Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1989/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 4214/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
für Recht erkannt: Tenor: Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.11.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt, im Wege des Überprüfungsverfahrens, die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die 1971 geborene Klägerin beantragte am 19.10.2012 (Blatt 10 VA) die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte holte die ärztlichen Befundberichte zum Rentenantrag der Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. S. vom 19.12.2012 (Blatt 54 VA) und des Orthopäden Dr. S. vom 17.12.2012 sowie das ärztliche Gutachten für die Rentenversicherung des Facharztes für Innere Medizin Dr. K. vom 21.01.2013 (Blatt 62 VA) und des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. R. vom 14.03.2013 (Blatt 74 VA) ein. Dr. H. erstattete die sozialmedizinische Stellungnahme vom 02.04.2013 (Blatt 82 VA) und führte aus, dass die bei der Klägerin bestehenden Diagnosen - Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits - Adipositas Grad 2 - Hypertonie - nicht alkoholische Fettleberhepatitis - statische Wirbelsäulenbeschwerden zu Einschränkungen des Leistungsbildes dahingehend führten, dass keine Gruppengespräche und keine Tätigkeiten in geräuschvoller Umgebung durchgeführt werden könnten. Das zeitliche Leistungsvermögen liege bei 6 Stunden und mehr.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.04.2013 (Blatt 87 VA) ab, da die Klägerin noch mindestens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 03.05.2013 (Blatt 91 VA) Widerspruch.
Die Beklagte holte das ärztliche Gutachten für die Rentenversicherung des Orthopäden Dr. H. vom 27.09.2013 (Blatt 113 VA) ein, die beratende Ärztin N.-S. erstattete die sozialmedizinische Stellungnahme vom 04.11.2013 (Blatt 127 VA) und der berufskundliche Berater H. die berufskundliche Stellungnahme vom 04.12.2013 (Blatt 129 VA).
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2014 (Blatt 132 VA) zurück.
Am 19.02.2014 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG - S 6 R 537/14 -). Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte der Dr. S. vom 26.06.2014 (Hals-Nasen-Ohrenheilkunde – Blatt 171 VA), des Dr. H. vom 05.06.2014 (Innere Medizin – Blatt 164 VA), des Dr. H. vom 17.06.2014 (Orthopädie – Blatt 168 VA) und des Dr. H. vom 19.06.2014 (Psychotherapeutische Medizin – Blatt 169 VA) ein. Weiterhin wurde auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG das orthopädische Sachverständigengutachten des Dr. C. vom 27.01.2015 (Blatt 194 VA) eingeholt.
Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 26.03.2015 (Blatt 215 VA) ab, da keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin gegeben sei und auch weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich machten.
Gegen den Gerichtsbescheid erhob die Klägerin am 20.04.2015 (Blatt 225 VA) Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 7 R 1498/15 – Blatt 224 VA). Die berufskundliche Beraterin J. erstattete die berufskundliche Stellungnahme vom 16.07.2015 (Blatt 241 VA) und führte aus, dass zwar eine Hörminderung beidseits vorliege, diese aber durch den Einsatz von Hörgeräten ausgeglichen werden könne. Daher stehe eine Vielzahl von Erwerbsmöglichkeiten offen, die nicht mit intensiver Kommunikation verbunden seien. Das LSG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. B. vom 06.08.2015 (Hals-Nasen-Ohrenarzt – Blatt 258 VA = Blatt 38/39 LSG-Akte), des Dr. H. vom 24.08.2015 (Orthopädie – Blatt 264 VA = Blatt 41 LSG-Akte) und der Dr. S. vom 10.08.2015 (Hals-Nasen-Ohrenarzt – Blatt 262 VA = Blatt 39/40 LSG-Akte) ein und wies die Berufung mit Urteil vom 28.01.2016 (Blatt 285 VA = Blatt 74/90 LSG-Akte) zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet an der Wirbelsäule Funktionsstörungen vorliegen würden, die jedoch nicht von einer solchen Schwere seien, dass sie das Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten einschränkten, wie insbesondere aus dem nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. C. folge. Die Klägerin nehme keine regelmäßige fachärztliche Behandlung wahr und das empfohlene Funktionstraining werde nicht durchgeführt. Nach den Angaben der Klägerin sei diese in der Lage, 3 Kinder zu pflegen, zu versorgen, zu betreuen und zu überwachen, sich selbst zu versorgen, die Hausarbeit in einem 5-Personen-Haushalt zu erledigen, Einkäufe durchzuführen, Mahlzeiten zuzubereiten und im Haushalt ihrer Mutter zu helfen. Auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehe eine mittel- bis hochgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit, woraus folge, dass Tätigkeiten in geräuschvoller Umgebung nicht zumutbar seien, dagegen könnten Einzelgespräche in ruhiger Umgebung und ohne Zeitdruck vollschichtig durchgeführt werden. Vom Vorliegen einer psychischen Erkrankung, die die Klägerin bei zumutbarer Willensanspannung aus eigener Kraft nicht zumindest soweit überwinden könne, dass sie leichte Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich ausüben könne, sei der Senat nicht überzeugt. Lediglich der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Neurologie und Psychiatrie Dr. H. , bei dem sich die Klägerin einmalig im August 2013 vorgestellt habe, habe von katastrophisierenden Ängsten, einer überkompensatorischen Aktivität und einer affektiv herabgedrückten Stimmung gesprochen und der Klägerin eine stationäre psychosomatische Behandlung empfohlen, sich aber nicht in der Lage gesehen, die körperliche und psychomentale Belastbarkeit einzuschätzen. Die Klägerin habe keine ambulante oder stationäre psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen, was gegen das Vorliegen einer belangvollen psychiatrischen Erkrankung spreche. Zwar möge es in einzelnen Versorgungsgebieten Schwierigkeiten geben, einen Therapieplatz für eine ambulante Psychotherapie zu bekommen, eine kontinuierliche nervenfachärztliche Behandlung oder eine akutstationäre Behandlung sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung aber sichergestellt. Der Senat sei der Überzeugung, dass das Restleistungsvermögen der Klägerin es dieser erlaube, Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert würden, auszuüben. Die qualitativen Leistungseinschränkungen seien nicht ungewöhnlich und schränkten das für die Klägerin offene Arbeitsfeld auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht übermäßig ein. Dabei stelle die hochgradige Schwerhörigkeit, die sich bei der Klägerin bereits in ihrer Schulzeit entwickelt habe und die mit einer Hörgeräteversorgung jedenfalls teilkompensiert sei, keine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar, weil sich die Klägerin trotz ihrer Hörbehinderung im für die Einweisung und Durchführung leichter Arbeiten notwendigen Umfang verständigen könne.
