Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 19 SO 7/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 79/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 24.06.2016 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 8.142,95 Euro zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 7/8, der Beklagte 1/8. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Jugendhilfeträger von dem Beklagten als überörtlichem Sozialhilfeträger Erstattung von Leistungen der Eingliederungshilfe i. H. v. 30.500,59 Euro, die sie gegenüber dem Hilfebedürftigen T L (vormals T N) - im Folgenden: Hilfebedürftiger - im Zeitraum vom 11.11.2013 bis zum 31.10.2014 erbracht hat, sowie die Übernahme des Hilfefalles in der Folgezeit.
Der am 00.00.1991 geborene Hilfebedürftige leidet an den Folgen eines frühkindlichen sexuellen Missbrauchs durch den leiblichen Vater. Bei ihm liegen u.a. eine paranoide Schizophrenie (ICD-10: F20.0), eine posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) und eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ mit psychotischen Symptomen (F60.31) vor. Zum 01.06.2004 ist ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 zuerkannt worden. Der Hilfebedürftige erhält seit dem 01.06.2006 - mit Unterbrechungen durch den Versuch einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sowie von stationären und teilstationären Klinikaufenthalten - Hilfe zur Erziehung in Form stationärer und ambulanter Eingliederungshilfe gemäß § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) von der Klägerin. Ab November 2011 wohnte er wieder bei seiner Mutter.
Am 04.06.2012 beantragte der Hilfebedürftige bei der Klägerin Hilfe für junge Volljährige gemäß §§ 35a, 41 SGB VIII. In Folge der entsprechenden Bewilligung befindet er sich seit dem 01.08.2012 stationär im E in A, einer Wohn- und Rehabilitationseinrichtung für psychisch kranke Menschen. Am 00.00.2012 vollendete der Hilfebedürftige das 21. Lebensjahr. Die Klägerin setzte ihre Leistungsgewährung über diesen Zeitpunkt hinaus fort.
Mit am 03.12.2013 eingegangenen Schreiben vom 26.11.2013 wandte sie sich an den Beklagten und teilte mit, dass die stationäre Unterbringung weiterhin im E erfolgen solle. Indessen werde zunehmend deutlich, dass der Hilfebedürftige den Anforderungen der Jugendhilfe nicht gewachsen sei. Die Hilfe sei vielmehr als sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe fortzuführen. Die Klägerin beantragte diese ausdrücklich und machte dem Beklagten gegenüber zudem einen Erstattungsanspruch für zu erbringende Leistungen geltend.
Der Beklagte wertete Berichte der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N vom 18.07.2013 und vom 17.09.2013 aus, wo der Hilfebedürftige nach Dekompensation seiner psychischen Erkrankung zwischenzeitlich stationär aufgenommen und behandelt worden war. Überdies zog er ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie C aus dem Betreuungsverfahren vom 21.06.2012 bei. Sodann lehnte er mit Schreiben vom 09.12.2013 einen Erstattungsanspruch ab. Bei der Unterbringung des Hilfebedürftigen im E handele es sich nicht um einen Neuantrag, sondern um die Fortführung der bisherigen Maßnahme. Die Klägerin müsse die Unterbringung weiterhin als Hilfe für seelisch behinderte junge Volljährige erbringen.
Nachdem zwischen dem Hilfebedürftigen und der Agentur für Arbeit C am 01.03.2014 eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen worden war, erbrachte die Klägerin nach Auswertung der bisherigen Hilfepläne und Beiziehung eines Berichtes der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N vom 06.01.2014 die Leistungen für die weitere Unterbringung des Hilfebedürftigen im E ab dem 01.08.2014 ausweislich der von ihr erlassenen Bewilligungsbescheide nur noch vorläufig.
Am 14.01.2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Aachen erhoben und die Erstattung der von ihr zwischen dem 11.11.2013 und dem 31.10.2014 erbrachten Leistungen begehrt. Den Erstattungsanspruch bezifferte sie zunächst auf 32.340,59 Euro, wovon sie später erhaltenes Kindergeld i. H. v. 1.840,00 Euro in Abzug brachte.
Die Klägerin hat weiterhin die Auffassung vertreten, es bestehe eine vorrangige Leistungspflicht des Beklagten, weshalb der Hilfefall auch in dessen Zuständigkeit zu übernehmen sei. Der Bericht der B Aachen GmbH vom 18.05.2012 über eine teilstationäre tagesklinische Behandlung des Hilfebedürftigen vom 05.03.2012 bis zum 18.05.2012 sowie der Entlassungsbericht der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N vom 29.02.2016 bestätigten sie in der Gesamtschau.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, ihr die für den Hilfebedürftigen T N, jetzt T L, in der Zeit vom 11.11.2013 bis zum 31.10.2014 aufgewendeten Jugendhilfeleistungen in Höhe von 30.500,59 Euro zu erstatten, sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Hilfefall in seine Zuständigkeit zu übernehmen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er hat seine ablehnende Auffassung aufrechterhalten.
Das Sozialgericht hat die Klagen durch Urteil vom 24.06.2016 abgewiesen:
Soweit die Klägerin von dem Beklagten Erstattung für in der Zeit vom 11.11.2013 bis zum 31.10.2014 an den Hilfebedürftigen erbrachte Jugendhilfeleistungen begehre, sei die Klage als allgemeine Leistungsklage zulässig. Die Klage sei jedoch nicht begründet, denn die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch lägen nicht vor.
Das gelte zunächst für die Erstattung der im Zeitraum vom 11.11.2013 bis zum 31.07.2014 endgültig bewilligten Jugendhilfeleistungen gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Denn die Klägerin habe ihre Leistungen in diesem Zeitraum nicht als nachrangig verpflichteter Leistungsträger erbracht. Nachrangig verpflichtet sei ein Leistungsträger nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Eine nachrangige Verpflichtung der Klägerin folge nicht aus § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift gingen abweichend von § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII u.a. Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht seien, den Leistungen nach dem SGB VIII vor.
Der Hilfebedürftige sei im Streitzeitraum noch nicht 27 Jahre alt und damit entsprechend der Legaldefinition in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII ein "junger Mensch" gewesen. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass bei ihm neben der unstreitig vorliegenden seelischen Behinderung auch eine geistige oder körperliche Behinderung vorgelegen habe, welche einen Anspruch auf sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII hätte begründen können. Eine wesentliche körperliche Behinderung des Hilfebedürftigen im Sinne von § 1 Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung) sei auszuschließen. Doch auch eine wesentliche geistige Behinderung des Hilfebedürftigen scheide im vorliegenden Fall aus. Nach § 2 Eingliederungshilfe-Verordnung seien geistig wesentlich behindert im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz SGB XII Personen, die infolge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte in erheblichem Umfange in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt seien. Aus dem im Verwaltungsverfahren beigezogenen Gutachten des Facharztes für Psychiatrie C vom 21.06.2012 ergebe sich, dass im Wesentlichen gravierende seelische Erkrankungen des Hilfebedürftigen vorlägen, die zu einer deutlichen Einschränkung seiner Teilhabefähigkeit geführt hätten. Demgegenüber habe Dr. C lediglich eine leichtgradige Intelligenzminderung diagnostiziert und habe sich nach dem von der B Aachen GmbH am 14.05.2012 durchgeführten Testung ein IQ des Hilfebedürftigen von 75 ergeben, was jedenfalls allein nicht ausreiche, um eine wesentliche geistige Behinderung anzunehmen. Gestützt werde diese Annahme durch den Bericht der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N vom 09.01.2015, die dem Hilfebedürftigen lediglich eine wesentliche seelische, nicht aber eine wesentliche geistige Behinderung attestiere. Auch die von der Alexianer GmbH in Aachen festgestellten Diagnosen einer paranoiden Schizophrenie sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung beträfen ausschließlich seelische Störungen im Sinne von § 3 Nr. 1 bzw. 4 Eingliederungshilfe-Verordnung.
Lägen somit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII nicht vor, so gingen nach § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII Leistungen der Jugendhilfe den Leistungen der Sozialhilfe vor, so dass sich keine nachrangige, sondern eine vorrangige Verpflichtung der Klägerin ergebe. Dem lasse sich nicht entgegen halten, dass ein Anspruch des Hilfebedürftigen auf Hilfe für junge Volljährige nach dem SGB VIII im streitgegenständlichen Zeitraum entfallen sei, weil dessen Persönlichkeitsentwicklung stagniert habe.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII solle einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig sei. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal jener Leistungen sei deren Eignung. Es müsse eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die Persönlichkeitsentwicklung des jungen Volljährigen und dessen Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung durch die Maßnahmen der Jugendhilfe gefördert werden könnten und innerhalb eines gewissen Zeitraums eine spürbare Verbesserung eintrete. Hieran fehle es indessen erst dann, wenn nicht einmal mehr Teilerfolge zu erwarten seien und die Persönlichkeitsentwicklung erkennbar stagniere.
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben fehle es jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an einer Eignung der dem Hilfebedürftigen erbrachten Leistungen der Jugendhilfe. Denn zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass dessen eigenverantwortliche Lebensführung habe gefördert werden können, wobei seine Persönlichkeitsentwicklung nicht erkennbar stagniert habe. So sei im Hilfeplan vom 20.01.2014 ausgeführt, dass der Hilfebedürftige das Ziel verfolge, in eine Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen zu werden. In diesem Zusammenhang habe er bereits am 03.01.2014 eine Eingliederungsvereinbarung mit der Agentur für Arbeit C unterzeichnet, welche Voraussetzung für die dortige Aufnahme gewesen sei. Auch wenn seine Integration in die Werkstatt bislang nicht erfolgt sei, so habe jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum noch eine günstige Entwicklungsprognose bestanden. Gestützt werde diese durch die Stellungnahme der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N vom 06.01.2014. Zwar sei der Hilfebedürftige danach mittelfristig nicht in der Lage, den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes zu genügen. Gleichwohl werde im Weiteren erläutert, dass eine strukturierte Förderung im Rahmen einer beschützenden Werkstatt indiziert sei, um ihn gemäß seines ihm möglichen Entwicklungstempos an ein weitgehend autonomes Leben und eine adäquate Erwerbsfähigkeit heranzuführen. Auch dies dokumentiere, dass seinerzeit im Hinblick auf die Persönlichkeit noch Entwicklungspotential gesehen worden sei.
Für eine jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum positive Entwicklung des Hilfebedürftigen existierten weitere Anhaltspunkte. So werde im Hilfeplan vom 27.01.2016 unter der Rubrik "Anmerkungen vorhandener Kooperationspartner" ausgeführt, dass er sich im Vergleich zu den Anfängen im geschützten Umfeld der Einrichtung auch an für ihn schwierige Dinge herangewagt (z.B. Vorlesen in der Gruppe) habe, aber noch oft Motivation und Kontrolle benötige. Überdies sei es dem Hilfebedürftigen gelungen, sich der Thematik seines leiblichen Vaters derart zu stellen, dass er den Familiennamen seines Peinigers mittlerweile abgelegt und den Familiennamen seiner Mutter angenommen habe.
