Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3291/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4858/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. November 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung einer großen Witwenrente über den 30.09.2016 hinaus hat.
Die 1972 geborene Klägerin beantragte am 14.06.2005 die Gewährung einer Witwenrente, nachdem ihr 1967 geborener Ehemann, mit dem sie seit 1998 verheiratet war, 2005 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte.
Mit Bescheid vom 22.08.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente ab dem 04.06.2005 mit einem monatlichen Zahlbetrag ab 01.10.2005 i. H. v. 534,80 EUR. Des Weiteren verfügte die Beklagte, dass die Rente befristet ist und mit dem 30.09.2016 wegfällt. Mit einem Bescheid vom 14.02.2008 berechnete die Beklagte die "bisherige große Witwenrente" ab 01.10.2005 neu, errechnete eine Nachzahlung für die Zeit vom 01.10.2005 bis 31.03.2008 und wies – wie bereits im Bescheid vom 22.08.2005 – unter der Rubrik "Dauer des Leistungsbezuges" darauf hin, dass der Rentenanspruch befristet sei, weil er nur für die Dauer der Kindererziehung, längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des jüngsten Kindes bestehe. Die große Witwenrente ende mit dem 30.09.2016, ohne dass ein weiterer Bescheid erteilt werde. Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass die große Witwenrente auf Antrag weiter geleistet werde, wenn Erwerbsminderung vorliege oder mindestens ein Kind erzogen werde, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe oder für ein Kind gesorgt werde, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung nicht selbst für seinen Unterhalt aufkommen könne.
Dem 1998 geborenen, ehelichen Sohn des Versicherten bewilligte die Beklagte eine Halbwaisenrente, die auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus (während der Schulausbildung und eines Freiwilligen Sozialen Jahres) gewährt wurde.
Nach einem persönlichen Beratungsgespräch bei der Beklagten am 21.12.2015 wandte sich die Klägerin am 24.02.2016 schriftlich an die Beklagte und äußerte ihr Unverständnis über die Auskunft, dass sie keine Witwenrente mehr bekomme, wenn ihr Sohn das 18. Lebensjahr vollendet habe, weil sie zu diesem Zeitpunkt erst 44 Jahre und nicht 45 Jahre alt sei.
Mit einem weiteren Bescheid vom 12.05.2016 berechnete die Beklagte die große Witwenrente ab dem 01.07.2016 neu und stellte nunmehr den monatlichen Zahlbetrag i. H. v. 670,05 EUR fest. Auf Seite 2 dieses Bescheides ("Ende ihrer Rente") wies die Beklagte erneut darauf hin, dass der Rentenanspruch befristet sei, weil er nur für die Dauer der Kindererziehung, längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des jüngsten Kindes bestehe. Die Witwenrente ende mit dem 30.09.2016, ohne dass ein weiterer Bescheid erteilt werde. Ferner enthielt der Bescheid Hinweise, unter welchen Voraussetzungen die große Witwenrente auf Antrag weitergezahlt werde.
Hiergegen legte die Klägerin am 03.06.2016 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf ihr Schreiben vom 21.02.2016. Die Streichung der Witwenrente aufgrund der Volljährigkeit ihres Sohnes Luca und der Tatsache, dass sie erst 44 Jahre und nicht 45 Jahre alt sei, akzeptiere sie so nicht und widerspreche daher dem Rentenbescheid. Ihr Sohn sei ab dem 01.10.2016 nicht in der Lage, alleine für seinen Unterhalt zu sorgen, da er noch bis Mai 2017 Schüler sei, dann erst Abitur mache und somit keine Einnahmen habe. Die Streichung der Witwenrente aufgrund ihres Alters sei für sie nicht nachvollziehbar, weil der Sohn noch kein eigenes Einkommen in dieser Zeit, bis sie selbst 45 Jahre alt werde, habe und weiterhin von ihr persönlich und finanziell betreut werden müsse. Die 223,05 EUR Halbwaisenrente reichten bei Weitem nicht aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass die Befristung der Rente bereits durch den Bescheid vom 22.08.2005 geregelt worden sei. Der am 26.07.2016 eingegangene Widerspruch sei verspätet, ohne dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.09.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und mit Blick auf § 46 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) darauf hingewiesen, dass Erziehung im Sinne des § 46 SGB VI die Sorge für die sittliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes sei, sie sei der Inbegriff aller Maßnahmen, durch die das Kind zur Mündigkeit gelangen soll. Die Erziehung sei weit auszulegen. Zu ihr gehörten alle Maßnahmen, die dazu bestimmt und darauf gerichtet seien, die körperliche, geistige, seelische, sittliche und charakterliche Entwicklung des Kindes zu beeinflussen. Ob die Maßnahme objektiv dazu geeignet und erfolgreich sei, sei unerheblich. Vorliegend sei nach Sinn und Zweck der Vorschrift zu fragen. Maßgebend sei dabei die Sicherung des