Am 18.03.2016 (Blatt 296 VA) beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 12.04.2013 gemäß § 44 SGB X und nahm Bezug auf die Begründungen im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren.
Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.03.2016 (Blatt 297 VA) ab und wies den dagegen gerichteten Widerspruch vom 05.04.2016 (Blatt 299 VA) mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2016 (Blatt 306 VA) zurück.
Am 15.06.2016 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) und machte geltend, dass ein ungleicher Hörverlust vorliege, der durch verfügbare Hörgeräte nicht ausgleichbar sei, sodass Tätigkeiten, die in einem Büro üblicherweise anfielen, nicht ausgeübt werden könnten. Aufgrund der Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule könnten keine Tätigkeiten außerhalb eines Büros ausgeübt werden. Die erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen im psychischen Bereich hinderten an Tätigkeiten unter Zeitdruck. Die eingeschränkte psychische Belastbarkeit entfalle nicht deshalb, da es ihr bislang nicht gelungen sei, einen Platz bei einer geeigneten Therapeutin zu finden, da die erheblich begrenzte Verfügbarkeit von Therapieplätzen nicht zu ihren Lasten gehen könne. Eine Tätigkeit im zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich entfalle bereits wegen der erheblich eingeschränkten psychischen Belastbarkeit, bei einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich sei eine volle Erwerbsminderung auch dann anzunehmen, wenn nicht binnen eines Jahres seit Rentenantragsstellung ein geeigneter Arbeitsplatz vermittelt werden könne. Zwar treffe es zu, dass sie ihren Haushalt versorge, drei Kinder betreue und ihre Mutter unterstütze, daraus folge jedoch nicht zwingend, dass die Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt sei. Da keine anderen Personen zur Verfügung stünden, die diese Tätigkeiten verrichten könnten und es keine Alternativen zur Verrichtung gebe, führe sie die Tätigkeiten auf Kosten ihrer Gesundheit aus. Mit Hörgeräten, für die keine Zuzahlung zu leisten sei, könne der ungleichmäßige Hörverlust nicht hinreichend ausgeglichen werden.
Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 04.11.2016 ab, da bei Erlass des Bescheides vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2014 weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise. Soweit auf eine Verschlechterung des Hörvermögens und auf einen hinzugetretenen Schwindel verwiesen werden, sei dies nicht nachgewiesen und bei einer Verschlechterung ein neuer Antrag bei der Beklagten sinnvoll. Für die Bewertung der psychischen Erkrankung sei nicht die Therapierbarkeit maßgeblich gewesen, sondern fehlende objektive Befunde, fehlende Behandlung und eine erhaltene Struktur des Tagesablaufs.
Gegen den ihr am 10.11.2016 zugestellte Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16.11.2016 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Sie macht geltend, dass die Beklagte meine, dass ausreichend Einzelarbeitsplätze mit geringen Kommunikationsanforderungen zu Verfügung stünden, spezifiziere diese jedoch nicht, sodass die Beklagte keine Verweisungstätigkeit benannt habe, die den Anforderungen des BSG entspreche. Eine Tätigkeit mit einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich entfalle bereits wegen der erheblich eingeschränkten psychischen Belastbarkeit, zudem stelle jede Tätigkeit Anforderungen im kommunikativen Bereich. Sie habe keine anderen Möglichkeiten hinsichtlich der Betreuung und Versorgung der Kinder, da keine anderen Personen zur Verfügung stünden, die Tätigkeiten würden überobligatorisch und auf Kosten ihrer Gesundheit durchgeführt. Die Nichtabsolvierung einer stationären psychosomatischen Behandlung resultiere aus der Notwendigkeit der Betreuung der Kinder, für eine ambulante psychiatrische Behandlung fehle es an vorhandenen Plätzen. Ein ausgefüllter Tagesablauf, der aus objektiven Notwendigkeiten resultiere, schließe eine psychische Erkrankung nicht zwingend aus. Eine Erwerbstätigkeit, die noch durch zusätzlichen psychischen Druck gekennzeichnet sei, sei ihr nicht möglich. Der HNO-Arzt Dr. B. habe eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits festgestellt, die auch mit leistungsfähigen Hörgeräten nicht mehr ausgleichbar sei. Da keine Arbeitsplätze ohne Kommunikation existierten und das Sprachverständnis nur noch eingeschränkt vorhanden sei, könne sie keine Tätigkeiten mehr ausüben.
Die Klägerin beantragt, sachdienlich gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.11.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr unter Rücknahme des Bescheides vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2014 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Absatz 2 SGG einverstanden erklärt (Blatt 33/34 Senatsakte).