Das Gericht verkenne hierbei nicht, dass all dies keine wesentlichen Fortschritte in der Entwicklung seiner Persönlichkeit seien. Indessen könne angesichts dieser kleinen Erfolge keine Rede davon sein, dass die Persönlichkeitsentwicklung des Hilfebedürftigen im streitgegenständlichen Zeitraum erkennbar stagniert habe und dass nicht einmal Teilerfolge zu erwarten gewesen seien. Soweit die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Umstände geschildert habe, die aus aktueller Sicht für eine Erfolglosigkeit der Maßnahmen der Jugendhilfe sprechen mögen, so erlaubten diese Umstände keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die für den streitgegenständlichen Zeitraum anzustellende Prognose. Selbst wenn daher bei rückschauender Betrachtung aktuell Zweifel im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung des Hilfebedürftigen angebracht sein sollten, so hätte es hierfür im Rahmen der im streitgegenständlichen Zeitraum gebotenen ex ante-Betrachtung noch keine Veranlassung gegeben. Sie vermöchten daher die dargelegten, für eine positive Persönlichkeitsentwicklung sprechenden Umstände nicht gleichsam rückwirkend in Frage zu stellen.
Als Grundlage für die Erstattung der im Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.10.2014 vorläufig bewilligten Jugendhilfeleistungen komme hingegen § 102 Abs. 1 SGB X in Betracht. Doch auch die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen nicht vor. Zwar habe die Klägerin vorläufig Sozialleistungen an den Hilfebedürftigen erbracht. Der Beklagte sei jedoch aus den dargelegten Gründen nicht "zur Leistung verpflichteter Leistungsträger", weil nach der Zuständigkeitsregelung in § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII die Klägerin selbst als Jugendhilfeträger vorrangig zuständig gewesen sei.
Soweit die Klägerin des Weiteren die Übernahme des Hilfefalles in die Zuständigkeit des Beklagten begehre, so sei die Klage ebenfalls unbegründet, weil insoweit kein Anspruch bestehe.
Ein solcher Anspruch folge insbesondere nicht aus § 97 Satz 1 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift könne der erstattungsberechtigte Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Zwar möge es Intention der Klägerin gewesen sein, eine solche Feststellung zu betreiben, wie ihr Schreiben vom 26.11.2013 an den Beklagten nahe lege. Abgesehen davon indessen, dass der Beklagte hierzu keine Entscheidung getroffen habe, müsse im Rahmen eines Vorgehens nach § 97 Satz 1 SGB VIII ein Vorverfahren durchgeführt werden. Ein Vorverfahren sei jedoch im vorliegenden Fall nicht durchgeführt worden, so dass, wenn man auf § 97 Satz 1 SGB VIII abstellen wolle, die erhobene Leistungsklage bereits unstatthaft und eine kombinierte Feststellungs- und Verpflichtungsklage mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig sei.
Überdies unterscheide sich die von der Klägerin begehrte Übernahme des Hilfefalles in die eigene Zuständigkeit des Beklagten von der in § 97 Satz 1 SGB VIII geregelten Feststellung einer Sozialleistung, so dass es sich auch aus materiellen Gründen verbiete, § 97 Satz 1 SGB VIII als Anspruchsgrundlage heranzuziehen. Denn diese Norm enthalte einen Fall gesetzlich geregelter Prozessstandschaft. Der Jugendhilfeträger könne unter den darin genannten Voraussetzungen Rechte des Hilfebedürftigen feststellen lassen, ohne hierfür auf dessen Zustimmung angewiesen zu sein. Es handele sich also um den materiellen Sozialleistungsanspruch des Hilfebedürftigen, der - in engen Grenzen - auch vom Jugendhilfeträger gegenüber einem anderen Träger solle geltend gemacht werden können. Schon aus diesem Grund müsse das Verfahren nach § 97 Satz 1 SGB VIII durch Verwaltungsakt abgeschlossen werden. Dieser Verwaltungsakt entfalte auch gegenüber dem Hilfebedürftigen materielle Wirkung, weshalb eine Hinzuziehung im Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X erforderlich sei. Könnte indessen der Jugendhilfeträger durch eine gerichtliche Feststellungsklage die Übernahme der Zuständigkeit erreichen, würde der Hilfebedürftige seiner Hinzuziehung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und damit auch der Anfechtungsmöglichkeiten entsprechender Entscheidungen beraubt.
Die Übernahme des Hilfefalles in die eigene Zuständigkeit eines anderen Sozialhilfeträgers könne somit lediglich als Anspruch des Berechtigten vom Jugendhilfeträger geltend gemacht werden. Im vorliegenden Fall indessen habe die Klägerin ihren eigenen Anspruch auf Übernahme des Hilfefalles geltend gemacht. Für einen solchen eigenen Anspruch existiere jedoch keine Anspruchsgrundlage.
Gegen das ihr am 03.08.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.09.2016 Berufung eingelegt.
Sie meint, dass im Streitzeitraum die Voraussetzungen des § 41 SGB VIII nicht mehr vorgelegen hätten. Mit einem erkennbaren Prozess der Persönlichkeitsentwicklung und der eigenverantwortlichen Lebensführung sei bei dem Hilfebedürftigen nicht mehr zu rechnen gewesen. Seit dem 11.11.2013 fehlten die Voraussetzungen der Fortsetzung der Hilfegewährung gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Daher fehle es auch an der Parallelität der Hilfeansprüche i.S.v. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII. Dem Hilfebedürftigen stehe seitdem nur noch ein Anspruch gegen den Beklagten auf Eingliederungshilfe nach Maßgabe der §§ 53 ff. SGB XII zu. Unabhängig davon, dass bei ihm gewisse Entwicklungsfortschritte in einzelnen Bereichen zu Beginn der Maßnahme vielleicht noch erwartbar erschienen, sei bei realistischer Prognose seit dem 11.11.2013, spätestens jedoch seit den Entwicklungen im Jahr 2014 davon auszugehen gewesen, dass es zu einem Aufenthalt in der Einrichtung E von etlichen Jahren kommen würde und ein eigenständiges und selbständiges Leben bei dem Hilfebedürftigen nicht in Betracht komme. Es sei widersprüchlich, wenn das Sozialgericht einerseits vermeintliche Entwicklungen aus dem Hilfeplan vom 27.01.2016 folgere, andererseits aber der Klägerin versage, ihren Anspruch mit aktuellen Entwicklungen zu begründen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 24.06.2016 abzuändern und 1.) den Beklagten zu verurteilen, ihr ihre in dem Hilfefall T L vom 11.11.2013 bis zum 31.10.2014 erbrachten Aufwendungen in Höhe von 30.500,59 Euro zu erstatten, sowie 2.) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Hilfefall in seine Zuständigkeit zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die aus seiner Sicht zutreffende erstinstanzliche Entscheidung. Es bleibe bei der vorrangigen Leistungspflicht der Klägerin. Ausgehend vom Zeitpunkt des Hilfebeginns sei nicht anzunehmen gewesen, dass die Persönlichkeitsentwicklung des Hilfebedürftigen stagniere und überhaupt keine Aussicht auf kleinschrittige Verbesserungen mehr bestehe. Den aktenkundigen Äußerungen der an der Betreuung hier beteiligten Fachkreise sei vielmehr zu entnehmen, dass eine begründete Chance bestanden habe, dass die angestrebte Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen sei und der Hilfebedürftige noch entscheidend gefördert werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 SGG). Die vollständig abgefasste Entscheidung ist der Klägerin am 03.08.2016 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem Landessozialgericht am 02.09.2016 eingegangen.
II. Die Berufung ist teilweise begründet.
Die Klage ist mit ihrem Antrag zu 2.) (Feststellungsantrag) bereits unzulässig, mit ihrem Antrag zu 1.) (Leistungsantrag) zwar zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
1. Hinsichtlich des Feststellungsantrages (§ 55 SGG) schließt sich der Senat nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichtes an und nimmt auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils insoweit Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
2. Die Klage ist mit ihrem Antrag zu 1.) als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zulässig, da sich die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits nicht im Rahmen eines klassischen öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnisses, sondern als prinzipiell gleichrangige und lediglich mit unterschiedlichen sachlichen Zuständigkeiten ausgestattete Sozialleistungsträger gegenüberstehen. Dies wird u.a. dadurch deutlich, dass die Beteiligten den unter ihnen bestehenden Streit über die sachliche Zuständigkeit zur Leistungserbringung nicht mittels des Erlasses von Verwaltungsakten austragen, sondern mittels des Austausches von Schreiben bzw. Schriftsätzen. Unter solchen Umständen entspricht es der ständigen Rechtsprechung, von der Zulässigkeit einer allgemeinen Leistungsklage auszugehen.
3. Die Leistungsklage ist teilweise begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch für die Zeit vom 11.11.2013 bis zum 31.07.2014 nicht zu. Anders verhält es sich - entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes - für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.10.2014.
a) Als Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung kommt im vorliegenden Fall zunächst § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht, da die Klägerin einen Anspruch als nachrangig verpflichteter Jugendhilfeträger gegenüber dem vorrangig verpflichteten Sozialhilfeträger geltend macht. Hat nach dieser Regelung ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass - wie hier - die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
Während es im Zeitraum vom 11.11.2013 bis zum 31.07.2014 hierfür allerdings an der Voraussetzung einer nachrangigen Verpflichtung der Klägerin i. S. v. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII fehlt und die Verpflichtung der Klägerin daher gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII derjenigen des Beklagten vorgeht, war die Verpflichtung der Klägerin zur Überzeugung des Senates ab dem 01.08.2014 gänzlich entfallen, denn ab diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen des § 41 SGB VIII nicht mehr vor.
Junge Menschen, d. h. Menschen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII), können im Fall einer seelischen Behinderung - wie hier - sowohl einen Anspruch nach §§ 35a, 41 SGB VIII als auch einen Anspruch nach §§ 53 ff. SGB XII auf Eingliederungshilfe haben. Dabei gehen gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII grundsätzlich die Leistungen nach dem SGB VIII denen nach dem SGB XII vor, es sei denn, der Leistungsempfänger ist körperlich oder geistig behindert (§ 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII; vgl. zur Beschränkung des Leistungsvorranges des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen: BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 5 C 30.12 -, juris m. w. N.). Bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin nicht dargelegt, dass neben der seelischen Behinderung auch eine geistige oder körperliche Behinderung bei dem Hilfebedürftigen bestand oder drohte. Anhaltspunkte dafür sind auch nicht zu erkennen.
