L 9 KR 280/18 B ER RG

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 42 KR 319/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 280/18 B ER RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anhörungsrüge der Antragstellerin und ihre Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats vom 06. Juni 2018 werden zurückgewiesen. Kosten der Antragstellerin für diese Verfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Senat hat mit Beschluss vom 06. Juni 2018 die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Januar 2018 zurückgewiesen, mit dem das Sozialgericht es abgelehnt hatte, der Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz gegen die Festsetzung von Beiträgen zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und zur gesetzlichen Pflegeversicherung einschließlich der vom Antragsgegner festgesetzten Mahngebühren und Säumniszuschläge auf nicht gezahlte Beiträge zu gewähren.

Vorliegend wendet sich die Antragstellerin mit der Anhörungsrüge und der Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats. Zur Begründung rügt sie, dass der Senat vor seiner Entscheidung nicht klargestellt habe, welche genauen Anforderungen er an die von ihm verlangte Darlegung ihrer Einkommensverhältnisse stellte und ihr damit keine Gelegenheit gegeben habe, diese substantiiert darzulegen. Sie habe deshalb davon ausgehen können, dass ihre Angaben gegenüber der Antragsgegnerin ausgereicht hätten. Im Übrigen rügt sie die Richtigkeit der Entscheidung des Senats.

II. A. Die von der Antragstellerin erhobene Anhörungsrüge bleibt ohne Erfolg. Nach § 178a Abs. 1 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr. 1) und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr. 2). Eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Anhörungsrüge besteht gemäß § 178 a Abs. 2 Satz 5 SGG darin, dass der Rügeführer das Vorliegen der Voraussetzungen des § 178 a Abs. 1 Nr. 2 SGG schlüssig darlegt; erforderlich ist substantiierter Vortrag dazu, dass und warum das angerufene Gericht selbst den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt habe (Bundessozialgericht, Beschluss vom 7. April 2005, B 7a AL 38/05 B, SozR 4-1500 § 178 a Nr. 2; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, RdNr. 6 a und b zu § 178 a). Ob das Vorbingen der Antragstellerin diesen Anforderungen genügt oder sie sich mit ihrer Anhörungsrüge trotz ihres Hinweises auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Senat gegen die sachliche Richtigkeit des Senatsbeschlusses vom 06. Juni 2018 wendet, was für eine zulässige Gehörsrüge nicht ausreicht, bedarf keiner abschließenden Klärung. Denn es liegt kein Gehörsverstoß vor.

1.) Der in Art. 103 Abs. 1 GG und §§ 62, 128 Abs. 2 SGG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, sich mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten behaupten zu können. Diesem Recht entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin [VerfGH], Beschluss vom 16. November 1995 - VerfGH 48/94 - LVerfGE 3, 113 (116 f.); st. Rspr.; BVerfGE 54, 117 (123); 60, 1 (5); 69, 145 (148)). Dies setzt voraus, dass das Gericht den Beteiligten gegenüber klarstellt, auf welche Tatsachen es seine Entscheidung zu stützen beabsichtigt und ihnen Gelegenheit gibt, sich hierzu zu äußern. Dies ist vorliegend hinreichend geschehen und das Recht der Antragstellerin auf rechtliches Gehör damit gewahrt worden.

2.) Schon das Sozialgericht hat in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass die streitige Beitragsfestsetzung der Antragsgegnerin darauf beruhe, dass die Antragstellerin alle Anfragen zu ihren Einnahmen im streitigen Zeitraum unbeantwortet gelassen habe und einen ausreichenden Einkommensnachweis damit schuldig geblieben sei. Ihr Vortrag, sie verfüge über keine Einnahmen, sei unglaubhaft. Auf ihre Bitte in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 18. Februar 2018, ihr mitzuteilen, soweit weiterer Vortrag erforderlich sei, hat der Senat sie durch den Berichterstatter mit Schreiben vom 27. Februar 2018 darauf hingewiesen, dass ihre Beschwerde nur dann Erfolg haben könne, wenn sie, die Antragstellerin, ihre gesamten Einkommensverhältnisse für den streitigen Zeitraum, d.h. für die Zeit vom 16. Oktober 2015 bis zum 31. August 2017 vollständig darlege und jeweils Nachweise beifüge. Nachdem die Antragstellerin bis zum 14. Mai 2018 dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, erinnerte der Berichterstatter sie an das gerichtliche Schreiben vom 27. Februar 2018 und setzte ihr eine Frist bis zum 24. Mai 2018. Hierauf antwortete die Antragstellerin mit zwei Schriftsätzen vom 24. und 25. Mai 2018, in denen sie im Wesentlichen auf frühere Erklärungen und Nachweise und "summarische Einkommenserklärungen" Bezug nahm. Daraufhin hat der Senat die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen, weil die Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren nichts Substantielles zu ihren Einkommensverhältnissen vorgebracht habe.