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Absatz 1, 124 Absatz 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Rücknahme des Bescheides vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2014 sowie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht beanspruchen. Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Nach § 44 Absatz 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG, SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Verwaltung in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr.18). Dabei ist innerhalb des Zugunstenverfahrens maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides der Zeitpunkt seines Erlasses (Schütze in: von Wulffen, SGB X, 8.Auflage, § 44 RdNr. 44). Zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des streitgegenständlichen Bescheides kommt es im Übrigen nicht auf den Stand der Erkenntnis bei Erlass, sondern bei Überprüfung an. Erforderlich ist dazu eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer eventuell geläuterten Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsakten geltenden Sach- und Rechtslage. In diesem Sinne beurteilt sich die Rechtwidrigkeit nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (Schütze, aaO., RdNr.10).
Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich – bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche - ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Ausgehend von diesen Maßstäben kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Beklagte das Recht unrichtig angewandt hat oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist. Soweit die Klägerin Verschlechterungen im Gesundheitszustand geltend macht, kommt es auf diese nicht entscheidungserheblich an, da solche im Verfahren nach § 44 SGB X keine Berücksichtigung finden können sondern, worauf bereits das SG hingewiesen hat, nur im Rahmen eines Neuantrages.
Auf orthopädischem Fachgebiet konnte der Senat, gestützt auf das orthopädische Gutachten des Dr. H. vom 20.09.2013 (Blatt 113 VA), feststellen, dass bei der Klägerin eine fixierte Rundrückenfehlhaltung bestand. Die Röntgenuntersuchung zeigte eine deutliche Kyphosierung der Brustwirbelsäule, die über das übliche Maß hinausging sowie eine deutliche Spondylose im mittleren BWS-Abschnitt, die LWS wird als altersentsprechend konfiguriert beschrieben. Neurologische Reiz- oder Ausfallsymptome bestanden nicht, der Gang wird als flüssig beschrieben, Muskelminderungen der unteren Extremitäten bestanden keine. Dem Meßblatt für die oberen und unteren Gliedmaßen (Blatt 118 VA) lassen sich keine relevanten Einschränkungen der Beweglichkeit entnehmen. Der Gutachter kommt überzeugend zu dem Ergebnis, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen besteht und sieht qualitative Einschränkungen dahingehend, dass längeres Sitzen und Stehen sowie die Einnahme von Zwangshaltung zu vermeiden ist. Nichts anderes folgt aus dem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. C. vom 27.01.2015 (Blatt 194 VA), der als Gesundheitsstörungen eine Funktionseinschränkung der BWS aufgrund eines teilfixierten Rundrücken, eine leichte rechtskonvexe Lumbalskoliose, chronisch-rezidivierende muskuläre Verspannungen, eine myalgische Cervicobrachialgie mit pseudoradiculären Ausstrahlungen in die Schulterblattregion sowie einen Knieschmerz rechts ohne funktionelle Einschränkungen des Kniegelenks beschrieben und die Klägerin für leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr leistungsfähig erachtet hat. Darauf, dass der behandelnde Orthopäde Dr. H. (sachverständige Zeugenauskunft vom 24.08.2015, Blatt 41 LSG-Akte) keine Veränderung der orthopädischen Gesundheitsstörungen mitgeteilt hat, kommt es nicht entscheidend an.
Auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. R. vom 14.03.2013, dass sich bei regelrechten Spiegelbefunden im Tonaudiogramm eine mittel- bis hochgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits zeigte, welche im Sprachaudiogramm mit einem prozentualen Hörverlust von 80% beidseits relevant wurde. Zu den mitgebrachten Hörgeräten führt der Sachverständige aus, dass sich im Freifeld eine ausreichende, jedoch nicht optimale Verstärkerleistung zeigte. Der Gutachter kommt nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass keine Tätigkeiten in geräuschvoller Umgebung ausgeübt werden können, aber Einzelgespräche in ruhiger Umgebung und ohne Zeitdruck möglich sind. Nicht zu folgen vermag der Senat jedoch der Einschätzung des Dr. R. , dass sich nur ein untervollschichtiges Leistungsvermögen ergibt, da weder die festgestellten Gesundheitsstörungen noch die zu beachtenden qualitativen Einschränkungen das zeitliche Leistungsvermögen beeinträchtigen. Dementsprechend hat die HNO-Ärztin Dr. S. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 26.06.2014 (Blatt 171 VA) dargelegt, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen für nervlich wenig belastende Tätigkeiten außerhalb eines Arbeitsumfeldes im Störschall besteht. Ergänzend weist sie darauf hin, dass eine adäquate Hörgeräteversorgung die Leistungsfähigkeit der Klägerin weitestmöglich steigert, wobei die zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten vorhandenen Hörgeräte wohl schon älter als sieben Jahre waren und damit keine optimale Versorgung mehr vorgelegen hat, wie der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. B. vom 06.08.2015 (Blatt 258 VA) entnimmt. Der Umstand, dass die Klägerin meint, mit einem "Kassengerät" nicht ausreichend versorgt werden zu können, führt zu keiner anderen Beurteilung im Hinblick auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Abgesehen davon, dass die Krankenkasse eine über die Festbeträge hinausgehende Leistungspflicht treffen kann, kommen bei einem rein beruflich bedingten Mehrbedarf Leistungen des Rentenversicherungsträgers in Betracht. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich in den Untersuchungssituationen mit den Gutachtern hinreichend verständigen konnte, sodass die Kommunikationsfähigkeit der Klägerin zwar eingeschränkt, aber nicht aufgehoben ist. Diesen Einschränkungen kann dadurch Rechnung getragen werden, dass keine Tätigkeit in geräuschvoller Umgebung und unter besonderem Zeitdruck mehr ausgeübt werden können. Dass die Klägerin nur noch unter betriebsunüblichen Bedingungen arbeiten kann, konnte der Senat hingegen nicht feststellen. Solche betriebsunüblichen Arbeitsbedingungen können bei einem Taubstummen anzunehmen sein, der mündliche Anweisungen und Äußerungen nur bei extrem verlangsamter Sprechgeschwindigkeit von den Lippen ablesen kann und aufgrund einer Ertaubung vor Spracherwerb eine Verständigung nur in Gehörlosensprache möglich ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.07.2017 – L 13 R 1079/16, juris RdNr. 20; weitergehend Bayrisches LSG, Urteil vom 28.06.2011 – L 20 R 279/07, juris RdNr.29). Eine solche Situation liegt bei der Klägerin nicht vor.