Nach § 41 Abs. 1 SGB VIII soll einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist (Satz 1). Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden (Satz 2, sog. Fortsetzungshilfe). Letzteres kommt in Betracht wenn die Persönlichkeitsentwicklung des Hilfebedürftigen - prognostisch noch nicht abgeschlossen gewesen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.2016 - B 8 SO 7/15 R -, juris Rn. 14). Die Hilfe nach § 41 SGB VIII setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 23.09.1999 - 5 C 26.98 -, juris) nicht voraus, dass die Aussicht besteht, dass der junge Volljährige innerhalb eines bestimmten Zeitraums seine Verselbständigung erreichen wird. Vielmehr genügt es, wenn die Hilfe eine erkennbare Verbesserung der Persönlichkeitsentwicklung und Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung erwarten lässt. Eine Prognose dahin, dass die Befähigung zu eigenverantwortlicher Lebensführung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt darüber hinaus überhaupt erreicht wird, verlangt § 41 SGB VIII weder nach dem Wortlaut noch der Systematik oder dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie ist nicht notwendig auf einen bestimmten Entwicklungsabschluss gerichtet, sondern auch schon auf einen Fortschritt im Entwicklungsprozess bezogen. Die Hilfe dazu muss aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig, aber auch - wiederum bezogen auf den Hilfezweck - geeignet sein, die Persönlichkeitsentwicklung und die Fähigkeit eigenverantwortlicher Lebensführung zu fördern. Erforderlich, aber auch ausreichend ist demnach, dass wahrscheinlich ein erkennbarer Entwicklungsprozess in der Persönlichkeitsentwicklung und in der Befähigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gegeben ist, der noch gefördert werden kann, die Eignung der gewährten Hilfemaßnahmen also nicht völlig ausgeschlossen ist, unabhängig davon, wann dieser Entwicklungsprozess zum Abschluss kommen und ob jemals das Optimalziel erreicht wird. Nur wenn auf der Grundlage einer nach den gewonnenen Erkenntnissen sorgfältig zu erstellenden Prognose nicht einmal Teilerfolge zu erwarten sind, sondern die Persönlichkeitsentwicklung vielmehr stagniert, ist die Hilfe mangels Eignung und Erfolgsaussicht zu versagen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2013 - 12 A 391/13 -, juris m. w. N.).
Nach der Vollendung des 21. Lebensjahres des Hilfeempfängers stellt der Gesetzgeber allerdings erhöhte Anforderungen an die Notwendigkeit der Hilfegewährung für junge Volljährige. Es muss dann - worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat - eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass ein erkennbarer und schon Fortschritte zeigender Entwicklungsprozess zur Erreichung der in § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannten Ziele vorliegt, der durch die Weitergewährung der Hilfemaßnahme gefördert werden könnte (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2013 - 12 A 391/13 -, juris Rn. 73 m.w.N.). Der strengere Prüfungsmaßstab ist dem Charakter des § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII als Ausnahmevorschrift geschuldet, der sich daraus erschließt, dass die Volljährigenhilfe "in der Regel" nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt wird und lediglich "in begründeten Einzelfällen" darüber hinaus fortgesetzt werden soll. Die Beifügung des Adjektivs "begründet" verdeutlicht zudem, dass nicht in jedem gleichsam beliebigen Einzelfall, sofern er nur atypisch ist, eine Fortsetzungshilfe in Betracht kommt. Die Atypik des Falles hat sich vielmehr an der vom Gesetzgeber gesehenen Notwendigkeit, in bestimmten Konstellationen auch über die Regelaltersgrenze hinaus Volljährigenhilfe gewähren zu können, auszurichten; überdies muss eine Erreichung der mit dieser Hilfe verfolgten Ziele in gesteigertem Maße zu erwarten sein.
Dabei ist aber auch im Rahmen der Fortsetzungshilfe die Erreichbarkeit von kleinen, aber ersichtlichen Fortschritte ausreichend und letztlich an der Prognose der mit der Betreuung des Hilfeempfängers befasst gewesenen Fachkreise festzumachen sowie entscheidend darauf abzustellen, ob aus deren Sicht die begründete Chance bestand, dass der Hilfebedürftige die angestrebten Fertigkeiten auf kurz oder lang erwirbt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2013 - 12 A 391/13 -, juris m.w.N.). Betrachtet man die vorliegenden medizinischen Stellungnahmen und die Äußerungen des betreuenden Fachpersonals, so ist diese Prognose zur Überzeugung des Senates - entgegen der Einschätzung der Klägerin - im November 2013 noch nicht entfallen oder aufgegeben worden. Es hat sich zunächst lediglich gezeigt, dass das ursprünglich angedachte Zeitfenster für die Erreichung bestimmter Ziele zu knapp bemessen gewesen ist und durch den daraus resultierenden Druck eine psychotische Krise ausgelöst wurde, die zu einer vorübergehenden medikamentösen Neueinstellung im stationären Rahmen und zu einer generellen Entschleunigung der Zukunftsplanungen geführt hat.
Auf den Antrag vom 04.06.2012 hin wurde zunächst die probeweise Aufnahme in die Einrichtung E beschlossen (Hilfeplanprotokoll vom 23.07.2012). Die Vorbereitung zum Hilfeplangespräch am 09.01.2013, das Teamprotokoll vom 16.01.2013 und die Fortschreibung des Hilfeplanes vom 15.01.2013 weisen erste Fortschritte auf. Die Vorbereitung zum Hilfeplangespräch am 16.07.2013 und die Fortschreibung des Hilfeplanes vom 22.08.2013 dokumentieren weitere Fortschritte, das Teamprotokoll vom 18.07.2013 wiederholt inhaltlich das Vorprotokoll.
Insbesondere in der Fortschreibung des Hilfeplans am 22.08.2013 - also bereits nach Vollendung des 21. Lebensjahres und unmittelbar vor dem ersten stationären Klinikaufenthalt während des Streitzeitraumes - werden durchaus moderate Fortschritte in der Entwicklung des Hilfebedürftigen geschildert. So heißt es dort, der Hilfebedürftige habe sich zur Verbesserung seiner Freizeitgestaltung vorgenommen, sich in einem Sportverein (Tischtennis) anzumelden. Es gebe sportliche Erfolge im Bereich Tischtennis und Fußball. Der Hilfebedürftige fühle sich in der Einrichtung wohl und wolle im Hinblick auf seine berufliche Perspektive in einem zweiten Versuch ein externes Praktikum absolvieren. Auch die Mutter des Hilfebedürftigen hat demzufolge einen durchaus positiven Aspekt geschildert, nämlich den Eindruck, dass ihr Sohn sich mehr von ihr löse. In Anbetracht der ursprünglich vollständigen Fixierung auf seine Mutter als Mitursache der sozialen Isolation deutet auch das einen Fortschritt an. Zwar haben die Fachkräfte der Einrichtung bereits bei diesem Hilfeplangespräch vom 22.08.2013 mahnend angeregt, den Berufswunsch des Hilfebedürftigen (externes Praktikum) auf seine Realisierbarkeit zu überprüfen, und es befürwortet, die persönliche Stabilisierung zunächst in der eigenen Werkstatt voranzutreiben, bevor ein externes Praktikum in Betracht gezogen werde. Dieser Einschätzung, dass der Hilfebedürftige sich bei seinen Planungen möglicherweise zu viel auf einmal vornimmt, steht allerdings gegenüber, dass auch das Fachpersonal positive Entwicklungsschritte geschildert hat. So heißt es etwa in dem besagten Protokoll zur Fortschreibung des Hilfeplans vom 22.08.2013, der Hilfebedürftige habe gelernt zu sagen, was zu viel für ihn sei, und er beginne, sich zu wehren. Er sei noch nicht am Ende seiner Belastungsmöglichkeiten, übernehme Gruppenverantwortung und brauche noch Zeit, um mit Krisen umzugehen zu lernen. Positiv sei seine die sozialen Kontakte betreffende Entwicklung. Der Hilfebedürftige lasse sich zunehmend ein und probiere aus.
Bereits am 21.08.2013 kam es zu einer Krise, die seine stationäre Behandlung in der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N bis zum 18.09.2013 notwendig machte. Grund dafür war eine Überforderungssituation durch die geplanten Praktika und massive Manipulationen eines Mitbewohners des E, an den sich der Hilfebedürftige eng angeschlossen hatte. Er entließ die Klinik mit angepasster Medikation in stabilisiertem Zustand. Da der für die Eskalation der Erkrankung wesentliche Verantwortung tragende Mitbewohner die Einrichtung unterdessen verlassen hatte, war nach Überzeugung des Senates durchaus damit zu rechnen, dass auf der Grundlage der erreichten Stabilisierung wieder Entwicklungsfortschritte eintreten würden.
Von der ursprünglichen Hilfeplanung wurde dann aber Abstand genommen: Nur zwei Monate nach der Entlassung aus der Klinik wurde in einem vorgezogenen Hilfeplangespräch am 11.11.2013 eine rückläufige Entwicklung und die fehlende Möglichkeit, eine weitere Persönlichkeitsentwicklung in absehbarer Zeit anzustoßen, beschrieben, sowie ein Kostenträgerwechsel vorgesehen. Betrachtet man das Protokoll über dieses Gespräch, das die Klägerin als einen maßgeblichen Beleg für eine Stagnation der Persönlichkeitsentwicklung ansieht, genauer, so fällt auf, dass es letztlich wenig mehr als die Einsicht enthält, dass der Hilfebedürftige deutlich mehr Zeit benötige, um in ein selbstständiges Wohnen wechseln zu können. In dem Protokoll heißt es, es solle zunächst eine Stabilisierung ohne Zeitdruck erfolgen, man müsse auch Zeiträume ohne Persönlichkeitsentwicklung akzeptieren und ein externes Praktikum stelle für den Hilfebedürftigen noch eine zu große Hürde dar. Es solle zunächst einer erneuten Dekompensation vorgebeugt werden. Der Hilfebedürftige habe mit seinem gesetzlichen Betreuer beschlossen, dass eine Entschleunigung stattfinden müsse.
Diesen auf den ersten Blick pessimistischen Einschätzungen steht gegenüber, dass der den Hilfebedürftigen in der Klinikambulanz behandelnde Facharzt für Psychiatrie O das Ziel einer Verselbstständigung in der Folgezeit zunächst weder aufgegeben noch für unerreichbar gehalten hat. So heißt es beispielsweise in seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 30.10.2013, der Hilfebedürftige benötige vor einer anzustrebenden Verselbstständigung mittelfristig Unterstützung in einer stationären Wohneinrichtung und sicherlich über einen längeren Zeitraum die strukturierende Unterstützung durch eine beschützende Werkstatt. Auch in seiner weiteren Stellungnahme vom 06.01.2014 formuliert der behandelnde Arzt, der Hilfebedürftige sei zwar mittelfristig nicht in der Lage, den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes zu genügen und benötige eine mehrjährige Konsolidierungsphase. In der Stellungnahme heißt es aber auch, die strukturierte Förderung im Rahmen einer beschützenden Werkstatt sei indiziert, um ihn gemäß seines ihm möglichen Entwicklungstempos an ein weitgehend autonomes Leben und eine adäquate Erwerbstätigkeit heranzuführen. Daraus folgt, dass der behandelnde Arzt dieses Ziel bei Abfassung der Stellungnahme nachwievor - wenn auch in langsamerem Tempo - für erreichbar gehalten hat.
