L 1 SF 215/16 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 21 SF 969/12 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 215/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es widerspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB, wenn ein Rechtsanwalt von der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH unter seiner Beiordnung eine Vergütung fordert, obwohl er oder sein Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 RVG, die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangenen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. April 2008 - L 1 B 33/07 AL), nicht kommt und durch eine Kostenvereinbarung ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch von vornherein unmöglich macht.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 16. September 2015 (S 21 SF 969/12 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdegegners für das Verfahren S 33 AS 3391/11 auf 457,13 Euro festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung für das beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesene Verfahren S 33 AS 3391/11, in dem der Beschwerdegegner die Klägerin vertrat.

Gegenstand der am 12. April 2011 erhobenen Klage waren eine Verletzung des Rechts auf Gewährung von Akteneinsicht durch die Beklagte, die Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 21. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2011, die Abänderung des Bescheides vom 1. November 2010 (vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 in Höhe von 337,75 Euro monatlich), abgeändert durch Bescheid vom 10. März 2011 (vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 in Höhe von 338,41 Euro) und die Gewährung von Leistungen in gesetzlicher Höhe. Des Weiteren begehrte die Klägerin eine Abänderung der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 14. März 2011. Zur Begründung der Klage führte der Beschwerdegegner aus, wegen der rechtswidrigen Ablehnung der beantragten Akteneinsicht habe nicht geprüft werden können, ob die angegriffene Entscheidung rechtmäßig erfolgt sei oder nicht. Die von der Beklagten berücksichtigten Kosten der Unterkunft (KdU) entsprächen nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Die nachgewiesenen KdU seien der Höhe nach angemessen und auch vollständig als Bedarf anzuerkennen. Nach § 22 Abs. 1 SGB II würden laufende und einmalige Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit sie angemessen seien. Darüber hinaus habe die Klägerin ab dem Monat Januar 2011 einen Anspruch auf höhere Regelbedarfe, was sich ebenso auf die Anrechnung des Einkommens des Ehemannes auswirke. Da dem Widerspruch durch den Änderungsbescheid vom 10. März 2011 zumindest teilweise abgeholfen wurde und auch in den übrigen Zeiträumen hätte abgeholfen werden müssen, sei die Beklagte auch verpflichtet, die im Widerspruchsverfahren entstanden notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2011, in dem von 11:50 bis 14:35 Uhr das Verfahren S 33 AS 3391/112 und vier weitere anhängige Rechtsstreitigkeiten der Klägerin und des H. R. behandelt wurden, erteilte die Vorsitzende u.a. Hinweise zum Abzug der Versicherungspauschale und der hierzu ergangenen Rechtsprechung und schlug einen Vergleich vor, dass die Versicherungspauschale zur Hälfte angerechnet wird. Die Klägerin und die Beklagte schlossen daraufhin einen Vergleich, dass die Beklagte einen Betrag in Höhe von 55,50 Euro für den streitigen Zeitraum nachzahlt. Die Beklagte trage 50 v.H. der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach und die Klägerin verpflichtete sich, auf die Geltendmachung der Vergleichsgebühr zu verzichten. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit für erledigt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung bewilligte das SG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete den Beschwerdegegner bei.

Am 26. Januar 2012 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebühren aus der Staatskasse:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 221,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG 190,00 Euro Fahrkosten und Abwesenheitsgeld Vorb. Nr. 7 VV-RVG 5,14 Euro Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 636,14 Euro USt Nr. 7008 VV RVG 120,87 Euro Summe 757,01 Euro

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 7. September 2012 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) den auszuzahlenden Betrag auf 389,30 Euro fest (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 102,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro, Auslagen/Pauschale Nr. 7008 VV-RVG 20,00 Euro, Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG 2,45 Euro, Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG 2,69 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 62,16 Euro). Hinsichtlich der Verfahrensgebühr werde die um 40 v.H. geminderte Mittelgebühr als angemessen erachtet. Die Bedeutung der Angelegenheit sei durchschnittlich, Umfang und Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeiten seien unterdurchschnittlich gewesen. Dies gelte auch für die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin. Hinsichtlich der Terminsgebühr werde die Mittelgebühr als angemessen angesehen. Die beantragte Einigungsgebühr sei "zwar grundsätzlich entstanden", jedoch sei ausweislich des geschlossenen Vergleiches auf deren Geltendmachung verzichtet worden. Eine Festsetzung sei daher nicht möglich.

