S 8 U 18/10 WA

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 18/10 WA
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 14/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 140/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Anerkennung von Unfallfolgen anlässlich des Ereignisses vom 18.10.1993 und die Zahlung von Entschädigungsleistungen streitig.

Der Kläger, geboren 1977, verunfallte am 18.10.1993 gegen 13:30 Uhr auf dem Weg von C-Stadt nach D-Stadt mit seinem Fahrzeug. Für den morgendlichen Unterricht an der Fachschule Technik, Heizung-Klima-Sanitär war der Kläger beurlaubt und er wollte nur gegen 18 Uhr den Meistervorbereitungskurs in E-Stadt besuchen.

Es waren keine äußeren Verletzungen und keine Bewusstseinsstörungen nach dem Unfall festzustellen. Am Unfalltag selbst klagte der Kläger nicht über Schmerzen und es gab keine Anzeichen für eine retrograde Amnesie oder eine Gehirnerschütterung (SHT 1. Grades). Ebenso wenig gab es neurologische Auffälligkeiten oder den Nachweis einer Fraktur. Es wurde ein Unfallschock diagnostiziert.

Aufgrund der in der Folgezeit auftretenden Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich, des Brustkorbs, des Schultergürtels und des Rückens sowie Missempfindungen und Kältegefühl in beiden Händen ohne Übelkeit und Erbrechen wurde nach weiteren diagnostischen Maßnahmen ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule ohne Sensibilitätsstörungen, neurologische Reiz- und Ausfallerscheinungen festgestellt.

Substanzielle Unfallfolgen wurden nicht dokumentiert und bei einer computertomographischen Untersuchung des Klägers wurden keine unfallbedingten Veränderungen festgestellt. Das Ende der ärztlichen Behandlung der Unfallfolgen sowie der aus dem Unfall resultierenden Arbeits- bzw. Schulunfähigkeit war auf den 26.11.1993 datiert. Insgesamt wurde keine Indikation für eine weitere Diagnostik mehr gesehen.

Der Kläger war in der Zeit ab dem 23.08.1993 Schüler der Fachschule für Technik, Heizung-Klima-Sanitär in D-Stadt, einer öffentlichen berufsbildenden Schule. Zuständiger Unfallversicherungsträger war der Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe.

Aus eigenem Interesse nahm der Kläger bei der F. Ostwestfalen-Lippe in E-Stadt an einem Meistervorbereitungskurs teil. Zuständiger Unfallversicherungsträger war die Beklagte. Während der Ausbildung an der Fachschule bewohnte der Kläger ein möbliertes Zimmer mit Küche und Bad zur Untermiete. Der Wohnraum hatte eine Größe von etwa 35 m². Erstwohnsitz war die elterliche Wohnung in C-Stadt, die der Kläger alle drei bis sechs Wochen besuchte.

Mit Schreiben vom 14.04.1994 lehnte der Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe seine Zuständigkeit ab, da der klägerische Fahrtweg im direkten Zusammenhang mit dem Besuch der Meisterschule gestanden habe.

Mit Schreiben vom 09.05.2007 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung einer Rente aus Anlass des Unfalls vom 18.10.1993. Denn er habe nach wie vor Beschwerden im Bereich des Kopfes, des Halses und der Wirbelsäule. Gerade im Bereich der Halswirbelsäule würden die Schmerzen immer schlimmer werden.

Mit Bescheid vom 12.07.2007 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente aus Anlass des Unfalls vom 18.10.1993 ab, da keine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 v.H. vorliege. Denn die fortbestehenden Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule seien nicht auf den Unfall zurückzuführen. Bei dem Unfall habe der Kläger allenfalls eine Verstauchung erlitten, welche aber folgenlos abgeheilt sei. Es könne daher auch offen bleiben, ob es sich überhaupt um einen Arbeitsunfall gehandelt habe.

In dem Widerspruch vom 24.07.2007 führte der Kläger aus, dass er aufgrund des schweren Unfalls mit Totalschaden noch immer Beschwerden habe. Wegen der daraus resultierenden Langzeitschäden sei er schwerbehindert und erwerbsunfähig geworden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Denn der Kläger habe im Bereich der Halswirbelsäule allenfalls eine Verstauchung erlitten, welche folgenlos ausgeheilt sei. Schwerwiegende, substanzielle Körperschäden, die zu bleibenden Schäden geführt haben könnten, seien zu keinem Zeitpunkt festgestellt worden. Die vorhandenen Beschwerden seien unspezifisch und ihrer Art nach nicht auf den Unfall zurückzuführen. Es könne weiterhin offen bleiben, ob die elterliche Wohnung in C-Stadt zum Unfallzeitpunkt noch ständige Familienwohnung des Klägers gewesen sei und ob er sich überhaupt auf einem versicherten Weg befunden habe. Schließlich könne auch offen bleiben, ob die Beklagte oder aber der Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe zuständig gewesen sei.

