S 51 KR 2698/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
51
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 KR 2698/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Zahntechniker kann selbständig tätig sein, wenn er auf werklieferungsvertraglicher Basis zahntechnische Produkte für eine Zahnarztpraxis in deren Labor herstellt und dabei in zeitlicher Hinsicht aufgrund eines eigenen Schlüssels zur Praxis in der Gestaltung seiner Arbeitszeit frei ist und einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitsgeräte in dem Labor selbst finanziert hat.

Eine fehlende (vollständig) eigene Betriebsstätte sowie ein eventueller Verstoß gegen § 1 Handwerksordnung stehen der Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht zwingend entgegen.
Der Bescheid vom 6. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2013 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit als Zahntechniker für den Kläger im Zeitraum seit Februar 2012 nicht als abhängig Beschäftigter der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten (noch) über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Zahntechniker für die Zahnarztpraxis des Klägers im Zeitraum ab Februar 2012.

Der Kläger betreibt seit dem Jahr 2009 eine ihm gehörende Zahnarztpraxis in B. Der Beigeladene zu 1) ist ausgebildeter Zahntechniker und hatte bereits vor Bestehen der eigenen Zahnarztpraxis des Klägers zahntechnische Leistungen in verschiedenen zahnärztlichen Gemeinschaftspraxen erbracht, an denen auch der Kläger beteiligt war. Über einen Meistertitel verfügt er nicht und ist auch nicht in der Handwerksrolle eingetragen.

Seit dem Februar 2012 erbringt er auch für die Zahnarztpraxis des Klägers zahntechnische Leistungen. Er nutzt dabei das zahntechnische Labor in der Praxis des Klägers. Dieses ist teilweise mit Geräten ausgestattet, die der Kläger bei Übernahme der Praxis mit übernommen hat und die damit im Eigentum der Praxis stehen, teilweise aber auch mit Geräten, die der Beigeladene zu 1) auf eigene Kosten angeschafft hat. Dem Wert nach betrachtet hat der Beigeladene zu 1) ca. die Hälfte der Geräte finanziert.

Der Kläger kontaktiert den Beigeladenen zu 1) telefonisch, wenn er zahntechnische Produkte benötigt, die durch den Beigeladenen zu 1) angefertigt werden sollen. Sofern dieser zeitliche Kapazitäten hat, werden die entsprechenden Produkte bei dem Beigeladenen zu 1) in Auftrag gegeben. Dabei wird auch vereinbart, wann die Produkte fertig gestellt sein müssen.

Der Beigeladene zu 1) beantragte am 13. Juli 2012 der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status seiner Tätigkeit für die Zahnarztpraxis des Klägers. In dem an die Praxis des Klägers gerichteten Auftraggeber-Fragebogen der Beklagten gab der Kläger als Beginn der Tätigkeit den 1. Juli 2009 an.

Die Beklagte erließ - nach Anhörung mit Schreiben vom 23. November 2012 - am 6. Februar 2013 gegenüber dem Kläger einen Bescheid mit dem sie feststellte, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Zahntechniker bei dem Kläger seit dem 1. Juli 2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 1. Juli 2009. In der Krankenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht. Zur Begründung führte die Beklagte aus, bei einer Gesamtwürdigung aller relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Der Beigeladene zu 1) sei in die Arbeitsorganisation des Klägers eingebunden. Dem Beigeladenen zu 1) würden einseitig im Wege des Direktionsrechts Weisungen erteilt, die Zeit, Dauer, Ort sowie Art und Weise der Durchführung der Tätigkeit beträfen. Ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei das mit dem Einsatz eigenen Kapitals verbundene Unternehmerrisiko. Der Beigeladene zu 1) setze jedoch ausschließlich die eigene Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig. Der Einsatz von Kapital, das mit dem Risiko eines Verlustes verbunden sei, liege nicht vor. Es bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI und nach dem Recht der Arbeitsförderung nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III. In der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit, weil das regelmäßig Jahresarbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1) die maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze voraussichtlich übersteige.

Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch mit Schreiben vom 28. Februar 2013. Er wies darauf hin, dass der Beigeladene zu 1) nicht seinem Weisungs- oder Direktionsrecht unterstehe. Bei den Aufträgen an den Beigeladenen zu 1) handele es sich um Aufträge, die er in gleicher Weise auch an Fremdlabore vergebe. Der Beigeladene zu 1) könne diese Aufträge jederzeit ablehnen. Der Beigeladene zu 1) schulde ein fertiges Werk, seine Vergütung richte sich nach dem gefertigten Werk und nicht nach der Arbeitszeit. Seine Arbeitszeit könne der Beigeladene zu 1) sich frei einteilen. Der Beigeladene zu 1) sei auch für andere Labore tätig. Er habe einen eigene Schlüssel die Praxis-Räumlichkeiten und könne diese jederzeit nutzen. Er wies zudem darauf hin, dass der Beigeladenen zu 1) erst seit dem April 2012 zahntechnische Leistungen für seine neue Praxis erbringe.

Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2013 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, der Beigeladene zu 1) verfüge nicht über eigene Laborräume zur Ausübung seiner Tätigkeit. Arbeits- und Betriebsmittel würden nicht eingesetzt. Der Beigeladene zu 1) wende kein Kapital für die Einrichtung oder den Unterhalt der Praxisräume auf, so dass er kein Kapital einsetze, bei dessen Einsatz ein eventuell eintretender Gewinn noch ungewiss sei. Es fehle daher an einem unternehmerischen Risiko. Allein die Abrechnung durch Rechnungsstellung begründe noch keine selbständige Tätigkeit.

Der Kläger hat gegen diese Entscheidung am 18. Dezember 2013 Klage erhoben, mit der er die Aufhebung des angegriffenen Bescheides sowie die Feststellung begehrt, dass der Beigeladenen zu 1) bei seiner Tätigkeit für ihn nicht als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtig ist.

Das Gericht hat den Kläger und den Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2018 ausführlich zu den Umständen der ausgeübten Tätigkeit befragt. Bezüglich der Ausführungen der Beteiligten im Einzelnen wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung den streitgegenständlichen Bescheid aufgehoben, soweit er den Zeitraum Juli 2009 bis Januar 2012 betrifft, weil keine Anhaltspunkte für eine Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Praxis des Klägers in diesem Zeitraum vorliegen. Der Kläger hat das darin liegende Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung angenommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 6. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2013 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit als Zahntechniker für den Kläger nicht als abhängig Beschäftigter der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass eine abhängige Beschäftigung vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift sowie den Inhalt der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gemachten Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 6. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2013 in der Gestalt, die er nach dem Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung noch hatte. Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung ist damit in zeitlicher Hinsicht nur noch der Zeitraum ab Februar 2012. Seit Februar 2012 war der Beigeladene zu 1) nach Auffassung der Kammer ausweislich der vorliegenden Rechnungen für den Kläger tätig.

Die Klage ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig und begründet.

Denn der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte ist in der angegriffenen Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1) bei seiner Tätigkeit als Zahntechniker für den Kläger als abhängig Beschäftigter tätig ist und damit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl. zum Ganzen z.B. Bundessozialgericht, Urteil vom 30.04.2013, Az: B 12 KR 19/11 R mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.05.1996, Az: 1 BvR 21/96). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung beziehungsweise der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. insbesondere Bundessozialgericht, Urteil vom 25.04.2012, Az: B 12 KR 24/10 R, Leitsatz).

Ausgangspunkt für die Beurteilung ist dabei zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechtes unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Unter dieser Maßgabe gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von der Vereinbarung abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 29.8.2012, Az: B 12 KR 25/10 R, juris).

Nach den genannten Grundsätzen ergibt sich nach Auffassung der Kammer hier nach dem Gesamtbild letztlich eine Zuordnung zum rechtlichen Typus einer selbständigen Tätigkeit.

Eine schriftliche Vereinbarung hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für den Kläger insgesamt gibt es nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Beigeladenen zu 1) nicht. Es existiert lediglich eine Preisliste, in der die Stückpreise festgelegt sind, die für die verschiedenen vom Beigeladenen zu 1) gefertigten zahntechnischen Produkte zu zahlen sind.

Für eine Selbständigkeit des Beigeladenen zu 1) spricht hier insbesondere die Form der Abrechnung und der darin zum Ausdruck kommenden vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1). Der Beigeladene zu 1) fertigt Bestellung des Klägers bestimmte zahntechnischen Produkte für Patienten des Klägers nach den individuellen Anforderungen, die sich aus einem Bestellformular und häufig auch dem Gebissabdruck des Patienten, der dem Beigeladenen zu 1) zur Verfügung steht, ergeben. Hierfür erstellte er, in der Regel in monatlichen Abständen, Rechnungen gegenüber dem Kläger. Der Rechnungsbetrag ergibt sich hier jeweils aus der Addition der für die einzelnen Produkte vereinbarten festen Beträge. Der Beigeladene zu 1) wird also nicht nach seinem Zeitaufwand vergütet, sondern der Anzahl der bestellten und gefertigten Produkte. Die getätigten Bestellungen dürften damit rechtlich als Werklieferungsverträge einzuordnen sein.