Status quo der Witwe sowie des gemeinsamen Kindes. Vorliegend befinde sie sich in einem Grenzfall. Im Monat September 2016 habe der Sohn das 18. Lebensjahr vollendet, im Mai 2017 werde sie 45 Jahre alt, weswegen vorliegend ein streitgegenständlicher Zeitraum von insgesamt acht Monaten zu überbrücken sei. Festzuhalten sei, dass sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die ihres Sohnes nicht geändert hätten und auch, jedenfalls bis Mai 2017, nicht ändern würden. Der Sohn befinde sich nach wie vor in der Schulausbildung. Es sei nicht möglich, vorab eine Ausbildung zu beginnen und damit zur Finanzierung des Status quo beizutragen. Sinn und Zweck des Gesetzgebers könne es nicht sein, Heranwachsende in dieser Situation um ihren Schulabschluss zu bringen, bzw. diese vor die Problematik zu stellen, ob sie die Schule abbrechen, um die Mutter finanziell zu unterstützen oder ein finanzielles Loch, aus eigenen Gründen, nämlich zum Abschluss der Schulausbildung, zu reißen. Gerade in derart gelagerten Fällen müsse eine Entscheidung im Einzelfall erfolgen. Das Gesetz sei insoweit nicht abschließend. Aufgrund der Aufhebung der großen Witwenrente zum 30.09.2016 habe sie ein Arbeitgeberdarlehen mit Schuldanerkenntnis aufnehmen müssen. Danach würden ihr monatlich für den Zeitraum vom Oktober 2016 bis Mai 2017 monatlich 600 EUR gewährt. Dieses Darlehen sei von ihr in monatlichen Raten beginnend ab dem Monat Juni 2017 in Höhe von je 100 EUR zu tilgen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass der Klägerin mit Bescheid vom 31.05.2017 ab 01.06.2017 die große Witwenrente wieder bewilligt worden sei.
Mit Urteil vom 15.11.2017 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass der Rentenbescheid vom 12.05.2016 gegenüber dem Rentenbescheid vom 22.08.2005 eine eigenständige Regelung und nicht nur eine wiederholende Verfügung enthalten habe. Im Übrigen sei dem Rentenbescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen, sodass die Klägerin davon ausgehen konnte und durfte, dass sie gegen den Bescheid in vollem Umfang Widerspruch erheben kann. Unter Darlegung der einschlägigen Rechtsvorschriften hat es weiter ausgeführt, dass zwar richtig sei, dass der Witwenrente eine Unterhaltsersatzfunktion zukomme. Bei der Betrachtung der Witwenrente könne es aber nicht darauf ankommen, ob sich das zu erziehende Kind nach Vollendung des 18. Lebensjahres noch in der Ausbildung befinde und seinen Lebensunterhalt alleine finanzieren könne, weil es einen eigenen Anspruch auf Rente aus dem Versicherungskonto des Verstorbenen habe. Ein Vergleich von § 48 Abs. 4 SGB VI mit § 46 Abs. 2 SGB VI ergebe, dass sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen der Tatsache bewusst gewesen sei, dass ein Kind auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres aufgrund schulischer und beruflicher Ausbildung auf Unterhaltsleistungen angewiesen sein könne. Trotzdem sei eine Differenzierung in den § 46 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI nicht mit aufgenommen worden, von einer Gesetzeslücke könne mithin nicht ausgegangen werden. Schließlich müsse sich die Klägerin entgegenhalten lassen, dass sie bereits bei Bekanntgabe des ursprünglichen Rentenbescheides vom 22.08.2005 Kenntnis von den Voraussetzungen der Gewährung einer großen Witwenrente gehabt habe. Denn auch dieser Bescheid habe die entsprechenden Hinweise enthalten.
Gegen das ihr am 27.11.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.12.2017 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. November 2017 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr auch über den 30. September 2016 hinaus und bis 31. Mai 2017 große Witwenrente in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Berufungsbegründung keine neuen Tatsachen enthalte, die nicht schon berücksichtigt worden wären. Für die Auslegung des Begriffs der Erziehungszeit im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung seien in erster Linie die Grundsätze des im Familienrecht verwendeten Begriffs der Erziehung zu beachten. Im Vordergrund stehe das Personensorgerecht, also Rechte und Pflichten zur Pflege, Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmung des Kindes. Die unterhaltsrechtliche Beziehung zwischen Hinterbliebenen eines Elternteils und des Kindes sei nicht ausschlaggebend. Der Tatbestand der Erziehung ende spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 12.05.2016 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2016), mit welchem die Beklagte die mit Bescheid vom 22.08.2005 und Bescheid vom 14.02.2008 gewährte große Witwenrente neu berechnete. Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die darin erneut enthaltene Befristung der Rente auf die Vollendung des 18. Lebensjahres ihres Sohnes, mithin gegen die Befristung der Rente auf den Ablauf des 30.09.2016.