Nach einem Jahr guter Fortschritte stellte die Krise zwar einen Rückschlag dar, durch den Verbleib im E und die Fortführung der dortigen Hilfe waren kleinschrittige Fortschritte prognostisch zu diesem Zeitpunkt aber keineswegs ausgeschlossen, sondern vielmehr noch erreichbar. Ein einziger Einbruch seit Beginn einer Maßnahme schließt nicht grundsätzlich deren Sinnhaftigkeit aus. Das Protokoll vom 11.11.2013 kann daher nur so verstanden werden, dass bei dem Belassen in der Maßnahme und der Fortführung derselben zwar Zeiträume ohne eine Persönlichkeitsentwicklung zu erwarten seien, eine solche aber grundsätzlich auch über eine Stabilisierung hinaus hierdurch ermöglicht würde.
Dementsprechend sind auch der Vorbereitung zum Hilfeplangespräch vom 20.01.2014 kleine Fortschritte zu entnehmen. So hat der Hilfebedürftige sowohl in der Holzwerkstatt als auch im Hauswirtschaftsbereich die an ihn gestellten Aufgaben erledigen können. Er konnte danach in diesem Zusammenhang eigene Stärken sehen und akzeptieren und hat sich auch zu einem akzeptierten Gruppenmitglied entwickelt. Dokumentiert sind die Teilnahme an der Fußballgruppe, der Entspannungsgruppe und dem Gedächtnistraining. Das Teamprotokoll vom 21.01.2014 bestätigt eine mittlerweile eingetretene Stabilisierung. Die aktualisierten Aufträge in der Fortschreibung des Hilfeplanes vom 27.01.2014 belegen allerdings auch, dass es nicht (mehr) nur darum ging den Hilfebedürftigen zu stabilisieren, sondern ihn in seiner Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Im Laufe des Jahres 2014 erwies sich der Hilfebedürftige dann jedoch auch nicht als zur Aufnahme in die Werkstatt für Behinderte in der Lage. Sowohl zum 01.04.2014 als auch zum 01.07.2014 zeigte er massive psychotische Krankheitszeichen. Dokumentiert ist auch die Simulation einer psychotischen Episode sowie der Rückfall in alte Verhaltensweisen bei der persönlichen Hygiene sowie die Rückkehr von mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verbundener Ängste. Die Vorbereitung zum Hilfeplangespräch vom 14.07.2014, das Teamprotokoll vom 22.07.2014 und die Fortschreibung des Hilfeplanes vom 25.07.2014 dokumentieren keine weiteren Fortschritte. Dies bestätigt auch die fachärztliche Stellungnahme des Herrn O vom 07.07.2014, nach der die psychiatrischen Behandlungsoptionen zu diesem Zeitpunkt ausgereizt waren. Vor diesem Hintergrund ist eine maßgebliche Zäsur in dem Hilfefall festzustellen. Ab dem Folgemonat (August 2014) war daher aus prognostischer Sicht nicht mehr anzunehmen, dass mit hinreichender (hoher) Wahrscheinlichkeit der Zweck der Fortsetzungshilfe, nämlich eine zuvor begonnene Hilfe zu einem sinnvollen Abschluss und Erfolg zu bringen (v. Koppenfels-Spies in: juris-PK, SGB VIII, § 41 Rn. 14), erreichbar gewesen wäre. Diese Feststellung findet ihre Bestätigung in dem weiteren Verlauf des Hilfefalles, der sich bis November 2016 dem beigezogenen Verwaltungsvorgang detailliert entnehmen lässt. Die Entwicklung des Hilfeempfängers stagniert, Fortschritte im Entwicklungsprozess der Persönlichkeit und der eigenverantwortlichen Lebensführung sind nicht mehr zu erkennen, sondern nur noch Schwankungen zwischen instabilem und stabilem Zustand.
Ab dem 01.08.2014 handelte es sich mithin nicht mehr um eine Leistung der Jugendhilfe i. S. v. § 41 SGB VIII, so dass ab diesem Zeitpunkt kein Vorrang-Nachrang-Verhältnis i.S.v. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII mehr bestand und somit § 104 SGB X als Anspruchsgrundlage ausscheidet.
b) Der Erstattungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 11.11.2013 bis zum 31.07.2014 folgt auch nicht aus § 102 SGB X.
Neben oder anstelle von § 104 Abs. 1 SGB X scheidet bei der vorliegenden Fallkonstellation ein Erstattungsanspruch der Klägerin als "vorläufiger" Leistungserbringer gegenüber dem Beklagten als "zur Leistung verpflichtetem" Leistungsträger nach § 102 Abs. 1 SGB X aus, unabhängig von der Frage, woher eine gesetzliche Pflicht zur vorläufigen Leistungserbringung hergeleitet werden könnte. Denn erfüllt der nachrangig verpflichtete Leistungsträger die Leistungspflicht gegenüber dem Hilfebedürftigen, erbringt er gerade keine vorläufige Leistung (vgl. Roos in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 102 Rn. 12; Klattenhoff in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Lfg. 2/05 XII/05, § 102 Rn. 9). Anders als beim Vorliegen zweier nebeneinander bestehender und miteinander konkurrierender Leistungspflichten, das für das Erstattungsverhältnis die Frage nach dem Vor- bzw. Nachrang einer dieser beiden Pflichten aufwirft, setzt eine vorläufige Leistung eines Sozialleistungsträgers voraus, dass ein Leistungsanspruch nur gegen einen Leistungsträger besteht, zwischen mehreren Leistungsträgern aber streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist (zur diesbezüglichen Abgrenzung von § 102 und § 104 SGB X vgl. Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB X, Stand: 91. EL 09/2016, § 104 Rn. 4; Roos in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 104 Rn. 5). Es muss daher ein sog. negativer Kompetenzkonflikt vorliegen, der nicht besteht, wenn zwei Leistungsträger gegenüber dem Hilfebedürftigen gleichermaßen nicht nur vorläufig zur Leistung verpflichtet sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.2012 - 5 C 3.11 -, juris Rn. 15). Konkurrieren Leistungsansprüche nach Jugendhilfe- und Sozialhilferecht im Sinne von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII miteinander, sind indes der Träger der Jugendhilfe und der Träger der Sozialhilfe dem Berechtigten gleichermaßen nicht nur vorläufig zur Leistung verpflichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.2012 - 5 C 13.11 -, juris Rn. 17). Damit scheidet in der Konstellation des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine vorläufige Leistungserbringung systemimmanent aus. Ein Kostenerstattungsanspruch kann in diesen Fällen - wie hier im Zeitraum vom 11.11.2013 bis zum 31.07.2014 - nicht auf § 102 Abs. 1 SGB X gestützt werden.
c) Demgegenüber folgt der Erstattungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.10.2014 aus § 102 SGB X i.V.m. § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind.
Eine vorrangige Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich. Insbesondere handelte es sich bei den Leistungen an den Hilfebedürftigen im Streitzeitraum um solche der Eingliederungshilfe; erbracht wurden hingegen keine Rehabilitationsleistungen im Sinne von § 5 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), für die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX die Träger der Sozialhilfe Rehabilitationsträger sein können. Daher liegen auch die Voraussetzungen des § 14 SGB IX für eine vorläufige Zuständigkeit nicht vor, so dass sich unter diesem Gesichtspunkt kein vorrangiger Erstattungsanspruch ergibt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R -, juris Rn. 10).
Nach § 102 SGB X ist, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig (Abs. 1). Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (Abs. 2). Der Erstattungsanspruch setzt damit voraus, dass ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften - also rechtmäßig - vorläufige Sozialleistungen erbracht hat.
Dies erfordert zunächst, dass der Wille des Erstattung begehrenden Leistungsträgers, entweder für einen anderen oder im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar wird (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1985 - 4a RJ 13/84 -, juris; Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 85. EL 04/2015, § 102 SGB X Rn. 17). Um den Zweck der vorläufigen Leistungen nicht zu gefährden, können keine zu hohen Anforderungen daran gestellt werden, die genannten Voraussetzungen für die vorläufige Leistung im Einzelfall festzustellen. Objektive Anhaltspunkte, etwa für die Unsicherheit über die Zuständigkeit, genügen, wenn sie nach außen erkennbar sind (vgl. Kater a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Bescheid der Klägerin vom 24.01.2014 wies den Hilfebedürftigen ausdrücklich auf § 43 SGB I hin. Die darauf Bezug nehmenden Änderungsbescheide in der Folgezeit sprechen von der vorläufigen Eingliederungshilfegewährung als unzuständiger Leistungsträger. Dem Hilfebedürftigen bzw. seinem Betreuer musste aufgrund dessen ohne Weiteres klar sein, dass seitens der Klägerin Leistungen nur vorläufig erbracht werden sollten.
Die vorläufigen Sozialleistungen müssen nach § 102 Abs. 1 SGB X zudem "auf Grund gesetzlicher Vorschriften" erbracht worden sein. Auch dieser Erstattungsanspruch setzt deshalb eine rechtmäßige Leistungserbringung voraus (vgl. nur BSG, Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R -, a.a.O.). Eine freiwillige Vorleistung oder auch eine ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung vertraglich oder auf andere Weise begründete Vorleistungspflicht reicht hingegen nicht aus (vgl. Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Lfg. 2/11 VIII/11, K § 102 Rn. 12). Hier lag eine rechtmäßige Leistungserbringung vor, denn es bestand - unstreitig - ein Anspruch des Hilfebedürftigen auf Eingliederungshilfe und die verfahrensbeteiligten Leistungsträger stritten auch darüber, wer zur Leistung verpflichtet war (negativer Kompetenzkonflikt, s.o.). Die Klägerin war überdies zuerst angegangener Leistungsträger i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I, denn sie war schon vor dem Beklagten mit der Leistungsgewährung befasst, so dass es in ihrem Ermessen stand, ab dem Zeitpunkt, ab dem sie sich nicht mehr für zuständig hielt, vorläufige Leistungen zu erbringen.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich der Höhe nach auf Erstattung der in den Monaten August bis Oktober 2014 angefallenen Aufwendungen (8.694,95 Euro) abzüglich des von ihr für diese Monate vereinnahmten Kindergeldes (552,00 Euro).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
IV. Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Jugendhilfeträger von dem Beklagten als überörtlichem Sozialhilfeträger Erstattung von Leistungen der Eingliederungshilfe i. H. v. 30.500,59 Euro, die sie gegenüber dem Hilfebedürftigen T L (vormals T N) - im Folgenden: Hilfebedürftiger - im Zeitraum vom 11.11.2013 bis zum 31.10.2014 erbracht hat, sowie die Übernahme des Hilfefalles in der Folgezeit.