Hiergegen hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt und beantragt, die Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG in Höhe von 221,00 Euro und die Einigungsgebühr festzusetzen. Er habe an der Verhandlung teilgenommen und einen Vergleich mit der Gegenseite abgeschlos-sen. Der Beschwerdeführer hat beantragt, die Vergütung auf 389,30 Euro festzusetzen und weitergehende Ansprüche abzulehnen.

Mit Beschluss vom 16. September 2015 hat das SG die zu erstattende Vergütung auf 696,32 Euro festgesetzt (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro, Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro, Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld Nr. 7002 VV-RVG 5,14 Euro, Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 111,32 Euro). Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei (allenfalls) durchschnittlich gewesen, ebenso die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Eine unterdurchschnittliche Schwierigkeit erschließe sich nicht. Die konstruktiven und detaillierten Hinweise der Vorsitzenden im Termin zur mündlichen Verhandlung legten das Gegenteil nahe. Die Bedeutung des Rechtsstreits sei für die Klägerin durchschnittlich gewesen. Unter Berücksichtigung der Kostenquote dürfte deren Interesse mangels Bezifferung des Antrages bei ca. 111,00 Euro gelegen haben. Soweit die Klägerin gegenüber der Beklagten auf die Geltendmachung einer Vergleichsgebühr verzichtet habe, entfalte dies nur Rechtswirkungen zwischen den Beteiligten des Vergleichs.

Gegen den am 5. Oktober 2015 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 8. Oktober 2015 Beschwerde eingelegt und die Festsetzung der Vergütung auf 457,13 Euro beantragt. Die Verfahrensgebühr sei in Höhe von 60 v. H. der Mittelgebühr (102,00 Euro) festzusetzen. Der Beschwerdegegner habe lediglich zwei Schriftsätze gefertigt, wovon einer mit Schriftsätzen in anderen Verfahren aufgrund der Verwendung von Textbausteinen identisch sei. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien damit unterdurchschnittlich gewesen. Die Höhe des Vergleichs vom 7. Dezember 2011 sei als Anhaltspunkt für die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber heranzuziehen, weil der Klageantrag nicht beziffert worden sei und sich die Höhe der begehrten Leistung auch nicht aus den Umständen ohne weitere Ermittlungen ergebe. Aus der Kostenquote der Beklagten könne nicht auf eine höhere Bedeutung geschlossen werden. Ein Nachzahlungsbetrag von 55,50 Euro für sechs Monate begründe auch bei Beziehern von SGB II-Leistungen keine durchschnittliche Bedeutung. Die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse würden mithin nicht kompensiert. Im Hinblick auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr sei auch die Einigungsgebühr nach Nrn. 1006, 1000 VV-RVG in Höhe von 60 v.H. der Mittelgebühr (114,00 Euro) angemessen. Der Anspruch auf Erstattung aus der Staatskasse sei jedoch in Höhe von 50 v.H. (57,00 Euro) verwirkt. Es widerspreche Treu und Glauben, wenn der Rechtsanwalt aus der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH unter seiner Beiordnung eine Vergütung fordere, obwohl er oder der Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangenen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unter-stützen, nicht nachkomme und ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstat-tungsanspruch von vornherein unmöglich mache. Es reiche hierfür aus, dass der Rechtsanwalt oder der Mandant in dem Wissen um einen Nachteil für die Staatskasse handelten und hierfür ein hinreichender sachlicher Grund nicht vorhanden sei. Der Beschwerdegegner verweist im Ergebnis auf den erstinstanzlichen Beschluss.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 9. Februar 2016) und die Ak-ten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Berichterstatterin hat das Verfahren mit Be-schluss vom 2. Mai 2018 wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach der aktuellen Geschäftsverteilung des Thüringer Landessozialgerichts der 1. Senat.

