L 4 SO 9/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 28 SO 521/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 9/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt noch einen Mehrbedarf wegen erhöhter Stromkosten.

Die 1948 geborene Klägerin ist Altersrentnerin und bezieht aufstockende Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beklagten. Die Klägerin bewohnt zusammen mit ihrer erwachsenen Tochter M. die Wohnung I., deren alleinige Mieterin die Klägerin ist. Die Beklagte bewilligte der Klägerin unter Berücksichtigung eines hälftigen Mietanteils für die Tochter M., welche bis Mai 2014 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezog, für die Kosten der Unterkunft monatlich 256,12 Euro, zuletzt für den Monat August. Nachdem der Tochter der Klägerin die SGB II-Leistungen seitens des Jobcenters wegen mangelnder Mitwirkung ab Juni 2014 versagt wurden (Bescheid vom 20.5.2014), beantragte die Klägerin mit Fax-Schreiben vom 26. Juli 2014 die Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft, da sie allein mietvertraglich verpflichtet sei und keine Zuwendungen mehr erhalte. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juli 2014 ab. Der Widerspruch vom 1. August 2014, mit dem die Klägerin zugleich die Übernahme der vollen Stromkosten beantragte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.9.2014).

Dagegen hat die Klägerin am 26. September 2014 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, dem das Gericht im Hinblick auf die Übernahme der vollen Miete ab 26. September 2014 (Eingang des Antrags) bis zum 30. November 2014 stattgab (Beschluss vom 20.10.2014 – S 20 SO 535/14 ER). Hinsichtlich der Stromkosten wurde der Antrag zurückgewiesen, da zunächst das Verwaltungsverfahren durchzuführen sei. Nachfolgend kam die Beklagte der Verpflichtung zur Übernahme der vollen Unterkunftskosten nach.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Dezember 2017, zugestellt am 23. Dezember 2017, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens sei allein die Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft; das sei geklärt und insoweit bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis fort. Gegenstand des Verfahrens sei dagegen nicht die Übernahme der Stromkosten, welche nicht zu den Kosten der Unterkunft gehörten, sondern über den Regelbedarf nach der Vorschrift des § 27a SGB XII zu finanzieren seien.

Am 21. Januar 2018 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Der erhöhte Stromaufwand sei durchaus Gegenstand des Verfahrens gewesen und müsse von der Beklagten übernommen werden. Es gehe ihr nicht um eine individuelle Situation erhöhten Mehrbedarfs, sondern um die nicht auskömmliche Berechnung der Regelleistung.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Hamburg vom 19. September 2017 und der entgegenstehenden Bescheide der Beklagten den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin erhöhte Leistungen in Bezug auf einen Strommehrbedarf zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Mit Beschluss vom 27. März 2018 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Nach § 153 Abs. 5 SGG kann der Senat durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden.

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

In der Sache hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft führt die Klägerin daher ihr Begehren im Rahmen der Berufung auch nicht fort. Allerdings ist nach Auffassung des Senats auch die Frage eines Anspruchs auf erhöhte Leistungen wegen Stromkostenbedarfs von Anfang an Gegenstand der Klage gewesen, wie sich bereits aus dem Klageschriftsatz vom 26. September 2014 ergibt. Mit diesem nun in der Berufung aufgegriffenen Begehren dringt die Klägerin aber nicht durch.