Der am 00.00.1991 geborene Hilfebedürftige leidet an den Folgen eines frühkindlichen sexuellen Missbrauchs durch den leiblichen Vater. Bei ihm liegen u.a. eine paranoide Schizophrenie (ICD-10: F20.0), eine posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) und eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ mit psychotischen Symptomen (F60.31) vor. Zum 01.06.2004 ist ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 zuerkannt worden. Der Hilfebedürftige erhält seit dem 01.06.2006 - mit Unterbrechungen durch den Versuch einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sowie von stationären und teilstationären Klinikaufenthalten - Hilfe zur Erziehung in Form stationärer und ambulanter Eingliederungshilfe gemäß § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) von der Klägerin. Ab November 2011 wohnte er wieder bei seiner Mutter.
Am 04.06.2012 beantragte der Hilfebedürftige bei der Klägerin Hilfe für junge Volljährige gemäß §§ 35a, 41 SGB VIII. In Folge der entsprechenden Bewilligung befindet er sich seit dem 01.08.2012 stationär im E in A, einer Wohn- und Rehabilitationseinrichtung für psychisch kranke Menschen. Am 00.00.2012 vollendete der Hilfebedürftige das 21. Lebensjahr. Die Klägerin setzte ihre Leistungsgewährung über diesen Zeitpunkt hinaus fort.
Mit am 03.12.2013 eingegangenen Schreiben vom 26.11.2013 wandte sie sich an den Beklagten und teilte mit, dass die stationäre Unterbringung weiterhin im E erfolgen solle. Indessen werde zunehmend deutlich, dass der Hilfebedürftige den Anforderungen der Jugendhilfe nicht gewachsen sei. Die Hilfe sei vielmehr als sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe fortzuführen. Die Klägerin beantragte diese ausdrücklich und machte dem Beklagten gegenüber zudem einen Erstattungsanspruch für zu erbringende Leistungen geltend.
Der Beklagte wertete Berichte der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N vom 18.07.2013 und vom 17.09.2013 aus, wo der Hilfebedürftige nach Dekompensation seiner psychischen Erkrankung zwischenzeitlich stationär aufgenommen und behandelt worden war. Überdies zog er ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie C aus dem Betreuungsverfahren vom 21.06.2012 bei. Sodann lehnte er mit Schreiben vom 09.12.2013 einen Erstattungsanspruch ab. Bei der Unterbringung des Hilfebedürftigen im E handele es sich nicht um einen Neuantrag, sondern um die Fortführung der bisherigen Maßnahme. Die Klägerin müsse die Unterbringung weiterhin als Hilfe für seelisch behinderte junge Volljährige erbringen.
Nachdem zwischen dem Hilfebedürftigen und der Agentur für Arbeit C am 01.03.2014 eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen worden war, erbrachte die Klägerin nach Auswertung der bisherigen Hilfepläne und Beiziehung eines Berichtes der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N vom 06.01.2014 die Leistungen für die weitere Unterbringung des Hilfebedürftigen im E ab dem 01.08.2014 ausweislich der von ihr erlassenen Bewilligungsbescheide nur noch vorläufig.
Am 14.01.2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Aachen erhoben und die Erstattung der von ihr zwischen dem 11.11.2013 und dem 31.10.2014 erbrachten Leistungen begehrt. Den Erstattungsanspruch bezifferte sie zunächst auf 32.340,59 Euro, wovon sie später erhaltenes Kindergeld i. H. v. 1.840,00 Euro in Abzug brachte.
Die Klägerin hat weiterhin die Auffassung vertreten, es bestehe eine vorrangige Leistungspflicht des Beklagten, weshalb der Hilfefall auch in dessen Zuständigkeit zu übernehmen sei. Der Bericht der B Aachen GmbH vom 18.05.2012 über eine teilstationäre tagesklinische Behandlung des Hilfebedürftigen vom 05.03.2012 bis zum 18.05.2012 sowie der Entlassungsbericht der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N vom 29.02.2016 bestätigten sie in der Gesamtschau.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, ihr die für den Hilfebedürftigen T N, jetzt T L, in der Zeit vom 11.11.2013 bis zum 31.10.2014 aufgewendeten Jugendhilfeleistungen in Höhe von 30.500,59 Euro zu erstatten, sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Hilfefall in seine Zuständigkeit zu übernehmen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er hat seine ablehnende Auffassung aufrechterhalten.
Das Sozialgericht hat die Klagen durch Urteil vom 24.06.2016 abgewiesen:
Soweit die Klägerin von dem Beklagten Erstattung für in der Zeit vom 11.11.2013 bis zum 31.10.2014 an den Hilfebedürftigen erbrachte Jugendhilfeleistungen begehre, sei die Klage als allgemeine Leistungsklage zulässig. Die Klage sei jedoch nicht begründet, denn die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch lägen nicht vor.
Das gelte zunächst für die Erstattung der im Zeitraum vom 11.11.2013 bis zum 31.07.2014 endgültig bewilligten Jugendhilfeleistungen gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Denn die Klägerin habe ihre Leistungen in diesem Zeitraum nicht als nachrangig verpflichteter Leistungsträger erbracht. Nachrangig verpflichtet sei ein Leistungsträger nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Eine nachrangige Verpflichtung der Klägerin folge nicht aus § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift gingen abweichend von § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII u.a. Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht seien, den Leistungen nach dem SGB VIII vor.
Der Hilfebedürftige sei im Streitzeitraum noch nicht 27 Jahre alt und damit entsprechend der Legaldefinition in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII ein "junger Mensch" gewesen. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass bei ihm neben der unstreitig vorliegenden seelischen Behinderung auch eine geistige oder körperliche Behinderung vorgelegen habe, welche einen Anspruch auf sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII hätte begründen können. Eine wesentliche körperliche Behinderung des Hilfebedürftigen im Sinne von § 1 Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung) sei auszuschließen. Doch auch eine wesentliche geistige Behinderung des Hilfebedürftigen scheide im vorliegenden Fall aus. Nach § 2 Eingliederungshilfe-Verordnung seien geistig wesentlich behindert im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz SGB XII Personen, die infolge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte in erheblichem Umfange in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt seien. Aus dem im Verwaltungsverfahren beigezogenen Gutachten des Facharztes für Psychiatrie C vom 21.06.2012 ergebe sich, dass im Wesentlichen gravierende seelische Erkrankungen des Hilfebedürftigen vorlägen, die zu einer deutlichen Einschränkung seiner Teilhabefähigkeit geführt hätten. Demgegenüber habe Dr. C lediglich eine leichtgradige Intelligenzminderung diagnostiziert und habe sich nach dem von der B Aachen GmbH am 14.05.2012 durchgeführten Testung ein IQ des Hilfebedürftigen von 75 ergeben, was jedenfalls allein nicht ausreiche, um eine wesentliche geistige Behinderung anzunehmen. Gestützt werde diese Annahme durch den Bericht der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N vom 09.01.2015, die dem Hilfebedürftigen lediglich eine wesentliche seelische, nicht aber eine wesentliche geistige Behinderung attestiere. Auch die von der Alexianer GmbH in Aachen festgestellten Diagnosen einer paranoiden Schizophrenie sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung beträfen ausschließlich seelische Störungen im Sinne von § 3 Nr. 1 bzw. 4 Eingliederungshilfe-Verordnung.
Lägen somit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII nicht vor, so gingen nach § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII Leistungen der Jugendhilfe den Leistungen der Sozialhilfe vor, so dass sich keine nachrangige, sondern eine vorrangige Verpflichtung der Klägerin ergebe. Dem lasse sich nicht entgegen halten, dass ein Anspruch des Hilfebedürftigen auf Hilfe für junge Volljährige nach dem SGB VIII im streitgegenständlichen Zeitraum entfallen sei, weil dessen Persönlichkeitsentwicklung stagniert habe.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII solle einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig sei. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal jener Leistungen sei deren Eignung. Es müsse eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die Persönlichkeitsentwicklung des jungen Volljährigen und dessen Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung durch die Maßnahmen der Jugendhilfe gefördert werden könnten und innerhalb eines gewissen Zeitraums eine spürbare Verbesserung eintrete. Hieran fehle es indessen erst dann, wenn nicht einmal mehr Teilerfolge zu erwarten seien und die Persönlichkeitsentwicklung erkennbar stagniere.
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben fehle es jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an einer Eignung der dem Hilfebedürftigen erbrachten Leistungen der Jugendhilfe. Denn zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass dessen eigenverantwortliche Lebensführung habe gefördert werden können, wobei seine Persönlichkeitsentwicklung nicht erkennbar stagniert habe. So sei im Hilfeplan vom 20.01.2014 ausgeführt, dass der Hilfebedürftige das Ziel verfolge, in eine Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen zu werden. In diesem Zusammenhang habe er bereits am 03.01.2014 eine Eingliederungsvereinbarung mit der Agentur für Arbeit C unterzeichnet, welche Voraussetzung für die dortige Aufnahme gewesen sei. Auch wenn seine Integration in die Werkstatt bislang nicht erfolgt sei, so habe jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum noch eine günstige Entwicklungsprognose bestanden. Gestützt werde diese durch die Stellungnahme der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N vom 06.01.2014. Zwar sei der Hilfebedürftige danach mittelfristig nicht in der Lage, den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes zu genügen. Gleichwohl werde im Weiteren erläutert, dass eine strukturierte Förderung im Rahmen einer beschützenden Werkstatt indiziert sei, um ihn gemäß seines ihm möglichen Entwicklungstempos an ein weitgehend autonomes Leben und eine adäquate Erwerbsfähigkeit heranzuführen. Auch dies dokumentiere, dass seinerzeit im Hinblick auf die Persönlichkeit noch Entwicklungspotential gesehen worden sei.
Für eine jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum positive Entwicklung des Hilfebedürftigen existierten weitere Anhaltspunkte. So werde im Hilfeplan vom 27.01.2016 unter der Rubrik "Anmerkungen vorhandener Kooperationspartner" ausgeführt, dass er sich im Vergleich zu den Anfängen im geschützten Umfeld der Einrichtung auch an für ihn schwierige Dinge herangewagt (z.B. Vorlesen in der Gruppe) habe, aber noch oft Motivation und Kontrolle benötige. Überdies sei es dem Hilfebedürftigen gelungen, sich der Thematik seines leiblichen Vaters derart zu stellen, dass er den Familiennamen seines Peinigers mittlerweile abgelegt und den Familiennamen seiner Mutter angenommen habe.