Letztlich kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten bestanden. Anders als in der KV kommt es beim Begriff "Krankheit" iSd. § 43 SGB VI nicht darauf an, ob Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit besteht. Erforderlich ist ein regelwidriger körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand, der eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit zur Folge hat. Die Behandlungsfähigkeit einer Gesundheitsstörung steht der Annahme der Erwerbsminderung nicht entgegen, eine unterbliebene Behandlung führt ohne Rücksicht auf die Ursachen der Unterlassung nicht dazu, dass vorhandene Gesundheitsstörungen nicht als Krankheit im Rechtssinne anzusehen sind. Die Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens muss auf nicht absehbare Zeit, d.h. länger als sechs Monate vorliegen. Dies ergibt sich aus §101 Absatz 1 SGB VI, wonach während der ersten sechs Monate einer verminderten Erwerbsfähigkeit keine Rente zusteht (Gürtner in: KassKomm, SGB VI, § 43 Rn. 21 ff.).
Der Senat konnte feststellen, dass sich die Klägerin einmalig am 30.08.2013 bei dem Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. H. vorgestellt hat, der die Klägerin in katastrophisierenden Ängsten aber auch überkompensatorischer Aktivität gefangen und dabei affektiv herabgedrückt beschrieben hat, sich aufgrund der einmaligen Untersuchung aber zu keiner Einschätzung der körperlichen und psychomentalen Belastbarkeit in der Lage sah (sachverständige Zeugenauskunft gegenüber dem SG vom 19.06.2014 – Blatt 169 VA). Den weiteren sachverständigen Zeugenauskünften sind keine Diagnosen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zu entnehmen, aus dem internistischen Gutachten für die Rentenversicherung des Dr. K. vom 21.01.2013 lässt sich lediglich entnehmen, dass die Klägerin als kooperativ und voll orientiert beschrieben wird (Blatt 65 VA), in dem hals-nasen-ohrenärztlichen Gutachten des Dr. R. vom 14.03.2013 (Blatt 74 VA) ist kein neurologisch-psychiatrischer Befund mitgeteilt. Gegenüber dem Orthopäden Dr. H. vom 20.09.2013 (Blatt 113 VA) sind nur Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und einschlafende Hände angegeben worden, die Klägerin wird durch den Gutachter als zeitlich und örtlich voll orientiert beschrieben (Blatt 113 VA). Dr. C. hat in seinem Sachverständigengutachten vom 27.01.2015 (Blatt 194 VA) ebenfalls keinen psychischen Befund erhoben, jedoch einen geregelten Tagesablauf, geprägt durch die Versorgung der Kinder, beschrieben. Aus der zuletzt angegebenen zweimaligen Vorstellung im Juni 2015 bei Dipl. Psychologe M. zur psychotherapeutischen Behandlung sind keine Befunde mitgeteilt worden und ein Rückschluss auf eine relevante quantitative Leistungseinschränkung bereits im maßgebenden Zeitraum bis Januar 2014 (Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30.01.2014) ist nicht möglich.
Somit sind tragfähige Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht dokumentiert, sodass hierauf eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht gestützt werden kann. Vor diesem Hintergrund muss der Senat nicht entscheiden, ob aus dem Fehlen einer psychiatrischen Behandlung allein auf das Nichtbestehen von Leistungseinschränkungen geschlossen werden kann und ob die Tatsache, dass die Gesundheitsstörungen behandelbar wären, der Annahme von Erwerbsminderung entgegensteht. Die Nichterweislichkeit der Beeinträchtigungen geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin, da diese die Beweislast für das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung trägt.
Eine Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich macht, konnte der Senat im Hinblick auf die gesicherten Befunde und in Übereinstimmung mit den berufskundlichen Stellungnahme vom 04.12.2013 (Blatt 129 VA) und vom 16.07.2015 (Blatt 241 VA) nicht feststellen, sodass die Beklagte keine Verweisungstätigkeit zu benennen hatte.
