Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 4286/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2643/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.05.2016 und der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, das Ereignis vom 22.04.2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer dienstlichen Auseinandersetzung am 22.04.2006 als Arbeitsunfall.
Der am 1976 geborene Kläger stammt aus dem ehemaligen J. , wuchs aber in Deutschland auf. Nach seinen Angaben absolvierte er bei der Deutschen Bahn AG eine Ausbildung als Eisenbahner und erwarb später die Qualifikation als Zugbegleiter und 2003 als Zugführer (s. S. 11 des Gutachtens von Dr. S. , Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I im Psychiatrischen Zentrum N. ). Am 20.12.2000 erlitt er einen - zwischenzeitlich als Arbeitsunfall mit der Unfallfolge Reaktion auf schwere Belastung mit depressiv-somatoformer Symptomatik anerkannten (angenommenes Teilanerkenntnis im Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart S 6 U 4283/11) - Stromschlag, am 26.12.2003 und am 28.10.2005 wurde er von Fahrgästen angegriffen und verletzt, was die Beklagte jeweils ebenfalls als Arbeitsunfall anerkannt hat (angenommene Teilanerkenntnisse in den Verfahren S 6 U 4284/11 und S 6 U 4285/11). Außerdem erlebte der Kläger nach seinen Angaben mehrere Suizide mit, wobei hierzu keine Unterlagen vorhanden sind. Er führt seine körperlichen und psychischen Beschwerden (s. Bl. 8 ff. VA) auf diese Vorgänge sowie das nachfolgend geschilderte Ereignis zurück. Im Zuge zweier teilstationärer Behandlungen in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Klinikums S. - B. - von Oktober 2009 bis Januar 2010 (Diagnosen Posttraumatische Belastungsstörung - PTBS -, Agoraphobie mit Panikstörung, Somatoformer Schwindel, Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörung, vgl. die Entlassungsberichte Bl. 18 ff. und 49 ff. VA) wurde ihm, so seine auch das vorliegend vorausgegangene Verwaltungsverfahren einleitenden Angaben (Bl. 1 VA), dieser Ursachenzusammenhang bewusst.
Am 22.04.2006 war der Kläger für die DB Fernverkehr AG als Zugchef des EC 266 tätig. Wegen eines Oberleitungsschadens wurde die Elektrolokomotive des Zuges im Bahnhof K. nicht mehr mit Strom versorgt und abgekuppelt. Von der Transportleitung war zunächst vorgesehen, eine noch heranzuführende Diesellokomotive einzusetzen und die Elektrolokomotive am Wagenzug mitzuführen. Zugleich sollte der ohnehin vorgesehene Wechsel der Lokführer stattfinden. Daraufhin wurde die Elektrolokomotive wieder angekuppelt. Wegen des Wechsels der Lokomotiven wurde es erforderlich, eine Bremsprobe durchzuführen. Zu diesem Zweck begab sich der Kläger zur Elektrolokomotive, in der sich beide Lokführer, W. und K. , aufhielten. Es kam dann über die Frage, ob bereits mit der wieder angekoppelten Elektrolokomotive eine Bremsprobe und später mit der erwarteten Diesellokomotive eine weitere Bremsprobe durchgeführt werden soll, zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kläger und den Lokführern. Im Verlauf der Auseinandersetzung kam es seitens des "alten" Lokführers W. zu körperlichen Ausbrüchen (Schlagen auf den Tisch), der Kläger wurde beschimpft ("Scheißkanake"), er wurde vom Lokführer W. mit erhobenem Arm, den er abwehrte, bedroht und schließlich aus der Lokomotive gedrängt. Dabei hielt er sich am Rahmen der schweren Eisentür dieser Lokomotive fest. Als besagter Lokführer die Tür zuschlug, konnte der Kläger seine Hände gerade noch wegziehen und sich an den außen verlaufenden Griffen im Türbereich festhalten und so eine schwere Verletzung verhindern. Nachdem er aus Angst den weiteren Zugbegleiter, den Zeugen M. , zu seiner Unterstützung herbeigerufen hatte, versuchte der Kläger nochmals die Lokomotive zu besteigen, was nicht gelang, weil die Lokführer die Tür abgeschlossen hatten. Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, dass die erwartete Diesellokomotive anderweitig eingesetzt wurde. Der Zug setzte mit entsprechender Verspätung seine Fahrt mit der wieder einsetzbaren Elektrolokomotive und dem neuen Lokführer, dem der Kläger telefonisch noch kurze Informationen über den neuen Fahrverlauf gab und Anweisungen erteilte (Wechseln auf den Steuerwagen), und nach Dokumentation der Bremsprobe durch den Kläger (Aushändigen bzw. Hinlegen eines Bremszettels) fort. Der Kläger sah sich durch diese Vorgänge massiv belastet (zitternd vor Angst, hilflos, kraftlos, perplex). Nach Abfahrt des Zuges meldete sich der Kläger telefonisch dienstunfähig und wurde abgelöst.
Wegen nachfolgend aufgetretener Unruhezustände, Nervosität, Konzentrations- und Schlafstörungen stellte sich der Kläger am 24.04.2006 bei seinem Hausarzt, dem Internisten Dr. B. vor und berichtete ihm über den Konflikt und seine Beschwerden (vgl. Attest des Dr. B. vom 24.05.2006, Bl. 2 VA). Auf ihn wirkte der Kläger nervös, agitiert, unkonzentriert, stumpf, resigniert und psychisch wenig schwingungsfähig. Deshalb führte Dr. B. ein langes unterstützendes Gespräch, verordnete Tafil (angstlösendes Benzodiazepin) und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vom 22.04. bis 02.05.2006 (sachverständige Zeugenauskunft des Dr. B. gegenüber dem Senat, Bl. 48 LSG-Akte).
Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. L. (Bl. 96, 107 VA) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2011 (Bl. 109 VA) und Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 (Bl. 124 VA) die Gewährung von Leistungen anlässlich des Ereignisses vom 22.04.2006 ab, weil die Meinungsverschiedenheit bzw. lautstarke Auseinandersetzung wegen dienstlicher Belange eine alltägliche Arbeitsplatzsituation sei, nicht die Anforderungen an ein Arbeitsunfallereignis erfülle und nicht geeignet sei, eine relevante psychische Erkrankung auszulösen.
Dagegen hat der Kläger am 25.07.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben und zuletzt (nur noch) die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 22.04.2006 als Arbeitsunfall begehrt. Das Sozialgericht hat das Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom Januar 2013 aus den drei parallel geführten Rechtsstreiten um die weiteren Ereignisse beigezogen (Bl. 62 ff. SG-Akte), den Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört und den Zeugen M. vernommen. Wegen der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf Bl. 163 f. der SG-Akte verwiesen.
Mit Urteil vom 27.05.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass am 22.04.2006 ein lautstarkes Streitgespräch mit den Lokführern stattfand, der Kläger beschimpft und gestoßen wurde und er dabei einen Schlag eines Lokführers nur knapp abwehren konnte. Das reiche als äußere Einwirkung im Sinne eines Arbeitsunfalls aus. Es fehle aber an einem Gesundheitserstschaden, denn es sei weder zu einer somatischen noch zu einer psychischen Gesundheitsstörung gekommen. Die von Dr. B. angenommene posttraumatische Belastungsreaktion sei nicht nachgewiesen. Dr. B. habe diese Diagnose fachfremd gestellt, objektive Belege fänden sich nicht, eine Arbeitsunfähigkeit sei nicht eingetreten und Dr. S. habe für keinen Zeitpunkt eine PTBS diagnostiziert.