Das Gericht verkenne hierbei nicht, dass all dies keine wesentlichen Fortschritte in der Entwicklung seiner Persönlichkeit seien. Indessen könne angesichts dieser kleinen Erfolge keine Rede davon sein, dass die Persönlichkeitsentwicklung des Hilfebedürftigen im streitgegenständlichen Zeitraum erkennbar stagniert habe und dass nicht einmal Teilerfolge zu erwarten gewesen seien. Soweit die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Umstände geschildert habe, die aus aktueller Sicht für eine Erfolglosigkeit der Maßnahmen der Jugendhilfe sprechen mögen, so erlaubten diese Umstände keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die für den streitgegenständlichen Zeitraum anzustellende Prognose. Selbst wenn daher bei rückschauender Betrachtung aktuell Zweifel im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung des Hilfebedürftigen angebracht sein sollten, so hätte es hierfür im Rahmen der im streitgegenständlichen Zeitraum gebotenen ex ante-Betrachtung noch keine Veranlassung gegeben. Sie vermöchten daher die dargelegten, für eine positive Persönlichkeitsentwicklung sprechenden Umstände nicht gleichsam rückwirkend in Frage zu stellen.
Als Grundlage für die Erstattung der im Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.10.2014 vorläufig bewilligten Jugendhilfeleistungen komme hingegen § 102 Abs. 1 SGB X in Betracht. Doch auch die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen nicht vor. Zwar habe die Klägerin vorläufig Sozialleistungen an den Hilfebedürftigen erbracht. Der Beklagte sei jedoch aus den dargelegten Gründen nicht "zur Leistung verpflichteter Leistungsträger", weil nach der Zuständigkeitsregelung in § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII die Klägerin selbst als Jugendhilfeträger vorrangig zuständig gewesen sei.
Soweit die Klägerin des Weiteren die Übernahme des Hilfefalles in die Zuständigkeit des Beklagten begehre, so sei die Klage ebenfalls unbegründet, weil insoweit kein Anspruch bestehe.
Ein solcher Anspruch folge insbesondere nicht aus § 97 Satz 1 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift könne der erstattungsberechtigte Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Zwar möge es Intention der Klägerin gewesen sein, eine solche Feststellung zu betreiben, wie ihr Schreiben vom 26.11.2013 an den Beklagten nahe lege. Abgesehen davon indessen, dass der Beklagte hierzu keine Entscheidung getroffen habe, müsse im Rahmen eines Vorgehens nach § 97 Satz 1 SGB VIII ein Vorverfahren durchgeführt werden. Ein Vorverfahren sei jedoch im vorliegenden Fall nicht durchgeführt worden, so dass, wenn man auf § 97 Satz 1 SGB VIII abstellen wolle, die erhobene Leistungsklage bereits unstatthaft und eine kombinierte Feststellungs- und Verpflichtungsklage mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig sei.
Überdies unterscheide sich die von der Klägerin begehrte Übernahme des Hilfefalles in die eigene Zuständigkeit des Beklagten von der in § 97 Satz 1 SGB VIII geregelten Feststellung einer Sozialleistung, so dass es sich auch aus materiellen Gründen verbiete, § 97 Satz 1 SGB VIII als Anspruchsgrundlage heranzuziehen. Denn diese Norm enthalte einen Fall gesetzlich geregelter Prozessstandschaft. Der Jugendhilfeträger könne unter den darin genannten Voraussetzungen Rechte des Hilfebedürftigen feststellen lassen, ohne hierfür auf dessen Zustimmung angewiesen zu sein. Es handele sich also um den materiellen Sozialleistungsanspruch des Hilfebedürftigen, der - in engen Grenzen - auch vom Jugendhilfeträger gegenüber einem anderen Träger solle geltend gemacht werden können. Schon aus diesem Grund müsse das Verfahren nach § 97 Satz 1 SGB VIII durch Verwaltungsakt abgeschlossen werden. Dieser Verwaltungsakt entfalte auch gegenüber dem Hilfebedürftigen materielle Wirkung, weshalb eine Hinzuziehung im Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X erforderlich sei. Könnte indessen der Jugendhilfeträger durch eine gerichtliche Feststellungsklage die Übernahme der Zuständigkeit erreichen, würde der Hilfebedürftige seiner Hinzuziehung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und damit auch der Anfechtungsmöglichkeiten entsprechender Entscheidungen beraubt.
Die Übernahme des Hilfefalles in die eigene Zuständigkeit eines anderen Sozialhilfeträgers könne somit lediglich als Anspruch des Berechtigten vom Jugendhilfeträger geltend gemacht werden. Im vorliegenden Fall indessen habe die Klägerin ihren eigenen Anspruch auf Übernahme des Hilfefalles geltend gemacht. Für einen solchen eigenen Anspruch existiere jedoch keine Anspruchsgrundlage.
Gegen das ihr am 03.08.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.09.2016 Berufung eingelegt.
Sie meint, dass im Streitzeitraum die Voraussetzungen des § 41 SGB VIII nicht mehr vorgelegen hätten. Mit einem erkennbaren Prozess der Persönlichkeitsentwicklung und der eigenverantwortlichen Lebensführung sei bei dem Hilfebedürftigen nicht mehr zu rechnen gewesen. Seit dem 11.11.2013 fehlten die Voraussetzungen der Fortsetzung der Hilfegewährung gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Daher fehle es auch an der Parallelität der Hilfeansprüche i.S.v. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII. Dem Hilfebedürftigen stehe seitdem nur noch ein Anspruch gegen den Beklagten auf Eingliederungshilfe nach Maßgabe der §§ 53 ff. SGB XII zu. Unabhängig davon, dass bei ihm gewisse Entwicklungsfortschritte in einzelnen Bereichen zu Beginn der Maßnahme vielleicht noch erwartbar erschienen, sei bei realistischer Prognose seit dem 11.11.2013, spätestens jedoch seit den Entwicklungen im Jahr 2014 davon auszugehen gewesen, dass es zu einem Aufenthalt in der Einrichtung E von etlichen Jahren kommen würde und ein eigenständiges und selbständiges Leben bei dem Hilfebedürftigen nicht in Betracht komme. Es sei widersprüchlich, wenn das Sozialgericht einerseits vermeintliche Entwicklungen aus dem Hilfeplan vom 27.01.2016 folgere, andererseits aber der Klägerin versage, ihren Anspruch mit aktuellen Entwicklungen zu begründen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 24.06.2016 abzuändern und 1.) den Beklagten zu verurteilen, ihr ihre in dem Hilfefall T L vom 11.11.2013 bis zum 31.10.2014 erbrachten Aufwendungen in Höhe von 30.500,59 Euro zu erstatten, sowie 2.) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Hilfefall in seine Zuständigkeit zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die aus seiner Sicht zutreffende erstinstanzliche Entscheidung. Es bleibe bei der vorrangigen Leistungspflicht der Klägerin. Ausgehend vom Zeitpunkt des Hilfebeginns sei nicht anzunehmen gewesen, dass die Persönlichkeitsentwicklung des Hilfebedürftigen stagniere und überhaupt keine Aussicht auf kleinschrittige Verbesserungen mehr bestehe. Den aktenkundigen Äußerungen der an der Betreuung hier beteiligten Fachkreise sei vielmehr zu entnehmen, dass eine begründete Chance bestanden habe, dass die angestrebte Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen sei und der Hilfebedürftige noch entscheidend gefördert werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 SGG). Die vollständig abgefasste Entscheidung ist der Klägerin am 03.08.2016 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem Landessozialgericht am 02.09.2016 eingegangen.
II. Die Berufung ist teilweise begründet.
Die Klage ist mit ihrem Antrag zu 2.) (Feststellungsantrag) bereits unzulässig, mit ihrem Antrag zu 1.) (Leistungsantrag) zwar zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
1. Hinsichtlich des Feststellungsantrages (§ 55 SGG) schließt sich der Senat nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichtes an und nimmt auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils insoweit Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
2. Die Klage ist mit ihrem Antrag zu 1.) als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zulässig, da sich die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits nicht im Rahmen eines klassischen öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnisses, sondern als prinzipiell gleichrangige und lediglich mit unterschiedlichen sachlichen Zuständigkeiten ausgestattete Sozialleistungsträger gegenüberstehen. Dies wird u.a. dadurch deutlich, dass die Beteiligten den unter ihnen bestehenden Streit über die sachliche Zuständigkeit zur Leistungserbringung nicht mittels des Erlasses von Verwaltungsakten austragen, sondern mittels des Austausches von Schreiben bzw. Schriftsätzen. Unter solchen Umständen entspricht es der ständigen Rechtsprechung, von der Zulässigkeit einer allgemeinen Leistungsklage auszugehen.
3. Die Leistungsklage ist teilweise begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch für die Zeit vom 11.11.2013 bis zum 31.07.2014 nicht zu. Anders verhält es sich - entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes - für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.10.2014.
a) Als Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung kommt im vorliegenden Fall zunächst § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht, da die Klägerin einen Anspruch als nachrangig verpflichteter Jugendhilfeträger gegenüber dem vorrangig verpflichteten Sozialhilfeträger geltend macht. Hat nach dieser Regelung ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass - wie hier - die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
Während es im Zeitraum vom 11.11.2013 bis zum 31.07.2014 hierfür allerdings an der Voraussetzung einer nachrangigen Verpflichtung der Klägerin i. S. v. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII fehlt und die Verpflichtung der Klägerin daher gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII derjenigen des Beklagten vorgeht, war die Verpflichtung der Klägerin zur Überzeugung des Senates ab dem 01.08.2014 gänzlich entfallen, denn ab diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen des § 41 SGB VIII nicht mehr vor.
Junge Menschen, d. h. Menschen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII), können im Fall einer seelischen Behinderung - wie hier - sowohl einen Anspruch nach §§ 35a, 41 SGB VIII als auch einen Anspruch nach §§ 53 ff. SGB XII auf Eingliederungshilfe haben. Dabei gehen gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII grundsätzlich die Leistungen nach dem SGB VIII denen nach dem SGB XII vor, es sei denn, der Leistungsempfänger ist körperlich oder geistig behindert (§ 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII; vgl. zur Beschränkung des Leistungsvorranges des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen: BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 5 C 30.12 -, juris m. w. N.). Bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin nicht dargelegt, dass neben der seelischen Behinderung auch eine geistige oder körperliche Behinderung bei dem Hilfebedürftigen bestand oder drohte. Anhaltspunkte dafür sind auch nicht zu erkennen.