Aufgrund des zum maßgeblichen Zeitpunkt vorliegenden vollschichtigen Leistungsvermögens kommt eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht in Betracht, sodass sich die Frage einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes nicht stellt. Ob die Rentenversicherung oder die Arbeitsagentur der Klägerin eine Stelle vermitteln konnten, ist somit nicht entscheidungserheblich, wobei hinsichtlich der Arbeitsagentur von der Klägerin auch nicht dargelegt worden ist, dass sie sich diesbezüglich der Vermittlung zur Verfügung gestellt hat. Letztlich kommt es nicht darauf an, dass die behaupteten intensiven Bemühungen der Klägerin um einen Arbeitsplatz nicht näher spezifiziert worden sind.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt, im Wege des Überprüfungsverfahrens, die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die 1971 geborene Klägerin beantragte am 19.10.2012 (Blatt 10 VA) die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte holte die ärztlichen Befundberichte zum Rentenantrag der Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. S. vom 19.12.2012 (Blatt 54 VA) und des Orthopäden Dr. S. vom 17.12.2012 sowie das ärztliche Gutachten für die Rentenversicherung des Facharztes für Innere Medizin Dr. K. vom 21.01.2013 (Blatt 62 VA) und des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. R. vom 14.03.2013 (Blatt 74 VA) ein. Dr. H. erstattete die sozialmedizinische Stellungnahme vom 02.04.2013 (Blatt 82 VA) und führte aus, dass die bei der Klägerin bestehenden Diagnosen - Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits - Adipositas Grad 2 - Hypertonie - nicht alkoholische Fettleberhepatitis - statische Wirbelsäulenbeschwerden zu Einschränkungen des Leistungsbildes dahingehend führten, dass keine Gruppengespräche und keine Tätigkeiten in geräuschvoller Umgebung durchgeführt werden könnten. Das zeitliche Leistungsvermögen liege bei 6 Stunden und mehr.
Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.04.2013 (Blatt 87 VA) ab, da die Klägerin noch mindestens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 03.05.2013 (Blatt 91 VA) Widerspruch.
Die Beklagte holte das ärztliche Gutachten für die Rentenversicherung des Orthopäden Dr. H. vom 27.09.2013 (Blatt 113 VA) ein, die beratende Ärztin N.-S. erstattete die sozialmedizinische Stellungnahme vom 04.11.2013 (Blatt 127 VA) und der berufskundliche Berater H. die berufskundliche Stellungnahme vom 04.12.2013 (Blatt 129 VA).
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2014 (Blatt 132 VA) zurück.
Am 19.02.2014 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG - S 6 R 537/14 -). Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte der Dr. S. vom 26.06.2014 (Hals-Nasen-Ohrenheilkunde – Blatt 171 VA), des Dr. H. vom 05.06.2014 (Innere Medizin – Blatt 164 VA), des Dr. H. vom 17.06.2014 (Orthopädie – Blatt 168 VA) und des Dr. H. vom 19.06.2014 (Psychotherapeutische Medizin – Blatt 169 VA) ein. Weiterhin wurde auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG das orthopädische Sachverständigengutachten des Dr. C. vom 27.01.2015 (Blatt 194 VA) eingeholt.
Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 26.03.2015 (Blatt 215 VA) ab, da keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin gegeben sei und auch weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich machten.
Gegen den Gerichtsbescheid erhob die Klägerin am 20.04.2015 (Blatt 225 VA) Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 7 R 1498/15 – Blatt 224 VA). Die berufskundliche Beraterin J. erstattete die berufskundliche Stellungnahme vom 16.07.2015 (Blatt 241 VA) und führte aus, dass zwar eine Hörminderung beidseits vorliege, diese aber durch den Einsatz von Hörgeräten ausgeglichen werden könne. Daher stehe eine Vielzahl von Erwerbsmöglichkeiten offen, die nicht mit intensiver Kommunikation verbunden seien. Das LSG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. B. vom 06.08.2015 (Hals-Nasen-Ohrenarzt – Blatt 258 VA = Blatt 38/39 LSG-Akte), des Dr. H. vom 24.08.2015 (Orthopädie – Blatt 264 VA = Blatt 41 LSG-Akte) und der Dr. S. vom 10.08.2015 (Hals-Nasen-Ohrenarzt – Blatt 262 VA = Blatt 39/40 LSG-Akte) ein und wies die Berufung mit Urteil vom 28.01.2016 (Blatt 285 VA = Blatt 74/90 LSG-Akte) zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet an der Wirbelsäule Funktionsstörungen vorliegen würden, die jedoch nicht von einer solchen Schwere seien, dass sie das Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten einschränkten, wie insbesondere aus dem nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. C. folge. Die Klägerin nehme keine regelmäßige fachärztliche Behandlung wahr und das empfohlene Funktionstraining werde nicht durchgeführt. Nach den Angaben der Klägerin sei diese in der Lage, 3 Kinder zu pflegen, zu versorgen, zu betreuen und zu überwachen, sich selbst zu versorgen, die Hausarbeit in einem 5-Personen-Haushalt zu erledigen, Einkäufe durchzuführen, Mahlzeiten zuzubereiten und im Haushalt ihrer Mutter zu helfen. Auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehe eine mittel- bis hochgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit, woraus folge, dass Tätigkeiten in geräuschvoller Umgebung nicht zumutbar seien, dagegen könnten Einzelgespräche in ruhiger Umgebung und ohne Zeitdruck vollschichtig durchgeführt werden. Vom Vorliegen einer psychischen Erkrankung, die die Klägerin bei zumutbarer Willensanspannung aus eigener Kraft nicht zumindest soweit überwinden könne, dass sie leichte Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich ausüben könne, sei der Senat nicht überzeugt. Lediglich der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Neurologie und Psychiatrie Dr. H. , bei dem sich die Klägerin einmalig im August 2013 vorgestellt habe, habe von katastrophisierenden Ängsten, einer überkompensatorischen Aktivität und einer affektiv herabgedrückten Stimmung gesprochen und der Klägerin eine stationäre psychosomatische Behandlung empfohlen, sich aber nicht in der Lage gesehen, die körperliche und psychomentale Belastbarkeit einzuschätzen. Die Klägerin habe keine ambulante oder stationäre psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen, was gegen das Vorliegen einer belangvollen psychiatrischen Erkrankung spreche. Zwar möge es in einzelnen Versorgungsgebieten Schwierigkeiten geben, einen Therapieplatz für eine ambulante Psychotherapie zu bekommen, eine kontinuierliche nervenfachärztliche Behandlung oder eine akutstationäre Behandlung sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung aber sichergestellt. Der Senat sei der Überzeugung, dass das Restleistungsvermögen der Klägerin es dieser erlaube, Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert würden, auszuüben. Die qualitativen Leistungseinschränkungen seien nicht ungewöhnlich und schränkten das für die Klägerin offene Arbeitsfeld auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht übermäßig ein. Dabei stelle die hochgradige Schwerhörigkeit, die sich bei der Klägerin bereits in ihrer Schulzeit entwickelt habe und die mit einer Hörgeräteversorgung jedenfalls teilkompensiert sei, keine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar, weil sich die Klägerin trotz ihrer Hörbehinderung im für die Einweisung und Durchführung leichter Arbeiten notwendigen Umfang verständigen könne.