Gegen das ihm am 21.06.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.07.2016 mit der Begründung Berufung eingelegt, das SG habe übersehen, dass er bis 02.05.2006 arbeitsunfähig und das auch bescheinigt gewesen sei. Das Gutachten des Dr. S. sei nicht prozessordnungsgemäß in den Rechtsstreit eingeführt. Es habe auch ein Gesundheitserstschaden vorgelegen, denn er habe sich zu Dr. B. begeben, der ihn wegen einer akuten Belastungsreaktion medikamentös behandelt und krankgeschrieben habe. Auf die Frage, ob das Ereignis später eine PTBS nach sich gezogen habe, komme es für die Entscheidung nicht an. Der Kläger hat das Attest des Dr. B. über die Arbeitsunfähigkeit vom 22.04.2006 bis 02.05.2006 mit der gestellten Diagnose F43.0 (Bl. 37a LSG-Akte) und die Bescheinigung der Techniker Krankenkasse (TK) über - auch diese - Arbeitsunfähigkeitszeit (Bl. 42a LSG-Akte) vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.05.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 22.04.2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat von Dr. B. die oben erwähnte schriftliche sachverständige Zeugenauskunft eingeholt und die Gutachten und Stellungnahmen aus den oben genannten anderen Klageverfahren vor dem Sozialgericht beigezogen (Gutachten des Dr. S. vom Januar 2013, Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. W. vom Mai 2014 mit neuropsychologischem Zusatzgutachten des Prof. Dr. Z. und psychologischem Zusatzgutachten der Diplompsychologin H. , beratungsärztliche Stellungnahmen des Dr. B. , ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. W. ), ebenso wie die für den Senat in den Verfahren L 10 U 3872/15 und L 10 U 3873/15 zu den Unfallereignissen in den Jahren 2000 und 2003 von Dr. S. abgegebenen Stellungnahmen. Beide Beteiligten haben hierzu Stellung genommen (Bl. 55 bzw. Bl. 167 LSG-Akte).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011, mit dem die Beklagte pauschal die Gewährung von Leistungen anlässlich des Ereignisses vom 22.04.2006 ablehnte, weil kein Arbeitsunfall vorliege. Hiergegen richtet sich der Kläger zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen, weil diese im Grunde das Nichtvorliegen eines Arbeitsunfalles regeln, also die Anerkennung eines Versicherungsfalles ablehnen, und bei Vorliegen eines Arbeitsunfalles einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 20).
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger erlitt am 22.04.2006 einen Arbeitsunfall.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist dagegen keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91).
Der Kläger stand bei der Auseinandersetzung am 22.04.2006 nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Kläger war als Zugführer bei der Deutschen Bahn beschäftigt und in dieser Tätigkeit unfallversichert. Die Besprechung mit den Lokführern am 22.04.2006 betraf diese Tätigkeit. An diesem Tag waren die Oberleitungen um den Bahnhof K. beschädigt und die Transportleitung hatte eine Diesellok angekündigt, um die Schadenstelle zu umfahren. Der Kläger und die Lokführer stritten um die Notwendigkeit und Durchführung einer Bremsprüfung mit der vorhandenen elektrisch betriebenen Lok bzw. um das Abwarten der angekündigten Diesellok, mithin um dienstliche Angelegenheiten in Ausübung ihrer versicherten Tätigkeit. Auch wenn solche Auseinandersetzungen unter Arbeitskollegen in Tätlichkeiten ausarten, sind sie von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst (BSG, Urteil vom 19. Juni 1975, 8 RU 70/74, in juris). Dies bezweifeln weder das Sozialgericht noch die Beklagte.
Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Auseinandersetzung am 22.04.2006 um ein von außen auf den Körper einwirkendes, zeitlich begrenztes Ereignis handelte.
Durch das Merkmal der äußeren Einwirkung soll lediglich ausgedrückt werden, dass ein aus innerer Ursache, aus dem Menschen selbst kommendes Ereignis, nicht als Unfall anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Der Gesundheitserstschaden kann (von außen) verursacht sein durch körperlich gegenständliche, aber auch durch geistig-seelische Einwirkungen in einem eng begrenzten Zeitraum (BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R; Urteil vom 18.03.1997, 2 RU 8/96; Urteil vom 18.03.1997, 2 RU 23/96; Urteil vom 04.12.1991, 2 RU 14/91; Beschluss vom 05.02.1980, 2 BU 31/79; jeweils in juris; Urteil vom 27.10.1987, 2 RU 35/87 in SozR 2200 § 589 Nr. 10; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.02.2006, L 2 U 69/03, in juris; im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 29.11.2011, B 2 U 23/10 R).
Der im Tatbestand beschriebene Geschehensablauf am 22.04.2006 steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der mehrmaligen, in sich konsistenten Schilderungen des Klägers (zu Beginn des Verwaltungsverfahres, Bl. 11 ff. VA, gegenüber Dr. S. , Bl. 70 Rückseite/71 LSG-Akte, gegenüber Prof. Dr. W. , Bl. 117 LSG-Akte, wenn auch mit falsch dokumentiertem Datum, und gegenüber dem Sozialgericht in seiner Anhörung) sowie der die Angaben des Klägers im Kern, soweit das Geschehen von ihm beobachtet wurde, bestätigenden Aussage des Zeugen M. , insbesondere zum Herausdrängen des Klägers durch den Lokführer und die Gefährdung der Hände sowie die körperlich sichtbare Reaktion des Klägers, fest. Weder das Sozialgericht noch die Beklagte haben Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben geäußert.
Der Kläger war somit körperlichen Übergriffen durch den Lokführer in Form eines versuchten Schlages, Hinausdrängens aus der Lokomotive und Gefährdung durch Zuschlagen der Türe, obwohl sich seine Hände noch im Türrahmenbereich befanden, ausgesetzt, was zugleich eine Missachtung der dienstlichen Stellung des Klägers als Zugchef darstellt. Hinzu kam die mit der Beleidigung einhergehende Herabwürdigung. Für den Kläger bestand damit eine erhebliche psychische Belastungssituation mit entsprechender psychischer Stressreaktion (hierzu sogleich), so dass er sich nicht mehr in der Lage sah, seinen Dienst zu verrichten und abgelöst werden musste.
Die teilweise relativierenden Ausführungen des Lokführers K. gegenüber dem Arbeitgeber (Bl. 14 f. VA) stehen der Überzeugung des Senats nicht entgegen. Zu der für den Kläger eindrücklichen Gefährdung seiner Hände durch das Zuschlagen der Tür durch den Lokführer W. konnte der Lokführer K. schon deshalb keine Angaben machen, weil er sich in der der Lok befand und deshalb keine Sicht auf die Außenseite der Tür hatte. Gerade diesen Umstand hat aber der Zeuge M. auf Grund eigener Wahrnehmung bestätigt. Auch der Lokführer K. bestätigte die verbale Auseinandersetzung und die Absicht seines Kollegen, den Kläger aus der Lokomotive zu bekommen ("Pack deinen Krempel und verlass die Lok"). Soweit er "Diskriminierung, Bedrohung, Beleidigung und Nötigung" in Abrede stellte, ist dies pauschal und vermag die Schilderungen des Klägers über die Ausbrüche des Lokführers W. nicht in Zweifel zu ziehen. Auch insoweit hat vielmehr der Zeuge M. , wiederum auf Grund eigener Wahrnehmung, bestätigt, dass der Kläger vom Lokführer aus der Lokomotive herausgedrückt wurde.