Die Klage war nicht schon deshalb unbegründet, weil die Beklagte zu Recht auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs abgestellt hat. Vielmehr teilt der Senat die Auffassung des SG, dass es sich hierbei nicht lediglich um eine wiederholende Verfügung gehandelt hat. Gegen eine wiederholende Verfügung, die wegen fehlender Rechtsfolgensetzung keine Regelung enthält und damit kein Verwaltungsakt i.S. d. § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 07.04.2016 – B 5 R 26/15 R –, SozR 4-2600 § 89 Nr. 3, Rn. 19), spricht auch nach der Überzeugung des Senats, dass sich die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 12.05.2016 an keiner Stelle auf die Bestandskraft des Bescheides vom 22.08.2005 (oder 14.02.2008) berufen hat, obwohl die Klägerin durch die dokumentierte Vorsprache am 21.12.2015 und das am 24.02.2016 eingegangenes Schreiben das Anliegen vorgetragen hatte, ihr große Witwenrente auch bis zur Vollendung ihres 45. Lebensjahres zu zahlen. Nachdem der angefochtene Bescheid – abgesehen von einer Rentenanpassung zum 01.07.2016 und einer Berechnung, wonach (auch weiterhin) Einkommen nicht anzurechnen war – keine weitergehenden Regelungen enthielt, ist die vorbehaltlos in dem Bescheid wiedergegebene Entscheidung (auch) zu einer Befristung der Witwenrentenzahlung bis 30.09.2016 nach dem Empfängerhorizont, wenn nicht schon als ersetzende Regelung, die den Rechtsweg eröffnet, so doch als eine Entscheidung aufzufassen, die die bereits getroffene Regelung überprüft. Damit ist die Anfechtung der vorgenommenen Befristung auf den 30.09.2016 mit dem Ziel der Gewährung der Witwenrente über den 30.09.2016 hinaus zulässig.
Ein solcher Anspruch besteht allerdings nicht, wie das SG ebenso zutreffend festgestellt hat. Gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI in der bis 31.12.2007 anzuwendenden Fassung (vgl. Bekanntmachung der Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 19.02.2002, BGBl. I Seite 754 ff.) und § 242a Abs. 5 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie 1. ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, 2. das 45. Lebensjahr vollendet haben oder 3. erwerbsgemindert sind. Als Kinder werden gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auch (1.) Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind und (2.) Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden, berücksichtigt. Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich. § 102 SGB VI bestimmt zudem, dass große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten auf das Ende des Kalendermonats befristet werden, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet.
Insoweit ist der angefochtene Bescheid nicht schon deshalb zu beanstanden, weil er – wie bereits die Bescheide vom 22.08.2005 und 14.02.2008 zuvor – die Bewilligung auf den Ablauf des Monats befristet hat, in welchem das Kind der Klägerin das 18. Lebensjahr vollendet hat. Denn § 100 Abs. 3 Satz 1 SGB VI bestimmt den Zeitpunkt der Beendigung des Rentenzahlungsanspruches bei einem Wegfall aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (hier die Vollendung des 18. Lebensjahres, § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) auf den Beginn des Kalendermonats, zu dessen Beginn der Wegfall wirksam wird. Nachdem der Sohn des verstorbenen Versicherten und der Klägerin am 04.09.2016 sein 18. Lebensjahr (und damit noch nicht zu Beginn des Monats September) vollendet hatte, war die gewährte Witwenrente ab dem 01.10.2016 nicht mehr zu zahlen.
Dass die übrigen Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 SGB VI (keine Wiederheirat der Klägerin, Erfüllung der allgemeinen Wartezeit durch den Versicherten) erfüllt sind, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und auch sonst nicht zweifelhaft. Darüber hinaus war die Klägerin im streitigen Zeitraum weder erwerbsgemindert (§ 46 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB VI), noch war der Sohn der Klägerin in dem hier relevanten Zeitraum wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten (§ 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI).
Der Anspruch auf die Zahlung einer Witwenrente über den 30.09.2016 hinaus ist aber schon deshalb nicht gegeben, weil die 1972 geborene Klägerin bei Vollendung des 18. Lebensjahres ihres Sohnes selbst ihr 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Die Regelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist entgegen der Auffassung der Klägerin abschließend und lässt keine erweiternde Auslegung zu.
Soweit die Klägerin den Anspruch auf Weiterzahlung der Witwenrente über das 18. Lebensjahr hinaus mit dem Tatbestandsmerkmal "Erziehung" begründen will, ist dies für den Senat nur bedingt nachvollziehbar. Insoweit meint die Klägerin, aus dem Tatbestandsmerkmal "Erziehung" lasse sich der Sinn und Zweck der Vorschrift bzw. die Verpflichtung des Gesetzgebers ableiten, jedenfalls in finanzieller Hinsicht den Status quo der Witwe und ihres Sohnes auch über dessen 18. Lebensjahr hinaus zu sichern. Ob und inwieweit der damit angesprochene Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes von der Sorge für die "sittliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes" als Inbegriff aller Maßnahmen, durch die das Kind zur Mündigkeit gelangen soll (Palandt, BGB, 77. Aufl., § 1631 Rdnr. 2), umfasst sein soll, und was zu einer erweiternden, über den Wortlaut der Regelung hinausgehenden Auslegung berechtigen soll, bleibt in den Ausführungen unklar. Der Gesetzgeber hat insoweit eindeutig geregelt, dass der Anspruch auf große Witwenrente in dieser Konstellation von zwei Bedingungen abhängig sein soll: nämlich der Erziehung eines eigenen oder eines Kindes des versicherten Ehegatten und zum anderen eines Kindes, welches das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Auffassung verkennt, dass es sich bei dem Witwenrentenanspruch um einen Anspruch der Klägerin handelt, der ihr die Möglichkeit verschaffen soll, sich ihrer gesetzlich normierten Erziehungsfunktion in vollem Umfang zu widmen, ohne durch eine Erwerbstätigkeit dabei beeinträchtigt zu werden. Mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes endet indes die Erziehungspflicht der Witwe und das volljährige Kind kann über seine Ausbildung eigenverantwortlich bestimmen, weshalb hier keine Erziehung mehr vorliegt, sondern Unterhalt oder Unterhaltsansprüche.
