L 2 U 28/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 217/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 28/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Der Ehemann der Klägerin, Herr S. (im Folgenden: Verstorbener), nahm am xxxxx 2008 an einem Fackelumzug, den die Narrenzunft G. e.V. veranstaltete, teil und verunglückte dabei tödlich. Er war Mitglied des an dieser Veranstaltung teilnehmenden Tauziehvereins D. e.V.

Die Veranstaltung wurde von der zuständigen Behörde, dem Landratsamt B., mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 mit der Auflage genehmigt, dass der Veranstalter ausreichendes Ordnungspersonal bereitstellen müsse. Zusätzlich seien vom Veranstalter für jede Fahrzeugkombination zwei Zugordner zur Begleitung und Aufsicht einzusetzen. Durch diese Begleitpersonen oder durch eine technische Sicherung müsse gewährleistet sein, dass keine Person zwischen Zugfahrzeug und Anhänger gelangen könne. Auf dem Meldebogen der Narrenzunft G. e.V. war vermerkt, dass pro Großwagen mindestens zwei Begleitpersonen (aus der eigenen Gruppe) vorhanden sein müssten, die neben dem Fahrzeug zu gehen und auf die Sicherheit der Teilnehmer und Zuschauer zu achten hätten. In seinen Umzugsrichtlinien verfügte der Verein zudem, dass jede Narrenzunft, Fußgruppe, Kleinwagen und insbesondere die Großwagen, die an den Umzügen teilnähmen, mindestens zwei Personen der Gruppe bestimmen müssten, die neben der Gruppe bzw. dem Wagen herliefen.

Der Verstorbene begleitete beim Umzug den vom Tauziehverein D. e.V. gestalteten Großwagen. Er lief neben dem Wagen her, welcher im Schritttempo bei der Veranstaltung fahren sollte. Im Bereich einer engen Kurve hielt der Verstorbene einen zu geringen Abstand zum Wagen, wurde von diesem erfasst und tödlich verletzt. Im Rahmen der Obduktion wurde beim Verstorbenen eine Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille festgestellt.

Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 21. Mai 2014 das Unfallereignis des Verstorbenen bei der Beklagten als Arbeitsunfall und begehrte Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Tauziehverein D. e.V. teilte mit Schreiben vom 23. Juli 2014 mit, dass eine Teilnahme an den Umzügen freiwillig gewesen sei. Der Verstorbene habe sich freiwillig dazu entschlossen, am xxxxx 2008 als Ordner am Wagen beim Nachtumzug in G. zu laufen.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2015 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aufgrund des Ereignisses vom xxxxx 2008 ab. Der Ehemann der Klägerin sei nicht in Folge eines Arbeitsunfalles verstorben. Der Ehemann sei am xxxxx 2008 weder Beschäftigter des Tauziehvereins D. e.V. gewesen noch für diesen wie ein solcher tätig geworden. Die zum Unfall führende Tätigkeit habe sich vielmehr als Ausfluss seiner mitgliedschaftlichen Verbundenheit mit dem Verein dargestellt. Tätigkeiten, die im Rahmen der Vereinsmitgliedschaft ausgeführt würden, stünden nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 6. März 2015 Widerspruch ein. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass der Verstorbene als Streckenposten für den Verein G. e.V. tätig gewesen sei. Die Verpflichtung Streckenposten aufzustellen, habe den Veranstalter getroffen.