Der Kläger hat beim Sozialgericht Fulda am 06.09.2007 Klage erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, dass es sich um einen Arbeitsunfall handele und ihm aufgrund der Folgen eine Verletztenrente zustehe.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2007 zu verurteilen, die aus dem Unfall vom 18.10.1993 resultierenden Folgen anzuerkennen und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von mindestens 20 v.H. festzustellen und ihm Leistungen entsprechend der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und verneint das Vorhandensein von Unfallfolgen.

Am 03.08.2009 hat die Kammer mündlich zur Sache verhandelt. Der Kläger hat in diesem Termin nochmals seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass sein Hydrozephalus auf den Unfall zurückzuführen sei. Seine heutigen Beschwerden seien auf das Zusammenspiel zwischen dem Hydrozephalus und dem Halswirbelsäulenschäden zurückzuführen. Es bestehe auch lediglich der Verdacht eines frühkindlichen Hirnschadens, welcher aber vor dem Unfall nicht diagnostiziert worden sei. Aufgrund der Diagnose des Hydrozephalus in 10/1995 und unter Berücksichtigung der seit dem Unfall durchgängig bestehenden Beschwerden hat der Kläger einen Antrag nach § 109 SGG gestellt. Die Kammer hat daraufhin die mündliche Verhandlung vertagt.

Da der Kläger noch mehrere klärungsbedürftige Rechtsfragen hat, welche er ausweislich seiner schriftsätzlichen Äußerungen auch vor einem Richter verhandeln möchte, ist das Verfahren zur Durchführung eines Mediationsverfahrens mit Beschluss vom 26.11.2009 zum Ruhen gebracht worden. Sodann hat sich Kläger anders entschieden. Nach Durchführung der Beschwerdeverfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht, L 3 U 1/10 B, gegen den Ruhensbeschluss und die Kostenanforderung durch die Kammer, welche mit Beschluss vom 01.06.2010 zurückgewiesen worden sind, ist das Verfahren unter dem Az. S 8 U 18/10 WA wieder aufgerufen worden.

Das zwischenzeitlich vom Kläger noch erhobene Eilverfahren hat die Kammer mit Beschluss vom 04.10.2010 abgelehnt, Az. S 8 U 99/10 ER.

Die Kammer hat die die Akten aus dem parallel gelaufenen Schwerbehindertenverfahren S 6 SB 78/06 beigezogen und zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht.

Die Kammer hat Beweis erhoben über Art und Umfang der Folgen des Ereignisses vom 18.10.1993 durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach § 106 SGG. Gegen den von der Kammer ausgewählten Sachverständigen Dr. G. hat der Kläger einen Befangenheitsantrag gestellt, welcher mit Beschluss vom 01.11.2010 zurückgewiesen worden ist.

Der Sachverständige Dr. G. hat in seinem orthopädisch-traumatologischen Zusammenhangsgutachten vom 11.01.2011 einen Zusammenhang zwischen den langfristig geklagten Beschwerden der Halswirbelsäule und dem Unfall vom 18.10.1993 verneint.

Eine schwerwiegende Verletzung der Halswirbelsäule sei bei dem Unfall eher unwahrscheinlich, wenngleich die Möglichkeit nicht gänzlich auszuschließen sei. Unter Berücksichtigung der Ausgangsbefunde liege keine Symptomatik an der Halswirbelsäule und auch keine äußeren Verletzungszeichen vor. Das bilddiagnostische Material zeige keine verletzungsspezifischen strukturellen Veränderungen an der Hals- oder Brustwirbelsäule. Eine erlittene strukturelle Verletzung an der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule könne definitiv ausgeschlossen werden. Die geklagten Beschwerden des Klägers an der Halswirbelsäule ließen sich unfallbedingt nicht klären. Es sei allenfalls von einer leichten Distorsionsbelastung der Halswirbelsäule auszugehen, welche nach spätestens zwei bis drei Wochen folgenlos ausgeheilt gewesen sei. Auch ohne das Unfallereignis wären die gleichen Gesundheitsstörungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgetreten.

Auf neurologisch-psychiatrischem Sachgebiet hat der Sachverständige Dr. H. in seinem Gutachten vom 14.01.2011 ebenfalls einen Zusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden und dem Unfall vom 18.10.1993 verneint. Denn es bestünden erhebliche Zweifel dahingehend, dass die Einwirkungen des Unfallereignisses das Gehirn überhaupt erreicht haben. Eine Mitbeteiligung des Kopfes bei dem Unfallereignis sei nicht sicher anzunehmen. Da bereits ein Erstschadensbild auf neurologischem oder psychiatrischem Fachgebiet im Vollbeweis nicht zu belegen sei, entfielen die Überlegungen zur Kausalität.