Dementsprechend war schon unter Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), die im bis 31.12.1991 anwendbaren § 1268 Abs. 2 RVO bzw. § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVG eine vergleichbare Regelung enthielten (Anspruch auf Witwenrente, "solange der Berechtigte mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht "), geklärt, dass die Erziehung eines waisenrentenberechtigenden Kindes mit dessen Volljährigkeit endet. In einer Entscheidung, die nach einer ständigen Rechtsprechung diesbezüglich (BSG, Urteile vom 30.08.1967 – 4 RJ 43/67 –, BSGE 27, 139, SozR Nr. 9 zu § 1268 RVO; vom 11.07.1974 – 4 RJ 205/73 –, BSGE 38, 44-46, SozR 2200 § 1268 Nr. 3) den Fall nach der Herabsetzung der Volljährigkeitsgrenze auf 18 Jahre zu beurteilen hatte, hat das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nicht auf das Lebensalter des Kindes, sondern auf das Recht und die Pflicht der Witwe abgestellt hat, das Kind zu erziehen. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres wurde ein Kind nach § 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. d. F. des seit 1. Januar 1975 geltenden VolljG volljährig und war der elterlichen Gewalt damit nicht mehr unterworfen (§ 1626 BGB). Darauf, ob das noch waisenrentenberechtigte Kind über das 18. Lebensjahr hinaus weiterhin erzieherisch betreut wurde, kommt es nicht an (BSG, Urteil vom 16.12.1980 – 11 RA 102/79 –, juris). Diese Rechtsauffassung hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt und Grundrechtsverletzungen verneint (Beschluss vom 24.10.1974 – 1 BvR 972/79 –, SozR 2200 zu § 1268 RVO Nr. 17 zu § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVG). Ergänzend wies es darauf hin, dass dem Unterhaltsbedarf volljähriger Waisen oder Halbwaisen, die sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden, nicht durch die Witwenrente, sondern durch die Regelungen über die Gewährung verlängerter Waisenrente und ggf. durch andere gesetzliche Regelungen (BAföG) Rechnung getragen wird. Mit der Neufassung des Anspruches auf Witwenrenten und der Einfügung des 18. Lebensjahres in § 46 Abs. 2 SGB VI hat der Gesetzgeber dies auch nochmals ausdrücklich klargestellt.
Die große Witwenrente unterliegt auch mit Blick auf das Renteneintrittsalter mit Vollendung des 45. Lebensjahres und unter Berücksichtigung anzurechnenden Einkommens keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998 – 1 BvR 1318/86 –, BVerfGE 97, 271 ff.). Die Hinterbliebenenrente stellt eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung dar, die ohne Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten erbracht wird, sie dient der Sicherung von Familienangehörigen im Rahmen des dem Sozialversicherungssystems eigenen Gedankens des sozialen Ausgleichs (BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998, a.a.O.). Unter Berücksichtigung dessen ist – auch wenn der Anspruchsbeginn mit dem 45. Lebensjahr (unabhängig von der Frage der Betreuung minderjähriger Kinder) gegriffen erscheint – nicht ersichtlich, weswegen der Gesetzgeber gehalten gewesen sein sollte, unabhängig von den vom ihm im Gesetz berücksichtigten Umständen (Erziehung Minderjähriger, eigene Erwerbsminderung, Sorge für ein wegen einer Behinderung erwerbsgemindertes Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat), den sozialen Ausgleich noch vor der Vollendung des 45. Lebensjahres vorzusehen. Denn das Gesetz trägt der begründeten Erwartung Rechnung, dass ein vergleichsweise junger Witwer, eine vergleichsweise junge Witwe, die die genannten weiteren Voraussetzungen nicht erfüllt, in der Lage ist, für den eigenen Lebensunterhalt durch das Erzielen von Erwerbseinkommen selbst zu sorgen.
Diese Wertung im Rentenversicherungsrecht entspricht zudem der in anderen Rechtsgebieten, etwa im Unterhaltsrecht, wonach im Bereich des nachehelichen Unterhaltsanspruches Erwerbsobliegenheiten bereits ab dem 4. Lebensjahr bestehen (§ 1570 BGB) und eine Verlängerung von Billigkeitsgesichtspunkten abhängt, die sich an der Zumutbarkeit orientieren.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht obsiegt hat.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung einer großen Witwenrente über den 30.09.2016 hinaus hat.