Der Tauziehverein D. e.V. teilte auf weitere Nachfrage mit, dass der Verstorbene nicht als Streckenposten eingesetzt gewesen sei, sondern als Ordner für den Tauziehverein. Er sei nur für seinen eigenen Verein verantwortlich gewesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2015 zurück. Auf Nachfrage beim Tauziehverein D. e.V. habe sich herausgestellt, dass der Verstorbene nicht als Streckenposten eingesetzt gewesen sei, sondern als Ordner die Aufgabe gehabt habe, den Großwagen zu begleiten. Nach Zeugenaussagen habe sich der Ehemann der Klägerin freiwillig entschlossen, als Absicherung neben dem Umzugswagen zu laufen. Ob es sich bei der zum Unfallzeitpunkt ausgeübten Tätigkeit um eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gehandelt habe, sei zudem unwahrscheinlich. Denn nach der Rechtsprechung seien Tätigkeiten im Rahmen vereinsmitgliedschaftlicher Verpflichtungen nicht arbeitnehmerähnlich, da die Erfüllung des Vereinszwecks im Vordergrund stehe. Hierzu gehörten einerseits Tätigkeiten, die ein Verein von seinen Mitgliedern erwarten könne und die der Erwartung entsprechend von den Mitgliedern verrichtet würden und andererseits Tätigkeiten, die durch Satzung oder Beschluss entsprechender Gremien den Mitgliedern auferlegt würden. Es handele sich dabei nicht um dem Erwerbsleben zuzurechnende Tätigkeiten. Vereinsmitglieder stünden bei Tätigkeiten für ihren Verein nur dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie Arbeitsleistungen für den Verein erbringen würden, die über das Maß der mitgliedschaftlichen Verpflichtungen hinausgingen. Der Ehemann der Klägerin sei nachweislich nicht für den Veranstalter G. e.V., sondern nur im Rahmen seiner mitgliedschaftlichen Verpflichtungen für den Tauziehverein D. tätig geworden.

Die Klägerin hat am 24. August 2015 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Es habe sich um einen Arbeitsunfall gehandelt. Die Beklagte gehe irrtümlich davon aus, dass der Verstorbene in seiner Eigenschaft als Vereinsmitglied des Tauziehvereins D. e.V. als Streckenposten eingesetzt gewesen sei und dass seine Beschäftigung daher als Ausfluss einer mitgliedschaftlichen Verbindung stattgefunden habe. Die Verpflichtung zum Aufstellen von Streckenposten habe aber nicht die Vereine, sondern den Veranstalter, die Narrenzunft G. e.V., getroffen. Der Verstorbene sei daher als Wie-Beschäftigter für den Veranstalter tätig geworden. Da er nicht Mitglied der Narrenzunft gewesen sei, habe er seine Tätigkeit gerade nicht aufgrund einer mitgliedschaftlichen Verbundenheit erfüllt, sondern aufgrund des vom Veranstalter erteilten Auftrags. Der Verstorbene sei in Erfüllung einer fremden Pflicht tätig geworden. Die Klägerin bestreite, dass ihr Ehemann nur freiwillig an dem Umzug teilgenommen habe. Wenn der Verstorbene den Umzugswagen nicht abgesichert hätte, dann hätte die Narrenzunft G. e.V. eine andere Person als Ordner einsetzen müssen. Es habe auch aus der Vereinsmitgliedschaft des Verstorbenen keine zwingende Verpflichtung gegeben, die konkrete Tätigkeit als Ordner zu verrichten. Er hätte genauso gut Kaffee und Kuchen verkaufen können. Hätten sich keine freiwilligen Kräfte gefunden, hätten bezahlte Kräfte angeheuert werden müssen.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass der Verstorbene für den Tauziehverein D. e.V. tätig geworden sei und daher eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit nicht vorgelegen habe. Mit dem Anmeldebogen habe sich der Tauziehverein D. verpflichtet, mindestens zwei Begleitpersonen zu stellen, die neben dem Fahrzeug gingen. Der Verstorbene sei für seinen Verein als eine solche Begleitperson tätig geworden. Die Pflicht zur Absicherung habe den Teilnehmer und nicht den Veranstalter getroffen. Dementsprechend hätte auch der Tauziehverein für Ersatz sorgen müssen, wenn die Begleitperson ausgefallen wäre. Für die Frage der Vereinsüblichkeit sei allein wesentlich, ob der Verein erwarten könne, dass bestimmte Aufgaben von geeigneten Mitgliedern wahrgenommen würden, die von den Mitgliedern dieser Erwartung entsprechend verrichtet würden (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. September 1992 – 2 RU 38/91). Das Bundessozialgericht habe beispielhaft solche Tätigkeiten benannt: regelmäßige Arbeiten zur Herrichtung oder Reinigung von Sportplätzen, Ordnungsdienste bei Veranstaltungen, Verkauf von Eintrittskarten, Ausschank von Bier bei einem Vereinsabend (BSG, Urteil vom 31. Januar 1962 – 2 RU 173/58) oder Zeltabbauarbeiten nach einem Straßenfest (BSG, Urteil vom 22. September 1988 – 2/96 RU 78/87). Hinsichtlich des zeitlichen Aufwandes habe das Bundessozialgericht Arbeiten in einem Umfang von drei bis vier Stunden ebenso als Vereinsübung angesehen (BSG, Urteil vom 5. August 1987 – 9b RU 18/86) wie Arbeiten mit einer Dauer von bis zu drei Wochen. Es sei realitätsfern anzunehmen, dass alle möglichen Tätigkeiten, die ein Vereinsmitglied im Rahmen seiner mitgliedschaftlichen Verpflichtungen möglicherweise ausführen müsse, in der Vereinssatzung aufgeführt werden müssten. Nicht alles, was einem Unternehmen objektiv nützlich sei und der Art der Verrichtung nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sei, werde für das Unternehmen und in arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit verrichtet (BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 – 2 RU 15/86). Ausschlaggebend sei die mit dem Tun verbundene Handlungstendenz des Betroffenen. Die Handlungstendenz zeige an, welches Unternehmen in erster Linie und wesentlich unterstützt werde.