Diese Vertragsgestaltung führt auch zu einem Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1). Sie bringt es mit sich, dass er einerseits hinsichtlich des zu erzielenden Einkommens abhängig ist von der Anzahl der Aufträge, die er vom Kläger erhält. Die Spannbreite ist hier erheblich. Der für den Zeitraum 2012 bis November 2015 eingereichten monatlichen Übersicht (Bl. 78 Gerichtsakte) finden sich Monatsabrechnung über 130 EUR, 145 EUR, 220 EUR, 280 EUR aber auch Rechnungsbeträge von 3190,02 EUR, 3440 EUR, 3841,73 EUR, 4298,40 EUR sowie 7768,20 EUR. Der Kläger und der Beigeladene zu 1) haben zudem übereinstimmend angegeben, dass im Jahr 2017 aufgrund gesundheitlicher Probleme des Klägers das Gesamtvolumen der Aufträge des Klägers an den Beigeladenen zu 1) im Vergleich zu den Vorjahren erheblich abgesunken ist.

Es ist daher in gewisser Weise ungewiss, in welchem Umfang sich seine Investitionen – er hat in nicht unerheblichem Umfang die Arbeitsgeräte finanziert, mit denen der die zahntechnischen Produkte für den Kläger herstellt – rentieren. Würde der Kläger dem Beigeladenen zu 1) keine weiteren Aufträge mehr erteilen, so wären diese Investitionen zunächst einmal vergeblich getätigt. Hier ist ein gewisses unternehmerisches Risiko des Beigeladenen zu 1) erkennbar.

Andererseits aber hat der Kläger es durch geschicktes und effektives Arbeiten in der Hand, sein Einkommen im Verhältnis zum Zeitaufwand zu erhöhen.

Andererseits wiederum muss er Mängel bzw. Ungenauigkeiten in den hergestellten Produkten ohne eine extra dafür entstehende Vergütung nacharbeiten.

Zu berücksichtigen war zudem, dass die Preise ganz offenbar nicht vom Kläger vorgegeben waren, sondern dass es sich um die vom Beigeladenen zu 1) geforderten Preise handelt. Dies ergibt sich für die Kammer hier aus der Angabe des Beigeladenen zu 1), dass er bei sämtlichen Auftraggebern die gleichen Preise verwende. Dies wäre kaum der Fall, wenn die Preise einseitig von den Auftraggebern vorgegeben würden.

Diese Abrechnungs- und Vertragsgestaltung trägt das Gepräge einer selbständigen Tätigkeit.

Es bestand aus Sicht der Kammer auch keine so weitgehende Eingliederung in den Betrieb des Klägers, dass deshalb von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen wäre. Zwar übt der Beigeladenen zu 1) seine Tätigkeit in den Laborräumen in der Praxis des Klägers aus. Er besitzt jedoch einen eigenen Schlüssel zu dieser Praxis und kann seine Tätigkeit daher unabhängig von den Praxiszeiten des Klägers ausführen. Auch waren diese Laborräume – wie oben bereits dargestellt – nicht nur mit Geräten ausgestattet, die vom Kläger gestellt worden, sondern enthielten auch (dem Wert nach betrachtet ca. zur Hälfte) Geräte, die der Beigeladenen zu 1) selbst finanziert hatte.

Eine Eingliederung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1) bei der Fertigung der bestellten Produkte teilweise Gebissabdrücke der Patienten des Klägers verwendet, die der Kläger zuvor angefertigt hat. Denn nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung werden dieselben Gebissabdrücke auch verwendet, wenn entsprechende Aufträge zur Herstellung zahntechnischer Produkte an Fremdlabore vergeben werden. In diesem Fall werden die Abdrücke dann mit dem Auftrag zusammen verschickt. Aus der Verwendung der Gebissabdrücke ergibt sich daher keine besondere Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb des Klägers.

Für eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb des Klägers spricht hingegen, dass er auf der Internetseite des Klägers als Teil des Praxisteams dargestellt bzw. beworben wird. Zudem tritt der Beigeladene zu 1) offenbar in den Fällen, in denen – wegen bestimmter Nachbesserungen – direkter Kontakt zu den Patienten des Klägers besteht, als Teil des Praxisteams (mit entsprechender Praxiskleidung) auf. Diese eher selteneren Fälle und der Auftritt auf der Internetseite prägen nach Auffassung der Kammer das Gesamtbild der Tätigkeit hier jedoch nicht in der Weise, dass sich allein daraus eine abhängige Tätigkeit ergeben würde.