Die Kosten der Haushaltsenergie sind nämlich aus dem Regelsatz (§ 27a Abs. 3, Abs. 1 SGB XII) zu bestreiten. Der Senat hat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Regelsatzes im streitigen Zeitraum durch den Gesetzgeber Bereits mit Urteil vom 24. April 2014 (L 4 AS 365/13), seinerzeit noch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 28.3.2013 – B 4 AS 12/12 R und B 4 AS 47/12 R sowie vom 12.7.2012 – B 14 AS 153/11 R und B 13 AS 189/11 R) hat der Senat zu dieser Frage befunden, dass die Regelbedarfe für Alleinstehende nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden seien. Nunmehr kann zudem auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12) und auf die aktuelle Rechtsprechung verschiedener Landessozialgerichte (SächsLSG, Urteil vom 24.5.2018 – L 7 AS 1105/16; LSG NW, Beschluss vom 19.12.2017 – L 2 AS 1900/17 B; BayLSG, Beschluss vom 21.7.2017 – L 18 AS 405/16 B PKH; LSB Berlin-Bbg., Urteil vom 20.6.2017 – L 18 AS 392/17; siehe auch Saitzek, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 20 Rn. 66, speziell zu den Kosten der Haushaltsenergie) verwiesen werden, der der Senat sich anschließt. Rechtmäßig ist ebenfalls die notwendig mit dem gesetzlichen Verfahren verbundene verzögerte Umsetzung von ermittelten Bedarfswerten in den Regelsatz.

In diesem Zusammenhang hat der Senat (Urteil vom 19.3.2015 – L 4 AS 275/11) bereits ausgeführt, dass "das Bundesverfassungsgericht in dem angeführten Urteil vom 23. Juli 2014 mit ausführlicher und überzeugender Begründung dargelegt hat, dass der Gesetzgeber die Leistungen nicht evident unzureichend festgesetzt hat und nicht zu erkennen ist, dass der existenzsichernde Bedarf hierdurch möglicherweise nicht gedeckt sein könnte. So hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Bestimmung den Anforderungen an eine hinreichend transparente, jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigende Bemessung der Leistungshöhe beruhe. Zur Bestimmung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf habe sich der Gesetzgeber mit dem Statistikmodell auf eine Methode gestützt, die grundsätzlich geeignet sei, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen bedarfsgerecht zu bemessen."

Es sei "nach der angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen, dass die Ermittlung von Regelbedarfen, die ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten, stets nur annäherungsweise möglich ist. So hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung vom 23. Juli 2014 ausgeführt, dass die Ermittlungen nur auf Daten zu komplexen Verhältnissen gestützt werden könnten, die für die jeweils aktuell geforderte Deckung eines existenzsichernden Bedarfs nur begrenzt aussagekräftig seien. Zwar müsse die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung auf im Ausgangspunkt tragfähigen Grundannahmen, Daten und Berechnungsschritten beruhen. Bedenken hinsichtlich einzelner Berechnungspositionen schlügen hingegen nicht ohne weiteres auf die verfassungsrechtliche Beurteilung durch. Der Gesetzgeber dürfe ernsthafte Bedenken, die auf tatsächliche Gefahren der Unterdeckung verwiesen, allerdings nicht einfach auf sich beruhen lassen und fortschreiben, sondern sei gehalten, bei den periodisch anstehenden Neuermittlungen des Regelbedarfs zwischenzeitlich erkennbare Bedenken aufzugreifen und unzureichende Berechnungsschritte zu korrigieren. Eine Verfassungswidrigkeit der bestehenden Bestimmung des Regelbedarfs folge daraus aber nicht."

Im SGB XII ist mit der Vorschrift des § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 zudem eine Möglichkeit geschaffen worden, im Einzelfall den Regelsatz abweichend zu bemessen, wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können. Mit dieser Vorschrift öffnet der Gesetzgeber die pauschale Bemessung des Regelsatzes für individuelle Bedarfslagen. Das aber macht die Klägerin nicht geltend und kann ihr nicht zu Gute kommen; es geht ihr nicht um einen einzelfallbezogenen erhöhten Bedarf an Haushaltsenergie, sondern um die allgemeine Bemessung des Regelsatzes. Nur ergänzend: Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass hier "im Einzelfall" ein "unausweichlich" erhöhter Bedarf vorliegt, der "begründbar nicht anderweitig ausgeglichen" werden kann. Die bloße Angabe der Höhe des Stromabschlages reicht dafür jedenfalls nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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