3.) Bei dieser Sachlage musste der Antragstellerin bewusst sein, dass sowohl das Sozialgericht als auch der Senat im Beschwerdeverfahren davon ausgingen, dass ihr bisheriger Vortrag zu ihren Einkommensverhältnissen nicht ausreichte und ein Erfolg der Beschwerde von einer im Beschwerdeverfahren vorzunehmenden vollständigen Darlegung ihrer Einkommensverhältnisse und der Vorlage entsprechender Nachweise dafür abhing, was ihr der Berichterstatter des Senats ausdrücklich mitgeteilt hatte. Eine weitergehende gerichtliche Aufklärung über ihre prozessualen Mitwirkungspflichten war weder erforderlich noch möglich. Dem Schreiben vom 27. Februar 2018 ließ sich auch klar entnehmen, dass die Nichterfüllung des darin verlangten Vortrags zur Zurückweisung der Beschwerde führen würde. Der Antragstellerin ist deshalb klar vor Augen geführt worden, wohin eine Verweigerung der Erfüllung der gerichtlichen Verfügung führen musste. Damit hat der Senat die Anforderungen, die das Recht auf rechtliches Gehör der Antragstellerin stellt, erfüllt. Die Rechtsauffassung der Antragstellerin, sie sei diesen Anforderungen schon zuvor nachgekommen und eine Wiederholung sei von ihr nicht zu verlangen, kann nur für die Richtigkeit der Entscheidung des Senats von Bedeutung sein, nicht jedoch für ihr Recht auf rechtliches Gehör.

B. Auch die Gegenvorstellung der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 06. Juni 2018 hat keinen Erfolg. Es spricht viel dafür, dass die gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung gegen ein Urteil oder einen Beschluss, die in materielle Rechtskraft erwachsen sind, wie dies auch bei Beschlüssen in vorläufigen Rechtsschutzverfahren der Fall ist (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01. Februar 2011 – L 9 KR 362/10 B ER –, juris; Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, SGG, Kommentar, 2. Aufl. § 86b RdNr. 99), jedenfalls neben einer zugleich erhobenen Anhörungsrüge unstatthaft ist. Nach dem Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. BVerfGE 107, 395 ff. RdNr. 69) müssen Rechtsbehelfe in der Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein. Wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Rechtssicherheit. Er wirkt sich im Bereich des Verfahrensrechts unter anderem in dem Postulat der Rechtsmittelklarheit aus. Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. BVerfGE 49, 148, 164; 87, 48, 65). Danach wäre neben der Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG eine im Sozialgerichtsgesetz nicht vorgesehene Durchbrechung der materiellen Rechtskraft im Wege einer Gegenvorstellung entweder schlechthin (so z.B. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2015 – VI ZR 25/14 –; BVerwG, Beschluss vom 25. August 2014 - 5 B 24.14 - RdNr. 2 m.w.N. juris) oder jedenfalls dann nicht statthaft und unzulässig, wenn die Gegenvorstellung die gleiche Zielrichtung wie die Anhörungsrüge verfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2015 - 5 B 9.15 - juris RdNr. 8 m.w.N.), wie dies hier der Fall ist. Letztlich kann diese Rechtsfrage hier aber deshalb offen bleiben, weil die Gegenvorstellung schon keinen Erfolg hat, da der Vortrag der Antragstellerin dem Senat keinen Anlass zur Korrektur des angefochtenen Beschlusses vom 06. Juni 2018 und der ihm zugrunde liegenden rechtlichen Bewertung gibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß §§ 178a Abs. 4 Satz 3, 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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