Anzuwenden ist das RVG in der Fassung bis 31. Juli 2013 (a.F.), denn die Beiordnung des Beschwerdegegners ist vor diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft (ständige Rechtsprechung des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts, vgl. u.a. Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde ist begründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Klägerin war kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B, m.w.N., nach juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beur-teilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B, nach juris); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Dem Beschwerdegegner steht die Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3103 VV-RVG in Höhe von 1/2 der Mittelgebühr (= 85,00 Euro) zu. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. August 2011 - L 6 SF 872/11 B, nach juris) deutlich unterdurchschnittlich. Der durchschnittliche Umfang orientiert sich am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung am Ablauf eines Verfahrens (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 13. August 2015 - L 6 SF 515/15 B, nach juris), jeweils bezogen auf das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld. Zu berücksichtigen ist der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieb und objektiv verwenden musste (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a.a.O., Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. März 2011 - L 6 SF 1418/10 B, nach juris). Der Beschwerdegegner erhob mit Schriftsatz vom 12. April 2011 Klage, danach erfolgte im PKH-Verfahren noch ein kürzerer Schriftsatz, mit dem er die Erklärung der Klägerin zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen übersandte. Die Ausführungen zur Begründung der Klage hinsichtlich der Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht und zur Zahlung der behaupteten angemessenen Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe sind dem Senat zum Teil aus anderen Verfahren bekannt. Der daraus resultierende Synergieeffekt ist zu berücksichtigen und mindert den Aufwand im Verfahren erheblich (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Juni 2013 - L 6 SF 654/13 B m.w.N., nach juris). Akteneinsicht hat der Beschwerdegegner in diesem Verfahren nicht genommen. Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war unterdurchschnittlich. Eine Subsumtion des tatsächlichen Geschehens unter rechtliche Regelungen ist nur hinsichtlich der dem Senat aus anderen Verfahren bekannten gängigen Rechtsproblematiken (Akteneinsicht, Kosten der Unterkunft, Kosten des Widerspruchsverfahrens) erfolgt und im Übrigen weitgehend unterblieben. Eine Bezifferung des geltend gemachten Anspruchs auf "Leistungen in gesetzlicher Höhe" erfolgte nicht. Zu bedeutenden Rechtsproblemen, Gutachten oder medizinischen Unterlagen hatte der Beschwerdegegner nicht Stellung zu nehmen. Bezüglich der Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin geht es nur um die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a.a.O.). Eine besondere Bedeutung ergibt sich nicht daraus, dass im Hauptsacheverfahren um Ansprüche nach dem SGB II gestritten wurde, denn wesentlich ist die Höhe der geltend gemachten Ansprüche (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 9. Dezember 2015 - L 6 SF 1286/15 B); sie wurden im Klageverfahren nicht beziffert. Ein Anhalt kann daher nur dem Zugeständnis der Beklagten entnommen werden, an die Klägerin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 einen Betrag in Höhe von 55,50 EUR nachzuzahlen. Dies ergibt für die Klägerin einen Nachzahlungsbetrag von monatlich 9,27 Euro. Eine überdurch-schnittliche Bedeutung ergibt sich daraus nicht. Über die Kosten des Widerspruchsverfahrens hat das SG unabhängig von einem Antrag der Klägerin von Amts wegen mit der Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache zu entscheiden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin waren deutlich unterdurchschnittlich und werden nicht kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko des Beschwerdegegners ist nicht erkennbar.

Die Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV-RVG hat der Beschwerdeführer nicht beanstandet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie zu seinen Lasten zu hoch festgesetzt wurde.

Die Erledigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 1006 i.V.m. Nr. 1002 VV-RVG ist in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr (= 95,00 Euro) festzusetzen. Bezüglich des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin wird auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr Bezug genommen.

Die Geltendmachung der Erledigungsgebühr in Höhe der Hälfte (47,50 Euro) ist nach dem allgemein geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)) unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchli-chen Verhaltens ausgeschlossen.