Die 1972 geborene Klägerin beantragte am 14.06.2005 die Gewährung einer Witwenrente, nachdem ihr 1967 geborener Ehemann, mit dem sie seit 1998 verheiratet war, 2005 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte.
Mit Bescheid vom 22.08.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente ab dem 04.06.2005 mit einem monatlichen Zahlbetrag ab 01.10.2005 i. H. v. 534,80 EUR. Des Weiteren verfügte die Beklagte, dass die Rente befristet ist und mit dem 30.09.2016 wegfällt. Mit einem Bescheid vom 14.02.2008 berechnete die Beklagte die "bisherige große Witwenrente" ab 01.10.2005 neu, errechnete eine Nachzahlung für die Zeit vom 01.10.2005 bis 31.03.2008 und wies – wie bereits im Bescheid vom 22.08.2005 – unter der Rubrik "Dauer des Leistungsbezuges" darauf hin, dass der Rentenanspruch befristet sei, weil er nur für die Dauer der Kindererziehung, längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des jüngsten Kindes bestehe. Die große Witwenrente ende mit dem 30.09.2016, ohne dass ein weiterer Bescheid erteilt werde. Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass die große Witwenrente auf Antrag weiter geleistet werde, wenn Erwerbsminderung vorliege oder mindestens ein Kind erzogen werde, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe oder für ein Kind gesorgt werde, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung nicht selbst für seinen Unterhalt aufkommen könne.
Dem 1998 geborenen, ehelichen Sohn des Versicherten bewilligte die Beklagte eine Halbwaisenrente, die auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus (während der Schulausbildung und eines Freiwilligen Sozialen Jahres) gewährt wurde.
Nach einem persönlichen Beratungsgespräch bei der Beklagten am 21.12.2015 wandte sich die Klägerin am 24.02.2016 schriftlich an die Beklagte und äußerte ihr Unverständnis über die Auskunft, dass sie keine Witwenrente mehr bekomme, wenn ihr Sohn das 18. Lebensjahr vollendet habe, weil sie zu diesem Zeitpunkt erst 44 Jahre und nicht 45 Jahre alt sei.
Mit einem weiteren Bescheid vom 12.05.2016 berechnete die Beklagte die große Witwenrente ab dem 01.07.2016 neu und stellte nunmehr den monatlichen Zahlbetrag i. H. v. 670,05 EUR fest. Auf Seite 2 dieses Bescheides ("Ende ihrer Rente") wies die Beklagte erneut darauf hin, dass der Rentenanspruch befristet sei, weil er nur für die Dauer der Kindererziehung, längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des jüngsten Kindes bestehe. Die Witwenrente ende mit dem 30.09.2016, ohne dass ein weiterer Bescheid erteilt werde. Ferner enthielt der Bescheid Hinweise, unter welchen Voraussetzungen die große Witwenrente auf Antrag weitergezahlt werde.
Hiergegen legte die Klägerin am 03.06.2016 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf ihr Schreiben vom 21.02.2016. Die Streichung der Witwenrente aufgrund der Volljährigkeit ihres Sohnes Luca und der Tatsache, dass sie erst 44 Jahre und nicht 45 Jahre alt sei, akzeptiere sie so nicht und widerspreche daher dem Rentenbescheid. Ihr Sohn sei ab dem 01.10.2016 nicht in der Lage, alleine für seinen Unterhalt zu sorgen, da er noch bis Mai 2017 Schüler sei, dann erst Abitur mache und somit keine Einnahmen habe. Die Streichung der Witwenrente aufgrund ihres Alters sei für sie nicht nachvollziehbar, weil der Sohn noch kein eigenes Einkommen in dieser Zeit, bis sie selbst 45 Jahre alt werde, habe und weiterhin von ihr persönlich und finanziell betreut werden müsse. Die 223,05 EUR Halbwaisenrente reichten bei Weitem nicht aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass die Befristung der Rente bereits durch den Bescheid vom 22.08.2005 geregelt worden sei. Der am 26.07.2016 eingegangene Widerspruch sei verspätet, ohne dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.09.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und mit Blick auf § 46 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) darauf hingewiesen, dass Erziehung im Sinne des § 46 SGB VI die Sorge für die sittliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes sei, sie sei der Inbegriff aller Maßnahmen, durch die das Kind zur Mündigkeit gelangen soll. Die Erziehung sei weit auszulegen. Zu ihr gehörten alle Maßnahmen, die dazu bestimmt und darauf gerichtet seien, die körperliche, geistige, seelische, sittliche und charakterliche Entwicklung des Kindes zu beeinflussen. Ob die Maßnahme objektiv dazu geeignet und erfolgreich sei, sei unerheblich. Vorliegend sei nach Sinn und Zweck der Vorschrift zu fragen. Maßgebend sei dabei die Sicherung des Status quo der Witwe sowie des gemeinsamen Kindes. Vorliegend befinde sie sich in einem Grenzfall. Im Monat September 2016 habe der Sohn das 