Das Sozialgericht Hamburg hat die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2017 im schriftlichen Verfahren abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Feststellung, dass ihr verstorbener Ehemann am xxxxx 2008 einen Arbeitsunfall erlitten habe. Der Verstorbene habe zum Zeitpunkt des Unfallereignisses keine versicherte Tätigkeit verrichtet. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) seien Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründende Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Der Verstorbene habe zur Zeit des Unfalls keine den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit verrichtet. Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter komme nicht in Betracht, denn der Verstorbene habe zum Unfallzeitpunkt in keinem Beschäftigungsverhältnis zum Tauziehverein D. e.V. oder zum Veranstalter des Fackelumzuges, der Narrenzunft G. e.V., gestanden. Der Verstorbene habe auch nicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII als so genannter "Wie-Beschäftigter" zum Unfallzeitpunkt unter Versicherungsschutz gestanden. Die ständige sozialgerichtliche Rechtsprechung habe zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII im Wesentlichen folgende Kriterien entwickelt: • es müsse sich um eine ernste, dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit handeln (Handlungstendenz), • sie müsse dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen, • die Tätigkeit müsse dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sein, d. h. ihrer Art nach von Personen verrichtet werden können, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen können und • unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspreche, also konkret arbeitnehmerähnlich sei. Maßgeblich seien die tatsächlichen Verhältnisse, die sich aus den konkreten Umständen und dem Gesamtbild einer Tätigkeit ergäben. Es könne offenbleiben, ob die ersten drei der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien erfüllt seien, denn die Tätigkeit des Verstorbenen sei nicht unter solchen Umständen geleistet worden, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entsprochen habe, also konkret arbeitnehmerähnlich gewesen sei. Der Verstorbene sei vielmehr aufgrund der Sonderbeziehung (Vereinsmitglied) zum Tauziehverein D. e.V. tätig geworden, als er tödlich verunglückt sei. Auch als "Streckenposten/Ordner" des Veranstalters des Fackelumzuges der Narrenzunft G. e.V. sei er nicht tätig geworden. Nach den äußeren Umständen und der Handlungstendenz stelle die Kammer fest, dass der Verstorbene für den Tauziehverein D. e.V. tätig geworden sei. Für diesen Verein habe nach den Richtlinien des Veranstalters die Verpflichtung bestanden, zwei Begleitpersonen abzustellen, die neben dem Wagen zu gehen hätten. Die Handlungstendenz gebe nach den objektiven Umständen Aufschluss darüber, welches Unternehmen in erster Linie wesentlich habe unterstützt werden sollen. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit müsse diese Handlungstendenz wesentlich auf die Belange des fremden Unternehmens gerichtet sein, damit die Handlung diesem Unternehmen zugerechnet werden könne. Aus den Ermittlungsergebnissen der Beklagten ergebe sich für die Kammer, dass der Verstorbene einer dieser vorgeschriebenen Begleitpersonen gewesen sei, die der Tauziehverein D. e.V. bei der Teilnahme und zur Sicherung seines Großwagens habe einsetzen müssen. Damit sei unmittelbar die Tätigkeit des Tauziehvereins D. e.V. unterstützt worden und nicht die des Veranstalters. Die Kammer könne nicht feststellen, dass der Verstorbene für den Veranstalter habe tätig werden wollen bzw. sollen. Der Umstand, dass die zuständige Behörde dem Veranstalter die Auflage erteilt habe, auch Streckenposten zur Sicherung des Fackelumzuges aufzustellen, sei kein Beleg dafür, dass der Verstorbene zum Unfallzeitpunkt diese konkrete Aufgabe des Veranstalters habe erfüllen wollen. Eine konkret arbeitnehmerähnliche Tätigkeit habe der Verstorbene zum Unfallzeitpunkt nicht verrichtet. Die Tätigkeit sei durch die Sonderbeziehung "Vereinsmitglied" zum Tauziehverein D. e.V. wesentlich geprägt. Tätigkeiten aufgrund einer mitgliedschaftsrechtlichen Verpflichtung seien grundsätzlich vom Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII ausgeschlossen, denn solche Tätigkeiten ähnelten nicht denen eines Beschäftigungsverhältnisses. Eine solche sozial geprägte Sonderbeziehung liege sowohl bei Verwandtschafts-, Freundschafts- und Nachbarschaftsverhältnissen als auch bei Mitgliedschaften in Vereinen und ähnlichen Gemeinschaften vor. Handele es sich um eine selbstverständliche Hilfeleistung oder sei die Tätigkeit durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder sozial geprägten Beziehung gekennzeichnet, so fehle es regelmäßig an einer konkreten Arbeitnehmerähnlichkeit. Selbstverständliche Hilfeleistungen seien solche, die sich ausgehend von der sozial geprägten Sonderbeziehung in einem üblichen und zu erwartenden Rahmen bewegten bzw. dem Vereinszweck entsprächen.