Soweit die Beklagte diese Geschehnisse nicht als die Anforderungen eines Unfallereignisses erfüllend ansieht, weil eine alltägliche Arbeitsplatzsituation vorliege (so der angefochtene Bescheid im Anschluss an die entsprechende Äußerung von Dr. L. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme), ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Körperliche Auseinandersetzungen und Beleidigungen sind vielmehr generell nicht als alltägliche Arbeitsplatzsituation anzusehen. Im Übrigen werden vom Begriff der Einwirkung auch Geschehnisse erfasst, die auf Grund der jeweiligen versicherten Tätigkeit "üblich" sind (BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 16/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 21; Urteil vom 29.11.2011, a.a.O.; s. auch Urteil des Senats vom 23.04.2015, L 10 U 5600/13 zur Problematik alltägliches Ereignis und betriebsübliches Ereignis, in juris).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kam es infolge der Auseinandersetzung mit den Lokführern beim Kläger auch zu einem Gesundheits(erst)schaden.
Gesundheitserstschaden i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich (BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 16/11 R, in SozR 4-2700 § 2 Nr. 21) jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Versicherungsfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) oder der versicherten Tätigkeit aufgrund der Spezialvorschrift des § 11 SGB VII als Versicherungsfall zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls (BSG, a.a.O.). Deshalb sind auch leichtere, aber länger andauernde Beschwerden, wie Kopf- oder Muskelschmerzen, Gefühlsstörungen, Schwindel oder Funktionseinschränkungen z.B. auf Grund struktureller Verletzungen wie Hämatome, Schürfwunden oder Zerrungen ausreichend (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 15.03.2007, L 10 U 353/0 und Urteil vom 16.06.2016, L 10 U 2544/13, beide in juris).
Insoweit hat das Sozialgericht somit zutreffend ausgeführt, dass auch geringfügige Schädigungen (Bagatellverletzungen) ausreichen, und es ist zutreffend davon ausgegangen, dass es ausreicht, wenn sich die körperliche Einwirkung - auch nach dem Vortrag des Klägers - nur psychisch ausgewirkte. Es hat dann jedoch zu Unrecht das Vorliegen eines pathologischen und damit regelwidrigen psychischen Zustandes verneint. Es hat die von Dr. B. diagnostizierte posttraumatische Belastungsreaktion deshalb als nicht nachgewiesen erachtet, weil Dr. B. Internist ist, keine Arbeitsunfähigkeit dokumentiert sei und. Dr. S. die Voraussetzungen für die Annahme einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) verneint habe, was es mit umfangreicher Begründung für überzeugend gehalten hat. Dies hält in tatsächlicher Hinsicht einer Überprüfung nicht stand. Der Senat schließt sich vielmehr im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung den Ausführungen des Klägers an und bejaht auch einen Gesundheitserstschaden infolge des in Rede stehenden Ereignisses.
Die der Argumentation des Sozialgerichts zu Grunde liegende Ansicht, die von Dr. B. diagnostizierte posttraumatische Belastungsreaktion stehe in Widerspruch zu den Ausführungen von Dr. S. , der zu keinem Zeitpunkt alle Kriterien für eine PTBS bejaht hat, trifft schon deshalb nicht zu, weil es sich um gänzlich verschiedene Diagnosen handelt. Dr. B. hat - wie sich aus dem vom Kläger vorgelegten Attest des Dr. B. (Bl. 37a LSG-Akte) und dem ebenfalls vom Kläger vorgelegten Leistungskonto der TK (Bl. 42a LSG-Akte) ergibt - diese Diagnose mit F43.0 verschlüsselt. Nach der somit zur Anwendung gelangten Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, (ICD 10) ist eine posttraumatische Belastungsreaktion definiert als eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt und die im Allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt. Die Symptomatik zeigt typischerweise - so F43.0 weiter - ein gemischtes und wechselndes Bild, beginnend mit einer Art von "Betäubung", mit einer gewissen Bewusstseinseinengung und eingeschränkten Aufmerksamkeit, einer Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten und Desorientiertheit. Dem gegenüber ist eine PTBS von ICD 10 F43.1 erfasst und entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich - so F43.1 weiter - Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Damit gehen die zentralen Ausführungen im angefochtenen Urteil an der Problematik vorbei, denn Dr. B. behauptet für den Zeitpunkt seiner Untersuchung des Klägers am 24.04.2006 gar nicht das Vorliegen einer PTBS und es geht auch nicht um die Feststellung einer Unfallfolge, sondern um das Vorliegen eines für den Begriff des Arbeitsunfalles notwendigen, aber auch ausreichenden Gesundheits-erstschaden. Hierauf hat der Kläger zutreffend hingewiesen.
Der Senat hat keinen Zweifel am Vorliegen eines - wohl vorübergehenden - psychischen Schadens des Klägers am 22.04.2006. Die von Dr. B. zwei Tage später gesicherten Befunde - ausweislich seiner sachverständigen Zeugenauskunft war der Kläger nervös, agitiert, unkonzentriert, stumpf, resigniert und wenig schwingungsfähig - belegen eine psychische Dekompensation mit einer Symptomatik, für die der Senat ohne weiteres die von Dr. B. gestellte Arbeitsdiagnose nachvollziehen kann. Entgegen der Äußerung des Sozialgerichts übernahm Dr. B. somit nicht nur unreflektiert die Angaben des Klägers, sondern er erhob einen psychischen Grundbefund. Am Krankheitswert des Zustandes des Klägers bestehen auch deshalb keine Zweifel, weil Dr. B. den Einsatz von Medikamenten (ein angstlösendes Benzodiazepin, so seine Aussage) für erforderlich und den Kläger für mehrere Tage (22.04. bis 02.05.2006) nicht für arbeitsfähig hielt. Diese Zeit der Arbeitsunfähigkeit ist - anders als vom Sozialgericht dargelegt - bereits in den Verwaltungsakten dokumentiert (Bl. 68 Rückseite).
Die vom Sozialgericht und ihm ohne weitere Begründung folgend der Beklagten geäußerten Zweifel an der Kompetenz des Dr. B. teilt der Senat nicht. Zwar ist Dr. B. als Internist nicht dazu berufen, exakte psychopathologische Befunde zu erheben, worauf er in seiner Zeugenaussage auch selbst hingewiesen hat. Indessen kann von jedem hausärztlich in der Versorgung der Bevölkerung tätigen Arzt - Dr. B. führt mit seiner Ehefrau eine Praxis für Innere und Allgemeinmedizin, wie sich aus dem Briefkopf seiner Auskunft ergibt, er behandelte den Kläger ausweislich seiner Angaben wegen diverser körperlicher Beschwerden und damit hausärztlich und er wurde vom Kläger als sein Hausarzt angegeben (Bl. 10 VA) - erwartet werden, dass er in der Lage ist, krankheitswertige psychische Zustände zu erkennen und einer adäquaten Behandlung - entweder durch von ihm selbst zu verantwortende Behandlung entsprechend der für eine hausärztliche Versorgung vorhandenen Grundqualifikation oder durch Überweisung an entsprechende fachkundige Ärzte bzw. Therapeuten nach eventuell erforderlicher Akutversorgung - zuzuführen. Nichts Anderes tat Dr. B. am 24.04.2006 mit dem in seiner Auskunft beschriebenen langen unterstützenden Gespräch und der Verordnung des Medikaments Tafil. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinerlei Zweifel, dass am 24.04.2006 ein krankheitswertiger Zustand in Form einer akuten Belastungsreaktion vorlag.