Nach § 41 Abs. 1 SGB VIII soll einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist (Satz 1). Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden (Satz 2, sog. Fortsetzungshilfe). Letzteres kommt in Betracht wenn die Persönlichkeitsentwicklung des Hilfebedürftigen - prognostisch noch nicht abgeschlossen gewesen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.2016 - B 8 SO 7/15 R -, juris Rn. 14). Die Hilfe nach § 41 SGB VIII setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 23.09.1999 - 5 C 26.98 -, juris) nicht voraus, dass die Aussicht besteht, dass der junge Volljährige innerhalb eines bestimmten Zeitraums seine Verselbständigung erreichen wird. Vielmehr genügt es, wenn die Hilfe eine erkennbare Verbesserung der Persönlichkeitsentwicklung und Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung erwarten lässt. Eine Prognose dahin, dass die Befähigung zu eigenverantwortlicher Lebensführung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt darüber hinaus überhaupt erreicht wird, verlangt § 41 SGB VIII weder nach dem Wortlaut noch der Systematik oder dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie ist nicht notwendig auf einen bestimmten Entwicklungsabschluss gerichtet, sondern auch schon auf einen Fortschritt im Entwicklungsprozess bezogen. Die Hilfe dazu muss aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig, aber auch - wiederum bezogen auf den Hilfezweck - geeignet sein, die Persönlichkeitsentwicklung und die Fähigkeit eigenverantwortlicher Lebensführung zu fördern. Erforderlich, aber auch ausreichend ist demnach, dass wahrscheinlich ein erkennbarer Entwicklungsprozess in der Persönlichkeitsentwicklung und in der Befähigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gegeben ist, der noch gefördert werden kann, die Eignung der gewährten Hilfemaßnahmen also nicht völlig ausgeschlossen ist, unabhängig davon, wann dieser Entwicklungsprozess zum Abschluss kommen und ob jemals das Optimalziel erreicht wird. Nur wenn auf der Grundlage einer nach den gewonnenen Erkenntnissen sorgfältig zu erstellenden Prognose nicht einmal Teilerfolge zu erwarten sind, sondern die Persönlichkeitsentwicklung vielmehr stagniert, ist die Hilfe mangels Eignung und Erfolgsaussicht zu versagen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2013 - 12 A 391/13 -, juris m. w. N.).
Nach der Vollendung des 21. Lebensjahres des Hilfeempfängers stellt der Gesetzgeber allerdings erhöhte Anforderungen an die Notwendigkeit der Hilfegewährung für junge Volljährige. Es muss dann - worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat - eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass ein erkennbarer und schon Fortschritte zeigender Entwicklungsprozess zur Erreichung der in § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannten Ziele vorliegt, der durch die Weitergewährung der Hilfemaßnahme gefördert werden könnte (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2013 - 12 A 391/13 -, juris Rn. 73 m.w.N.). Der strengere Prüfungsmaßstab ist dem Charakter des § 41 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII als Ausnahmevorschrift geschuldet, der sich daraus erschließt, dass die Volljährigenhilfe "in der Regel" nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt wird und lediglich "in begründeten Einzelfällen" darüber hinaus fortgesetzt werden soll. Die Beifügung des Adjektivs "begründet" verdeutlicht zudem, dass nicht in jedem gleichsam beliebigen Einzelfall, sofern er nur atypisch ist, eine Fortsetzungshilfe in Betracht kommt. Die Atypik des Falles hat sich vielmehr an der vom Gesetzgeber gesehenen Notwendigkeit, in bestimmten Konstellationen auch über die Regelaltersgrenze hinaus Volljährigenhilfe gewähren zu können, auszurichten; überdies muss eine Erreichung der mit dieser Hilfe verfolgten Ziele in gesteigertem Maße zu erwarten sein.
Dabei ist aber auch im Rahmen der Fortsetzungshilfe die Erreichbarkeit von kleinen, aber ersichtlichen Fortschritte ausreichend und letztlich an der Prognose der mit der Betreuung des Hilfeempfängers befasst gewesenen Fachkreise festzumachen sowie entscheidend darauf abzustellen, ob aus deren Sicht die begründete Chance bestand, dass der Hilfebedürftige die angestrebten Fertigkeiten auf kurz oder lang erwirbt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2013 - 12 A 391/13 -, juris m.w.N.). Betrachtet man die vorliegenden medizinischen Stellungnahmen und die Äußerungen des betreuenden Fachpersonals, so ist diese Prognose zur Überzeugung des Senates - entgegen der Einschätzung der Klägerin - im November 2013 noch nicht entfallen oder aufgegeben worden. Es hat sich zunächst lediglich gezeigt, dass das ursprünglich angedachte Zeitfenster für die Erreichung bestimmter Ziele zu knapp bemessen gewesen ist und durch den daraus resultierenden Druck eine psychotische Krise ausgelöst wurde, die zu einer vorübergehenden medikamentösen Neueinstellung im stationären Rahmen und zu einer generellen Entschleunigung der Zukunftsplanungen geführt hat.
Auf den Antrag vom 04.06.2012 hin wurde zunächst die probeweise Aufnahme in die Einrichtung E beschlossen (Hilfeplanprotokoll vom 23.07.2012). Die Vorbereitung zum Hilfeplangespräch am 09.01.2013, das Teamprotokoll vom 16.01.2013 und die Fortschreibung des Hilfeplanes vom 15.01.2013 weisen erste Fortschritte auf. Die Vorbereitung zum Hilfeplangespräch am 16.07.2013 und die Fortschreibung des Hilfeplanes vom 22.08.2013 dokumentieren weitere Fortschritte, das Teamprotokoll vom 18.07.2013 wiederholt inhaltlich das Vorprotokoll.
Insbesondere in der Fortschreibung des Hilfeplans am 22.08.2013 - also bereits nach Vollendung des 21. Lebensjahres und unmittelbar vor dem ersten stationären Klinikaufenthalt während des Streitzeitraumes - werden durchaus moderate Fortschritte in der Entwicklung des Hilfebedürftigen geschildert. So heißt es dort, der Hilfebedürftige habe sich zur Verbesserung seiner Freizeitgestaltung vorgenommen, sich in einem Sportverein (Tischtennis) anzumelden. Es gebe sportliche Erfolge im Bereich Tischtennis und Fußball. Der Hilfebedürftige fühle sich in der Einrichtung wohl und wolle im Hinblick auf seine berufliche Perspektive in einem zweiten Versuch ein externes Praktikum absolvieren. Auch die Mutter des Hilfebedürftigen hat demzufolge einen durchaus positiven Aspekt geschildert, nämlich den Eindruck, dass ihr Sohn sich mehr von ihr löse. In Anbetracht der ursprünglich vollständigen Fixierung auf seine Mutter als Mitursache der sozialen Isolation deutet auch das einen Fortschritt an. Zwar haben die Fachkräfte der Einrichtung bereits bei diesem Hilfeplangespräch vom 22.08.2013 mahnend angeregt, den Berufswunsch des Hilfebedürftigen (externes Praktikum) auf seine Realisierbarkeit zu überprüfen, und es befürwortet, die persönliche Stabilisierung zunächst in der eigenen Werkstatt voranzutreiben, bevor ein externes Praktikum in Betracht gezogen werde. Dieser Einschätzung, dass der Hilfebedürftige sich bei seinen Planungen möglicherweise zu viel auf einmal vornimmt, steht allerdings gegenüber, dass auch das Fachpersonal positive Entwicklungsschritte geschildert hat. So heißt es etwa in dem besagten Protokoll zur Fortschreibung des Hilfeplans vom 22.08.2013, der Hilfebedürftige habe gelernt zu sagen, was zu viel für ihn sei, und er beginne, sich zu wehren. Er sei noch nicht am Ende seiner Belastungsmöglichkeiten, übernehme Gruppenverantwortung und brauche noch Zeit, um mit Krisen umzugehen zu lernen. Positiv sei seine die sozialen Kontakte betreffende Entwicklung. Der Hilfebedürftige lasse sich zunehmend ein und probiere aus.
Bereits am 21.08.2013 kam es zu einer Krise, die seine stationäre Behandlung in der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie N bis zum 18.09.2013 notwendig machte. Grund dafür war eine Überforderungssituation durch die geplanten Praktika und massive Manipulationen eines Mitbewohners des E, an den sich der Hilfebedürftige eng angeschlossen hatte. Er entließ die Klinik mit angepasster Medikation in stabilisiertem Zustand. Da der für die Eskalation der Erkrankung wesentliche Verantwortung tragende Mitbewohner die Einrichtung unterdessen verlassen hatte, war nach Überzeugung des Senates durchaus damit zu rechnen, dass auf der Grundlage der erreichten Stabilisierung wieder Entwicklungsfortschritte eintreten würden.
Von der ursprünglichen Hilfeplanung wurde dann aber Abstand genommen: Nur zwei Monate nach der Entlassung aus der Klinik wurde in einem vorgezogenen Hilfeplangespräch am 11.11.2013 eine rückläufige Entwicklung und die fehlende Möglichkeit, eine weitere Persönlichkeitsentwicklung in absehbarer Zeit anzustoßen, beschrieben, sowie ein Kostenträgerwechsel vorgesehen. Betrachtet man das Protokoll über dieses Gespräch, das die Klägerin als einen maßgeblichen Beleg für eine Stagnation der Persönlichkeitsentwicklung ansieht, genauer, so fällt auf, dass es letztlich wenig mehr als die Einsicht enthält, dass der Hilfebedürftige deutlich mehr Zeit benötige, um in ein selbstständiges Wohnen wechseln zu können. In dem Protokoll heißt es, es solle zunächst eine Stabilisierung ohne Zeitdruck erfolgen, man müsse auch Zeiträume ohne Persönlichkeitsentwicklung akzeptieren und ein externes Praktikum stelle für den Hilfebedürftigen noch eine zu große Hürde dar. Es solle zunächst einer erneuten Dekompensation vorgebeugt werden. Der Hilfebedürftige habe mit seinem gesetzlichen Betreuer beschlossen, dass eine Entschleunigung stattfinden müsse.
Diesen auf den ersten Blick pessimistischen Einschätzungen steht gegenüber, dass der den Hilfebedürftigen in der Klinikambulanz behandelnde Facharzt für Psychiatrie O das Ziel einer Verselbstständigung in der Folgezeit zunächst weder aufgegeben noch für unerreichbar gehalten hat. So heißt es beispielsweise in seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 30.10.2013, der Hilfebedürftige benötige vor einer anzustrebenden Verselbstständigung mittelfristig Unterstützung in einer stationären Wohneinrichtung und sicherlich über einen längeren Zeitraum die strukturierende Unterstützung durch eine beschützende Werkstatt. Auch in seiner weiteren Stellungnahme vom 06.01.2014 formuliert der behandelnde Arzt, der Hilfebedürftige sei zwar mittelfristig nicht in der Lage, den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes zu genügen und benötige eine mehrjährige Konsolidierungsphase. In der Stellungnahme heißt es aber auch, die strukturierte Förderung im Rahmen einer beschützenden Werkstatt sei indiziert, um ihn gemäß seines ihm möglichen Entwicklungstempos an ein weitgehend autonomes Leben und eine adäquate Erwerbstätigkeit heranzuführen. Daraus folgt, dass der behandelnde Arzt dieses Ziel bei Abfassung der Stellungnahme nachwievor - wenn auch in langsamerem Tempo - für erreichbar gehalten hat.