18. Lebensjahr vollendet, im Mai 2017 werde sie 45 Jahre alt, weswegen vorliegend ein streitgegenständlicher Zeitraum von insgesamt acht Monaten zu überbrücken sei. Festzuhalten sei, dass sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die ihres Sohnes nicht geändert hätten und auch, jedenfalls bis Mai 2017, nicht ändern würden. Der Sohn befinde sich nach wie vor in der Schulausbildung. Es sei nicht möglich, vorab eine Ausbildung zu beginnen und damit zur Finanzierung des Status quo beizutragen. Sinn und Zweck des Gesetzgebers könne es nicht sein, Heranwachsende in dieser Situation um ihren Schulabschluss zu bringen, bzw. diese vor die Problematik zu stellen, ob sie die Schule abbrechen, um die Mutter finanziell zu unterstützen oder ein finanzielles Loch, aus eigenen Gründen, nämlich zum Abschluss der Schulausbildung, zu reißen. Gerade in derart gelagerten Fällen müsse eine Entscheidung im Einzelfall erfolgen. Das Gesetz sei insoweit nicht abschließend. Aufgrund der Aufhebung der großen Witwenrente zum 30.09.2016 habe sie ein Arbeitgeberdarlehen mit Schuldanerkenntnis aufnehmen müssen. Danach würden ihr monatlich für den Zeitraum vom Oktober 2016 bis Mai 2017 monatlich 600 EUR gewährt. Dieses Darlehen sei von ihr in monatlichen Raten beginnend ab dem Monat Juni 2017 in Höhe von je 100 EUR zu tilgen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass der Klägerin mit Bescheid vom 31.05.2017 ab 01.06.2017 die große Witwenrente wieder bewilligt worden sei.
Mit Urteil vom 15.11.2017 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass der Rentenbescheid vom 12.05.2016 gegenüber dem Rentenbescheid vom 22.08.2005 eine eigenständige Regelung und nicht nur eine wiederholende Verfügung enthalten habe. Im Übrigen sei dem Rentenbescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen, sodass die Klägerin davon ausgehen konnte und durfte, dass sie gegen den Bescheid in vollem Umfang Widerspruch erheben kann. Unter Darlegung der einschlägigen Rechtsvorschriften hat es weiter ausgeführt, dass zwar richtig sei, dass der Witwenrente eine Unterhaltsersatzfunktion zukomme. Bei der Betrachtung der Witwenrente könne es aber nicht darauf ankommen, ob sich das zu erziehende Kind nach Vollendung des 18. Lebensjahres noch in der Ausbildung befinde und seinen Lebensunterhalt alleine finanzieren könne, weil es einen eigenen Anspruch auf Rente aus dem Versicherungskonto des Verstorbenen habe. Ein Vergleich von § 48 Abs. 4 SGB VI mit § 46 Abs. 2 SGB VI ergebe, dass sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen der Tatsache bewusst gewesen sei, dass ein Kind auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres aufgrund schulischer und beruflicher Ausbildung auf Unterhaltsleistungen angewiesen sein könne. Trotzdem sei eine Differenzierung in den § 46 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI nicht mit aufgenommen worden, von einer Gesetzeslücke könne mithin nicht ausgegangen werden. Schließlich müsse sich die Klägerin entgegenhalten lassen, dass sie bereits bei Bekanntgabe des ursprünglichen Rentenbescheides vom 22.08.2005 Kenntnis von den Voraussetzungen der Gewährung einer großen Witwenrente gehabt habe. Denn auch dieser Bescheid habe die entsprechenden Hinweise enthalten.
Gegen das ihr am 27.11.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.12.2017 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. November 2017 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr auch über den 30. September 2016 hinaus und bis 31. Mai 2017 große Witwenrente in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Berufungsbegründung keine neuen Tatsachen enthalte, die nicht schon berücksichtigt worden wären. Für die Auslegung des Begriffs der Erziehungszeit im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung seien in erster Linie die Grundsätze des im Familienrecht verwendeten Begriffs der Erziehung zu beachten. Im Vordergrund stehe das Personensorgerecht, also Rechte und Pflichten zur Pflege, Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmung des Kindes. Die unterhaltsrechtliche Beziehung zwischen Hinterbliebenen eines Elternteils und des Kindes sei nicht ausschlaggebend. Der Tatbestand der Erziehung ende spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 12.05.2016 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2016), mit welchem die Beklagte die mit Bescheid vom 22.08.2005 und Bescheid vom 14.02.2008 gewährte große Witwenrente neu berechnete. Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die darin erneut enthaltene Befristung der Rente auf die Vollendung des 18. Lebensjahres ihres Sohnes, mithin gegen die Befristung der Rente auf den Ablauf des 30.09.2016.