Gegen das ihm am 4. Juli 2017 zugestellte Urteil hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 4. August 2017 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass sich die Ordner/Posten selbst eingeteilt hätten und mitgelaufen seien, wo sie es nach eigener Einschätzung richtig gefunden hätten. Ausschließlich der veranstaltende Verein habe die Verpflichtung gehabt, Streckenposten zum Einsatz zu bringen. Es stehe auch nicht fest, dass der Verstorbene ein Ordner im Sinne der Richtlinie gewesen sei. Wenn der Verstorbene aber ein zusätzlicher Ordner gewesen sei, seien die Überlegungen des Sozialgerichts bereits aus diesem Grund hinfällig. Der Vereinszweck, das Brauchtum zu fördern, könne nie die Verpflichtung eines einzelnen Mitgliedes begründen, bei einer Veranstaltung noch dazu eines anderen Vereins diejenigen Verkehrssicherungspflichten zu erfüllen, die aufgrund einer behördlichen Auflage zunächst ausschließlich dessen Vorstand träfen. Typischerweise würden die Aufgaben von Streckenposten und Ordnern bei Großveranstaltungen von professionellen Dienstleistern übernommen. Dann müssten aber Vereinsmitglieder, die sich außerhalb ihrer mitgliedschaftlichen Verpflichtung zur Verfügung stellten, den Mitarbeitern solcher Dienstleister gleich gestellt werden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. Juni 2017 sowie den Bescheid vom 10. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2015 aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis des Herrn S. vom xxxxx 2008 ein Arbeitsunfall ist, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Anweisungen der Genehmigungsbehörde, wonach der Veranstalter Ordnungspersonal/Streckenposten zu stellen gehabt habe, die sich auch schon rein äußerlich durch das Tragen einer weißen Ordnerbinde von sonstigen Festumzugsbegleitern unterschieden hätten. Auch sei von der Veranstaltungsleiterin kein Mitglied des Tauziehvereins D. e.V. offiziell zum Ordner bestimmt worden. Der Verstorbene habe sich auch nicht selbst als Ordner eingewiesen, sondern sei lediglich der Vereinsverpflichtung zur Wagenbegleitung nachgekommen. Entscheidend seien die Handlungstendenzen des Verstorbenen, insoweit werde auf das vorinstanzliche Urteil verwiesen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag in der Sache gestellt.

Sie ist der Auffassung, dass der Verstorbene nicht aus einer mitgliedschaftlichen Verpflichtung zu Gunsten des Tauziehvereins D. e.V. tätig geworden sei. Es habe sich laut Aussage des Vereinsvorsitzenden Schlegel um eine private Teilnahme des Verstorbenen gehandelt. Es liege keine nach allgemeiner Vereinsübung oder aufgrund von Beschlüssen oder der Satzung gegebene Verpflichtung der Teilnahme vor. Die Beigeladene hat beantragt, ihr ein Schriftsatzrecht bis zum 18. Juli 2018 einzuräumen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozess- und Verwaltungsakte sowie die Sitzungsniederschrift vom 27. Juni 2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung, die insbesondere auch form- und fristgerecht eingelegt worden ist (§ 151 SGG), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Bei dem Ereignis vom xxxxx 2008, bei dem der Ehemann der Klägerin verstarb, handelte es sich nicht um einen Arbeitsunfall. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher folgendes voraus: Eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Diese Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung muss schließlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; BSG, st. Rspr., vgl. nur Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 8/11 R, BSGE 111, 37).