Nach einem Jahr guter Fortschritte stellte die Krise zwar einen Rückschlag dar, durch den Verbleib im E und die Fortführung der dortigen Hilfe waren kleinschrittige Fortschritte prognostisch zu diesem Zeitpunkt aber keineswegs ausgeschlossen, sondern vielmehr noch erreichbar. Ein einziger Einbruch seit Beginn einer Maßnahme schließt nicht grundsätzlich deren Sinnhaftigkeit aus. Das Protokoll vom 11.11.2013 kann daher nur so verstanden werden, dass bei dem Belassen in der Maßnahme und der Fortführung derselben zwar Zeiträume ohne eine Persönlichkeitsentwicklung zu erwarten seien, eine solche aber grundsätzlich auch über eine Stabilisierung hinaus hierdurch ermöglicht würde.
Dementsprechend sind auch der Vorbereitung zum Hilfeplangespräch vom 20.01.2014 kleine Fortschritte zu entnehmen. So hat der Hilfebedürftige sowohl in der Holzwerkstatt als auch im Hauswirtschaftsbereich die an ihn gestellten Aufgaben erledigen können. Er konnte danach in diesem Zusammenhang eigene Stärken sehen und akzeptieren und hat sich auch zu einem akzeptierten Gruppenmitglied entwickelt. Dokumentiert sind die Teilnahme an der Fußballgruppe, der Entspannungsgruppe und dem Gedächtnistraining. Das Teamprotokoll vom 21.01.2014 bestätigt eine mittlerweile eingetretene Stabilisierung. Die aktualisierten Aufträge in der Fortschreibung des Hilfeplanes vom 27.01.2014 belegen allerdings auch, dass es nicht (mehr) nur darum ging den Hilfebedürftigen zu stabilisieren, sondern ihn in seiner Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Im Laufe des Jahres 2014 erwies sich der Hilfebedürftige dann jedoch auch nicht als zur Aufnahme in die Werkstatt für Behinderte in der Lage. Sowohl zum 01.04.2014 als auch zum 01.07.2014 zeigte er massive psychotische Krankheitszeichen. Dokumentiert ist auch die Simulation einer psychotischen Episode sowie der Rückfall in alte Verhaltensweisen bei der persönlichen Hygiene sowie die Rückkehr von mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verbundener Ängste. Die Vorbereitung zum Hilfeplangespräch vom 14.07.2014, das Teamprotokoll vom 22.07.2014 und die Fortschreibung des Hilfeplanes vom 25.07.2014 dokumentieren keine weiteren Fortschritte. Dies bestätigt auch die fachärztliche Stellungnahme des Herrn O vom 07.07.2014, nach der die psychiatrischen Behandlungsoptionen zu diesem Zeitpunkt ausgereizt waren. Vor diesem Hintergrund ist eine maßgebliche Zäsur in dem Hilfefall festzustellen. Ab dem Folgemonat (August 2014) war daher aus prognostischer Sicht nicht mehr anzunehmen, dass mit hinreichender (hoher) Wahrscheinlichkeit der Zweck der Fortsetzungshilfe, nämlich eine zuvor begonnene Hilfe zu einem sinnvollen Abschluss und Erfolg zu bringen (v. Koppenfels-Spies in: juris-PK, SGB VIII, § 41 Rn. 14), erreichbar gewesen wäre. Diese Feststellung findet ihre Bestätigung in dem weiteren Verlauf des Hilfefalles, der sich bis November 2016 dem beigezogenen Verwaltungsvorgang detailliert entnehmen lässt. Die Entwicklung des Hilfeempfängers stagniert, Fortschritte im Entwicklungsprozess der Persönlichkeit und der eigenverantwortlichen Lebensführung sind nicht mehr zu erkennen, sondern nur noch Schwankungen zwischen instabilem und stabilem Zustand.
Ab dem 01.08.2014 handelte es sich mithin nicht mehr um eine Leistung der Jugendhilfe i. S. v. § 41 SGB VIII, so dass ab diesem Zeitpunkt kein Vorrang-Nachrang-Verhältnis i.S.v. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII mehr bestand und somit § 104 SGB X als Anspruchsgrundlage ausscheidet.
b) Der Erstattungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 11.11.2013 bis zum 31.07.2014 folgt auch nicht aus § 102 SGB X.
Neben oder anstelle von § 104 Abs. 1 SGB X scheidet bei der vorliegenden Fallkonstellation ein Erstattungsanspruch der Klägerin als "vorläufiger" Leistungserbringer gegenüber dem Beklagten als "zur Leistung verpflichtetem" Leistungsträger nach § 102 Abs. 1 SGB X aus, unabhängig von der Frage, woher eine gesetzliche Pflicht zur vorläufigen Leistungserbringung hergeleitet werden könnte. Denn erfüllt der nachrangig verpflichtete Leistungsträger die Leistungspflicht gegenüber dem Hilfebedürftigen, erbringt er gerade keine vorläufige Leistung (vgl. Roos in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 102 Rn. 12; Klattenhoff in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Lfg. 2/05 XII/05, § 102 Rn. 9). Anders als beim Vorliegen zweier nebeneinander bestehender und miteinander konkurrierender Leistungspflichten, das für das Erstattungsverhältnis die Frage nach dem Vor- bzw. Nachrang einer dieser beiden Pflichten aufwirft, setzt eine vorläufige Leistung eines Sozialleistungsträgers voraus, dass ein Leistungsanspruch nur gegen einen Leistungsträger besteht, zwischen mehreren Leistungsträgern aber streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist (zur diesbezüglichen Abgrenzung von § 102 und § 104 SGB X vgl. Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB X, Stand: 91. EL 09/2016, § 104 Rn. 4; Roos in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 104 Rn. 5). Es muss daher ein sog. negativer Kompetenzkonflikt vorliegen, der nicht besteht, wenn zwei Leistungsträger gegenüber dem Hilfebedürftigen gleichermaßen nicht nur vorläufig zur Leistung verpflichtet sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.2012 - 5 C 3.11 -, juris Rn. 15). Konkurrieren Leistungsansprüche nach Jugendhilfe- und Sozialhilferecht im Sinne von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII miteinander, sind indes der Träger der Jugendhilfe und der Träger der Sozialhilfe dem Berechtigten gleichermaßen nicht nur vorläufig zur Leistung verpflichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.2012 - 5 C 13.11 -, juris Rn. 17). Damit scheidet in der Konstellation des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine vorläufige Leistungserbringung systemimmanent aus. Ein Kostenerstattungsanspruch kann in diesen Fällen - wie hier im Zeitraum vom 11.11.2013 bis zum 31.07.2014 - nicht auf § 102 Abs. 1 SGB X gestützt werden.
c) Demgegenüber folgt der Erstattungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.10.2014 aus § 102 SGB X i.V.m. § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind.
Eine vorrangige Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich. Insbesondere handelte es sich bei den Leistungen an den Hilfebedürftigen im Streitzeitraum um solche der Eingliederungshilfe; erbracht wurden hingegen keine Rehabilitationsleistungen im Sinne von § 5 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), für die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX die Träger der Sozialhilfe Rehabilitationsträger sein können. Daher liegen auch die Voraussetzungen des § 14 SGB IX für eine vorläufige Zuständigkeit nicht vor, so dass sich unter diesem Gesichtspunkt kein vorrangiger Erstattungsanspruch ergibt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R -, juris Rn. 10).
Nach § 102 SGB X ist, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig (Abs. 1). Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (Abs. 2). Der Erstattungsanspruch setzt damit voraus, dass ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften - also rechtmäßig - vorläufige Sozialleistungen erbracht hat.
Dies erfordert zunächst, dass der Wille des Erstattung begehrenden Leistungsträgers, entweder für einen anderen oder im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar wird (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1985 - 4a RJ 13/84 -, juris; Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 85. EL 04/2015, § 102 SGB X Rn. 17). Um den Zweck der vorläufigen Leistungen nicht zu gefährden, können keine zu hohen Anforderungen daran gestellt werden, die genannten Voraussetzungen für die vorläufige Leistung im Einzelfall festzustellen. Objektive Anhaltspunkte, etwa für die Unsicherheit über die Zuständigkeit, genügen, wenn sie nach außen erkennbar sind (vgl. Kater a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Bescheid der Klägerin vom 24.01.2014 wies den Hilfebedürftigen ausdrücklich auf § 43 SGB I hin. Die darauf Bezug nehmenden Änderungsbescheide in der Folgezeit sprechen von der vorläufigen Eingliederungshilfegewährung als unzuständiger Leistungsträger. Dem Hilfebedürftigen bzw. seinem Betreuer musste aufgrund dessen ohne Weiteres klar sein, dass seitens der Klägerin Leistungen nur vorläufig erbracht werden sollten.
Die vorläufigen Sozialleistungen müssen nach § 102 Abs. 1 SGB X zudem "auf Grund gesetzlicher Vorschriften" erbracht worden sein. Auch dieser Erstattungsanspruch setzt deshalb eine rechtmäßige Leistungserbringung voraus (vgl. nur BSG, Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R -, a.a.O.). Eine freiwillige Vorleistung oder auch eine ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung vertraglich oder auf andere Weise begründete Vorleistungspflicht reicht hingegen nicht aus (vgl. Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Lfg. 2/11 VIII/11, K § 102 Rn. 12). Hier lag eine rechtmäßige Leistungserbringung vor, denn es bestand - unstreitig - ein Anspruch des Hilfebedürftigen auf Eingliederungshilfe und die verfahrensbeteiligten Leistungsträger stritten auch darüber, wer zur Leistung verpflichtet war (negativer Kompetenzkonflikt, s.o.). Die Klägerin war überdies zuerst angegangener Leistungsträger i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I, denn sie war schon vor dem Beklagten mit der Leistungsgewährung befasst, so dass es in ihrem Ermessen stand, ab dem Zeitpunkt, ab dem sie sich nicht mehr für zuständig hielt, vorläufige Leistungen zu erbringen.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich der Höhe nach auf Erstattung der in den Monaten August bis Oktober 2014 angefallenen Aufwendungen (8.694,95 Euro) abzüglich des von ihr für diese Monate vereinnahmten Kindergeldes (552,00 Euro).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
IV. Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
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