Aus den vom Senat aus den anderen Rechtsstreiten beigezogenen Gutachten und Stellungnahmen ergibt sich nichts Gegenteiliges. Das hier streitige Ereignis war ohnehin nicht Gegenstand der dortigen Sachaufklärung. Entsprechend hat Dr. S. in Bezug auf das in Rede stehende Ereignis nur die Angaben des Klägers referiert, ebenso wie Prof. Dr. W ... Soweit die Beklagte ausführt, Prof. Dr. W. habe auf S. 21 seines Gutachtens den Gesundheitserstschaden nach dem hier streitigen Ereignis als nicht nachgewiesen bezeichnet, trifft dies nicht zu. Prof. Dr. W. hat an der zitierten Stelle lediglich die Stellungnahme des Dr. L. referiert und somit keine eigene Bewertung betreffend einen Gesundheitserstschaden abgegeben. Soweit Dr. L. in seiner im Verwaltungsverfahren eingeholten Stellungnahme das Vorliegen eines "Gesundheitsschadens" verneinte bzw. ausführte, das Ereignis sei - so dann auch die Beklagte im angefochtenen Bescheid - nicht geeignet, eine "relevante psychiatrische Erkrankung" auszulösen, kommt es hierauf nicht an. Wie bereits mehrmals dargelegt, bedarf es für die Annahme eines Arbeitsunfalles keiner länger dauernden Unfallfolgen oder "relevanter" psychiatrischer Erkrankungen. Im Übrigen lag Dr. L. die im Berufungsverfahren eingeholte Zeugenaussage des Dr. B. nicht vor, der gerade eine pathologische seelische Reaktion am 24.04.2006 und damit unmittelbar nach dem Ereignis vom 22.04.2006 geschildert hat. Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass die Eignung des Unfallereignisses eine Frage nach dem - sogleich zu erörternden - naturwissenschaftlichen Zusammenhang ist (vgl. Urteil des Senats vom 12.11.2009, L 10 U 3951/08, juris). Denn wenn das Unfallereignis tatsächlich nicht geeignet war, die fragliche Schädigung hervorzurufen, kann es hinweggedacht werden und die Schädigung wäre trotzdem vorhanden (so zwischenzeitlich auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung - DGUV -, Grundlagen der Begutachtung von Arbeitsunfällen, September 2015, S. 15). Solches behauptet Dr. L. auch nicht ansatzweise.
Der von Dr. B. beschriebene krankhafte psychische Zustand ist wesentlich auf die Auseinandersetzung am 22.04.2006 zurückzuführen.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Die beschriebenen Einwirkungen führten beim Kläger zu einer entsprechenden psychischen Stressreaktion (zitternd, hilflos fühlen kraftlos, perplex, hierzu nachfolgend), so dass er sich nicht mehr in der Lage sah, seinen Dienst zu verrichten und abgelöst werden musste. Auch insoweit hat der Senat keinen Zweifel an der Richtigkeit der klägerischen Angaben, die - soweit der Beobachtung zugänglich (zittern, Ablösen wegen Dienstunfähigkeit) - vom Zeugen M. bestätigt worden sind. Auch das Sozialgericht geht von einer erheblichen psychischen Reaktion des Klägers aus (höchste Erregung, Entsetzen). Angesichts der Angaben des Klägers gegenüber Dr. B. zwei Tage später (seit dem Vorfall Unruhe, Nervosität, Konzentrations- und Schlafstörungen, vgl. Attest des Dr. B. vom 24.05.2006) und dem von Dr. B. damit in Übereinstimmung stehenden psychischen Grundbefund (nervös, agitiert, unkonzentriert, stumpf, resigniert, wenig schwingungsfähig, vgl. dessen sachverständige Zeugenauskunft) hat der Senat keinen Zweifel am naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhang zwischen den psychischen Beschwerden und der in Rede stehenden Auseinandersetzung.
Soweit das Sozialgericht - im Hinblick auf das A-Kriterium und speziell dem Eintreten einer tiefen Verzweiflung einer, wie dargelegt gar nicht in Rede stehenden, PTBS und damit an der Problematik vorbeigehend - das vom Kläger geschilderte Erleben (verängstigt, zittern) gänzlich in Abrede stellt, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Insbesondere schließt das Handeln des Klägers unmittelbar nach dem Ende der Auseinandersetzung eine solche psychische Reaktion nicht aus. Das Ankündigen eines Nachspiels gegenüber den Lokführern und der Versuch, den dienstlichen Verpflichtungen durch restliche Anweisungen (telefonische Benachrichtigung des Lokführers über den weiteren Fahrverlauf mit der Bitte, nach der Bremsprobe in den Steuerwagen zu wechseln) und durch Dokumentation des Bremsvorgangs auf dem dafür vorgesehenen Vordruck nachzukommen mit dem Versuch einer Aushändigung bzw. dann tatsächlicher Hinterlegung im Steuerwagen lässt keinen Rückschluss auf das (Nicht)Eintreten einer psychischen Belastungsreaktion mit den beschriebenen Auswirkungen zu. Die Ankündigung eines Nachspiels kann ebenso gut als Ausdruck der von Dr. B. festgestellten Agitiertheit interpretiert werden oder als Verbalisierung der erlebten Angst und Unsicherheit. Dass der Kläger in Erfüllung seiner dienstlichen Verpflichtungen mit der telefonischen Benachrichtigung des Lokführers über den weiteren Fahrverlauf und Dokumentation der Bremsprobe - die Bremsprobe selbst wurde ohnehin nicht vom Kläger, sondern vom Zeugen M. durchgeführt (Bl. 11, 14 VA) - noch für die Abfahrt des Zuges sorgte, belegt eine psychische Unversehrtheit nicht, sondern lässt eher den Schluss zu, dass der Kläger trotz Beschwerden seine Dienstpflicht erfüllte. Denn tatsächlich meldete sich der Kläger unmittelbar nach Abfahrt dienstunfähig und er wurde auch abgelöst und Dr. B. objektivierte - wie dargelegt - die psychische Dekompensation. Unzutreffend sind schon wegen des verstrichenen Zeitraumes auch die vom Sozialgericht gezogenen Rückschlüsse aus dem geschilderten Wutausbruch des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf dessen Konfliktfähigkeit am 22.04.2006. Das Sozialgericht vernachlässigt im Übrigen gänzlich die psychische Entwicklung, die der Kläger seither nahm (vgl. z.B. die Berichte des Bürgerhospitals) und es thematisiert auch nicht ansatzweise die vom Kläger in der Berufung zu Recht angesprochene Frage, welche Belastung die mündliche Verhandlung für ihn darstellte, abgesehen davon, dass dem Sozialgericht für solche psychologischen Überlegungen die Sachkunde fehlen würde. Nicht mehr verständlich ist die Wertung des Sozialgerichts im Zusammenhang mit der aufgestellten Vermutung, der Kläger sei im Umgang mit Konfliktsituationen geschult, die in Rede stehende Konfliktsituation habe "nicht ansatzweise den Schweregrad eines tätlichen Angriffs erreicht".
Die Auseinandersetzung war auch wesentlich für die akute Belastungsreaktion. Insbesondere bestand keine derart leicht ansprechbare Krankheitsanlage, dass jedes alltägliche Ereignis (s. hierzu Urteil des Senats vom 23.04.2015, L 10 U 5600/13, in juris) dieselbe seelische Störung hervorgerufen hätte. Der Vorgang selbst war kein alltägliches Ereignis: Der Lokführer schlug auf den Tisch und in Richtung des Klägers. Der Kläger wurde aus der Lokomotive geschoben und seine Hände wurden von der schweren Tür der Lokomotive beinahe eingeklemmt, was zu schweren Verletzungen geführt hätte. Der Kläger war auch nicht in einer Weise vorgeschädigt, dass jedes alltägliche Ereignis die gleiche Reaktion ausgelöst hätte. Der Senat schließt dies aus der Tatsache, dass der Kläger die stressbelastende Tätigkeit mit Schichtarbeit, Publikumsverkehr und entsprechender Verantwortung als Zugchef ohne Arbeitsunfähigkeit wegen psychischer Probleme nach dem von der TK erstellten Leistungskonto seit Ende Juli 2005 ausübte, also der entsprechenden Stressbelastung gewachsen war. Auch Dr. B. hat über keine vergleichbaren Behandlungen in der Vergangenheit aus geringfügigem Anlass berichtet.