Am 18.03.2016 (Blatt 296 VA) beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 12.04.2013 gemäß § 44 SGB X und nahm Bezug auf die Begründungen im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren.
Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.03.2016 (Blatt 297 VA) ab und wies den dagegen gerichteten Widerspruch vom 05.04.2016 (Blatt 299 VA) mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2016 (Blatt 306 VA) zurück.
Am 15.06.2016 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) und machte geltend, dass ein ungleicher Hörverlust vorliege, der durch verfügbare Hörgeräte nicht ausgleichbar sei, sodass Tätigkeiten, die in einem Büro üblicherweise anfielen, nicht ausgeübt werden könnten. Aufgrund der Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule könnten keine Tätigkeiten außerhalb eines Büros ausgeübt werden. Die erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen im psychischen Bereich hinderten an Tätigkeiten unter Zeitdruck. Die eingeschränkte psychische Belastbarkeit entfalle nicht deshalb, da es ihr bislang nicht gelungen sei, einen Platz bei einer geeigneten Therapeutin zu finden, da die erheblich begrenzte Verfügbarkeit von Therapieplätzen nicht zu ihren Lasten gehen könne. Eine Tätigkeit im zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich entfalle bereits wegen der erheblich eingeschränkten psychischen Belastbarkeit, bei einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich sei eine volle Erwerbsminderung auch dann anzunehmen, wenn nicht binnen eines Jahres seit Rentenantragsstellung ein geeigneter Arbeitsplatz vermittelt werden könne. Zwar treffe es zu, dass sie ihren Haushalt versorge, drei Kinder betreue und ihre Mutter unterstütze, daraus folge jedoch nicht zwingend, dass die Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt sei. Da keine anderen Personen zur Verfügung stünden, die diese Tätigkeiten verrichten könnten und es keine Alternativen zur Verrichtung gebe, führe sie die Tätigkeiten auf Kosten ihrer Gesundheit aus. Mit Hörgeräten, für die keine Zuzahlung zu leisten sei, könne der ungleichmäßige Hörverlust nicht hinreichend ausgeglichen werden.
Die Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 04.11.2016 ab, da bei Erlass des Bescheides vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2014 weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise. Soweit auf eine Verschlechterung des Hörvermögens und auf einen hinzugetretenen Schwindel verwiesen werden, sei dies nicht nachgewiesen und bei einer Verschlechterung ein neuer Antrag bei der Beklagten sinnvoll. Für die Bewertung der psychischen Erkrankung sei nicht die Therapierbarkeit maßgeblich gewesen, sondern fehlende objektive Befunde, fehlende Behandlung und eine erhaltene Struktur des Tagesablaufs.
Gegen den ihr am 10.11.2016 zugestellte Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16.11.2016 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Sie macht geltend, dass die Beklagte meine, dass ausreichend Einzelarbeitsplätze mit geringen Kommunikationsanforderungen zu Verfügung stünden, spezifiziere diese jedoch nicht, sodass die Beklagte keine Verweisungstätigkeit benannt habe, die den Anforderungen des BSG entspreche. Eine Tätigkeit mit einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich entfalle bereits wegen der erheblich eingeschränkten psychischen Belastbarkeit, zudem stelle jede Tätigkeit Anforderungen im kommunikativen Bereich. Sie habe keine anderen Möglichkeiten hinsichtlich der Betreuung und Versorgung der Kinder, da keine anderen Personen zur Verfügung stünden, die Tätigkeiten würden überobligatorisch und auf Kosten ihrer Gesundheit durchgeführt. Die Nichtabsolvierung einer stationären psychosomatischen Behandlung resultiere aus der Notwendigkeit der Betreuung der Kinder, für eine ambulante psychiatrische Behandlung fehle es an vorhandenen Plätzen. Ein ausgefüllter Tagesablauf, der aus objektiven Notwendigkeiten resultiere, schließe eine psychische Erkrankung nicht zwingend aus. Eine Erwerbstätigkeit, die noch durch zusätzlichen psychischen Druck gekennzeichnet sei, sei ihr nicht möglich. Der HNO-Arzt Dr. B. habe eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits festgestellt, die auch mit leistungsfähigen Hörgeräten nicht mehr ausgleichbar sei. Da keine Arbeitsplätze ohne Kommunikation existierten und das Sprachverständnis nur noch eingeschränkt vorhanden sei, könne sie keine Tätigkeiten mehr ausüben.
Die Klägerin beantragt, sachdienlich gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.11.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr unter Rücknahme des Bescheides vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2014 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Absatz 2 SGG einverstanden erklärt (Blatt 33/34 Senatsakte).