Die Klage war nicht schon deshalb unbegründet, weil die Beklagte zu Recht auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs abgestellt hat. Vielmehr teilt der Senat die Auffassung des SG, dass es sich hierbei nicht lediglich um eine wiederholende Verfügung gehandelt hat. Gegen eine wiederholende Verfügung, die wegen fehlender Rechtsfolgensetzung keine Regelung enthält und damit kein Verwaltungsakt i.S. d. § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 07.04.2016 – B 5 R 26/15 R –, SozR 4-2600 § 89 Nr. 3, Rn. 19), spricht auch nach der Überzeugung des Senats, dass sich die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 12.05.2016 an keiner Stelle auf die Bestandskraft des Bescheides vom 22.08.2005 (oder 14.02.2008) berufen hat, obwohl die Klägerin durch die dokumentierte Vorsprache am 21.12.2015 und das am 24.02.2016 eingegangenes Schreiben das Anliegen vorgetragen hatte, ihr große Witwenrente auch bis zur Vollendung ihres 45. Lebensjahres zu zahlen. Nachdem der angefochtene Bescheid – abgesehen von einer Rentenanpassung zum 01.07.2016 und einer Berechnung, wonach (auch weiterhin) Einkommen nicht anzurechnen war – keine weitergehenden Regelungen enthielt, ist die vorbehaltlos in dem Bescheid wiedergegebene Entscheidung (auch) zu einer Befristung der Witwenrentenzahlung bis 30.09.2016 nach dem Empfängerhorizont, wenn nicht schon als ersetzende Regelung, die den Rechtsweg eröffnet, so doch als eine Entscheidung aufzufassen, die die bereits getroffene Regelung überprüft. Damit ist die Anfechtung der vorgenommenen Befristung auf den 30.09.2016 mit dem Ziel der Gewährung der Witwenrente über den 30.09.2016 hinaus zulässig.
Ein solcher Anspruch besteht allerdings nicht, wie das SG ebenso zutreffend festgestellt hat. Gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI in der bis 31.12.2007 anzuwendenden Fassung (vgl. Bekanntmachung der Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 19.02.2002, BGBl. I Seite 754 ff.) und § 242a Abs. 5 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie 1. ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, 2. das 45. Lebensjahr vollendet haben oder 3. erwerbsgemindert sind. Als Kinder werden gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auch (1.) Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind und (2.) Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden, berücksichtigt. Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich. § 102 SGB VI bestimmt zudem, dass große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten auf das Ende des Kalendermonats befristet werden, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet.
Insoweit ist der angefochtene Bescheid nicht schon deshalb zu beanstanden, weil er – wie bereits die Bescheide vom 22.08.2005 und 14.02.2008 zuvor – die Bewilligung auf den Ablauf des Monats befristet hat, in welchem das Kind der Klägerin das 18. Lebensjahr vollendet hat. Denn § 100 Abs. 3 Satz 1 SGB VI bestimmt den Zeitpunkt der Beendigung des Rentenzahlungsanspruches bei einem Wegfall aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (hier die Vollendung des 18. Lebensjahres, § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) auf den Beginn des Kalendermonats, zu dessen Beginn der Wegfall wirksam wird. Nachdem der Sohn des verstorbenen Versicherten und der Klägerin am 04.09.2016 sein 18. Lebensjahr (und damit noch nicht zu Beginn des Monats September) vollendet hatte, war die gewährte Witwenrente ab dem 01.10.2016 nicht mehr zu zahlen.
Dass die übrigen Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 SGB VI (keine Wiederheirat der Klägerin, Erfüllung der allgemeinen Wartezeit durch den Versicherten) erfüllt sind, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und auch sonst nicht zweifelhaft. Darüber hinaus war die Klägerin im streitigen Zeitraum weder erwerbsgemindert (§ 46 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB VI), noch war der Sohn der Klägerin in dem hier relevanten Zeitraum wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten (§ 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI).
Der Anspruch auf die Zahlung einer Witwenrente über den 30.09.2016 hinaus ist aber schon deshalb nicht gegeben, weil die 1972 geborene Klägerin bei Vollendung des 18. Lebensjahres ihres Sohnes selbst ihr 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Die Regelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist entgegen der Auffassung der Klägerin abschließend und lässt keine erweiternde Auslegung zu.
Soweit die Klägerin den Anspruch auf Weiterzahlung der Witwenrente über das 18. Lebensjahr hinaus mit dem Tatbestandsmerkmal "Erziehung" begründen will, ist dies für den Senat nur bedingt nachvollziehbar. Insoweit meint die Klägerin, aus dem Tatbestandsmerkmal "Erziehung" lasse sich der Sinn und Zweck der Vorschrift bzw. die Verpflichtung des Gesetzgebers ableiten, jedenfalls in finanzieller Hinsicht den Status quo der Witwe und ihres Sohnes auch über dessen 18. Lebensjahr hinaus zu sichern. Ob und inwieweit der damit angesprochene Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes von der Sorge für die "sittliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes" als Inbegriff aller Maßnahmen, durch die das Kind zur Mündigkeit gelangen soll (Palandt, BGB, 77. Aufl., § 1631 Rdnr. 2), umfasst sein soll, und was zu einer erweiternden, über den Wortlaut der Regelung hinausgehenden Auslegung berechtigen soll, bleibt in den Ausführungen unklar. Der Gesetzgeber hat insoweit eindeutig geregelt, dass der Anspruch auf große Witwenrente in dieser Konstellation von zwei Bedingungen abhängig sein soll: nämlich der Erziehung eines eigenen oder eines Kindes des versicherten Ehegatten und zum anderen eines Kindes, welches das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Auffassung verkennt, dass es sich bei dem Witwenrentenanspruch um einen Anspruch der Klägerin handelt, der ihr die Möglichkeit verschaffen soll, sich ihrer gesetzlich normierten Erziehungsfunktion in vollem Umfang zu widmen, ohne durch eine Erwerbstätigkeit dabei beeinträchtigt zu werden. Mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes endet indes die Erziehungspflicht der Witwe und das volljährige Kind kann über seine Ausbildung eigenverantwortlich bestimmen, weshalb hier keine Erziehung mehr vorliegt, sondern Unterhalt oder Unterhaltsansprüche.