Die Kammer ist vorliegend auch nicht der Auffassung, dass eine fehlende (vollständig) eigene Betriebsstätte der Annahme einer selbständigen Tätigkeit entgegensteht (a. A. in einem ähnlich gelagerte Fall: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. März 2016, Az: L 5 KR 138/05, juris, Rz 10). Der Beigeladene zu 1) verfügt vorliegend zwar über keine eigene, völlig eigenständige Betriebsstätte, arbeitet aber (dem Wert nach bemessen) immerhin ca. zur Hälfte mit Geräten, die in seinem eigenen Eigentum stehen und die er selbst finanziert hat. Dies gilt zwar offenbar nicht für die Tätigkeiten, die er für andere Zahnarztpraxen ausübt. Zu beurteilen war hier jedoch allein das Verhältnis gegenüber dem Kläger. Hier erachtet die Kammer die Tatsache, dass auch eigene Gerätschaften in nennenswertem Umfang genutzt wurden als hinreichend, um eine selbständige Beschäftigung nicht auszuschließen.

Dieser Bewertung steht auch nicht entgegen, dass die selbstständige Ausübung der Tätigkeit ohne Meistertitel und ohne Eintragung in der Handwerksrolle gegebenenfalls gegen § 1 der Handwerksordnung verstößt, weil der Beruf des Zahntechnikers in Anlage A zur Handwerksordnung unter Ziffer 37 geführt wird, so dass der selbständige Betrieb dieses zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet ist (§ 1 Abs. 1 Handwerksordnung). Gemäß § 7 Abs. 1a Handwerksordnung erfolgt eine solche Eintragung nur bei Vorliegen eines Meistertitels. Dieser Verstoß macht aber nach Auffassung der Kammer die geschlossenen Werklieferungsverträge nicht nichtig (etwa wegen § 134 BGB, vgl dazu LG Wuppertal, Urteil vom 14. August 2015, Az: 17 O 210/12, juris, Rz 17). Auch ergibt sich aus einem etwaigen Verstoß keine direkte Folge für die hier zu entscheidenden sozialversicherungsrechtliche Fragestellung. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 24. März 2016 ausgeführt:

"Der Regelung des Leistungserbringungsrechts in § 124 Abs 1 SGB V fehlt demgegenüber eine über das Leistungs- und Leistungserbringerrecht der GKV hinausgehende "übergeordnete" Wirkung auch bezogen auf die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Rechtslage in Bezug auf die konkret tätig werdenden Personen. Denn der Regelung kann keine determinierende Wirkung in Bezug auf die vorliegend zu entscheidende Frage des Vorliegens von Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV entnommen werden [ ]." (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. März 2016, Az: B 12 KR 20/14 R, juris, Rz 28)

Nach Auffassung der Kammer hat § 1 Handwerksordnung ebenfalls keine solche für das Sozialversicherungs- oder Beitragsrecht determinierende Bedeutung. Die Vorschrift dient vielmehr der Erhaltung und Förderung eines gesunden, leistungsfähigen Handwerksstandes als Ganzem (vgl. LG Wuppertal, aaO). Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit steht mit diesen Zielen nicht in einem direkten Zusammenhang, so dass eine entsprechende Regelungswirkung von § 1 Handwerksordnung nicht anzunehmen ist.

Nach alledem fällt die Gesamtwürdigung vorliegend zu Gunsten einer Bewertung als selbständiger Tätigkeit aus. Die Kammer hat dabei der vertraglichen Gestaltung der Bestellungen in Form von Werklieferungsverträgen mit vom Beigeladenen zu 1) festgelegten Preisen sowie den weitgehenden insbesondere zeitlichen Freiheiten in der Ausführung die entscheidende Bedeutung beigemessen. Aufgrund der Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) zu einem nicht unerheblichen Teil eigene Geräte zur Fertigung der bestellten Teile nutzt und über die Laborräume aufgrund eines eigenen Schlüssels zeitlich frei verfügen kann, bestand nach Auffassung der Kammer keine so starke Eingliederung in den Betrieb des Klägers, dass insgesamt entgegen der von den Beteiligten (konkludent) gewählten Form der selbständigen Tätigkeit eine abhängige Beschäftigung anzunehmen war.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. Die außergerichtlichen Kosten Beigeladener können nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO dem Unterlegenen aus Billigkeit auferlegt werden. Da die Beigeladenen keine eigenen Anträge gestellt und sich so keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es auch nicht der Billigkeit, der Beklagten die Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
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