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Absatz 1, 124 Absatz 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Rücknahme des Bescheides vom 12.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2014 sowie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht beanspruchen. Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Nach § 44 Absatz 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG, SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Verwaltung in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr.18). Dabei ist innerhalb des Zugunstenverfahrens maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides der Zeitpunkt seines Erlasses (Schütze in: von Wulffen, SGB X, 8.Auflage, § 44 RdNr. 44). Zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des streitgegenständlichen Bescheides kommt es im Übrigen nicht auf den Stand der Erkenntnis bei Erlass, sondern bei Überprüfung an. Erforderlich ist dazu eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer eventuell geläuterten Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsakten geltenden Sach- und Rechtslage. In diesem Sinne beurteilt sich die Rechtwidrigkeit nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (Schütze, aaO., RdNr.10).
Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich – bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche - ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Ausgehend von diesen Maßstäben kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Beklagte das Recht unrichtig angewandt hat oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist. Soweit die Klägerin Verschlechterungen im Gesundheitszustand geltend macht, kommt es auf diese nicht entscheidungserheblich an, da solche im Verfahren nach § 44 SGB X keine Berücksichtigung finden können sondern, worauf bereits das SG hingewiesen hat, nur im Rahmen eines Neuantrages.
Auf orthopädischem Fachgebiet konnte der Senat, gestützt auf das orthopädische Gutachten des Dr. H. vom 20.09.2013 (Blatt 113 VA), feststellen, dass bei der Klägerin eine fixierte Rundrückenfehlhaltung bestand. Die Röntgenuntersuchung zeigte eine deutliche Kyphosierung der Brustwirbelsäule, die über das übliche Maß hinausging sowie eine deutliche Spondylose im mittleren BWS-Abschnitt, die LWS wird als altersentsprechend konfiguriert beschrieben. Neurologische Reiz- oder Ausfallsymptome bestanden nicht, der Gang wird als flüssig beschrieben, Muskelminderungen der unteren Extremitäten bestanden keine. Dem Meßblatt für die oberen und unteren Gliedmaßen (Blatt 118 VA) lassen sich keine relevanten Einschränkungen der Beweglichkeit entnehmen. Der Gutachter kommt überzeugend zu dem Ergebnis, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen besteht und sieht qualitative Einschränkungen dahingehend, dass längeres Sitzen und Stehen sowie die Einnahme von Zwangshaltung zu vermeiden ist. Nichts anderes folgt aus dem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. C. vom 27.01.2015 (Blatt 194 VA), der als Gesundheitsstörungen eine Funktionseinschränkung der BWS aufgrund eines teilfixierten Rundrücken, eine leichte rechtskonvexe Lumbalskoliose, chronisch-rezidivierende muskuläre Verspannungen, eine myalgische Cervicobrachialgie mit pseudoradiculären Ausstrahlungen in die Schulterblattregion sowie einen Knieschmerz rechts ohne funktionelle Einschränkungen des Kniegelenks beschrieben und die Klägerin für leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr leistungsfähig erachtet hat. Darauf, dass der behandelnde Orthopäde Dr. H. (sachverständige Zeugenauskunft vom 24.08.2015, Blatt 41 LSG-Akte) keine Veränderung der orthopädischen Gesundheitsstörungen mitgeteilt hat, kommt es nicht entscheidend an.
Auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. R. vom 14.03.2013, dass sich bei regelrechten Spiegelbefunden im Tonaudiogramm eine mittel- bis hochgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits zeigte, welche im Sprachaudiogramm mit einem prozentualen Hörverlust von 80% beidseits relevant wurde. Zu den mitgebrachten Hörgeräten führt der Sachverständige aus, dass sich im Freifeld eine ausreichende, jedoch nicht optimale Verstärkerleistung zeigte. Der Gutachter kommt nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass keine Tätigkeiten in geräuschvoller Umgebung ausgeübt werden können, aber Einzelgespräche in ruhiger Umgebung und ohne Zeitdruck möglich sind. Nicht zu folgen vermag der Senat jedoch der Einschätzung des Dr. R. , dass sich nur ein untervollschichtiges Leistungsvermögen ergibt, da weder die festgestellten Gesundheitsstörungen noch die zu beachtenden qualitativen Einschränkungen das zeitliche Leistungsvermögen beeinträchtigen. Dementsprechend hat die HNO-Ärztin Dr. S. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 26.06.2014 (Blatt 171 VA) dargelegt, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen für nervlich wenig belastende Tätigkeiten außerhalb eines Arbeitsumfeldes im Störschall besteht. Ergänzend weist sie darauf hin, dass eine adäquate Hörgeräteversorgung die Leistungsfähigkeit der Klägerin weitestmöglich steigert, wobei die zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten vorhandenen Hörgeräte wohl schon älter als sieben Jahre waren und damit keine optimale Versorgung mehr vorgelegen hat, wie der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. B. vom 06.08.2015 (Blatt 258 VA) entnimmt. Der Umstand, dass die Klägerin meint, mit einem "Kassengerät" nicht ausreichend versorgt werden zu können, führt zu keiner anderen Beurteilung im Hinblick auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Abgesehen davon, dass die Krankenkasse eine über die Festbeträge hinausgehende Leistungspflicht treffen kann, kommen bei einem rein beruflich bedingten Mehrbedarf Leistungen des Rentenversicherungsträgers in Betracht. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich in den Untersuchungssituationen mit den Gutachtern hinreichend verständigen konnte, sodass die Kommunikationsfähigkeit der Klägerin zwar eingeschränkt, aber nicht aufgehoben ist. Diesen Einschränkungen kann dadurch Rechnung getragen werden, dass keine Tätigkeit in geräuschvoller Umgebung und unter besonderem Zeitdruck mehr ausgeübt werden können. Dass die Klägerin nur noch unter betriebsunüblichen Bedingungen arbeiten kann, konnte der Senat hingegen nicht feststellen. Solche betriebsunüblichen Arbeitsbedingungen können bei einem Taubstummen anzunehmen sein, der mündliche Anweisungen und Äußerungen nur bei extrem verlangsamter Sprechgeschwindigkeit von den Lippen ablesen kann und aufgrund einer Ertaubung vor Spracherwerb eine Verständigung nur in Gehörlosensprache möglich ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.07.2017 – L 13 R 1079/16, juris RdNr. 20; weitergehend Bayrisches LSG, Urteil vom 28.06.2011 – L 20 R 279/07, juris RdNr.29). Eine solche Situation liegt bei der Klägerin nicht vor.
