S 25 KR 104/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 104/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 184/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 6/18 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der für den Zeitraum ab 1. Januar 2011 zu zahlenden Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung.

Der 1953 geborene Kläger ist seit 22. Dezember 2009 als Selbstständiger hauptberuflich erwerbstätig und bei der Beklagten zu 1) freiwillig krankenversichert und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. Die Beklagte zu 1) setzte die zu entrichtenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2010 auf 316,18 EUR und ab 1. März 2011 auf 327,68 EUR unter Vorbehalt einer Nachberechnung vorläufig fest (Beitragsbescheide vom 1. April 2010 und 11. März 2011). Der Beitragsbemessung legte sie monatliche beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der Mindestbemessungsgrundlage für Selbstständige von 1.916,25 EUR zugrunde.

Im Rahmen einer Einkommensbefragung legte der Kläger am 24. Oktober 2012 den Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes A-Stadt für 2010 vom 21. August 2012 vor. Danach erzielte der Kläger Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 27.378,00 EUR.

Daraufhin setzten die Beklagten mit gemeinsamem Bescheid vom 6. November 2012 den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung rückwirkend ab 1. Januar 2010 auf insgesamt 376,44 EUR und ab 1. Januar 2011 auf insgesamt 390,13 EUR fest. Der Beitragsbemessung legten sie monatliche Einnahmen in Höhe von 2.281,50 EUR zugrunde. Den für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. September 2012 nachzuzahlenden Betrag bezifferten sie auf 1.953,84 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 6. November 2012 veranlagten die Beklagten den Kläger unter Zugrundelegung monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe der Mindestbemessungsgrundlage für Selbstständige von 1.968,75 EUR ab 1. Oktober 2012 unter Vorbehalt einer Nachberechnung vorläufig zu monatlichen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 336,65 EUR.

Am 5. Dezember 2012 legte der Kläger gegen die Beitragsnachforderung für die Jahre 2011 und 2012 Widerspruch ein. Er machte geltend, die Nachberechnung sei unbillig und widerspreche der kaufmännischen Handhabung sowie der geltenden Rechtsprechung.

Die Beklagten wiesen den Widerspruch mit gemeinsamem Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führten sie aus, nach § 240 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) und den Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) des Spitzenverband Bund der Krankenkassen seien die Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 30. September 2012 zu Recht unter Heranziehung des Einkommenssteuerbescheides für 2010 nacherhoben worden.

Hiergegen hat der Kläger am 20. März 2013 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.

Nachdem der Kläger am 8. Februar 2013 den Beklagten den Einkommenssteuerbescheid für 2011 vom 28. Januar 2013, der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 26.749,00 EUR ausweist, eingereicht hatte, setzten sie mit Bescheid vom 18. Februar 2013 den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. März 2013 auf insgesamt 383,40 EUR fest. Dabei legten sie monatliche Einnahmen in Höhe von 2.229,08 EUR der Beitragsbemessung zugrunde.

Der Kläger trägt vor, die Berechnungsmethode der Beklagten und Beitragseinstufung für den Zeitraum ab 1. Januar 2011 nach monatlichen Einkünften in Höhe von 2.281,50 EUR beziehungsweise 2.229,08 EUR sei rechtswidrig. Der Beitragsbemessung dürften nur die in den jeweiligen Jahren erzielten Gesamteinkünfte (26.749,00 EUR in 2011 und 11.585,00 EUR in 2012) zugrunde gelegt werden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Bescheid vom 6. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2013 und den Bescheid vom 18. Februar 2013 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen (sinngemäß),
die Klage abzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung aus den Gründen des Widerspruchsbescheides für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte (Blatt 1 bis 29) der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG vorher zuhören. Letzteres ist durch Anhörungsschreiben vom 12. Januar 2016 erfolgt. Die gerichtliche Verfügung wurde dem Kläger mit Zustellungsurkunde am 5. Februar 2016 und den Beklagten mit Empfangsbekenntnis am 2. Februar 2016 zugestellt.

Streitgegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 6. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2013. Die hiergegen form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Soweit der Kläger seine Klage auf den Bescheid vom 18. Februar 2013 erweitert hat, ist die Klage mangels Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens (§ 78 SGG) und wegen Nichteinhaltung der Klagefrist (§ 87 SGG) bereits unzulässig. Der Bescheid vom 18. Februar 2013 ist auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich nach § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in den bis 31. Juli 2014 geltenden und vorliegend anzuwendenden Fassungen. Danach wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpVBdKK) geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (Abs. 1). Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Abstufungen nach dem Familienstand oder der Zahl der Angehörigen, für die eine Versicherung nach § 10 SGB V besteht, sind unzulässig. Der in Abs. 4 Satz 2 genannte Existenzgründungszuschuss und der zur sozialen Sicherung vorgesehene Teil des Gründungszuschusses nach § 57 des Dritten Buches in Höhe von monatlich 300 Euro dürfen nicht berücksichtigt werden. Ebenfalls nicht zu berücksichtigen ist das an eine Pflegeperson weitergereichte Pflegegeld bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 Abs. 1 SGB XI. Die §§ 223 und 228 Abs. 2, § 229 Abs. 2 und die §§ 238a, § 247 Abs. 1 und § 248 SGB V sowie § 23a SGB IV gelten entsprechend (Abs. 2). Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die Anspruch auf einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III oder einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III oder eine entsprechende Leistung nach § 16 SGB II haben, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Der SpVBdKK bestimmt, unter welchen Voraussetzungen darüber hinaus der Beitragsbemessung hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger niedrigere Einnahmen, mindestens jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße, zugrunde gelegt werden. Dabei ist insbesondere das Vermögen des Mitglieds sowie Einkommen und Vermögen von Personen, die mit dem Mitglied in Bedarfsgemeinschaft leben, zu berücksichtigen (Abs. 4 Satz 1 bis 4).

§ 7 Abs. 3 der "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler - im Folgenden: BeitrVerfGrsSz) vom 27. Oktober 2008 (veröffentlicht im elektronischen Bundesanzeiger (eBanz) vom 4. November 2008), zuletzt geändert durch die Fünfte Änderung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27. November 2013 (eBanz vom 2. Dezember 2013), bestimmt, dass für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs. 3 SGB V) gilt. Werden niedrigere Einnahmen nachgewiesen, sind diese als beitragspflichtige Einnahmen heranzuziehen, mindestens jedoch für den Kalendertag 1/40 der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch- Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV). Nach § 7 Abs. 4 BeitrVerfGrsSz werden abweichend von Absatz 3 auf Antrag die Beiträge für Mitglieder, deren beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag 1/40 der monatlichen Bezugsgröße unterschreiten, nach den tatsächlichen Einnahmen, mindestens jedoch nach 1/60 der monatlichen Bezugsgröße für den Kalendertag bemessen. Die Beitragsbemessung nach Satz 1 ist ausgeschlossen, wenn 1. die Hälfte der auf den Kalendertag entfallenden beitragspflichtigen Einnahmen der Bedarfsgemeinschaft mindestens 1/40 der monatlichen Bezugsgröße entspricht oder diesen Betrag übersteigt oder 2. die Bedarfsgemeinschaft steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt oder 3. die Bedarfsgemeinschaft positive oder negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt oder 4. das Vermögen des Mitglieds oder seines Partners jeweils das Vierfache der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Zur Bedarfsgemeinschaft im Sinne von Satz 2 gehören das hauptberuflich selbstständig erwerbstätige Mitglied sowie als dessen Partner 1. der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, 2. die Person, die mit dem Mitglied in eheähnlicher Gemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c und Abs. 3a SGB II lebt, 3. der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner. Bei der Berücksichtigung der beitragspflichtigen Einnahmen nach Satz 2 Nr. 1 wird für jedes im Haushalt lebende Kind des Mitglieds oder des Partners ein Freibetrag in Höhe von einem Fünftel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV für den Kalendermonat abgesetzt; ein Absetzungsbetrag ist zu berücksichtigen, wenn für das Kind dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Familienversicherung nach § 10 SGB V oder § 7 Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) aus der Versicherung des Mitglieds oder aus der Versicherung des Partners erfüllt sind. Als Vermögen nach Satz 2 Nr. 4 sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände mit ihrem Verkehrswert zu berücksichtigen; nicht berücksichtigt werden die in § 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II genannten Vermögensgegenstände, soweit sie angemessen sind; § 12 Abs. 3 Satz 2 SGB II gilt entsprechend. Zum Vermögen nach Satz 2 Nr. 4 zählen nicht das Altersvorsorgevermögen im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) in unbegrenzter Höhe sowie das in § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II genannte Altersvorsorgevermögen, soweit es das Siebenfache der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt. Für die Beurteilung der Tatbestände nach Satz 2 sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 19. Dezember 2012 (B 12 KR 20/11 R – SozR 4-2500 § 240 Nr. 17 = BSGE 113, 1-23) entschieden, dass die Regelungen der BeitrVerfGrsSz des SpVBdKK grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung bieten. Ihre Regelungen würden als untergesetzliche Normen auch die Versicherten binden. Dem SpVBdKK werde durch § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V insoweit die Aufgabe der Rechtsetzung zugewiesen. Dem Gesetzgeber sei es durch das Demokratiegebot nicht verwehrt, für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben durch Gesetz besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen und dadurch vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abzuweichen; es müssten nur Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem parlamentarischen Gesetz vorherbestimmt sein und deren Wahrnehmung müsse der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegen. Eine "ununterbrochene Legitimationskette" von den Normunterworfenen hin zum Normgeber beziehungsweise den Repräsentanten im Normsetzungsgremium sei nicht erforderlich. Nötig seien lediglich institutionelle Vorkehrungen dafür, dass die betroffenen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Diese Vorgaben seien hier eingehalten worden. Der Gesetzgeber habe hier über die wesentlichen Fragen selbst entschieden, indem er zum Beispiel Höhe des Beitragssatzes sowie Grundlagen der Beitragsbemessung in etlichen Details, insbesondere in § 240 SGB V selbst konkret festgelegt habe. Auch entsprächen die in §§ 217a ff., § 217f Abs. 1 in Verbindung mit § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelten Organisations- und Entscheidungsstrukturen des SpVBdKK den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Organe der funktionalen Selbstverwaltung.

