L 8 P 15/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 4 P 62/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 P 15/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 27/17 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für erbrachte Leistungen der Verhinderungspflege.

Die Klägerin war die Lebensgefährtin des 1961 geborenen und 2015 verstorbenen B. B., der bei der Beklagten pflegeversichert war und aufgrund Pflegebedürftigkeit Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung bezog. Mit zwei vom 7. September 2015 datierenden und bei der Beklagten am 19. November 2015 eingegangenen Anträgen beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen bei Verhinderung einer Pflegeperson. Dazu gab die Klägerin an, ein Herr C. habe in den nachfolgend aufgeführten Zeiträumen, in der sie selbst an der Pflege des verstorbenen Versicherten verhindert gewesen sei, Verhinderungspflege erbracht: vom 1. Oktober bis 12. Oktober 2014, vom 8. Dezember bis 19. Dezember 2014, im Jahr 2015 jeweils dienstags und donnerstags je vier Stunden aufgrund ihrer eigenen Teilzeitbeschäftigung und allgemeiner Zustandsverschlechterung von Herrn B. Herr C. bestätigte auf den Antragsformularen, von Herrn B. für die Verhinderungspflege im Jahr 2014 einen Betrag von 1.550,- EUR und für die Verhinderungspflege im Jahr 2015 insgesamt 2.418,- EUR erhalten zu haben.

Mit Bescheid vom 23. November 2015 lehnte die Beklagte die Anträge ab. Da der vorliegende Antrag erst nach dem Tod des Versicherten gestellt worden sei, sei eine Leistungsübernahme nicht möglich.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 Widerspruch und trug vor, es sei ihr nicht mehr möglich gewesen, Herrn B. wegen seiner schweren immer weiter fortschreitenden Krankheit alleine zu pflegen. Zugleich legte sie einen Vermerk des Amtsgerichts Kassel - Zweigstelle Hofgeismar - vom 1. März 2016 vor, wonach Herr D. B. (als Bruder des verstorbenen B. B.) die Erbschaft ausgeschlagen hatte. In den Verwaltungsakten findet sich weiter ein Schreiben des Amtsgerichts Kassel - Zweigstelle Hofgeismar - vom 2. November 2015, wonach als mögliche Erben des verstorbenen Versicherten Herr D. B. sowie Herr E. (beides Brüder des verstorbenen B. B.) in Betracht kämen. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Anspruch auf Geldleistungen erlösche mit dem Tod des Berechtigten, wenn sie zu diesem Zeitpunkt weder festgestellt seien noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig sei (§ 59 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I –). Die Anträge seien nach dem Tod des Versicherten und damit verspätet gestellt. Zudem sei die Stellung der Klägerin als Rechtsnachfolgerin nicht nachgewiesen.

Am 7. Juni 2016 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben und vorgetragen, Herr C. habe die Geldleistungen nicht von Herrn B., sondern von ihr erhalten. Der Antrag für die Verhinderungspflege sei schon im Juli 2015 fertig gewesen, dann sei die plötzlich sehr schwere Krankheit des Herrn B. B. dazugekommen, so dass sie die Anträge erst am 7. September 2015 an die Beklagte geschickt bzw. abgegeben habe. In den Richtlinien der Pflege heiße es, Anträge könnten auch im Nachhinein gestellt werden. Rechtsnachfolger von Herrn B. sei dessen Bruder, der sie aber beauftragt habe, die Angelegenheit klären zu lassen.

Das Sozialgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 30. Januar 2017 die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig und unbegründet. Aus § 16 SGB I ergebe sich, dass nur der leistungsberechtigte Versicherte oder eine von ihm beauftragte oder bevollmächtigte Person einen Antrag auf Sozialleistungen stellen könne. Vorliegend seien beide Anträge vom 7. September 2015 nicht von dem leistungsberechtigten B. B., sondern von der Klägerin gestellt worden, die nach dem Tod des Herrn B. nicht sein Rechtsnachfolger geworden sei. Rechtsnachfolger seien vielmehr nach der Auskunft des Amtsgerichts Kassel seine Brüder E. und D. B. Die Klägerin habe weder im Verwaltungsverfahren noch vor Gericht eine Vollmacht oder eine Beauftragung vorgelegt, die sie berechtigt hätte, den vorliegenden Antrag zu stellen, weshalb die Klage bereits unzulässig sei. Die Klage sei aber auch unbegründet, da der Anspruch erloschen sei. Nach § 59 Satz 2 SGB I würden Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt seien noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig sei. Herr B. sei am xx. xxx 2015 verstorben, der Antrag jedoch erst am 7. September 2015 gestellt worden. Der Klägerin sei es möglich gewesen, die Anträge rechtzeitig vor dem Tod des Versicherten zu stellen.