Belegt sei ein HWS-Distorsionstrauma ohne neurologische Defizite, ohne strukturelle Verletzungen, ohne Prellmarken im Bereich der schützenden Weichteile der Halswirbelsäule und ohne neurologisches oder psychiatrisches Defizit. Im Rahmen der Symptomvalidierungstests hätten sich Anzeichen für eine negative Antwortverzerrung gefunden. Die Merkfähigkeitsstörung, die Umständlichkeit und Weitschweifigkeit des Klägers sowie die Störung des abstrakten Denkvermögens seien Folgen einer hirnorganisch bedingten Leistungseinschränkung im Rahmen des Hydrocephalus internus. Die Quantität der behaupteten kognitiven Störungen erscheine unter Berücksichtigung der sehr umfangreichen und hochkomplexen Schriftsätze des Klägers in den vorliegenden Unterlagen und der heutigen Zeichen einer negativen Antwortverzerrung als wenig plausibel.

Die aktenkundige klinische Symptomatik stütze die Diagnose einer frühkindlichen Hirnschädigung, welche sich unter anderem in der Ausbildung des Hydrocephalus internus gezeigt habe. Auch das entzündliche ZNS-Geschehen sei viel eher geeignet, die vorliegende Symptomatik zu klären.

Das hirnorganische Psychosyndrom, die Augenbewegungsstörung mit Konvergenzparese und Strabismus divergens, die Blasenentleerungsstörung und der chronische Kopfschmerz vom Spannungstyp seien unfallunabhängig, eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, der medizinischen Unterlagen und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1 bis 216). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten. Die beim Kläger geltend gemachten heutigen multiplen Beschwerden sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Sinne einer wesentlichen Ursache auf das Unfallereignis vom 18.10.1993 zurückzuführen, da diese in Form eines Schleudertraumas der Halswirbelsäule folgenlos ausgeheilt sind.

Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vom Hundert (v.H.) gemindert ist. Satz 2 konkretisiert, dass bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund mehrerer Versicherungsfälle für jeden Versicherungsfall ein Rentenanspruch besteht. Die Folgen eines Versicherungsfalles sind nach Satz 3 nur dann zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögen ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort "infolge" drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden – weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist.

Für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und einen zweiten, wertenden Schritt, dass das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war.

Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung – versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsschaden – eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit.

Die Gesundheits- und Körperschäden müssen "voll", das heißt mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall und der maßgebenden Erkrankung.

Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Tatsachen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht. Dabei müssen auch körpereigene Ursachen erwiesen sein, um bei der Abwägung mit den anderen Ursachen berücksichtigt werden zu können. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeiten von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen.

Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, also nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden.

Die Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis und einem Gesundheitsschaden besteht, ist in erster Linie nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Im Rahmen seiner richterlichen Überzeugungsbildung hat die Kammer alles Erforderliche im Sinne der §§ 103, 128 SGG zu tun, um diese Frage zu klären, wobei es sich des Urteils fachkundiger Sachverständiger zu bedienen hat, um mit deren Hilfe festzustellen, ob nach den einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen das angeschuldigte Ereignis die wahrscheinliche Ursache des bestehenden Gesundheitsschadens ist.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass der Unfall am 18.10.1993 keine bleibenden Schäden bei dem Kläger hervorgerufen hat, welche durch die Beklagte zu entschädigen wären. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus der in der Verwaltungsakte dokumentierten folgenlosen Ausheilung des Schleudertraumas und dem Abschluss der klägerischen Behandlung im November 1993.

Trotz richterlicher Anfrage vom 20.10.2008 und richterlichen Hinweises vom 27.05.2009 hat der anwaltlich vertretene Kläger keinerlei Unterlagen beigebracht oder zumindest benannt, welche einen Zusammenhang zwischen den heutigen Beschwerden im Halswirbelsäulenbereich und dem damaligen Unfall belegen könnten.

Die Kammer schließt sich den schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten an und macht sich deren Inhalt zu Eigen. Der Sachverständige Dr. G. hat in seinem orthopädisch-traumatologischen Zusammenhangsgutachten vom 11.01.2011 einen Zusammenhang zwischen den langfristig geklagten Beschwerden der Halswirbelsäule des Klägers und dem Unfall vom 18.10.1993 verneint.