Kostenschuldner des Gebührenanspruchs des Beschwerdegegners ist hier die Staatskasse. Hat sie dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt die ihm aus der Staatskasse nach §§ 45 Abs. 1, 46, 48 Abs. 1 RVG zustehende Vergütung ausgezahlt, geht der dem PKH- Rechtsanwalt nach § 126 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 193 Abs. 2 und Abs. 3 SGG zustehende Erstattungsanspruch gegen den erstattungspflichtigen Gegner auf die Staatskasse über (§ 59 Abs. 1 Satz 1 RVG). Durch den Übergang soll die Staatskasse einen Ausgleich für ihre Aufwendungen zu Gunsten der Partei erhalten. Er setzt allerdings voraus, dass überhaupt die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch gegen den erstattungspflichtigen Gegner gegeben sind. Dies erfordert eine Kostenentscheidung oder eine Regelung in einem Vergleich, nach dem der Gegner der bedürftigen Partei zur Erstattung außergerichtlicher Kosten verpflichtet ist (vgl. Hansen, RVGreport 12/2015, Seite 459). Die Beklagte hatte sich hier in der Hauptsache vergleichsweise verpflichtet, die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach zu tragen. Diese, vertreten durch den Beschwerdegegner, verzichtete gegenüber der Beklagten im Gegenzug ausdrücklich auf die Geltendmachung der Vergleichsgebühr (=Erledigungsgebühr). Aufgrund dieser Erklärung besteht für den Kläger gegen den Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der Gebühr; ein Anspruchsübergang konnte nicht erfolgen.

Es widerspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB (Treu und Glauben), wenn ein Rechtsanwalt - wie hier der Beschwerdegegner - aus der Staatskasse aufgrund der Bewil-ligung von PKH unter seiner Beiordnung eine Vergütung fordert, obwohl er oder sein Mandant entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 RVG, die Staatskasse bei der Beitrei-bung von auf sie übergegangen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. April 2008 - L 1 B 33/07 AL, nach juris), nicht nachgekommen ist und durch eine Kostenvereinbarung ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch von vornherein unmöglich macht (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 13. Mai 2015 - S 133 SF 6211/13, Rn. 9, 10 m.w.N., nach juris; ähnlich Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 23. Auflage 2017, § 55 Rn. 55; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 10. Aufl. 2015 § 45 Rdnr. 33 Rn. 31, Fölsch/Schnapp in Anwaltkommentar RVG, 6. Auflage 2012, § 45 Rn. 45). Es genügt, dass der Rechtsanwalt oder der Mandant dabei in dem Bewusstsein handelt, die Staatskasse ohne einen zwingenden sachlichen Grund zu beeinträchtigen; eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich.

Ein solcher Fall ist hier gegeben: Der Beschwerdegegner hat durch die Kostenvereinbarung vom 7. Dezember 2011 die Beklagte übermäßig entlastet und vor einer Inanspruchnahme seitens der Staatskasse geschützt. Ein sachlicher Grund für den Verzicht auf die Erledigungsgebühr gegenüber der Beklagten ist der Niederschrift des SG nicht zu entnehmen. Der Beschwerdegegner ist aber offensichtlich davon ausgegangen, dass er dem Grunde nach eine Erledigungsgebühr von der Beklagten beanspruchen kann, andernfalls hätte er diese nicht von dem Beschwerdeführer beansprucht.

Zusätzlich zu vergüten sind die Pauschale Nr. 7002 VV-RVG, die Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV-RVG, die Fahrtkosten und das Abwesenheitsgeld nach Nrn. 7003, 7005 VV-RVG und die Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG. Sie sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Damit errechnet sich die Vergütung des Beschwerdegegners wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 85,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG 47,50 Euro Fahrkosten und Abwesenheitsgeld Nrn. 7003, 7005 VV-RVG 5,14 Euro Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 357,64 Euro USt Nr. 7008 VV RVG 67,95 Euro Summe 425,59 Euro

Einer Kürzung der Vergütung auf diesen Betrag steht allerdings der Grundsatz der "reforma-tio in peius" entgegen. Der Beschwerdeführer hat mit der Beschwerde die Festsetzung der Vergütung auf 457,13 Euro beantragt.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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