Damit liegen alle Voraussetzungen für die Annahme eines Arbeitsunfalles vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer dienstlichen Auseinandersetzung am 22.04.2006 als Arbeitsunfall.
Der am 1976 geborene Kläger stammt aus dem ehemaligen J. , wuchs aber in Deutschland auf. Nach seinen Angaben absolvierte er bei der Deutschen Bahn AG eine Ausbildung als Eisenbahner und erwarb später die Qualifikation als Zugbegleiter und 2003 als Zugführer (s. S. 11 des Gutachtens von Dr. S. , Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I im Psychiatrischen Zentrum N. ). Am 20.12.2000 erlitt er einen - zwischenzeitlich als Arbeitsunfall mit der Unfallfolge Reaktion auf schwere Belastung mit depressiv-somatoformer Symptomatik anerkannten (angenommenes Teilanerkenntnis im Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart S 6 U 4283/11) - Stromschlag, am 26.12.2003 und am 28.10.2005 wurde er von Fahrgästen angegriffen und verletzt, was die Beklagte jeweils ebenfalls als Arbeitsunfall anerkannt hat (angenommene Teilanerkenntnisse in den Verfahren S 6 U 4284/11 und S 6 U 4285/11). Außerdem erlebte der Kläger nach seinen Angaben mehrere Suizide mit, wobei hierzu keine Unterlagen vorhanden sind. Er führt seine körperlichen und psychischen Beschwerden (s. Bl. 8 ff. VA) auf diese Vorgänge sowie das nachfolgend geschilderte Ereignis zurück. Im Zuge zweier teilstationärer Behandlungen in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Klinikums S. - B. - von Oktober 2009 bis Januar 2010 (Diagnosen Posttraumatische Belastungsstörung - PTBS -, Agoraphobie mit Panikstörung, Somatoformer Schwindel, Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörung, vgl. die Entlassungsberichte Bl. 18 ff. und 49 ff. VA) wurde ihm, so seine auch das vorliegend vorausgegangene Verwaltungsverfahren einleitenden Angaben (Bl. 1 VA), dieser Ursachenzusammenhang bewusst.
Am 22.04.2006 war der Kläger für die DB Fernverkehr AG als Zugchef des EC 266 tätig. Wegen eines Oberleitungsschadens wurde die Elektrolokomotive des Zuges im Bahnhof K. nicht mehr mit Strom versorgt und abgekuppelt. Von der Transportleitung war zunächst vorgesehen, eine noch heranzuführende Diesellokomotive einzusetzen und die Elektrolokomotive am Wagenzug mitzuführen. Zugleich sollte der ohnehin vorgesehene Wechsel der Lokführer stattfinden. Daraufhin wurde die Elektrolokomotive wieder angekuppelt. Wegen des Wechsels der Lokomotiven wurde es erforderlich, eine Bremsprobe durchzuführen. Zu diesem Zweck begab sich der Kläger zur Elektrolokomotive, in der sich beide Lokführer, W. und K. , aufhielten. Es kam dann über die Frage, ob bereits mit der wieder angekoppelten Elektrolokomotive eine Bremsprobe und später mit der erwarteten Diesellokomotive eine weitere Bremsprobe durchgeführt werden soll, zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kläger und den Lokführern. Im Verlauf der Auseinandersetzung kam es seitens des "alten" Lokführers W. zu körperlichen Ausbrüchen (Schlagen auf den Tisch), der Kläger wurde beschimpft ("Scheißkanake"), er wurde vom Lokführer W. mit erhobenem Arm, den er abwehrte, bedroht und schließlich aus der Lokomotive gedrängt. Dabei hielt er sich am Rahmen der schweren Eisentür dieser Lokomotive fest. Als besagter Lokführer die Tür zuschlug, konnte der Kläger seine Hände gerade noch wegziehen und sich an den außen verlaufenden Griffen im Türbereich festhalten und so eine schwere Verletzung verhindern. Nachdem er aus Angst den weiteren Zugbegleiter, den Zeugen M. , zu seiner Unterstützung herbeigerufen hatte, versuchte der Kläger nochmals die Lokomotive zu besteigen, was nicht gelang, weil die Lokführer die Tür abgeschlossen hatten. Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, dass die erwartete Diesellokomotive anderweitig eingesetzt wurde. Der Zug setzte mit entsprechender Verspätung seine Fahrt mit der wieder einsetzbaren Elektrolokomotive und dem neuen Lokführer, dem der Kläger telefonisch noch kurze Informationen über den neuen Fahrverlauf gab und Anweisungen erteilte (Wechseln auf den Steuerwagen), und nach Dokumentation der Bremsprobe durch den Kläger (Aushändigen bzw. Hinlegen eines Bremszettels) fort. Der Kläger sah sich durch diese Vorgänge massiv belastet (zitternd vor Angst, hilflos, kraftlos, perplex). Nach Abfahrt des Zuges meldete sich der Kläger telefonisch dienstunfähig und wurde abgelöst.
Wegen nachfolgend aufgetretener Unruhezustände, Nervosität, Konzentrations- und Schlafstörungen stellte sich der Kläger am 24.04.2006 bei seinem Hausarzt, dem Internisten Dr. B. vor und berichtete ihm über den Konflikt und seine Beschwerden (vgl. Attest des Dr. B. vom 24.05.2006, Bl. 2 VA). Auf ihn wirkte der Kläger nervös, agitiert, unkonzentriert, stumpf, resigniert und psychisch wenig schwingungsfähig. Deshalb führte Dr. B. ein langes unterstützendes Gespräch, verordnete Tafil (angstlösendes Benzodiazepin) und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vom 22.04. bis 02.05.2006 (sachverständige Zeugenauskunft des Dr. B. gegenüber dem Senat, Bl. 48 LSG-Akte).
Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. L. (Bl. 96, 107 VA) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2011 (Bl. 109 VA) und Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 (Bl. 124 VA) die Gewährung von Leistungen anlässlich des Ereignisses vom 22.04.2006 ab, weil die Meinungsverschiedenheit bzw. lautstarke Auseinandersetzung wegen dienstlicher Belange eine alltägliche Arbeitsplatzsituation sei, nicht die Anforderungen an ein Arbeitsunfallereignis erfülle und nicht geeignet sei, eine relevante psychische Erkrankung auszulösen.
Dagegen hat der Kläger am 25.07.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben und zuletzt (nur noch) die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 22.04.2006 als Arbeitsunfall begehrt. Das Sozialgericht hat das Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom Januar 2013 aus den drei parallel geführten Rechtsstreiten um die weiteren Ereignisse beigezogen (Bl. 62 ff. SG-Akte), den Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört und den Zeugen M. vernommen. Wegen der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf Bl. 163 f. der SG-Akte verwiesen.
Mit Urteil vom 27.05.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass am 22.04.2006 ein lautstarkes Streitgespräch mit den Lokführern stattfand, der Kläger beschimpft und gestoßen wurde und er dabei einen Schlag eines Lokführers nur knapp abwehren konnte. Das reiche als äußere Einwirkung im Sinne eines Arbeitsunfalls aus. Es fehle aber an einem Gesundheitserstschaden, denn es sei weder zu einer somatischen noch zu einer psychischen Gesundheitsstörung gekommen. Die von Dr. B. angenommene posttraumatische Belastungsreaktion sei nicht nachgewiesen. Dr. B. habe diese Diagnose fachfremd gestellt, objektive Belege fänden sich nicht, eine Arbeitsunfähigkeit sei nicht eingetreten und Dr. S. habe für keinen Zeitpunkt eine PTBS diagnostiziert.
