S 28 SO 409/18 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
28
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 28 SO 409/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin mit Wirkung vom 18.09.2018 Leistungen der Grundsicherung einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich Euro 181,46 vorläufig bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu gewähren. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

Der Antrag vom 18.09.2018, mit dem die Antragsgegnerin verspflichtet werden soll, der Antragstellerin monatliche Leistungen der Grundsicherung zu gewähren, ist zulässig und begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Anordnung nach § 86b Abs. 2 ist neben der besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch auf die beantragte Leistung (Anordnungsanspruch) und setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordung voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind.

Die Voraussetzungen der begehrten Regelungsanordnung liegen vor, soweit die Antragsgegnerin nach der im Eilverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung den hier streitigen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung mit den streitigen Bescheiden vom 20.07.2018 bzw. 18.09.2018 zu Unrecht abgelehnt hat.

Gemäß § 19 Abs. 2 SGB XII iVm § 41 Abs. 1,3 SGB XII sind leistungsberechtigt Personen, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Leistungsberechtigt wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung ist danach, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert i. S. des § 43 Abs. 2 SGB VI ist und bei dem unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.

Die 1953 geborene Antragstellerin, schwerbehindert, Merkzeichen G, gehört unstreitig zum anspruchsberechtigten Personenkreis für den hier streitigen Anspruch auf Grundsicherung. Sie erhält ausweislich des Bescheides der DRV N. vom 09.05 2017 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die noch bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze am 31.12.2018 gezahlt wird. Nach dem vorliegenden Sachverhalt, wie er sich aus dem Vortrag der Antragstellerin und den beigezogenen Akten der Antragsgegnerin ergibt, hat diese auch mit der für den Erlass einer einstweiligen gerichtlichen Regelung ausreichenden Maße glaubhaft gemacht, dass sie ihren notwendigen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen nicht ausreichend bestreiten kann.

Danach verfügt die Antragstellerin lediglich über Einkommen in Form der Erwerbsminderungsrente der DRV in Höhe von Euro 834,26 monatlich, denn die betriebliche Versorgungsbezüge der otto group in Höhe von Euro 43,12 monatlich bleiben nach § 82 Abs.4, 5 SGB XII in der seit dem 01.01.2018 geltenden Fassung anrechnungsfrei, soweit der Freibetrag von Euro 100,- damit nicht erreicht wird. Demgegenüber beträgt der monatliche Bedarf der Antragstellerin insgesamt Euro 1.015,72 (Regelsatz/Alleinstehende Euro 416,-, Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von Euro 529,- sowie einem Mehrbedarf in Höhe von Euro 70,72 gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 für das Merkzeichen G), so dass, soweit nach Vortrag und Aktenlage sonstiges anrechenbares Vermögen nicht vorhanden ist, ein monatlicher sozialhilferechtlicher Bedarf in Höhe von Euro 181,46 (1.015,72./. 834,26) verbleibt. Die Antragsgegnerin geht bei der Berechnung in den streitigen Bescheiden zu Unrecht davon aus, dass bei der Antragstellerin hinsichtlich ihres Bedarfs für die Kosten der Unterkunft lediglich die Hälfte der zu entrichteten Mietzahlung für die von ihr allein bewohnte Wohnung im O. anzurechnen sind. Denn der Ehemann der Antragstellerin lebt seit Juli 2018 auf Dauer in einer stationären Pflegeeinrichtung und obschon sie damit weiterhin eine Bedarfsgemeinschaft i.S. des § 19 Abs. 3 SGB XII bilden, ist für die Anwendung des Kopfteilprinzips damit kein Raum (vgl. BSG Urteil vom 16.04.2013 B 14 AS 71/12 Rdnr. 23, juris). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist weiterhin auch nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Anrechnung des Einkommens des Ehemannes über weitere Einkünfte verfügen kann, denn solche stehen nach der hier vorzunehmenden Bedarfsberechnung nach der Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 SGB XII nicht zur Verfügung. Der 1939 geborene Ehemann der Klägerin hat den Pflegegerad 4 und ist seit dem 17.07.2018 vollstationär in dem Senioren-Zentrum "A." untergebracht, deren Kosten abzüglich der Leistungen der Pflegekasse Euro 1.920,72 monatlich betragen. Er verfügt über Altersrenteneinkünfte in Höhe von Euro 1.033,66, verwertbares Vermögen ist nach Aktenlage ebenfalls nicht vorhanden. Danach ergibt sich folgende Berechnung: Gesamteinkommen (Ast. und Ehemann) Euro 1.867,92

Grundbetrag § 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XII Euro 832,- Kosten der Unterkunft (Ehemann) § 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (Heim) Euro 386,64 Kosten der Unterkunft (ohne Heizung) Ast. Euro 474,- Familienzuschlag Euro 292,-

Einkommensgrenze Euro 1.984,64.

Damit wird die Einkommensgrenze mit dem verfügbaren Einkommen nicht erreicht. Da das Einkommen des Ehemannes der Antragstellerin im Übrigen für die Kosten der Heimunterbringung von Euro 1.920,72 einzusetzen ist, steht der Antragstellerin im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft damit kein weiteres Einkommen zur Verfügung, so dass der hier streitige Anspruch begründen ist. Soweit die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Leistungsbescheide des Ehemannes im Rahmen der Berechnung der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, gilt es, diese ggfs. von Amts wegen zu überprüfen. Auch die dort vorgenommene Anrechnung der hälftigen Miete für die Wohnung im O. entspricht nicht der bereits genannten höchstrichterlichen Rechtslage, ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Eilbedürftigkeit liegt vor, soweit die Antragstellerin bereits seit der Antragstellung im Juli 2018 nicht im ausreichenden Maße über Einkommen zur Bestreitung ihres existenznotwendigen Lebensunterhalts verfügt. Soweit im gerichtlichen Eilverfahren jedoch eine Leistungsgewährung für die Vergangenheit nicht in Betracht kommt, war die Antragsgegnerin erst ab Antragstellung beim Sozialgericht zu verpflichten. Im Hinblick auf die erforderlichen Neuberechnungen auch hinsichtlich der Leistungsgewährung an den Ehemann der Antragstellerin war die Verpflichtung der Antragsgegnerin zunächst bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu begrenzen.

Die Kostenentscheidung folgt in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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