Dementsprechend war schon unter Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), die im bis 31.12.1991 anwendbaren § 1268 Abs. 2 RVO bzw. § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVG eine vergleichbare Regelung enthielten (Anspruch auf Witwenrente, "solange der Berechtigte mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht "), geklärt, dass die Erziehung eines waisenrentenberechtigenden Kindes mit dessen Volljährigkeit endet. In einer Entscheidung, die nach einer ständigen Rechtsprechung diesbezüglich (BSG, Urteile vom 30.08.1967 – 4 RJ 43/67 –, BSGE 27, 139, SozR Nr. 9 zu § 1268 RVO; vom 11.07.1974 – 4 RJ 205/73 –, BSGE 38, 44-46, SozR 2200 § 1268 Nr. 3) den Fall nach der Herabsetzung der Volljährigkeitsgrenze auf 18 Jahre zu beurteilen hatte, hat das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nicht auf das Lebensalter des Kindes, sondern auf das Recht und die Pflicht der Witwe abgestellt hat, das Kind zu erziehen. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres wurde ein Kind nach § 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. d. F. des seit 1. Januar 1975 geltenden VolljG volljährig und war der elterlichen Gewalt damit nicht mehr unterworfen (§ 1626 BGB). Darauf, ob das noch waisenrentenberechtigte Kind über das 18. Lebensjahr hinaus weiterhin erzieherisch betreut wurde, kommt es nicht an (BSG, Urteil vom 16.12.1980 – 11 RA 102/79 –, juris). Diese Rechtsauffassung hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt und Grundrechtsverletzungen verneint (Beschluss vom 24.10.1974 – 1 BvR 972/79 –, SozR 2200 zu § 1268 RVO Nr. 17 zu § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVG). Ergänzend wies es darauf hin, dass dem Unterhaltsbedarf volljähriger Waisen oder Halbwaisen, die sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden, nicht durch die Witwenrente, sondern durch die Regelungen über die Gewährung verlängerter Waisenrente und ggf. durch andere gesetzliche Regelungen (BAföG) Rechnung getragen wird. Mit der Neufassung des Anspruches auf Witwenrenten und der Einfügung des 18. Lebensjahres in § 46 Abs. 2 SGB VI hat der Gesetzgeber dies auch nochmals ausdrücklich klargestellt.
Die große Witwenrente unterliegt auch mit Blick auf das Renteneintrittsalter mit Vollendung des 45. Lebensjahres und unter Berücksichtigung anzurechnenden Einkommens keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998 – 1 BvR 1318/86 –, BVerfGE 97, 271 ff.). Die Hinterbliebenenrente stellt eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung dar, die ohne Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten erbracht wird, sie dient der Sicherung von Familienangehörigen im Rahmen des dem Sozialversicherungssystems eigenen Gedankens des sozialen Ausgleichs (BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998, a.a.O.). Unter Berücksichtigung dessen ist – auch wenn der Anspruchsbeginn mit dem 45. Lebensjahr (unabhängig von der Frage der Betreuung minderjähriger Kinder) gegriffen erscheint – nicht ersichtlich, weswegen der Gesetzgeber gehalten gewesen sein sollte, unabhängig von den vom ihm im Gesetz berücksichtigten Umständen (Erziehung Minderjähriger, eigene Erwerbsminderung, Sorge für ein wegen einer Behinderung erwerbsgemindertes Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat), den sozialen Ausgleich noch vor der Vollendung des 45. Lebensjahres vorzusehen. Denn das Gesetz trägt der begründeten Erwartung Rechnung, dass ein vergleichsweise junger Witwer, eine vergleichsweise junge Witwe, die die genannten weiteren Voraussetzungen nicht erfüllt, in der Lage ist, für den eigenen Lebensunterhalt durch das Erzielen von Erwerbseinkommen selbst zu sorgen.
Diese Wertung im Rentenversicherungsrecht entspricht zudem der in anderen Rechtsgebieten, etwa im Unterhaltsrecht, wonach im Bereich des nachehelichen Unterhaltsanspruches Erwerbsobliegenheiten bereits ab dem 4. Lebensjahr bestehen (§ 1570 BGB) und eine Verlängerung von Billigkeitsgesichtspunkten abhängt, die sich an der Zumutbarkeit orientieren.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht obsiegt hat.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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