Eine schwerwiegende Verletzung der Halswirbelsäule ist seines Erachtens bei dem Unfall eher unwahrscheinlich, wenngleich die Möglichkeit nicht gänzlich auszuschließen ist. Unter Berücksichtigung der Ausgangsbefunde haben keine Symptomatik an der Halswirbelsäule und auch keine äußeren Verletzungszeichen beim Kläger vorgelegen. Das bilddiagnostische Material zeigt ebenfalls keine verletzungsspezifischen strukturellen Veränderungen an der Hals- oder Brustwirbelsäule. Eine erlittene strukturelle Verletzung an der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule schließt der Sachverständige definitiv aus. Die geklagten Beschwerden des Klägers an der Halswirbelsäule können daher unfallbedingt nicht erklärt werden. Es ist nach Auffassung des Sachverständigen allenfalls von einer leichten Distorsionsbelastung der Halswirbelsäule auszugehen, welche nach spätestens zwei bis drei Wochen folgenlos ausgeheilt gewesen ist. Auch ohne das Unfallereignis wären die gleichen Gesundheitsstörungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beim Kläger aufgetreten.

Auf neurologisch-psychiatrischem Sachgebiet hat der Sachverständige Dr. H. in seinem Gutachten vom 14.01.2011 ebenfalls einen Zusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden des Klägers und dem Unfall vom 18.10.1993 verneint. Denn es bestünden erhebliche Zweifel dahingehend, dass die Einwirkungen des Unfallereignisses das Gehirn überhaupt erreicht haben. Eine Mitbeteiligung des Kopfes bei dem Unfallereignis ist nicht sicher anzunehmen. Da bereits ein Erstschadensbild auf neurologischem oder psychiatrischem Fachgebiet im Vollbeweis nicht zu belegen ist, entfallen auch weitere Überlegungen zur Kausalität.

Belegt ist beim Kläger nur ein HWS-Distorsionstrauma ohne neurologische Defizite, ohne strukturelle Verletzungen, ohne Prellmarken im Bereich der schützenden Weichteile der Halswirbelsäule und ohne neurologisches oder psychiatrisches Defizit. Im Rahmen der Symptomvalidierungstests hätten sich dagegen Anzeichen für eine negative Antwortverzerrung gefunden. Die Merkfähigkeitsstörung, die Umständlichkeit und Weitschweifigkeit des Klägers sowie die Störung des abstrakten Denkvermögens sind Folgen einer hirnorganisch bedingten Leistungseinschränkung im Rahmen des Hydrocephalus internus. Die Quantität der behaupteten kognitiven Störungen erscheint dem Sachverständigen unter Berücksichtigung der sehr umfangreichen und hochkomplexen Schriftsätze des Klägers in den vorliegenden Unterlagen und den heutigen Zeichen einer negativen Antwortverzerrung als wenig plausibel.

Die aktenkundige klinische Symptomatik stützt vielmehr die Diagnose einer frühkindlichen Hirnschädigung, welche sich unter anderem in der Ausbildung des Hydrocephalus internus gezeigt habe. Auch das entzündliche ZNS-Geschehen ist viel eher geeignet, die vorliegende Symptomatik zu klären.

Das hirnorganische Psychosyndrom, die Augenbewegungsstörung mit Konvergenzparese und Strabismus divergens, die Blasenentleerungsstörung und der chronische Kopfschmerz vom Spannungstyp sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen unfallunabhängig, eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit liegt nicht vor.

Unter vernünftiger Abwägung obiger Beweislastgrundsätze, der schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten sowie des dokumentierten folgenlosen Ausheilens des HWS-Schleudertraumas sowie der bereits benannten Konkurrenzursachen und der extrem langen zeitlichen Latenz zwischen dem Unfall am 18.10.1993 und der am 13.06.2007 gemeldeten Beschwerden im Bereich Kopf, Hals und Wirbelsäule (Blatt 51 der Verwaltungsakte) ist ein starkes Überwiegen des damaligen Unfalls eindeutig und unzweifelhaft zu verneinen. Die alleinige Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs reicht nicht aus. Die allenfalls als äußerst gering zu bezeichnende Möglichkeit hat sich nicht zur Wahrscheinlichkeit verdichtet.

Die Kammer musste auch keine weiteren Sachermittlungen anstellen in Form einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen. Denn die eingereichten Unterlagen haben aus Aufsätzen und sonstiger Literatur zu dem Thema Entstehung des Hydrocephalus bestanden. Es ist nicht Aufgabe der Kammer, sich dieses Wissen selbst anzueignen, da sie sich zur Anwendung und Auswertung von Fachwissen eines Sachverständigen bedient.

Im Übrigen geht es nicht um generelle Möglichkeiten, sondern es ist nur die Frage eines etwaigen Zusammenhangs zwischen Unfall und Beschwerden beim Kläger zu beantworten. Dies ist durch das eingeholte Gutachten geschehen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Das Verfahren ist für den Kläger gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei.
Rechtskraft
Aus
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