Gegen das ihm am 21.06.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.07.2016 mit der Begründung Berufung eingelegt, das SG habe übersehen, dass er bis 02.05.2006 arbeitsunfähig und das auch bescheinigt gewesen sei. Das Gutachten des Dr. S. sei nicht prozessordnungsgemäß in den Rechtsstreit eingeführt. Es habe auch ein Gesundheitserstschaden vorgelegen, denn er habe sich zu Dr. B. begeben, der ihn wegen einer akuten Belastungsreaktion medikamentös behandelt und krankgeschrieben habe. Auf die Frage, ob das Ereignis später eine PTBS nach sich gezogen habe, komme es für die Entscheidung nicht an. Der Kläger hat das Attest des Dr. B. über die Arbeitsunfähigkeit vom 22.04.2006 bis 02.05.2006 mit der gestellten Diagnose F43.0 (Bl. 37a LSG-Akte) und die Bescheinigung der Techniker Krankenkasse (TK) über - auch diese - Arbeitsunfähigkeitszeit (Bl. 42a LSG-Akte) vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.05.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 22.04.2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat von Dr. B. die oben erwähnte schriftliche sachverständige Zeugenauskunft eingeholt und die Gutachten und Stellungnahmen aus den oben genannten anderen Klageverfahren vor dem Sozialgericht beigezogen (Gutachten des Dr. S. vom Januar 2013, Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. W. vom Mai 2014 mit neuropsychologischem Zusatzgutachten des Prof. Dr. Z. und psychologischem Zusatzgutachten der Diplompsychologin H. , beratungsärztliche Stellungnahmen des Dr. B. , ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. W. ), ebenso wie die für den Senat in den Verfahren L 10 U 3872/15 und L 10 U 3873/15 zu den Unfallereignissen in den Jahren 2000 und 2003 von Dr. S. abgegebenen Stellungnahmen. Beide Beteiligten haben hierzu Stellung genommen (Bl. 55 bzw. Bl. 167 LSG-Akte).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2011, mit dem die Beklagte pauschal die Gewährung von Leistungen anlässlich des Ereignisses vom 22.04.2006 ablehnte, weil kein Arbeitsunfall vorliege. Hiergegen richtet sich der Kläger zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen, weil diese im Grunde das Nichtvorliegen eines Arbeitsunfalles regeln, also die Anerkennung eines Versicherungsfalles ablehnen, und bei Vorliegen eines Arbeitsunfalles einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 20).
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger erlitt am 22.04.2006 einen Arbeitsunfall.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist dagegen keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91).
Der Kläger stand bei der Auseinandersetzung am 22.04.2006 nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Kläger war als Zugführer bei der Deutschen Bahn beschäftigt und in dieser Tätigkeit unfallversichert. Die Besprechung mit den Lokführern am 22.04.2006 betraf diese Tätigkeit. An diesem Tag waren die Oberleitungen um den Bahnhof K. beschädigt und die Transportleitung hatte eine Diesellok angekündigt, um die Schadenstelle zu umfahren. Der Kläger und die Lokführer stritten um die Notwendigkeit und Durchführung einer Bremsprüfung mit der vorhandenen elektrisch betriebenen Lok bzw. um das Abwarten der angekündigten Diesellok, mithin um dienstliche Angelegenheiten in Ausübung ihrer versicherten Tätigkeit. Auch wenn solche Auseinandersetzungen unter Arbeitskollegen in Tätlichkeiten ausarten, sind sie von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst (BSG, Urteil vom 19. Juni 1975, 8 RU 70/74, in juris). Dies bezweifeln weder das Sozialgericht noch die Beklagte.
Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Auseinandersetzung am 22.04.2006 um ein von außen auf den Körper einwirkendes, zeitlich begrenztes Ereignis handelte.
Durch das Merkmal der äußeren Einwirkung soll lediglich ausgedrückt werden, dass ein aus innerer Ursache, aus dem Menschen selbst kommendes Ereignis, nicht als Unfall anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Der Gesundheitserstschaden kann (von außen) verursacht sein durch körperlich gegenständliche, aber auch durch geistig-seelische Einwirkungen in einem eng begrenzten Zeitraum (BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R; Urteil vom 18.03.1997, 2 RU 8/96; Urteil vom 18.03.1997, 2 RU 23/96; Urteil vom 04.12.1991, 2 RU 14/91; Beschluss vom 05.02.1980, 2 BU 31/79; jeweils in juris; Urteil vom 27.10.1987, 2 RU 35/87 in SozR 2200 § 589 Nr. 10; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.02.2006, L 2 U 69/03, in juris; im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 29.11.2011, B 2 U 23/10 R).
Der im Tatbestand beschriebene Geschehensablauf am 22.04.2006 steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der mehrmaligen, in sich konsistenten Schilderungen des Klägers (zu Beginn des Verwaltungsverfahres, Bl. 11 ff. VA, gegenüber Dr. S. , Bl. 70 Rückseite/71 LSG-Akte, gegenüber Prof. Dr. W. , Bl. 117 LSG-Akte, wenn auch mit falsch dokumentiertem Datum, und gegenüber dem Sozialgericht in seiner Anhörung) sowie der die Angaben des Klägers im Kern, soweit das Geschehen von ihm beobachtet wurde, bestätigenden Aussage des Zeugen M. , insbesondere zum Herausdrängen des Klägers durch den Lokführer und die Gefährdung der Hände sowie die körperlich sichtbare Reaktion des Klägers, fest. Weder das Sozialgericht noch die Beklagte haben Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Angaben geäußert.
Der Kläger war somit körperlichen Übergriffen durch den Lokführer in Form eines versuchten Schlages, Hinausdrängens aus der Lokomotive und Gefährdung durch Zuschlagen der Türe, obwohl sich seine Hände noch im Türrahmenbereich befanden, ausgesetzt, was zugleich eine Missachtung der dienstlichen Stellung des Klägers als Zugchef darstellt. Hinzu kam die mit der Beleidigung einhergehende Herabwürdigung. Für den Kläger bestand damit eine erhebliche psychische Belastungssituation mit entsprechender psychischer Stressreaktion (hierzu sogleich), so dass er sich nicht mehr in der Lage sah, seinen Dienst zu verrichten und abgelöst werden musste.
Die teilweise relativierenden Ausführungen des Lokführers K. gegenüber dem Arbeitgeber (Bl. 14 f. VA) stehen der Überzeugung des Senats nicht entgegen. Zu der für den Kläger eindrücklichen Gefährdung seiner Hände durch das Zuschlagen der Tür durch den Lokführer W. konnte der Lokführer K. schon deshalb keine Angaben machen, weil er sich in der der Lok befand und deshalb keine Sicht auf die Außenseite der Tür hatte. Gerade diesen Umstand hat aber der Zeuge M. auf Grund eigener Wahrnehmung bestätigt. Auch der Lokführer K. bestätigte die verbale Auseinandersetzung und die Absicht seines Kollegen, den Kläger aus der Lokomotive zu bekommen ("Pack deinen Krempel und verlass die Lok"). Soweit er "Diskriminierung, Bedrohung, Beleidigung und Nötigung" in Abrede stellte, ist dies pauschal und vermag die Schilderungen des Klägers über die Ausbrüche des Lokführers W. nicht in Zweifel zu ziehen. Auch insoweit hat vielmehr der Zeuge M. , wiederum auf Grund eigener Wahrnehmung, bestätigt, dass der Kläger vom Lokführer aus der Lokomotive herausgedrückt wurde.
Soweit die Beklagte diese Geschehnisse nicht als die Anforderungen eines Unfallereignisses erfüllend ansieht, weil eine alltägliche Arbeitsplatzsituation vorliege (so der angefochtene Bescheid im Anschluss an die entsprechende Äußerung von Dr. L. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme), ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Körperliche Auseinandersetzungen und Beleidigungen sind vielmehr generell nicht als alltägliche Arbeitsplatzsituation anzusehen. Im Übrigen werden vom Begriff der Einwirkung auch Geschehnisse erfasst, die auf Grund der jeweiligen versicherten Tätigkeit "üblich" sind (BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 16/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 21; Urteil vom 29.11.2011, a.a.O.; s. auch Urteil des Senats vom 23.04.2015, L 10 U 5600/13 zur Problematik alltägliches Ereignis und betriebsübliches Ereignis, in juris).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kam es infolge der Auseinandersetzung mit den Lokführern beim Kläger auch zu einem Gesundheits(erst)schaden.
