerin persönlich anhören müssen und ein Sachverständigengutachten veranlassen. Die Klägerin habe an ihrem Arbeitsplatz Mobbing erfahren. Denn es sei von ihrem Arbeitgeber gegenüber der Klägerin ein Verhalten gezeigt worden, welches im Wesentlichen als ignorant, rücksichtslos und den Leistungswillen der Klägerin verachtend zu bezeichnen sei. Es gebe eine Vielzahl von Publikationen zum Phänomen des Mobbings, Bossings und Strainings und den daraus resultierenden psychischen Gesundheitstörungen.
Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2018 erklärt hatte, die Anerkennung des Mobbings/Bossings/Strainings als Arbeitsunfall mit der Berufung nicht mehr zu verfolgen, beantragt sie noch,
den Gerichtsbescheid vom 08. Dezember 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2014 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei ihrer psychischen Erkrankung in Gestalt von Depressionen und einer posttraumatischen Belastungsstörung um eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII handelt, hilfsweise, die Erkrankung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Berlin zum Aktenzeichen 84 Ca 14613/07 beigezogen.
Mit Beschluss vom 04. Juli 2016 hat der Senat den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Berlin verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berichterstatterin hat aufgrund des Übertragungsbeschlusses des Senats vom 04. Juli 2016 als Einzelrichterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden, § 153 Abs. 5 SGG.
Streitgegenständlich ist, nachdem die Klägerin ihr Berufungsbegehren hinsichtlich der Anerkennung des Mobbings/Bossings/Strainings als Arbeitsunfall für erledigt erklärt hat, ausschließlich der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2014, mit dem klägerischen Begehren festzustellen, dass es sich bei der psychischen Erkrankung der Klägerin um eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII handelt, hilfsweise, dass die Erkrankung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII festzustellen ist.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der klageabweisende Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 08. Dezember 2015 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. November 2014 zu Recht die Feststellung einer psychischen Erkrankung der Klägerin in Gestalt von Depressionen und einer PTBS als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII oder als eine Erkrankung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind.
Das Sozialgericht hat bereits zutreffend dargelegt, dass die Feststellung der geltend gemachten psychischen Erkrankung als eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII bereits deshalb nicht in Betracht kommt, da es sich bei einer durch Mobbing/Bossing/Straining verursachten psychischen Erkrankung nicht um eine Listen-Erkrankung handelt. Denn weder sind Mobbing/Bossing/Straining als berufsbedingte Einwirkungen und Ursachen für Erkrankungen noch sind bestimmte psychische Erkrankungen (als Folge von Mobbing/Bossing/Straining) als Berufserkrankungen in der maßgeblichen BKV sowie deren Anlage aufgelistet.
Mobbing (Bossing/Straining) am Arbeitsplatz und seine gesundheitlichen Folgen können auch nicht nach § 9 Abs. 2 SGB VII "wie" eine Berufskrankheit anerkannt werden. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen liegen, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht vor. Denn es gibt keine Erkenntnisse, dass eine Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Grade als die übrige Bevölkerung Mobbing (Bossing/Straining) ausgesetzt ist. Mobbing kommt in allen Berufsgruppen und auch im privaten Umfeld, z.B. unter Nachbarn und Bekannten, vor. Der Senat sieht insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass auch die Internet-Recherche des Senats zum Stichwort "Mobbing" (bzw. Bossing/Straining) die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Bereits im "Mobbing-Report - eine Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland" (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahr 2002; https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Schriftenreihe) wurde dargelegt, dass sich Mobbing in allen Bereichen der Gesellschaft findet, also auch in Kindergärten, Schulen (dazu www.sueddeutsche.de vom 19. April 2017: "PISA: Jeder sechste deutsche Schüler oft Mobbing-Opfer"), Universitäten, Organisationen, Vereinen sowie politischen Parteien. Dass das Thema Mobbing am Arbeitsplatz einen besonderen Stellenwert in der gesellschaftlichen Diskussion einnimmt, weil neben den massiven gesundheitlichen Schäden bei den einzelnen Betroffenen die negativen betriebsvolkswirtschaftlichen Folgen von besonderer gesellschaftspolitischer Bedeutung sind, führt per se noch nicht dazu, dass eine Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Grade als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
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