Letztlich kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten bestanden. Anders als in der KV kommt es beim Begriff "Krankheit" iSd. § 43 SGB VI nicht darauf an, ob Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit besteht. Erforderlich ist ein regelwidriger körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand, der eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit zur Folge hat. Die Behandlungsfähigkeit einer Gesundheitsstörung steht der Annahme der Erwerbsminderung nicht entgegen, eine unterbliebene Behandlung führt ohne Rücksicht auf die Ursachen der Unterlassung nicht dazu, dass vorhandene Gesundheitsstörungen nicht als Krankheit im Rechtssinne anzusehen sind. Die Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens muss auf nicht absehbare Zeit, d.h. länger als sechs Monate vorliegen. Dies ergibt sich aus §101 Absatz 1 SGB VI, wonach während der ersten sechs Monate einer verminderten Erwerbsfähigkeit keine Rente zusteht (Gürtner in: KassKomm, SGB VI, § 43 Rn. 21 ff.).
Der Senat konnte feststellen, dass sich die Klägerin einmalig am 30.08.2013 bei dem Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. H. vorgestellt hat, der die Klägerin in katastrophisierenden Ängsten aber auch überkompensatorischer Aktivität gefangen und dabei affektiv herabgedrückt beschrieben hat, sich aufgrund der einmaligen Untersuchung aber zu keiner Einschätzung der körperlichen und psychomentalen Belastbarkeit in der Lage sah (sachverständige Zeugenauskunft gegenüber dem SG vom 19.06.2014 – Blatt 169 VA). Den weiteren sachverständigen Zeugenauskünften sind keine Diagnosen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zu entnehmen, aus dem internistischen Gutachten für die Rentenversicherung des Dr. K. vom 21.01.2013 lässt sich lediglich entnehmen, dass die Klägerin als kooperativ und voll orientiert beschrieben wird (Blatt 65 VA), in dem hals-nasen-ohrenärztlichen Gutachten des Dr. R. vom 14.03.2013 (Blatt 74 VA) ist kein neurologisch-psychiatrischer Befund mitgeteilt. Gegenüber dem Orthopäden Dr. H. vom 20.09.2013 (Blatt 113 VA) sind nur Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und einschlafende Hände angegeben worden, die Klägerin wird durch den Gutachter als zeitlich und örtlich voll orientiert beschrieben (Blatt 113 VA). Dr. C. hat in seinem Sachverständigengutachten vom 27.01.2015 (Blatt 194 VA) ebenfalls keinen psychischen Befund erhoben, jedoch einen geregelten Tagesablauf, geprägt durch die Versorgung der Kinder, beschrieben. Aus der zuletzt angegebenen zweimaligen Vorstellung im Juni 2015 bei Dipl. Psychologe M. zur psychotherapeutischen Behandlung sind keine Befunde mitgeteilt worden und ein Rückschluss auf eine relevante quantitative Leistungseinschränkung bereits im maßgebenden Zeitraum bis Januar 2014 (Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30.01.2014) ist nicht möglich.
Somit sind tragfähige Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht dokumentiert, sodass hierauf eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht gestützt werden kann. Vor diesem Hintergrund muss der Senat nicht entscheiden, ob aus dem Fehlen einer psychiatrischen Behandlung allein auf das Nichtbestehen von Leistungseinschränkungen geschlossen werden kann und ob die Tatsache, dass die Gesundheitsstörungen behandelbar wären, der Annahme von Erwerbsminderung entgegensteht. Die Nichterweislichkeit der Beeinträchtigungen geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin, da diese die Beweislast für das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung trägt.
Eine Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich macht, konnte der Senat im Hinblick auf die gesicherten Befunde und in Übereinstimmung mit den berufskundlichen Stellungnahme vom 04.12.2013 (Blatt 129 VA) und vom 16.07.2015 (Blatt 241 VA) nicht feststellen, sodass die Beklagte keine Verweisungstätigkeit zu benennen hatte.
Aufgrund des zum maßgeblichen Zeitpunkt vorliegenden vollschichtigen Leistungsvermögens kommt eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht in Betracht, sodass sich die Frage einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes nicht stellt. Ob die Rentenversicherung oder die Arbeitsagentur der Klägerin eine Stelle vermitteln konnten, ist somit nicht entscheidungserheblich, wobei hinsichtlich der Arbeitsagentur von der Klägerin auch nicht dargelegt worden ist, dass sie sich diesbezüglich der Vermittlung zur Verfügung gestellt hat. Letztlich kommt es nicht darauf an, dass die behaupteten intensiven Bemühungen der Klägerin um einen Arbeitsplatz nicht näher spezifiziert worden sind.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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