Gegen das am 11. Februar 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 13. März 2017, Berufung eingelegt.

Sie macht geltend, der betreuende Pflegedienst habe ihr bestätigt, dass Anträge auf Verhinderungspflege auch im Nachhinein gestellt werden könnten. Hierauf habe sie sich verlassen. Es stehe nirgendwo, dass der Antrag nach dem Tod nicht mehr gestellt werden könne. Sie habe ihren Lebenspartner verloren und das Geld für die Verhinderungspflege. Es sei ihr wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes nicht möglich gewesen, die Anträge zeitnah zu stellen. Sie sei die Rechtsnachfolgerin des Herrn D. B., denn sie habe dessen Vollmacht.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Januar 2017 sowie den Bescheid vom 23. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Verhinderungspflege in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt 3.968,- EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung war, Bezug genommen. Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Beschluss der Berufsrichter des Senats ohne mündliche Verhandlung gehört worden.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist bereits unzulässig. Die Klägerin fehlt es an der Prozessführungsbefugnis (vgl. hierzu allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, vor § 51 Rn. 15). Denn sie hat nicht dargelegt, dass sie überhaupt berechtigt ist, den geltend gemachten Anspruch in eigenem Namen vor Gericht zu verfolgen. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten auf der Grundlage von § 39 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) einen Geldleistungsanspruch des verstorbenen Versicherten geltend, ohne dass sie darlegt, dass ihr dieser Anspruch zustehen könnte. Der verstorbene Versicherte war pflegebedürftig und erhielt von der Beklagten Pflegeversicherungsleistungen bei häuslicher Pflege. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse die nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr, wenn eine Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert ist (sog. Verhinderungspflege). Soweit durch eine solche Verhinderungspflege Kosten entstanden sind, stehen sie dem Versicherten selbst, im Falle seines Todes seinen Rechtsnachfolgern gemäß §§ 56 ff. SGB I zu. Herr B. ist am xx. xxx 2015 verstorben und die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie seine Rechtsnachfolgerin ist.

Eine sog. Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I scheidet aus. Als Lebensgefährtin des verstorbenen Versicherten gehört die Klägerin bereits nicht zum berechtigten Personenkreis; denn diese Vorschrift erfasst nur Ehegatten, Personen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, Eltern, Kinder sowie verwandte oder verschwägerte Haushaltsführer (§ 56 Abs. 1 und 4 SGB I). Zudem handelt es sich bei dem Anspruch auf Erstattung von Kosten der Verhinderungspflege nicht im Sinne von § 56 Abs. 1 SGB I um "fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen", weil hierunter nur solche Leistungen fallen, die – wie Renten – regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden (Siefert in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand März 2016, § 56 SGB I Rn. 8), während es bei der Verhinderungspflege um den Ersatz der Kosten für den zeitweisen Ausfall der eigentlichen Pflegeperson für vorher nicht feststehende Zeiträume geht.

Eine Rechtsnachfolge der Klägerin wäre daher nur nach Maßgabe von § 58 Satz 1 SGB I möglich. Danach werden fällige Ansprüche auf Geldleistungen, soweit sie nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vererbt. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie Erbin nach Herrn B. ist. Eine testamentarische Erbfolge wird nicht behauptet. Das Amtsgericht Kassel nennt in seiner Auskunft vom 2. November 2015 als mögliche Erben nur die beiden Brüder des Herrn B.

Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe die Vollmacht des Herrn D. B., begründet dies keine Klagebefugnis. Eine solche Bevollmächtigung zur Prozessführung – die bisher auch nicht nachgewiesen ist – wäre schon deshalb unbeachtlich, weil Herr D. B. selbst nicht klagebefugt wäre. Denn er hat nach der Auskunft des Amtsgerichts Kassel vom 1. März 2016 die Erbschaft ausgeschlagen und ist damit nicht Erbe geworden (§ 1953 Abs. 1 BGB).

Die Klage wäre darüber hinaus aber auch unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass einer Vererbung des Anspruchs auf Leistungen der Verhinderungspflege die Vorschrift des § 59 Satz 2 SGB I entgegensteht. Danach erlischt ein Geldleitungsanspruch, wenn er im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt noch ein Verwaltungsverfahren darüber anhängig ist. Vorliegend war am xx. xxx 2015 über einen Anspruch des verstorbenen Versicherten auf Erstattung von Kosten der Verhinderungspflege mangels eines dahingehenden Antrags kein Verwaltungsverfahren anhängig und erst recht keine amtliche Feststellung getroffen. Da die Klägerin mit der Berufung insoweit keinen neuen, rechtlich erheblichen Tatsachen vorträgt, nimmt der Senat auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von weiteren Ausführungen ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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