Der verstorbene Ehemann der Klägerin stand weder gegenüber der Narrenzunft G. e.V. noch dem Tauziehverein D. e.V. in einem Beschäftigungsverhältnis. Er war auch nicht als Wie-Beschäftiger im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII für einen der beiden Vereine tätig. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII sind auch Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Wie die inhaltlich übereinstimmende Vorgängerbestimmung des § 539 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) will § 2 Abs. 2 SGB VII aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den Versicherungsschutz auf Tätigkeiten erstrecken, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (st. Rspr.: BSG, Urteil vom 5. Juli 2005 – B 2 U 22/04 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 6). Allerdings ist zu beachten, dass nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt nämlich der mit dem – objektiv arbeitnehmerähnlichen – Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist, ausschlaggebende Bedeutung zu (BSG, a.a.O.). Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII wie ein nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG, a.a.O.).

Der verstorbene Ehemann der Klägerin ist für seinen Verein, den Tauziehverein D. e.V., nicht als Wie-Beschäftigter tätig geworden. Verrichtungen, die aufgrund im Wesentlichen mitgliedschaftlicher Verpflichtungen zu einem Verein geschehen, sind nicht nach Absatz 2 versichert, da es an einem arbeitnehmerähnlichen Abhängigkeitsverhältnis mangelt (BSG, Urteil vom 29. Januar 1986 – 9b RU 68/84, BSGE 59, 284). Der Verein hatte den Entschluss gefasst, an dem Fackelumzug mit einem eigenen Umzugswagen teilzunehmen. Die Tätigkeit, den Umzugswagen während des Fackelumzugs als Ordner zu begleiten, stellt sich als Ausfluss der mitgliedschaftlichen Verpflichtungen des Verstorbenen gegenüber seinem Verein dar. Es handelt sich dabei um eine einmalige geringfügige Tätigkeit, die sich im Rahmen von vereinsüblichen Pflichten bewegt. Sollte der Verstorbene – wie die Beigeladene betont – allein aus privaten Gründen an dem Umzug teilgenommen haben, ist erst recht nicht von einer Wie-Beschäftigung auszugehen. Denn die freiwillige Teilnahme an Freizeitveranstaltungen steht nicht unter dem Schutz der Unfallversicherung.

Die Tätigkeit des verstorbenen Ehemanns der Klägerin als Zugbegleiter mag objektiv auch den Interessen des Veranstalters, dem NZ G. e.V., gedient haben, eine entsprechende Handlungstendenz ist jedoch nicht erkennbar. Der Verstorbene kann nicht mehr befragt werden. Es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es ihm darum gegangen sein könnte, den Veranstalter bei der Ausrichtung des Karnevalsumzugs zu unterstützen. Insbesondere hat sich der Verstorbene auch nicht beim Veranstalter generell als Streckenposten – unabhängig von der Teilnahme seines Vereins – zur Verfügung gestellt. Der eigene Verein des Verstorbenen durfte nur unter der Auflage an dem Umzug teilnehmen, dass auch zwei Begleitpersonen für das Fahrzeug gestellt werden. Es ist davon auszugehen, dass der Verstorbene ausschließlich die Teilnahme seines Vereins unterstützen wollte.

Dem Antrag der Beigeladenen auf Schriftsatznachlass bis zum 18. Juli 2018 war nicht nachzukommen. Ihr wurde ausreichend Möglichkeit eingeräumt, sich sowohl schriftsätzlich vor als auch in der mündlichen Verhandlung zu äußern. Zudem ist die Beigeladene aufgrund des anhängigen landgerichtlichen Verfahrens trotz der erst im Berufungsverfahren erfolgten Beiladung mit dem Prozessstoff hinreichend vertraut und hat sich entsprechend in ihrem Schriftsatz vom 25. Juni 2018 – wenn auch nur in knapper Form – zur Sache geäußert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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