Gesundheitserstschaden i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich (BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 16/11 R, in SozR 4-2700 § 2 Nr. 21) jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Versicherungsfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) oder der versicherten Tätigkeit aufgrund der Spezialvorschrift des § 11 SGB VII als Versicherungsfall zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls (BSG, a.a.O.). Deshalb sind auch leichtere, aber länger andauernde Beschwerden, wie Kopf- oder Muskelschmerzen, Gefühlsstörungen, Schwindel oder Funktionseinschränkungen z.B. auf Grund struktureller Verletzungen wie Hämatome, Schürfwunden oder Zerrungen ausreichend (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 15.03.2007, L 10 U 353/0 und Urteil vom 16.06.2016, L 10 U 2544/13, beide in juris).
Insoweit hat das Sozialgericht somit zutreffend ausgeführt, dass auch geringfügige Schädigungen (Bagatellverletzungen) ausreichen, und es ist zutreffend davon ausgegangen, dass es ausreicht, wenn sich die körperliche Einwirkung - auch nach dem Vortrag des Klägers - nur psychisch ausgewirkte. Es hat dann jedoch zu Unrecht das Vorliegen eines pathologischen und damit regelwidrigen psychischen Zustandes verneint. Es hat die von Dr. B. diagnostizierte posttraumatische Belastungsreaktion deshalb als nicht nachgewiesen erachtet, weil Dr. B. Internist ist, keine Arbeitsunfähigkeit dokumentiert sei und. Dr. S. die Voraussetzungen für die Annahme einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) verneint habe, was es mit umfangreicher Begründung für überzeugend gehalten hat. Dies hält in tatsächlicher Hinsicht einer Überprüfung nicht stand. Der Senat schließt sich vielmehr im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung den Ausführungen des Klägers an und bejaht auch einen Gesundheitserstschaden infolge des in Rede stehenden Ereignisses.
Die der Argumentation des Sozialgerichts zu Grunde liegende Ansicht, die von Dr. B. diagnostizierte posttraumatische Belastungsreaktion stehe in Widerspruch zu den Ausführungen von Dr. S. , der zu keinem Zeitpunkt alle Kriterien für eine PTBS bejaht hat, trifft schon deshalb nicht zu, weil es sich um gänzlich verschiedene Diagnosen handelt. Dr. B. hat - wie sich aus dem vom Kläger vorgelegten Attest des Dr. B. (Bl. 37a LSG-Akte) und dem ebenfalls vom Kläger vorgelegten Leistungskonto der TK (Bl. 42a LSG-Akte) ergibt - diese Diagnose mit F43.0 verschlüsselt. Nach der somit zur Anwendung gelangten Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, (ICD 10) ist eine posttraumatische Belastungsreaktion definiert als eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt und die im Allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt. Die Symptomatik zeigt typischerweise - so F43.0 weiter - ein gemischtes und wechselndes Bild, beginnend mit einer Art von "Betäubung", mit einer gewissen Bewusstseinseinengung und eingeschränkten Aufmerksamkeit, einer Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten und Desorientiertheit. Dem gegenüber ist eine PTBS von ICD 10 F43.1 erfasst und entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich - so F43.1 weiter - Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Damit gehen die zentralen Ausführungen im angefochtenen Urteil an der Problematik vorbei, denn Dr. B. behauptet für den Zeitpunkt seiner Untersuchung des Klägers am 24.04.2006 gar nicht das Vorliegen einer PTBS und es geht auch nicht um die Feststellung einer Unfallfolge, sondern um das Vorliegen eines für den Begriff des Arbeitsunfalles notwendigen, aber auch ausreichenden Gesundheits-erstschaden. Hierauf hat der Kläger zutreffend hingewiesen.
Der Senat hat keinen Zweifel am Vorliegen eines - wohl vorübergehenden - psychischen Schadens des Klägers am 22.04.2006. Die von Dr. B. zwei Tage später gesicherten Befunde - ausweislich seiner sachverständigen Zeugenauskunft war der Kläger nervös, agitiert, unkonzentriert, stumpf, resigniert und wenig schwingungsfähig - belegen eine psychische Dekompensation mit einer Symptomatik, für die der Senat ohne weiteres die von Dr. B. gestellte Arbeitsdiagnose nachvollziehen kann. Entgegen der Äußerung des Sozialgerichts übernahm Dr. B. somit nicht nur unreflektiert die Angaben des Klägers, sondern er erhob einen psychischen Grundbefund. Am Krankheitswert des Zustandes des Klägers bestehen auch deshalb keine Zweifel, weil Dr. B. den Einsatz von Medikamenten (ein angstlösendes Benzodiazepin, so seine Aussage) für erforderlich und den Kläger für mehrere Tage (22.04. bis 02.05.2006) nicht für arbeitsfähig hielt. Diese Zeit der Arbeitsunfähigkeit ist - anders als vom Sozialgericht dargelegt - bereits in den Verwaltungsakten dokumentiert (Bl. 68 Rückseite).
Die vom Sozialgericht und ihm ohne weitere Begründung folgend der Beklagten geäußerten Zweifel an der Kompetenz des Dr. B. teilt der Senat nicht. Zwar ist Dr. B. als Internist nicht dazu berufen, exakte psychopathologische Befunde zu erheben, worauf er in seiner Zeugenaussage auch selbst hingewiesen hat. Indessen kann von jedem hausärztlich in der Versorgung der Bevölkerung tätigen Arzt - Dr. B. führt mit seiner Ehefrau eine Praxis für Innere und Allgemeinmedizin, wie sich aus dem Briefkopf seiner Auskunft ergibt, er behandelte den Kläger ausweislich seiner Angaben wegen diverser körperlicher Beschwerden und damit hausärztlich und er wurde vom Kläger als sein Hausarzt angegeben (Bl. 10 VA) - erwartet werden, dass er in der Lage ist, krankheitswertige psychische Zustände zu erkennen und einer adäquaten Behandlung - entweder durch von ihm selbst zu verantwortende Behandlung entsprechend der für eine hausärztliche Versorgung vorhandenen Grundqualifikation oder durch Überweisung an entsprechende fachkundige Ärzte bzw. Therapeuten nach eventuell erforderlicher Akutversorgung - zuzuführen. Nichts Anderes tat Dr. B. am 24.04.2006 mit dem in seiner Auskunft beschriebenen langen unterstützenden Gespräch und der Verordnung des Medikaments Tafil. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinerlei Zweifel, dass am 24.04.2006 ein krankheitswertiger Zustand in Form einer akuten Belastungsreaktion vorlag.