Bei den hauptberuflich Selbstständigen können ausschließlich tatsächlich erzielte Einnahmen zeitversetzt berücksichtigt werden. Zur Beitragsbemessung ist damit der Gewinn, ermittelt nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts, heranzuziehen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 RBSGE 104, 153-160; BSG, Urteil vom 26. September 1996 - 12 RK 46/95BSGE 79, 133, 138 ff. = SozR 3-2500 § 240 Nr. 27). Für den Nachweis des Gewinns als beitragspflichtige Einnahme kann nur der Einkommenssteuerbescheid berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08R – BSGE 104,153-160). Es können deshalb nur die Einnahmen eines bereits vergangenen Zeitraums im Sinne von § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V nachgewiesen werden, die dann als laufende Einnahmen solange bei der Beitragsfestsetzung berücksichtigt werden, bis ein neuer Einkommenssteuerbescheid vorliegt. Ein vergangenheitsbezogener Einkommensnachweis wie der Steuerbescheid ist Grundlage für eine zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung.

Das BSG hat in seinen Urteilen vom 22. März 2006 (B 12 KR 14/05 RSozR 4-2500 § 240 Nr. 5 = BSGE 96, 119) und vom 11. März 2009 (B 12 KR 30/07 R – Juris -) bestätigt, dass die besonderen Vorschriften für die Beitragsbemessung bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen in § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V voraussetzen, dass die Beiträge der freiwillig Versicherten in der Regel endgültig festgesetzt werden, da der Nachweis geänderter Einnahmen nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden darf. Offensichtlich sei auch, dass die tatsächlich erzielten Einnahmen bei den hauptberuflich Selbstständigen in der Regel nur zeitversetzt berücksichtigt werden können. Zur Beitragsbemessung ist das Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 Abs. 1 des SGB IV und damit der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit, ermittelt nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts, heranzuziehen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08R – BSGE 104, 153-160; BSG, Urteil vom 26. September 1996 – 12 RK 46/95BSGE 79, 133, 138 ff. = SozR 3-2500 § 240 Nr. 27), der nicht vor Schluss des Kalenderjahres feststeht. Für den Nachweis des Gewinns aus selbstständiger Tätigkeit als beitragspflichtige Einnahme kann nur der Einkommenssteuerbescheid berücksichtigt werden, Vorauszahlungsbescheide (§ 37 Einkommenssteuergesetz – EStG) oder die von einem Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater aufgestellte Gewinn-/Verlustrechnung oder Bilanzen dürfen im Beitragsrecht der Sozialversicherung nicht zugrunde gelegt werden (BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08R – BSGE 104,153-160). Es können deshalb nur die Einnahmen eines bereits vergangenen Zeitraums im Sinne von § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V nachgewiesen werden, die dann als laufende Einnahmen solange bei der Beitragsfestsetzung berücksichtigt werden, bis ein neuer Einkommenssteuerbescheid vorliegt. Diese Folge der Regelung ist im Gesetzgebungsverfahren auch erkannt worden. Nach dem Bericht des Bundestagsausschusses für Gesundheit sollte die Beitragsbemessung nach niedrigeren Einnahmen als in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze nur bei deren Nachweis, zum Beispiel durch die Vorlage des Einkommenssteuerbescheids erfolgen (vgl. Bundestags - Drucksache 12/3937 Seite 17), was voraussetzt, dass ein vergangenheitsbezogener Einkommensnachweis wie der Steuerbescheid Grundlage für eine zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung ist. Die damit lediglich zeitversetzt erfolgende Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen der hauptberuflich Selbstständigen ist nicht zu beanstanden. Auf einen längeren Zeitraum gesehen wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt, denn es erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, indem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt wird.

Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Beklagten mit Bescheid vom 6. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2013 zu Recht den monatlichen Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung rückwirkend für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. September 2012 auf insgesamt 376,44 EUR beziehungsweise ab 1. Januar 2011 auf insgesamt 390,13 EUR festgesetzt. Denn der insoweit maßgebliche Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes A-Stadt für 2010 vom 21. August 2012 weist monatliche Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit des Klägers in Höhe von 2.281,50 EUR (27.378,00 EUR jährlich dividiert durch 12 Monate) aus.

Die ursprüngliche Beitragsfestsetzung für die Zeit ab 1. Januar 2010 durch die Beitragsbescheide vom 1. April 2010 und 11. März 2011 war aufgrund der Einkommensschätzung des Klägers und vorbehaltlich des Nachweises der tatsächlichen Einkommensverhältnisse vorläufig erfolgt, da der Kläger als Existenzgründer noch keinen Einkommenssteuerbescheid vorlegen konnte. Eine einstweilige, vorläufige Beitragseinstufung ist nach Auffassung des Bundessozialgerichts dann statthaft, wenn der Selbstständige am Beginn seiner selbstständigen Tätigkeit bei der erstmaligen Beitragseinstufung Nachweise über seine Einnahmen durch Vorlage des Einkommenssteuerbescheids noch nicht erbringen kann. Die Krankenkassen dürfen in diesem Fall die Höhe der Beiträge eines hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen bei Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit durch einen vorläufigen Bescheid regeln.

Den Nachweis geringerer Einnahmen als dem in dem Einkommenssteuerbescheid für 2010 festgesetzten Einkommen führte der Kläger erst im Februar 2013 durch Vorlage des am 28. Januar 2013 erlassenen Einkommenssteuerbescheides für 2011.

Gemäß § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V können Veränderungen der Beitragsbemessung erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises der Einkünfte folgenden Monats wirksam werden. Nach § 7 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 BeitrVerfGrsSz bleibt das über den letzten Einkommenssteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bis zur Erteilung des nächsten Einkommenssteuerbescheids maßgebend. Der neue Einkommenssteuerbescheid ist für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen. Legt das Mitglied den Einkommenssteuerbescheid später vor und ergibt sich eine günstigere Beitragsbemessung, sind die Verhältnisse erst ab Beginn des auf die Vorlage dieses Einkommenssteuerbescheids folgenden Monats zu berücksichtigen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 2. September 2009 (B 12 KR 21/08 RBSGE 104, 153-160) klargestellt, dass der Nachweis niedriger Einnahmen ausschließlich zukunftsbezogen durch Vorlage eines Einkommenssteuerbescheides und nicht auch durch Vorlage einer Gewinn- und Verlust-Rechnung, Bilanz oder eines Vorauszahlungsbescheids des Finanzamtes (§ 37 EStG) geführt werden kann. Für den Selbstständigen gilt bei der Beitragsbemessung im Normalfall immer nur ein nach der Beitragsbemessungsgrenze ausgerichteter Beitrag, der nur auf besonderen Nachweis nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V erniedrigt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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