Aus den vom Senat aus den anderen Rechtsstreiten beigezogenen Gutachten und Stellungnahmen ergibt sich nichts Gegenteiliges. Das hier streitige Ereignis war ohnehin nicht Gegenstand der dortigen Sachaufklärung. Entsprechend hat Dr. S. in Bezug auf das in Rede stehende Ereignis nur die Angaben des Klägers referiert, ebenso wie Prof. Dr. W ... Soweit die Beklagte ausführt, Prof. Dr. W. habe auf S. 21 seines Gutachtens den Gesundheitserstschaden nach dem hier streitigen Ereignis als nicht nachgewiesen bezeichnet, trifft dies nicht zu. Prof. Dr. W. hat an der zitierten Stelle lediglich die Stellungnahme des Dr. L. referiert und somit keine eigene Bewertung betreffend einen Gesundheitserstschaden abgegeben. Soweit Dr. L. in seiner im Verwaltungsverfahren eingeholten Stellungnahme das Vorliegen eines "Gesundheitsschadens" verneinte bzw. ausführte, das Ereignis sei - so dann auch die Beklagte im angefochtenen Bescheid - nicht geeignet, eine "relevante psychiatrische Erkrankung" auszulösen, kommt es hierauf nicht an. Wie bereits mehrmals dargelegt, bedarf es für die Annahme eines Arbeitsunfalles keiner länger dauernden Unfallfolgen oder "relevanter" psychiatrischer Erkrankungen. Im Übrigen lag Dr. L. die im Berufungsverfahren eingeholte Zeugenaussage des Dr. B. nicht vor, der gerade eine pathologische seelische Reaktion am 24.04.2006 und damit unmittelbar nach dem Ereignis vom 22.04.2006 geschildert hat. Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass die Eignung des Unfallereignisses eine Frage nach dem - sogleich zu erörternden - naturwissenschaftlichen Zusammenhang ist (vgl. Urteil des Senats vom 12.11.2009, L 10 U 3951/08, juris). Denn wenn das Unfallereignis tatsächlich nicht geeignet war, die fragliche Schädigung hervorzurufen, kann es hinweggedacht werden und die Schädigung wäre trotzdem vorhanden (so zwischenzeitlich auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung - DGUV -, Grundlagen der Begutachtung von Arbeitsunfällen, September 2015, S. 15). Solches behauptet Dr. L. auch nicht ansatzweise.
Der von Dr. B. beschriebene krankhafte psychische Zustand ist wesentlich auf die Auseinandersetzung am 22.04.2006 zurückzuführen.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Die beschriebenen Einwirkungen führten beim Kläger zu einer entsprechenden psychischen Stressreaktion (zitternd, hilflos fühlen kraftlos, perplex, hierzu nachfolgend), so dass er sich nicht mehr in der Lage sah, seinen Dienst zu verrichten und abgelöst werden musste. Auch insoweit hat der Senat keinen Zweifel an der Richtigkeit der klägerischen Angaben, die - soweit der Beobachtung zugänglich (zittern, Ablösen wegen Dienstunfähigkeit) - vom Zeugen M. bestätigt worden sind. Auch das Sozialgericht geht von einer erheblichen psychischen Reaktion des Klägers aus (höchste Erregung, Entsetzen). Angesichts der Angaben des Klägers gegenüber Dr. B. zwei Tage später (seit dem Vorfall Unruhe, Nervosität, Konzentrations- und Schlafstörungen, vgl. Attest des Dr. B. vom 24.05.2006) und dem von Dr. B. damit in Übereinstimmung stehenden psychischen Grundbefund (nervös, agitiert, unkonzentriert, stumpf, resigniert, wenig schwingungsfähig, vgl. dessen sachverständige Zeugenauskunft) hat der Senat keinen Zweifel am naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhang zwischen den psychischen Beschwerden und der in Rede stehenden Auseinandersetzung.
Soweit das Sozialgericht - im Hinblick auf das A-Kriterium und speziell dem Eintreten einer tiefen Verzweiflung einer, wie dargelegt gar nicht in Rede stehenden, PTBS und damit an der Problematik vorbeigehend - das vom Kläger geschilderte Erleben (verängstigt, zittern) gänzlich in Abrede stellt, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Insbesondere schließt das Handeln des Klägers unmittelbar nach dem Ende der Auseinandersetzung eine solche psychische Reaktion nicht aus. Das Ankündigen eines Nachspiels gegenüber den Lokführern und der Versuch, den dienstlichen Verpflichtungen durch restliche Anweisungen (telefonische Benachrichtigung des Lokführers über den weiteren Fahrverlauf mit der Bitte, nach der Bremsprobe in den Steuerwagen zu wechseln) und durch Dokumentation des Bremsvorgangs auf dem dafür vorgesehenen Vordruck nachzukommen mit dem Versuch einer Aushändigung bzw. dann tatsächlicher Hinterlegung im Steuerwagen lässt keinen Rückschluss auf das (Nicht)Eintreten einer psychischen Belastungsreaktion mit den beschriebenen Auswirkungen zu. Die Ankündigung eines Nachspiels kann ebenso gut als Ausdruck der von Dr. B. festgestellten Agitiertheit interpretiert werden oder als Verbalisierung der erlebten Angst und Unsicherheit. Dass der Kläger in Erfüllung seiner dienstlichen Verpflichtungen mit der telefonischen Benachrichtigung des Lokführers über den weiteren Fahrverlauf und Dokumentation der Bremsprobe - die Bremsprobe selbst wurde ohnehin nicht vom Kläger, sondern vom Zeugen M. durchgeführt (Bl. 11, 14 VA) - noch für die Abfahrt des Zuges sorgte, belegt eine psychische Unversehrtheit nicht, sondern lässt eher den Schluss zu, dass der Kläger trotz Beschwerden seine Dienstpflicht erfüllte. Denn tatsächlich meldete sich der Kläger unmittelbar nach Abfahrt dienstunfähig und er wurde auch abgelöst und Dr. B. objektivierte - wie dargelegt - die psychische Dekompensation. Unzutreffend sind schon wegen des verstrichenen Zeitraumes auch die vom Sozialgericht gezogenen Rückschlüsse aus dem geschilderten Wutausbruch des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf dessen Konfliktfähigkeit am 22.04.2006. Das Sozialgericht vernachlässigt im Übrigen gänzlich die psychische Entwicklung, die der Kläger seither nahm (vgl. z.B. die Berichte des Bürgerhospitals) und es thematisiert auch nicht ansatzweise die vom Kläger in der Berufung zu Recht angesprochene Frage, welche Belastung die mündliche Verhandlung für ihn darstellte, abgesehen davon, dass dem Sozialgericht für solche psychologischen Überlegungen die Sachkunde fehlen würde. Nicht mehr verständlich ist die Wertung des Sozialgerichts im Zusammenhang mit der aufgestellten Vermutung, der Kläger sei im Umgang mit Konfliktsituationen geschult, die in Rede stehende Konfliktsituation habe "nicht ansatzweise den Schweregrad eines tätlichen Angriffs erreicht".
Die Auseinandersetzung war auch wesentlich für die akute Belastungsreaktion. Insbesondere bestand keine derart leicht ansprechbare Krankheitsanlage, dass jedes alltägliche Ereignis (s. hierzu Urteil des Senats vom 23.04.2015, L 10 U 5600/13, in juris) dieselbe seelische Störung hervorgerufen hätte. Der Vorgang selbst war kein alltägliches Ereignis: Der Lokführer schlug auf den Tisch und in Richtung des Klägers. Der Kläger wurde aus der Lokomotive geschoben und seine Hände wurden von der schweren Tür der Lokomotive beinahe eingeklemmt, was zu schweren Verletzungen geführt hätte. Der Kläger war auch nicht in einer Weise vorgeschädigt, dass jedes alltägliche Ereignis die gleiche Reaktion ausgelöst hätte. Der Senat schließt dies aus der Tatsache, dass der Kläger die stressbelastende Tätigkeit mit Schichtarbeit, Publikumsverkehr und entsprechender Verantwortung als Zugchef ohne Arbeitsunfähigkeit wegen psychischer Probleme nach dem von der TK erstellten Leistungskonto seit Ende Juli 2005 ausübte, also der entsprechenden Stressbelastung gewachsen war. Auch Dr. B. hat über keine vergleichbaren Behandlungen in der Vergangenheit aus geringfügigem Anlass berichtet.
Damit liegen alle Voraussetzungen für die Annahme eines Arbeitsunfalles vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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